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Lebenszeichen …

Am Sonnabend saß ein Straßenmusiker am Rande des Wochenmarkts lässig auf einer Treppenstufe, hielt seine Akustikgitarre im Arm und zupfte mit Gefühl „The Girl from Ipanema“. Er hatte kaum begonnen, da brach die bis dahin graue Wolkendecke auf und Sonnenschein ließ auf einmal Blumen, Gemüse und Obst an den Ständen der Marktbeschicker aufleuchten. Und einige Gesichter.

Sie kennen das Lied, oder? Sehr melodisch und harmonisch, sehr relaxt. Die englische Fassung ist bekannt und nicht schlecht, doch am besten hört man es entweder instrumental (in der Version mit Akustikgitarre) oder wenn mit Gesang, dann im Original. Die Weichheit der portugiesischen (bras.) Sprache schafft das Gefühl der Entspanntheit noch intensiver zu erzeugen. Und überträgt diese leichte Melancholie …
Di-da-da / da-di-da-da-da / da-di-da-da / da-di-da-da-da  …

Dieser spezielle Moment auf dem Markt entpuppte sich irgendwie als Impulsgeber. Er ließ mich das erste Mal seit Langem wieder an die Möglichkeit des Bloggens denken. Genauer gesagt daran, dass endlich das Quäntchen Ruhe auftauchen würde, das man einfach braucht, um sich mit Lust zum Schreiben hinzusetzen.

Da sitze ich nun. Und zaudere … Die Krux ist, wenn man Wochen, Monate nichts geschrieben hat, kreisen
die Gedanken vorrangig um den Anschluss an die entstandene Lücke. Was ist nicht alles geschehen … Chronologisch angehen? Bunt mischen oder thematisch strikt getrennt? Komplett nachholen vs. Teile auslassen. Die Frage ist ja, muss man denn eine Lücke unbedingt füllen …

Wissen Sie was?
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich Ihnen zunächst einfach ein Lebenszeichen schicke. Ihnen dabei, mit einem weiterhin dank der Melodie des Girls from Ipanema entspannten Grundgefühl erzähle, dass ich vorhabe, wieder etwas häufiger zu schreiben und mich sehr herzlich bei denen bedanke, die sich zwischendurch gemeldet und nach meinem und dem Befinden der Familie erkundigt haben. Alles soweit in Ordnung – bis auf die Tatsache, dass dieses Jahr hammerhart daherkommt und immer wieder extrem kräftezehrend ist.

Nach dem Tod des Stiefpapas gab es prinzipiell viel zu erledigen, und als sich nicht lang danach meine Mutter bei einem Sturz in der Wohnung das Handgelenk kompliziert brach, verbrachte ich den Großteil einer Nacht mit ihr in der Notaufnahme. Wegen diverser Risiken wurde nicht operiert, nur gerichtet, und meine Mutter wurde, mit Gips versehen, gegen 3 Uhr morgens entlassen. Litt unter Schwindel und Schmerzen, durfte nun bloß nichts falsch bewegen oder belasten – und ich hatte neben zwei hilfs-/pflegebedürftigen Familienangehörigen, vielen Terminen und Besorgungen, auf einmal auch zwei Haushalte und zwei Gärten, die auf mich warteten.

Der Sohn zog mit Familie um ins eigene Heim, die kleine Enkelin war in der Zeit des Renovierens und Packens häufiger hier, inklusive Übernachtung. Was einerseits wundervoll war, ich möchte diese Besuche auf keinen Fall missen, aber es lässt sich nicht leugnen, ein Kleinkind hält einen fix auf Trab und beschert reichlich kurze Nächte. Sei es, weil mitten in der Nacht plötzlich ein munteres, helles Stimmchen nach einem ruft oder – im günstigeren Fall – erst morgens um kurz vor sechs jemand neben dem Bett steht und wispert: „Oma, bist du wach?“

Die Auseinandersetzung mit gleich zwei Autoversicherungen zog sich von Anfang Mai bis Ende Oktober hin. Sechs Monate! Nach vier Monaten stand endlich das Auto repariert wieder zur Verfügung – allerdings mit zu-
nächst selbst beglichener, hoher Rechnung. Die Erstattung kam nun vor zwei Wochen … Ein unverschuldeter Autounfall, der aber aufgrund der bizarren Aussage des Unfallgegners strittig war (leider keine Zeugen, Polizei und Sachverständiger legten sich nicht fest) und deshalb mit einer 50:50 Regelung endete. Sehr bitter, auch
weil nun hochgestuft wurde …

Es gab und gibt zahlreiche Arzttermine bei meinen beiden Patienten und eine längere Zeit diverse Fahrten mit der Mama. Plötzlich standen ambulante OPs an, kritische Situationen entwickelten sich aus dem Nichts, schmerzvolle Zahnprobleme traten auch auf. Im letzten Monat dann erneut eine Beerdigung. Ich musste zu eigenen Untersuchungen, zudem schlauchten wiederkehrende Infekte. Es folgten zahlreiche Werkstatttermine, Handwerker kamen wegen der Dachrinne. Die Gartenarbeit rief, das ewige Laubrechen begann ebenfalls. Eine Zeit wurde überschattet durch ein mit einem Mal konfliktreiches Verhältnis, was sehr belastend war.
Seit einigen Wochen sind es jetzt die sich verschlechternden Werte beim Gemahl und die Unsicherheit über den Fortgang der Therapie. Innere Anspannung – wohl auch angesichts der Unberechenbarkeit. Es kann sich alles so schnell ändern. Von heute auf morgen.

Aber!

Jetzt kommt das große Aber. Es gibt stets auch Gutes!
Meine Tochter hat dieses Jahr geheiratet! Der Sport, den ich vor ziemlich genau einem Jahr begonnen habe, hat Positives bewirkt. Den besseren Abbau der erwähnten Anspannung zum Beispiel. Er hilft enorm dabei abzu-
schalten. Und, was mir sehr Auftrieb gibt, der aus heiterem Himmel entgleiste Blutdruck hat sich mit Hilfe des monatelangen Trainings wieder einfangen lassen. Ohne Medikamente.

Im Spätsommer gab es eine Phase, die bei meinem Mann gesundheitlich relativ stabil schien. So beschlossen wir mutig, eine Woche Ferien an der Nordsee zu wagen. Ein bisschen Vorplanung war natürlich nötig, die machte es aber möglich, dass er während des Aufenthalts als Gastpatient in Cuxhaven die dortige Dialyse-
station besuchen konnte. Für alles andere mussten wir einfach Daumen drücken, und davon ausgehen, dass
in den sieben Tagen keine Katastrophen passieren.

Eine Woche Nordsee hört sich für Gesunde nach keiner großen Sache an. Wenn man jedoch vor gut zwei Jahren beinahe nicht wieder aus dem Krankenhaus zurückkam und seitdem, weil das Ganze nicht heilbar ist, durchgehend in Behandlung und unter Beobachtung ist, dann sieht die Sache anders aus. Das erste Mal nicht nur für ein paar Stunden außer Haus zu sein, sondern für mehrere Tage wegzufahren, sich von seinen behan-
delnden Ärzten und schneller Hilfe zu entfernen, das ist ein eigenartiges Gefühl.
In dem Fall muss man sich erst wieder trauen. Als Patient, aber auch als Angehöriger. Anreise, Ortwechsel, andere Räumlichkeiten, Luftveränderung etc. sind mit einem Mal ein ziemliches Wagnis und Abenteuer. Doch es funktionierte, und es war schön dort. Ich werde sicher separat noch von Cuxhaven berichten.

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Cuxhaven (Nordsee) - Sonnenuntergang am Döser Strand - Blick auf die Insel Neuwerk am Horizont

Cuxhaven (Nordsee) – Sonnenuntergang am Döser Strand – Am Horizont die Insel Neuwerk

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Kürzlich waren wir sogar ein zweites Mal unterwegs. Diesmal für ein Wochenende in Stralsund. Mein Mann wollte gern an einer Jahreshauptversammlung teilnehmen. Sein Fachgebiet, seine langjährigen Bekannten und Hobbykollegen. Ich als Begleitung auf der Reise  – jedoch nicht bei der Zusammenkunft und somit mit einem Tag Freizeit und eigenem Programm vor Ort!
Sie glauben nicht, wie selten es geworden ist, dass man zum einen rauskommt und sich zum anderen als Angehöriger auch wirklich nicht zuständig und frei von Verantwortung fühlt. Sich für ein paar Stunden nach nichts richten muss, sich nicht den Gegebenheiten anpassen braucht. Es fällt fernab des sonstigen Auf-
enthaltsortes und des üblichen Ablaufs merklich leichter, vermutlich auch deshalb, weil das Unterbewusstsein dort automatisch von weniger Pflichten ausgeht und mit weniger Unterbrechungen rechnet.
Es ist rar geworden und diese Zeit für mich unschätzbar wertvoll! Ich habe sie genutzt, unheimlich genossen und würde Ihnen auch gern von dort später einmal einige Eindrücke zeigen.
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Blick vom Kirchturm in der Altstadt Richtung Knieperteich und Weiße Brücken

Stralsund von oben – Blick vom Kirchturm der Altstadt Richtung Knieperteich und Weiße Brücken

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Was ich heute vorwegnehmen und Ihnen nun zum Schluss erzählen werde, ist die Episode: Bahnfahrt nach Stralsund. Ich kann Ihnen sagen, wir haben ziemlich verblüfft geschaut!

Sie können sich denken, gerade als Reisender mit Einschränkungen durch gesundheitliche Probleme überlegt man sehr genau, wie man am bequemsten und sichersten ans Ziel und wieder heimkommt. Autofahrten sind dabei nicht unbedingt immer erste Wahl. Ratsam sind folglich Orte, die nicht zu weit entfernt liegen und welche mit der Bahn – möglichst direkt! – zu erreichen sind. Kein Umsteigen. Platzreservierung! Das ist bereits die halbe Miete.

Wir trafen letzten Monat zur Abreise ins Stralsund-Wochenende am Hamburger Hauptbahnhof ein, doch unser Zug erschien überhaupt nicht auf der Anzeigetafel. Die Nachfrage bei einem sehr brummigen, wortkargen Herrn an der Information ergab, der IC wurde erst in einer knappen Stunde erwartet. Er hatte Verspätung  „wegen Bauarbeiten auf der Strecke“.
Der Zug kommt aus dem Koblenzer Raum, fährt via Hamburg über Schwerin Richtung Stralsund und letztendlich nach Binz auf Rügen. Wenn ein IC also mit Verspätung in Hamburg eintrifft, rechnet man – korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege – damit, dass die Bauarbeiten auf dem zurückliegenden Teil der Strecke waren oder weiterhin dort stattfinden. (Behalten Sie das gern im Hinterkopf.) Die aufgedrückte Stunde Wartezeit wurde mit einem Besuch beim Bäcker und einem Pott Kaffee überbrückt. Es gibt Schlimmeres.

Für die Rückfahrt am Sonntag hatten wir eine Zugverbindung am frühen Mittag, kurz vor zwölf Uhr ab Stralsund, gebucht. Wir unkten im Hotel noch, vielleicht blüht uns wieder eine Verspätung – einfach so, auch ohne Bauarbeiten auf unserem Streckenteil. Die elektronische Anzeigetafel kurz darauf am Bahnhof schien es zu bestätigen. Wir suchten jedenfalls vergeblich nach der Nummer unseres ICs. Zum Glück ist der dortige Info-Schalter am Sonntag besetzt. Die sehr freundliche Dame vom Dienst schaute uns zerknirscht an:
„Nein, dieser Zug ist leider schon lange weg. Der fuhr heute bereits um 10.17 Uhr. Wegen Bauarbeiten auf der Strecke …“

Haben Sie so einen Fall schon einmal gehabt? Dass ein Zug in die andere Richtung vom Plan abwich und eineinhalb Stunden vorverlegt wurde? Auf die Idee bin ich überhaupt nicht gekommen!

Es wurde noch ein bisschen umständlich, denn von der Info ging es zum Service, da die Zugbindung aufgehoben werden musste. Wir wollten die Sitzplätze mit umbuchen, nur es fuhr kein weiterer IC in absehbarer Zeit. Die nächsten Möglichkeiten waren Fahrten mit der Regionalbahn, was prinzipiell kein Drama ist – solange man gesund ist. So bedeutete es umsteigen in Rostock, und es ließen sich keine Plätze reservieren. Mittlerweile hatte sich in Stralsund im Bahnhof eine Menschentraube gebildet. Alles Reisende, die ebenfalls nicht im Traum auf die Idee gekommen wären, dass die Abfahrt ihres gebuchten Zuges früher und ohne sie stattfinden würde.
In Rostock und an den darauffolgenden Haltepunkten entlang der Strecke nach Hamburg stießen immer wieder weitere Gestrandete hinzu. Kurz: Es wurde brechend voll!

Die Bahnangestellten in beiden Zügen wusste rein gar nichts von der Fahrplanänderung des ICs, waren völlig überrascht vom Andrang in der jeweiligen RB und verwiesen konsequent an die Service-Points in den größeren Bahnhöfen zur Lösung etwaiger Probleme oder Klärung von Ansprüchen. Und in lebhaften Diskussionen fielen solche Bemerkungen:
„Wir kriegen das hier doch gar nicht mit! Uns liegen keine Informationen darüber vor.“
Die Rede des Zugpersonals ging – an den Fahrgast gerichtet – weiter:
„Im Zeitalter des Internets können und müssen Sie sich als Bahnkunde doch selbst über Änderungen der Abfahrtszeiten informieren.“
Ist das nicht ein wenig merkwürdig? Da weiß bahnseitig sehr oft die linke Hand nicht, was die rechte tut, es gibt keine zentrale Info, die alle auf dem Laufenden hält, aber dem Reisenden wird zugetraut und zugemutet, dass er schlauer ist als das eigene Personal.
Ich bezweifle, dass die auffindbare Information für die Reisenden immer komplett und aktuell ist, aber ich lade mir jetzt zumindest die DB-App aufs Smartphone oder twittere den entsprechenden DB-Account im Zweifelsfall zusätzlich an. So etwas passiert mir jedenfalls nicht noch einmal.

An der eigenen Verspätung ist man – wer hätte es anders erwartet – selbst schuld, der Zug fuhr ja. Sogar eher. Also keine Entschädigung. Man kann sich allerdings die Sitzplatzreservierung anteilig erstatten lassen, weil sie auf dem Rückweg nicht in Anspruch genommen wurde. Doch dazu müsste man wieder zum Service-Point … Am Reisetag ging es nicht mehr. Fahre ich allerdings jetzt im Nachhinein separat hin, bleibt durch die dafür anfallenden Fahrtkosten nichts von der Erstattung übrig …

Nette Wiedersehen gab es dafür gratis! Die Hinfahrt von Hamburg bis Schwerin haben wir in Begleitung einer Herrentruppe verbracht. Wir hatten Plätze am Tisch und saßen mit sechs befreundeten Männern, die einmal im Jahr zusammen einen Wochenendausflug unternehmen. Jeder mit Smartphone ausgerüstet und gewiss nicht App-abstinent.
Nun, auf diesen Sechserclub trafen wir auf der Rückfahrt unvermittelt wieder. Wo? Genau, in der Regionalbahn! Dem Sammelbecken aller Liegengebliebenen. Gut, das hatten die so auch nicht vorgehabt, aber selbst sie waren uninformiert und von der viel früheren Abfahrt kalt erwischt worden.

Unter uns, ich vermute stark, dass der zeitlich vorgezogene IC an diesem Sonntagmorgen als Geisterzug durch die mecklenburg-vorpommersche Landschaft fuhr …

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Das war es für heute! Lesen wir uns demnächst wieder? Das Erscheinen weiterer Beiträge folgt momentan vielleicht noch einem ausgedünnten Blogsonderfahrplan (falls hier wieder einmal Hindernisse aufs Gleis geschmissen werden) – aber zu früh tauche ich garantiert nicht auf!

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©by Michèle Legrand, November 2019

Michèle Legrand, Blog ->Michèle. Gedanken(sprünge)

 

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Grade, Gabeln und Gordon

Kann es sein, dass wir uns schon eine ganze Weile nicht mehr gelesen haben? Mir kommt es fast so vor …

Wie ist Ihnen denn unser vorzeitiger Hochsommer bisher bekommen? Damit, dass die Wärme so lange anhält, hat auch keiner gerechnet, oder? Ich werde mich hüten, mich über Sonnenschein zu beschweren, doch es war zwischendurch schon extrem heiß. Seit Wochenbeginn ist der Himmel über Hamburg etwas bedeckter, es bleibt kühler, was zwischendurch erholsam ist.
Dass diese Veränderung stattfindet, ist gewissermaßen auch logisch, denn morgen wird in meinem Bezirk für ein paar Wochen wieder der alljährliche „Sommerbeachclub“ eröffnet, was komischerweise stets schlechteres Wetter auslöst. Automatisch. Kaum stehen die Klappstühle im Sand parat, kaum wedeln die Palmen und diverse Cocktails warten auf Abnehmer, schon fällt das Thermometer. Und mit Vorliebe ist die Eröffnung obendrein der Startschuss für ausgiebige Regenfälle.

Nur, in unseren Breitengraden wochenlang ganz ohne Regen auszukommen – wie wir es bundesweit erlebt haben –, ist mehr als seltsam. Gerade bei Hitze! Wie schnell bei den konstant hohen Temperaturen mit brennender Mittagssonne aus grünem Gras braune Steppe wurde, hat man überall gesehen. Genauso das rasante Vertrocknen der Seitenstreifen entlang der Straßen oder das traurig Herabhängende in Anlagen, für
die sich keiner zuständig fühlt. Das meiste erholt sich zum Glück später wieder. Es müsste dazu nur regnen …

Bei mir im Garten kam ich wiederum gar nicht umhin zu gießen, denn speziell durch Umpflanzaktionen und Aussaaten hatte ich ein paar heikle Bereiche mit empfindlichen Kandidaten, die diese Dürre sonst nicht über-
lebt hätten.

Die Vögel kommen ständig zum Trinken, und täglich erscheint abends der Igel, nippt erst an der Vogeltränke und hält danach Ausschau nach Erdbeeren.
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Igel am Rande der Terrasse bei seinem abendlichen Streifzug ....
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Auf der Terrasse wächst eine Walderdbeere. Leider (für ihn) in einem höheren Topf, wodurch er nicht an die Früchte herankommt. Nun pflegt er entweder eine Art Teamwork mit den Amseln und frisst die Reste, die sie
ihm nach dem Picken davon am Boden zurücklassen, oder aber – der Kerl ist blitzgescheit! – er schubst mit Schwung den Topf an, so dass sehr reife Erdbeeren herunterfallen!
(Die Fotos sind in der Dämmerung aufgenommen, etwas aufgehellt, daher leider krisselig.)
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Igel in der Dämmerung zwischen Tontöpfen auf der Suche nach Nahrung ...
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Igel in der Dämmerung auf Erdbeersuche

Igel in der Dämmerung auf Erdbeersuche

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Am Freitag vor zwei Wochen fiel der ersehnte Regen. Der erste Niederschlag seit Anfang Mai! Ein kräftiger Landregen, in der Nacht gab es noch einmal Nachschlag. Heftig, so dass es über die Dachrinne hinausschoss, aber recht kurz. Zum Glück kein Unwetter mit umstürzenden Bäumen oder volllaufenden Kellern. Und weil es
so harmlos ausfiel und hochwillkommen war nach all den Wochen, wurde es auch von allen bejubelt.
Regen! Endlich!
Dass man sich darüber im sonst nassen Norden einmal freuen würde, kann man selbst kaum glauben.

Ich war noch während des Regens barfuß draußen im Gras. Die Vögel um mich herum im Gebüsch flippten aus vor Begeisterung, ihr euphorisches Gezwitscher nahm gar kein Ende. Das Laub sah toll aus! Die Blätter wirkten nicht mehr eingestaubt und schlapp, sondern wie frisch poliert, und sie richteten sich stolz auf. Zwei heiße Tage später lechzten sie allerdings bereits wieder nach Wasser.

Es war ungewohnt zu lesen, dass Urlauber, die ihre Ferien auf den Balearen oder in Kalifonien verbrachten, angesichts der dort vorherrschenden, wesentlich niedrigeren Temperaturen fast ein bisschen düpiert re-
agierten. Doch wenn man im nur mäßig temperierten, dicht bewölkten Palma de Mallorca erfahren muss, dass derweil im heimischen Ulm, Castrop-Rauxel, Neumünster, Erfurt oder Aurich entschieden molligere Zeiten herrschen und auch die Strände an Ost- und Nordsee mit Traumwetter locken, kann man die Reaktion nachvollziehen. Erstaunlich war für mich die Tatsache, dass selbst in Skandinavien schon im Mai diese Sommertemperaturen herrschten. Im wirklich hohen Norden!

Aber was wollte ich Ihnen eigentlich heute erzählen? Ich muss gestehen, in den Wochen der Hitze und mit weiterhin einigen familiären Sorgenmomenten hier daheim, war ich nicht unterwegs, und für längere Blogartikel fehlte sowieso die Muße.
Manchmal lande ich in solcher Situation am Abend bei Twitter. Hinterlasse dort eine kurze Bemerkung, poste ein Foto vom Tag, lese vielleicht auch nur ein paar Minuten mit. So etwas bekommt man selbst müde noch in
den Tagesplan geschoben und hat auf die Art nicht das Gefühl, man sei komplett abgeschnitten von allem. Angenehm, wenn man nach Lust und Laune aktiv werden kann, es aber nicht sein muss.
Nun schrieben mir kürzlich zwei Blogstammleser, sie wären selbst nicht bei Twitter und würden es vermissen, dass hier im Blog rechts auf der Startseite nicht mehr meine Tweets auftauchten. (Ich hatte die direkte Ver-
bindung zu Twitter aus Datenschutzgründen entfernt.) Das wäre – so hieß es weiter – sonst „immer so nett“ gewesen, dort mitzulesen.

Aus diesem Grund lasse ich den Nichttwitterern unter Ihnen heute eine kleine Auswahl spezieller Tweets hier – ohne dass Sie dafür Daten preisgeben müssen.

Sie können zum einen sehen, dass es bei Twitter einen kleinen Reimwettbewerb gibt, der unter dem Hashtag #reimbattle läuft. Vorgegeben werden drei Wörter, die in einem Gedicht unterzubringen sind. Auch wenn es nicht alle so eng sehen, ist es eigentlich der Ehrgeiz, einerseits mit der normalen, sehr begrenzten Tweetlänge auszukommen und andererseits dabei etwas halbwegs Sinnvolles zusammenzubasteln – was angesichts ungewöhnlicher Wörter und vor allem merkwürdiger Wortkombinationen nicht immer ganz einfach ist!

Für nachfolgenden Reim lautete die Vorgabe: Verwende die Begriffe Wunschbrunnen, Diät und Brillenband
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Gedicht Wunschbrunnen für Reimbattle Twitter

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Ein weiteres Mitmachprojekt von @ DasFotoprojekt läuft unter dem Hashtag #JedeWocheEinFoto. Jeden Sonntagabend um 20 Uhr wird ein Motto für die kommende Woche mitgeteilt. Begriffe wie Zukunft, Natur, Symbol, Nostalgie, Rückspiegel, Erinnerungen, zweckentfremdet u. v. m. werden fotografisch umgesetzt und in der laufenden Woche gepostet. Wichtig ist, dass es sich um neu erstellte Bilder, nicht um Archivaufnahmen handelt.
Letzte Woche gab es ein besonders reizvolles Thema, bei dem die Interaktion entsprechend hoch ausfiel.
Die Aufgabe lautete: Bilderrätsel!

Ich habe Ihnen meinen Tweet samt Foto zum Mitraten heute hier eingestellt. Haben Sie eine Idee?
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Bilderrätsel für Fotoprojekt Twitter (Gabelstapler)

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Und zum Abschluss möchte ich Ihnen noch den Tweet zu einem Anruf hinterlassen, den ich kürzlich erhielt. Vielleicht kennen Sie die gelegentlich etwas gebrochen Englisch sprechenden Herren, die manchmal vorgeben, im Auftrag von Microsoft/Windows anzurufen. Um Ihnen – fürsorglich wie sie sind – bei Computer- oder Sicherheitsproblemen zu helfen. Sie müssten bitte vorher nur kurz Ihr Passwort preisgeben …
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Gordon am Telefon - Tweet zu einem Phishing-Anruf
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Ach, all diese Gordons, Petes und Jims … Sie fallen nicht auf dieses dreiste Phishing herein, nicht wahr?

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Konnte der eventuell vorhandene Tweets-Hunger vorerst ein wenig gestillt werden? Ja? Das ist gut, denn ich müsste jetzt Feierabend machen für heute. Jedoch nicht, ohne Ihnen weiterhin schöne, sonnige, dabei jedoch nicht zu heiße Zeiten zu wünschen!
Vielleicht lesen wir uns bald wieder. Es würde mich freuen.

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© by Michèle Legrand, Juni 2018
Michèle Legrand

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90 Jahre später …

Heute geht es um Kacheln. Sie kamen mir vor zwei Stunden über einen kleinen gedanklichen Umweg in den Sinn. Erwähnenswerte Kacheln und Fliesen. Und sonderbare Umstände. Das ganze Drumherum ist jedenfalls bemerkenswert.
Erstaunlich finde ich auch, wie so ein gedanklicher Umweg einen gelegentlich ganz schön weit außen herum leitet, bevor er urplötzlich das Ziel anzeigt. Ehe jedenfalls das Blinkzeichen „Kacheln!“ im Kopf auftauchte, floh ich vorhin zunächst vor sintflutartigen Regengüssen. Sonst säße ich jetzt gar nicht seelenruhig am Laptop, sondern würde weiter den sich entwickelnden Gartendschungel bändigen.
Was hier zwischendurch immer wieder in allerkürzester Zeit an Wassermassen herunterrauscht, ist schier unglaublich! Alles wächst, doch ganz gleich ob eher hoch oder niedrig, ob Baum, Strauch oder Staude –
Zweige und vor allem frische Triebe werden von diesen Niederschlägen komplett zu Boden gedrückt. Sind platt angesichts des Gewichts, das auf ihnen lastet. Man glaubt kaum, dass sich zarte Pflänzchen und Blüten davon erholen. Blumenstängel überhaupt noch einmal aufrichten! Doch erstaunlicherweise ist oft genau das der Fall. Hartgesotten, diese Blumen.

Blumen! Das Stichwort! Der Gedankenauslöser in der Kachelsache! Warum?
Blumen Petzoldt! Sie werden das gleich verstehen …

Hamburg - Wandelhalle Hauptbahnhof - Blumen Petzoldt (Ansicht von außen)

Hamburg – Wandelhalle Hauptbahnhof – Blumen Petzoldt

Nur einmal angenommen, Ihre (Ur-)Großeltern Lene und Paul wären im Jahr 1926 per Zug nach Hamburg gereist, um dort an der Hochzeit der Patentante Ihrer Oma teilzunehmen. Nach der Ankunft hätten Sie vermutlich beim Verlassen des Hauptbahnhofs schnell noch am Ausgang die gute Gelegenheit genutzt, einen aparten Gratulationsstrauß bei Blumen Petzoldt zu erstehen, denn ein direkt von daheim mitgebrachtes Blumengebinde hätte die lange Fahrt ohne Wasserversorgung mit Sicherheit nicht überstanden.
Wahrscheinlich entschieden sie sich für zart duftende Rosen mit Schleierkraut.
So wie sie sich daran später hätten erinnern können, so hätten Ihre Großeltern garantiert in einer Ecke ihres Gedächtnisses auch die Ladeneinrichtung abgespeichert, weil ihnen die Fliesen- und Kachelkombination auffiel, das gesamte Interieur sehr heimelig und besonders wirkte und daher spontan ihr Gefallen fand.
Besonders die Wand- und Deckendekoration. Diese ins Türkis gehenden, farblich changierenden, an vielen Stellen eher grünlich schimmernden, quadratischen Wandkacheln. Nicht versetzt gefliest, sondern gerade,
die Fugen exakt über- und nebeneinander angepasst. Immer wieder kleine Kachelkunstwerke mit expressio-
nistischen Ornamenten, mit einem etwas abgesetzten, farblich passenden Zierfries mit einer Art Zackenmuster als oberen Abschluss. Die türkisfarbenen Fliesen kommen auch für die Gestaltung der Einrichtung selbst zur Verwendung. Podeste für Vasen, Tresen etc. sind ebenfalls damit verkleidet.
Dazu finden sich auf einigen kleineren Wandstücken in Nischen sowie knapp unter der Decke und schließlich als gesamte Deckenverkleidung im Format etwas kleinere, ebenfalls quadratische, nicht völlig glatte, sondern leicht strukturierte Kacheln. Sie leuchten in verschiedenen braun-gold-ocker Tönen, vom dezenten und indirekten Licht mehrerer walzenförmiger Deckenlampen aus mattem, weißem Glas und mit feinen, gleich-
mäßigen, dunklen Streben in Längsrichtung verziert, zusätzlich effektvoll in Szene gesetzt. Solche Röhren finden sich nicht nur unter der Decke, sondern auch senkrecht ausgerichtet an den Wänden.
Keine strohhalmdünnen, kalt leuchtenden Neonröhren! Denken Sie eher an Bananen ohne Schale, dann stimmen die Proportionen und die Farbe besser. Auch bei diesen braun-goldenen Kacheln finden sich wieder farblich passende Zierelemente, die einzelne Stellen hervorheben, kleine Absätze betonen und ebenfalls einen Abschluss bilden. Die Decke ist nicht eine langweilige Fläche ohne Unterbrechungen, sie hat Versatz, hat kasettenähnliche Aussparungen und Vertiefungen.
Im Raum verteilt an den Wänden tauchen nahezu edel wirkend und geschickt platziert Spiegel auf, die den Raumeindruck bestimmen, ihn beeinflussen und obendrein grandios die üppige, bunte Blütenpracht in den Vasen optisch vervielfachen …

Hamburg - Wandelhalle Hauptbahnhof - Blumen Petzoldt - Kacheln aus den 20er Jahren ...

Hamburg – Wandelhalle Hauptbahnhof – Blumen Petzoldt – Kacheln aus den 20er Jahren …

Sie merken, ich bin ein wenig am schwelgen, obwohl dies in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ein nicht unbedingt sensationell außergewöhnlicher Stil war. Dennoch stand für diese Ladengestaltung ganz augenfällig ein aufwändigeres Konzept an, als es im Durchschnitt üblich war.
Die Einrichtung ist eine Sache, doch passen Sie auf, jetzt kommt das etwas Sonderbare:

Nehmen wir nun an, nach der ersten gemeinsamen Tour im Sommer 1926, fährt Ihr Großvater anno 1942 wegen einer ominösen Vorladung alleine nach Hamburg, kommt an der bekannten Stelle im Hauptbahnhof vorbei und erzählt Oma Lene später bei der Heimkehr, er hätte entdeckt, dass der Blumenladen so nicht mehr existiert. Die Kacheln sind nicht mehr da. Lampen weg, alles weg. Ihre Großmutter ist darüber sehr betrübt.

Die Jahre vergehen, mittlerweile haben wir 1960. Nun reist wiederum Oma Lene per Zug zum 70. Geburtstag der Patentante Richtung Norden. Sie entdeckt völlig verblüfft, dass es das schöne Blumengeschäft sehr wohl gibt! Im Hauptbahnhof und ganz so, wie sie es in Erinnerung hat. Mit seinen schönen Kacheln und der gesamten Einrichtung!
Wieder daheim stutzt sie daraufhin Opa Paul ein wenig zurecht, meint, er könne wohl nicht richtig gucken …
Ihr Großvater weist einen Irrtum weit von sich und so hängt der Haussegen kurzzeitig etwas schief.
Auch als Lene in den 70er Jahren nach Hamburg, diesmal leider zu einer Beerdigung, anreist, findet sie das Geschäft wie gewohnt vor. Sehr vorsichtig hat der Paul nachgefragt, als sie zurückkehrte.
„Und …, Lene?“
„Wenn ich’s dir doch sage, Paul! Der Laden ist da!“, erwiderte Lene recht energisch.

Die nächste Fahrt unternimmt daraufhin Ihr Großvater Paul. Ihn führt es im Jahr 1989 erneut in die Hansestadt, da sein Männergesangsverein Gründungsjubiläum hat und dies gebührend mit einem Hamburg-Besuch feiert. Selbstverständlich muss er sich am Hauptbahnhof vergewissern, dass das stimmt, was Lene felsenfest behauptet hat. So, und wo ist nun …? Von wegen, der Laden ist da!
Die Wandelhallenbrücke, an der sich das Geschäft von Blumen Petzoldt befand, ist abgerissen! Kein Laden, keine Kacheln! Brühwarm berichtet er zu Hause den Stand der Dinge und mit einem Hauch von Triumph in der Stimme beharrt er erneut auf einer Nichtexistenz von Kacheln und Co.  Lene tendiert sogar dazu, ihm zu glauben. Wenn da schließlich alles abgerissen wurde …

Ihre Großeltern, mittlerweile hochbetagt  – wundern Sie sich nicht, beide sind sehr alt geworden, sie gehören entfernt zum Clan der  Heesters’ aus den Niederlanden und habe gute Gene – fahren 1992 gemeinsam zur Taufe der Urgroßnichte nach Hamburg. Und nun raten Sie einmal, was sie vorfinden …
Genau, Blumen Petzoldt! Samt der für sie gewohnten Einrichtung und der typischen Verkachelung! Verdutzt geblinzelt, zweimal hingeschaut, doch der Laden ist immer noch da …

Eigenartig, oder? Wie passt das zusammen?
Es ist grundsätzlich vorstellbar, dass ein Geschäft irgendwo in einer kleinen Nebenstraße in einem Altstadtviertel oder vielleicht noch eher auf dem Land in einem Dorf durchgehend seit 1926 besteht und nie etwas an dessen Einrichtung verändert wurde. Aber hier? War der Laden samt ganz spezifischer Kacheln nun immer da oder nicht?
Wer von beiden hat  nach seiner jeweiligen Einzelreise Tüdelkram von sich gegeben. Wer hat nicht richtig hingesehen oder leidet unter Halluzinationen. Oder haben am Ende doch beide recht?

Des Rätsels Lösung sieht so aus:
Blumen Petzoldt eröffnete 1925/1926. Eindeutiges Erkennungsmerkmal und Besonderheit waren damals die farblich lasierten Tonwaren und die spezielle Nutzung und Verarbeitung der Kacheln an Wänden sowie Decke. Und natürlich die darauf abgestimmte Einrichtung mit ihren stilvollen Lampen etc.

Während der Zweite Weltkrieg tobte, musste in Hamburg immer mit der Bombardierung gerade des strategisch wichtigen Hauptbahnhofs gerechnet werden. Es wäre immer schlimm gewesen, doch es hätte auch leidgetan um die Kachelschönheiten … Also nahm man sie in dieser Zeit ab und lagerte sie während der Kriegsjahre außerhalb der Stadt. Wobei ich mir als Laie vorstelle, dass man nicht jede Kachel herunter-
klopfte, sondern dass ganze Wandteile, also inklusive Mauerwerk, herausgenommen wurden. Paul konnte
somit 1942 nichts vorfinden.
Später kam alles wieder an seinen Platz, der Laden erstrahlte im alten Glanz. Lene erwischte folglich in
den 60er und 70er Jahren stets Phasen, in denen alles bildschön hergerichtet war.

Mit der stetigen Zunahme des Zugverkehrs standen bauliche Veränderungen des Hauptbahnhofs an. Unter anderem wurde 1985 die Wandelhallenbrücke abgerissen. Und erneut traf man Vorsorge, dass die Ladeneinrichtung nicht etwa beim Bauschutt landete. Insgesamt 4500 einzelne Einrichtungsteile wurden abermals vorsichtig abgenommen und diesmal im Museum für Kunst und Gewerbe aufbewahrt. Das
war sicher und praktisch zugleich; das Museum befindet sich nämlich in Sichtweite des Hauptbahnhofs.
Der Weg war also denkbar kurz. Paul, der genau in diesen Umbauzeiten eintraf, konnte natürlich wieder
einmal keinen Laden entdecken.

Die Bauarbeiten im Bahnhof und am Südsteg nahmen geraume Zeit in Anspruch. Die neue Wandelhalle mit der Ladenzeile, wie sie in der heutigen Form existiert, feierte erst im Jahre 1991 Eröffnung. Ein weiteres – und vorläufig letztes – Mal fanden Kacheln und Einrichtung ihren Weg zurück an den alten Ort. Das Blumengeschäft feierte erneut seine Auferstehung.

Sie merken, die Großeltern Lene und Paul befanden sich bei ihren Alleinreisen jeweils in ganz unterschiedlichen Zustandsphasen in Hamburg. Beide konnten also ihren Augen durchaus trauen und erzählten stets absolut die Wahrheit.

Hamburg - Wandelhalle Hauptbahnhof - Blumen Petzoldt und eine der über 100 Hummel-Figuren von 2003

Hamburg – Wandelhalle Hauptbahnhof – Blumen Petzoldt und eine der über 100 Hummel-Figuren von 2003

Nun können Sie sich bestimmt vorstellen, dass diese Prozedur des Entfernens und neu Anbringens nicht gerade eine Kur für die Kacheln ist, dass es im Hauptbahnhof durch die Züge Erschütterungen gibt und dass
an ihnen ganz generell der Zahn der Zeit nagt, wie an allem und jedem. So ist es nicht verwunderlich, dass gebranntes Material porös wird, Risse bildet, bricht und irgendwann ein Austausch von Teilen nicht mehr zu vermeiden ist.
Nur das ist nicht so ohne!
Eben weil es eine der ganz wenigen noch erhaltenen Ladeneinrichtungen aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ist, steht das Interieur unter Denkmalschutz und das heißt, man kann nicht in den Baumarkt gehen und kurzerhand irgendwelche Ersatzfliesen anschleppen. Es werden originalgetreue, passende Kacheln benötigt, ein Ersatz, der dem alten Material entspricht und ebenfalls die besonderen Farben und Ornamente aufweist.
Es muss ein Profi für das Fehlende heran, der durch sein Fachwissen und Können in der Lage ist, derartige Keramiken nachzubilden und nachzubrennen. Vor etwa zwei Jahren war von 70 Fliesen die Rede, die auf Austausch warteten und von Kosten, die sich ganz schnell im Bereich hoher, fünfstelliger Beträge bewegten.

Gibt es so einen Fliesenkünstler? Falls Sie Stammleser hier sind, erinnern Sie sich möglicherweise noch an Hans Kuretzky. Das war jener Möllner Baukeramiker, der damals für die Restaurierung der Fassade des Kontorhauses Pinçon im Neuen Wall in Hamburg meisterhaft neue Fliesen im alten Stil herstellte. Ihn beauftragte man auch hier mit den Arbeiten. Bei ihm kann man absolut sicher sein, dass er es nicht nur kann, sondern obendrein so gut hinbekommt, dass später keinem der Unterschied zwischen alten und ergänzten, nachgebrannten Kacheln auffällt.

So würden Großmama Lene und Großpapa Paul (wären Sie nicht inzwischen doch aus Altersgründen verschieden) auch heute, 90 Jahre später, bei einer Anreise zur Verlobung der Urenkelin und anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Wandelhalle, wie 1926 wieder inmitten der altvertrauten Einrichtung ihre Blumen aussuchen. Zart duftende Rosen mit Schleierkraut …

Schauen Sie doch einmal herein, wenn Sie am Hamburger Hauptbahnhof vorbeikommen! Die Fotos zeigen lediglich den Eindruck von außen. Erst wenn Sie eintreten, sehen Sie natürlich alles richtig!
Denken Sie daran, eine Garantie dafür, dass die alte Einrichtung noch weitere 90 Jahre in dieser Form gehegt und gepflegt wird, gibt es trotz Denkmalschutz nicht. Lieber rechtzeitig schauen …
(Dabei könnten Sie natürlich auch gleich ein paar Blumen erstehen – das wird hin und wieder durch die ganze Kachelattraktion am Ende komplett vergessen.)
Es ist übrigens nicht die kleine Petzoldt-Dependance am Bahnhofsausgang zum Glockengießerwall und zur Spitaler Straße, sondern es handelt sich um das Geschäft auf der entgegengesetzen Seite Richtung Kirchenallee.

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© by Michèle Legrand, Juni 2016
Michèle Legrand - Freie Autorin

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Und die Zeit, und die Zeit, und die Zeit …

Garten im Mai mit Glyzinie, Clematis, Spanischem Hasenglöckchen etc.

Ganz kurz heute nur! Ein kleines Lebenszeichen mit einem Gruß aus dem Garten!

Dazu die Ankündigung, dass es vermutlich morgen bereits einen neuen, umfangreicheren Blogbeitrag gibt,
für den Sie dann wieder etwas mehr Zeit und ein wenig Muße gebrauchen könnten.
Es wird etwas zum in Ruhe Schmökern, zum Anschauen, zum nebenher Gedanken spielen lassen.

Dabei wird es um Kesselfallen, um Stapeltiere, um Menschen auf Brettern, um Pflicht und Kür und um den
alten Manet in der Hamburger Kunsthalle gehen.
Vielleicht haben Sie Lust, wieder mit von der Partie zu sein.
Bis bald!

Ich bin leider noch eingespannt und muss wieder ran. Wie Monsieur Bécaud bereits sang:
Und die Zeit, und die Zeit, und die Zeit …

Ihnen ein schönes Wochenende!

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© by Michèle Legrand, Juni 2016
Michèle Legrand ©Foto Andreas Grav (Ausschnitt)

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Einfach runterkommen. (Nix Sexismus. Nix Grimme-Preis-Nominierung)

Michèle Legrand ©Foto Andreas Grav (Ausschnitt)Eine ereignisreiche Woche ist vorüber. Artikel standen an. Geballt.
Und doch ist hier nichts erschienen, wie Sie vielleicht bemerkt haben.
So geht es, wenn auf Wunsch produziert wird. Auf fremden Wunsch. In dem Fall gehen Sie leider kurzzeitig leer aus, denn meine Arbeit bleibt im Verborgenen. Oder Sie lesen sie irgendwann und ahnen nicht, dass sie ursprünglich hier entstand.
An meinem Laptop.
Das kann auch sein.

Ich bin etwas ausgepowert. Und so, wie es hier bei mir im Blog mit Ihnen läuft, bedeutet dies, dass heute leider kein langer Spaziergang drin ist, keine Architekturfortbildung, kein Ausflug in die heimische Flora, kein unter die Lupe nehmen der Neophyten.
Nicht einmal ein Grundthema gibt es!
Warum Sie dennoch bleiben sollten?
Zum Abschalten. Ich lade Sie heute einfach zu einem Kaffee ein, wir klönen ein wenig und läuten auf diese Art und Weise entspannt das Wochenende ein. Fast wie in alten Zeiten, als hier immer am Freitag der Freitags-Boo erschien. Ein kurzer Hörbeitrag, bei dem ein wenig die Woche aufgearbeitet wurde. Nichts Vorgefertigtes. Erzählen ohne Manuskript. Manchmal kamen auch sprachliche Feinheiten vor, Kurioses …

Wie war Ihre Woche? Stress …? Ging so …?
Als ich eben ganz kurz über ein aktuelles Thema nachdachte, über das es Wert wäre zu bloggen, stolperte ich sekundenlang über diese unsägliche Sexismus-Diskussion. Unsäglich nicht grundsätzlich, aber in Anbetracht der Ausgangssituation und in der Art wie und vor allem wie lange jetzt daran herumgewrungen wird. Damit lässt sich Quote machen.
Ich spreche gar nicht von den Einschaltquoten beim Fernsehen. Ich spreche von Klicks auf den Seiten der Blogger. So wie scheinbar endlos im TV palavert – Verzeihung, berichtet – wird, sich ein Sender nach dem anderen einschaltet, so springen zahllose Blogger auf diesen Zug auf, in der Hoffnung auf ein bisschen Ruhm und Glanz, Traumzahlen bei den Seitenklicks und, und, und …
Da wird aus wirklich guten, sachlichen Texten geklaut und wiederholt, verändert, gemutmaßt, gesteigert, polemisiert, sich echauffiert, der Proll herausgelassen, provoziert, gekeift, moralisiert, auf die Tränendrüse gedrückt … Das ganze Programm. Dazu natürlich ein ketzerischer, aufrüttelnder – auf jeden Fall auffallender Titel. Und nicht zu vergessen, das richtige Schlagwort! Das perfekte Keyword muss massenhaft und an den richtigen Stellen untergebracht, der richtige Hashtag eingesetzt werden (#Aufschrei).
So Ruhm, jetzt komm zu mir …
Ich habe dazu keine Lust. Punkt.
Ich mag die Degenspitze, die einmal zielgenau zusticht. Ohne große Verletzung der Umgebung. Nicht das wilde, blutreiche Gemetzel mit Säbeln.

Auch der Aufschrei bzgl. der Nominierung des Dschungelcamps für den Grimme-Preis lässt mich kalt und kommt mir als Heul- und Weinthema nicht in den Blog.
Und ansonsten?
Hier in Hamburg ist gerade wieder einmal der Ruf nach der Herabsetzung des Wahlberechtigtenalters laut geworden.
Werden Sie auch gerade so müde …?
Übrigens, wussten Sie, dass ich damals schon mit 16 Jahren wählen durfte?
Ich entschied mich dann für Kaffee statt Kakao.

Politikthema also nicht. Wie wäre es mit Kultur oder Sport?
Nein, liebe Leser nichts dergleichen, d. h. vielleicht können wir es doch beim Kaffeetrinken unauffällig einbinden.
Sagen Sie, haben Sie Ihren eigentlich schon bekommen?
Das dauert heute irgendwie ein bisschen lange …
Ach, jetzt weiß ich warum! Sie bekommen heute Latte Art serviert!

1_Latte Art - allein durch die Gießtechnik ...

Latte Art – allein durch die Gießtechnik …

Latte Art - gießen und malen ...

Latte Art – gießen und malen … (hier wurde vermutlich auch ein Schablone verwendet und Pulver gestreut)

Latte Art - Hasenkunst im Wiener Kaffeehaus ...

Latte Art – Hasenkunst im Wiener Caféhaus …

Ich vermute, Sie haben selbst schon einmal so etwas gesehen und den Begriff gehört. Ansonsten eine kleine Erklärung am Rande:
Manche Baristas in Kaffeehäusern, Restaurants oder auch guten Coffee Shops, haben die Fähigkeit, auf Espresso-Getränken wie Cappuccino, Latte Macchiato oder zum Teil auch auf Cafè Latte, richtige Kunst (= art) zu gestalten. Auf heißt in dem Fall auf der Milchschaumfläche (ital. latte = Milch).
Das Zusammenspiel zwischen Konsistenz und Dichte des Schaums und der Crema ist wichtig und insbesondere die Weise des Eingießens! Manche Künstler schaffen Motive allein durch ihre Gießtechnik (Blattformen, Schwan, etc.)
Andere beginnen damit. Bei ihnen sind es quasi die Vorarbeiten, die beim Einschenken durch die Strömungskraft des Milchschaums geleistet werden. Hinzu kommt die Fertigkeit, mit Stiften, Schokoladensoßen oder auch mit Schablonen – manchmal auch einem Mix aus allem – ein Bildnis zu schaffen. Schaum wird geteilt, gezogen, verbunden, hell und dunkel vermischt …
Wenn Sie einmal Künstler in Aktion erleben möchten, schauen Sie sich Videos auf YouTube an. Es ist erstaunlich und macht Spaß, den Akteuren und Könnern zuzusehen.
Dies hier (Gießtechnik) habe ich bei Jamie Oliver in Oxford bekommen:

Latte Art - gegossen - bei Jamie Oliver in Oxford bekommen ...

Latte Art – gegossen – bei Jamie Oliver in Oxford bekommen …

Und eines aus dem Wiener Caféhaus in Hamburg:

Latte Art - Gekonnt gegossen, danach mit dem Stift den Schaum bearbeitet (gezogen) und mit hell und dunkel gespielt (Augen gemalt)

Latte Art – Gekonnt gegossen, danach mit dem Stift den Schaum bearbeitet (gezogen) und mit hell und dunkel gespielt (Augen gemalt)

Geht es Ihnen auch so, dass Sie so ein Kunstwerk dann gar nicht zerstören mögen? Ich habe es mir immerhin fotografisch erhalten und erst danach angefangen, es vorsichtig mit dem Löffel abzutragen …

Die Zeit vergeht wieder so schnell. Es ist Freitagnachmittag, das Wochenende greifbar nah. Stehen Ihre Pläne schon? Oder müssen Sie etwa gerade am Wochenende arbeiten? Ich hoffe nicht …
Mein Wochenende wird ruhig. So habe ich es mir jedenfalls vorgenommen. Ausspannen und zwischendurch Stepschritte üben. Blogstammgäste wissen, ich bin ein Steptanzanhänger. Eine Tap Dance Abhängige.
Möchten Sie wissen, womit ich mich gerade beschäftige? Mit dem Teil einer Choreographie aus dem Film „The Artist“. Ich lasse Ihnen den Link zu einer Tanzszene auf YouTube hier, dann haben Sie eine Vorstellung, was mir übungsmäßig noch bevorsteht.

(Hinweis/Nachtrag April 2018: Das Video wurde leider zwischenzeitlich von der Videoplattform entfernt.)
Die haben ein ziemliches Tempo, die Herrschaften, nicht wahr? Ich las,  die Stepszenen für diesen Film seien ein halbes Jahr lang geprobt worden. Die Akteure waren vorher keine Steptänzer, hatten jedoch ihre übliche umfangreiche Schauspielausbildung, nach der man tänzerisch vorgebildet ist und auch einige Step-Grundschritte vermittelt bekommen hat. Alles andere jedoch erarbeiteten sie sich durch fortwährendes, intensives Training.

Wie sieht es aus? Haben Sie es bemerkt?
Wir haben Kultur und Sport mühelos mit untergebracht …
Ist Ihre Tasse leer?
Gut, meine auch. Dann lassen Sie uns auseinandergehen.
Wir treffen uns demnächst wieder. In alter Frische.

Bis dahin machen Sie es gut!

©Februar 2013 by Michèle Legrand

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Aralia elata – Ein Jahr mit dem Teufelskrückstock …

Er wird in diesem Jahr 17. Von klein auf an lebt er hier, wurde von mir hochgepäppelt, und ich mag ihn. Meinen stachligen Kumpel. Er soll heute das Thema sein.

Aralie (Aralia elata) im Januar bei leichtem Schneefall ...

Aralie (Aralia elata) im Januar bei leichtem Schneefall …

Ganz richtig, es geht diesmal nicht um ein Kontorhaus, sondern um einen speziellen Baum bzw. Großstrauch.
Schön, dass Sie aufgepasst haben … ^^
So sieht er just am heutigen Tag aus, nachdem ihn Schnee leicht überzogen hat.
Erkannt? Nicht?
Nur mäßig begeistert?
Warten Sie einmal ab …

Sie kennen vorangegangene Blogposts der Kategorie Garten?
Falls nicht, sollten Sie um meine Einstellung wissen, die besagt, dass ich kein weiteres Lexikon bin und dass es höchst überflüssig und unschön ist, wenn bereits existierende (gute) Texte und Beschreibungen en masse aus Lexika (Wikipedia) oder Fachliteratur kopiert und dann im Blog erneut aufgetischt werden. Identisch!
Wozu? Was soll Ihnen das bringen?
Ich denke, nach etwas googlen können Sie selbst, dazu brauchen Sie nicht mich. So wie Sie mich eigentlich überhaupt nicht brauchen – es kann nur sein, dass Sie mich brauchen möchten …^^

Kennen Sie den Japanischen Angelikabaum, die Stachel-Aralie oder den Teufelskrückstock?
Das sind nicht drei verschiedene Dinge, sondern damit ist immer ein und dieselbe Pflanze gemeint, die ich fortan (obwohl es ca. 73 Arten der Aralia gibt) hier nur kurz Aralie nenne.
Teufelskrückstock klingt sowieso viel zu gemein für den schönen Baum.
Dieses – eines meiner Lieblingsgehölze – stelle ich heute unter anderem anhand einer Reihe von Bildern vor, die ich über ein ganzes Jahr hinweg aufgenommen habe, beschreibe seinen Weg in meinen Garten, stelle Überlegungen an, wie man die Wahl einer Pflanze überhaupt angeht und möchte Ihnen vermitteln, warum diese ein richtiger Jahreszeitenanzeiger ist.
Vielleicht haben Sie Lust, die Aralia elata kennenzulernen. Selbst wenn Sie sonst kein Gartenfreak sind, könnten Sie heute einfach mitmachen. Spontan hierbleiben …

Wenn Sie ein neues Gewächs für Ihren Garten suchen oder bereits im Auge haben, was ist wichtig zu klären, bevor Sie es definitiv anschaffen und auspflanzen?
Richtig, Sie sollten sich Gedanken machen und ein paar Dinge überprüfen:
Was können Sie ihrem Neuzugang bieten? Wie viel Platz steht zur Verfügung? Nicht nur am Beginn, sondern auch mit Hinblick auf die endgültigen Maße der ausgewachsenen Pflanze.
Wie ist die Lage (Ausrichtung)? Wie ist das Licht? Nur Schatten? Heiße Mittagssonne? Irgendetwas dazwischen?
Wie ist die Bodenbeschaffenheit? Sandig, lehmig, humusreich, herrscht Staunässe?
Ist er tiefgründig? Sauer, neutral oder fast schon basisch? Trocken, verwurzelt, … irgendwie schwierig?
Wie ist das Klima? Nicht nur die allgemeinen klimatischen Verhältnisse spielen eine Rolle, auch das Mikroklima ist wichtig – in diesem Fall ist damit gemeint, wie die klimatischen Umstände in ihrem Garten, ihrer unmittelbaren Umgebung sind. Was muss ihre Pflanze aushalten oder kompensieren können?

Andererseits sollten Sie sich auch fragen, welche Eigenschaften Sie wiederum bei der Pflanze vorzufinden erhoffen.
Welchen Zweck hat sie zu erfüllen? Soll sie Sichtschutz sein, Sonnenschutz/Schattenspender, Windschutz, oder soll sie einfach nur optisch schön sein?
Soll sie einheimisch sein oder darf sie auch anderswo herstammen?
Soll sie duften? Insektennahrung sein? Eher die Wildform oder eine spezielle Züchtung? Viel Aufmerksamkeit beanspruchen oder pflegeleicht sein? Nur in einer Jahreszeit der Hingucker, aber ansonsten unscheinbar? Schnell wachsend, langsam aufstrebend? Kann sie sich ausbreiten oder wollen Sie sie in Form schneiden? Sommergrün, wintergrün, immergrün …?
Fragen über Fragen.

Und was tun Sie dann?
Sie haben keine Ranch, auch nicht den Hyde Park, also beginnen Sie nach einer ersten Sichtung und Favoritenermittlung mit der Größenklärung.
Sie googlen brav und nach ungefähr einer halben Stunde sind Sie in diesem Punkt nicht wesentlich schlauer als zuvor.

„ … der 3-4 m hohe Strauch kann sehr in die Breite gehen.“
„ … ist aufrecht mit einer Höhe bis 5 m und einer Breite von 2 m.“
„ … kann sich jedoch zu einem bis zu 9 m hohen, ausladenden Baum entwickeln.“

„ … stammt aus Asien und wird in seiner Heimat 25-30 m hoch.“
„ … in den Heimatgebieten erreicht er Wuchshöhen von bis zu 10 Metern.“

„ … der Strauch ist raschwüchsig …“
„ … der Strauch wächst recht langsam …“

„ … der Baum ist eher ein Großstrauch …“
„ … diesen Großstrauch, den man fast eher als Baum bezeichnen könnte …“

Das in etwa kommt dabei heraus, wenn Sie versuchen, genauere Informationen über die Wuchshöhe/–breite oder die Wuchseigenschaften diese Aralienart zu bekommen.
Als ich vor 18 Jahren nach ihr suchte, hatte ich zum Glück noch keinen Internetzugang. Dann hätte ich womöglich an diesem Punkt überfordert aufgegeben. Doch so entschied ich mich 1995 – aus heutiger Sicht relativ unwissend – für einen Strauch/Baum, weil er mir einfach gefiel!
Ich hatte ihn im Frühjahr in einem Garten gesehen, als er gerade austrieb, entdeckte später im Sommer erstaunt das enorm üppige Grün. Mir gefiel das gefiederte Laub, das bewirkte, dass alles trotz der beachtlichen Blattfülle nicht erdrückend und schwer wirkte, sondern im Gegenteil leicht und luftig.
Ich sah im Juli den Blütenansatz, der sich auszubilden begann und das machte mich neugierig auf mehr.

Aralie (Aralia elata) - Ende August, die Blüte ist im vollen Gange ... und zieht tierische Gäste an

Aralie (Aralia elata) – Ende August, die Blüte ist im vollen Gange … und zieht tierische Gäste an

Ich beobachtete also sehr angetan die Blütezeit, stellte erstaunt fest, dass sich danach zudem tolle, kontrastreiche Früchte ausbildeten und bewunderte die interessante Herbstfärbung. So etwas wünschte ich mir für meinen Garten auch.

Folglich forschte ich nach dem Namen – fand die Pflanze danach jedoch nicht in den Gartenzentren! Ich interviewte einen Baumschulgärtner, der auf dem Wochenmarkt einen Stand hatte, und dieser brachte Monate danach, inzwischen war das Frühjahr 1996 angebrochen – in Ermangelung einer schön vorgezüchteten Container-Pflanze, die er ebenfalls nirgends aufzutreiben vermochte – einfach einen „Strunk“ mit.
Einen pieksigen Schössling (einen Ausläufer, die Aralie ist wurzelaustreibend) von 30 bis 40 cm Höhe, der in einem mit Wasser gefüllten Gewürzgurkenglas auf mich wartete. Die somit recht empfindliche, weil nackte Wurzel, überstand dank der sorgsamen Umwicklung mit einem getränkten Tuch den Transport nach Hause, wurde in frisches, vorbereitetes Erdreich gesetzt, begossen, gehegt und gepflegt. Vermutlich aus Freude darüber, wuchs das kleine Ding prompt an.
Ich habe kein Originalfoto von damals, doch ein späterer Ableger zeigt es auch. So klein war die Aralie ursprünglich, und wenn im Herbst alle Blätter fielen, dann stand nur noch ein kleines, stacheliges Stämmchen wie ein  Stock im Topf.

Aralie (Aralia elata) - Ein kleiner Ableger, der sich so sehr gut aus der Nähe betrachten lässt

Aralie (Aralia elata) – Ein kleiner Ableger, der sich so sehr gut aus der Nähe betrachten lässt

Hier aus der Nähe erkennen Sie besonders gut, wie das gesamte Laubblatt (nicht nur die einzelnen kleinen Blätter daran!) angeordnet und beschaffen ist.
Der Blattaufbau ist zusammengesetzt, die Anordnung wechselständig, die Blattform ist gefiedert. Die Fiedern selbst sind glattrandig. Das Laub hat ein – wie ich finde – überaus frisches, lebendiges Grün. Die Blätter (nennen wir sie „Blattwedel“) werden bis 100 cm lang, sind unterseits stachelig. Dieses ganze große Teil wird im Herbst insgesamt abgeworfen! Es sind keine kleinen Äste, die am Baum behalten werden!

Aralie (Aralia elata) - Der kleine Stamm der Ablegerpflanze ...

Aralie (Aralia elata) – Der kleine Stamm der Ablegerpflanze …

Aralie (Aralia elata) - Nicht n

Aralie (Aralia elata) – Nicht nur der Stamm der Aralie ist stachelig …

Ich erwähnte, dass die Aralie sowohl als Großstrauch, als auch als Baum bezeichnet wird. Sie hat die Tendenz mehrere Grundtriebe auszubilden, was ihr den Strauchcharakter verleiht. Doch wer rechtzeitig unerwünschte Nebentriebe entfernt und den Haupttrieb bis zu einer gewissen Höhe entastet und freihält, der bekommt die typische Baumform. Man kann die Aralie dazu animieren (erziehen), einen schönen Kronenaufbau auszubilden (etwas pilz- oder schirmförmig ist ihr „Kronen-Naturell“ sowieso)

Aralie (Aralia elata) ... vier Jahre nach dem Auspflanzen des Schösslings: Die Pflanze ist mir über den Kopf gewachsen (ca. 1,80 m Höhe)

Aralie (Aralia elata) … vier Jahre nach dem Auspflanzen des Schösslings: Die Pflanze ist mir über den Kopf gewachsen (ca. 1,80 m Höhe)

Die Stammform bildet sich heraus. Auch hier fallen die ganz oben wie ein Dach sitzenden Laubblätter („Blattwedel“) komplett ab, so dass im Winter zunächst nur noch etwas dort steht, was wie ein einsamer,  unbenutzter Fahnenmast aussieht.

Weitere vier Jahre später ist der nach einem Hausanbau neu angelegte Grenzstreifen des Grundstücks samt Aralie ziemlich eingewachsen. Die Kamera in gleicher Höhe hingehalten, zeigt nur noch den Stamm rechts im Bild. Sie ahnen es, die Aralie hat in der Zwischenzeit mächtig zugelegt, obwohl sie durch Bruchschäden nach einem extrem starken Sturm in ihrem Wachstum zurückgeworfen wurde.

Aralie (Aralia elata) ... wieder vier Jahre später - 2004

Aralie (Aralia elata) … wieder vier Jahre später – inzwischen eingewachsen (2004)

Nach 17 Jahren kann ich übrigens bezüglich der Endgröße etwas exaktere Angaben machen. Der Baum ist nun ca. 6,50 m hoch (gleichbleibend) und die Krone an der breitesten Stelle misst etwa 5 m.
Der Stamm  der mittlerweile erwachsenen Aralie sieht aus der Nähe jetzt so aus:

Aralie (Aralia elata) - Der Stamm ... eine stachlige Angelegenheit

Aralie (Aralia elata) – Der Stamm … eine stachlige Angelegenheit: Vorsichtiges Annähern ist angebracht.

Etwas Respekt einflößend, nicht wahr? Es ist ratsam gut aufzupassen, wenn Sie in der Nähe am werkeln sind. Man vergisst anfangs, dass gebogene Stacheln nur auf einen warten,  stützt sich gedankenlos  beim Aufrichten mit der Hand am Stamm ab. Doch wenn Sie einmal derart abgehobelt oder geschrammt wurden (je nach Bewegung), denken Sie  zukünftig besser daran.

Nicht doch lieber eine einheimische Pflanze?
Diese Frage ist berechtigt. Natürlich ist das die beste Lösung. Nun ist die Aralie asiatischen Ursprungs. Weitgereist und hier heimisch geworden.
Soll man oder nicht?

Schon damals bevorzugte ich zwar grundsätzlich einheimische Sträucher und Gehölze, doch einige wenige Ausnahmen lasse ich zu.
Ein Kriterium z. B. ist, dass es sich um eine Art handelt, die mit dem nordeuropäischen Klima inkl.  Frost ohne besondere Vorkehrungen gut klarkommt. Das ist hier der Fall. Die Aralie soll bis -25° C vertragen. Diese Temperaturen hat sie noch nicht erlebt, bis -16° C ist sie jedoch erprobt und trug keine Frostschäden davon.
Ich schaue weiterhin, wie der Charakter der Pflanze ist. Tendiert sie dazu, alles zu dominieren? Ist voraussehbar, dass sie andere (einheimische Pflanzen) verdrängen wird?  Sie gnadenlos überwächst, ihnen Nährstoffe raubt, etc.?
Ist sie oder sind Teile von ihr giftig? Nicht nur bei Verzehr, sondern vielleicht schon bei Berührung? Das ginge gar nicht.
Auch hier fiel die Pflanze eher positiv auf. Sie ist zwar Flachwurzler und entnimmt dem umliegenden Boden naturgemäß Feuchtigkeit, nur lassen sich die Anrainer-Pflanzen durchaus entsprechend auswählen (tiefwurzelnd und trockenheitsverträglich).
Sie selbst hat recht geringe Ansprüche, muss z. B. nicht zwangsläufig kontinuierlich  mit Dünger versorgt werden.
Giftig? Ihre ganz jungen Blattaustriebe werden in Japan sogar gegessen!
Wie steht es um die Robustheit? Ist sie krankheitsanfällig für z. B. Pilzkrankheiten, Rost oder anderes?  Auch der Einsatz entsprechender Gegenmittel sollte nicht schon vorprogrammiert sein. (Obwohl hier die Einschränkung gilt: krank wird oft nur das, was nicht die richtigen Standortbedingungen hat und lässt sich in vielen Fällen reduzieren, wenn nicht gar ganz verhindern – muss also nicht notwendigerweise das Nein für diese Pflanze bedeuten).
Als nächstes achte ich darauf, ob die ins Auge gefasste Pflanze eine Nahrungsquelle für allerlei Getier darstellt. Die Aralie ist in dieser Hinsicht empfehlenswert, denn sowohl Vögel als auch Bienen und andere Insekten besuchen sie rege. Während der Blütezeit im August/September ist vom Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit heftigstes Brummen ganzer Insektenschwärme zu vernehmen. Später herrscht Vogelandrang bei den Früchten.

Aralie (Aralia elata) - Mitte September_ die Früchte werden bereits dunkel ...

Aralie (Aralia elata) – Mitte September: die Früchte werden bereits dunkel …

Und dann gibt es einen Punkt, der besonders in kleinen Gärten zum Tragen kommt, in denen Sie oft nicht die Möglichkeit haben, eine große Vielfalt an Büschen, Sträuchern und Bäumen zu pflanzen.
Das, was ich Ihnen jetzt sage, trifft sowohl auf einheimische als auch auf „zugereiste“ Gehölze zu.
Sie brauchen Pflanzen, die nicht nur für eine kurze Zeitspanne attraktiv sind!
Wenn Sie aus Platzgründen nicht 12 Pflanzen setzen können, die alle irgendwann versetzt ihren einen Höhepunkt haben, und Ihnen auf diese Art monatlich ein neues Oh! und Ah! entlocken, brauchen Sie eine, die mehreres bietet.
Ideal sind Gewächse, die außer interessanten Laubformen inkl. einer frischen Farbe sowie eigenwilliger Laubentwicklung auch eine anziehende Blüte präsentieren, Fruchtschmuck ansetzen, mit sich im Herbst verfärbendem Laub deutlich die kalte Jahreszeit einläuten und im Winter gerüstgebend weiterhin dort sind, jedoch viel Licht durchlassen – also möglichst einen lockeren, wenig verzweigten Aufbau haben.

Die Aralie ist so ein Multitalent und wenn auch Sie sehen möchten, wie sich das Jahr und die Natur weiterentwickeln und gern einen Sie führenden Jahreszeitenbegleiter und –anzeiger hätten,  dann schauen Sie hier und heute unverbindlich zur Probe.
Ganz oben im Blogpost entdeckten Sie bereits das Januar-Winterbild mit Schnee. Die nachfolgenden Fotos setzen mit dem Monat Februar fort:

Aralie (Aralia elata) in den Wintermonaten. Gut zu erkennen der aufrechte Wuchs und die lockere Verästelung

Aralie (Aralia elata) in den Wintermonaten. Gut zu erkennen der aufrechte Wuchs und die lockere Verästelung

Aralie (Aralia elata) - Meist Anfang April werden die Blattknospen immer dicker, Mitte April sieht es bereits so aus ...

Aralie (Aralia elata) – Meist Anfang April werden die Blattknospen immer dicker, Mitte April sieht es bereits so aus …

Aralie (Aralia elata) - Die Knospen sind aufgebrochen - Entfaltung der Blätter (Blattwedel)

Aralie (Aralia elata) – Die Knospen sind aufgebrochen – Entfaltung der Blätter („Blattwedel“)

Aralie (Aralia elata) - Nur 10 Tage später - Ende April

Aralie (Aralia elata) – Nur 10 Tage später – Ende April

Aralie (Aralia elata) - Ende April - Der Blattaustrieb inzwischen rheblich länger, doch immer noch etwas spärlich wirkend ...

Aralie (Aralia elata) – Ende April – Der Blattaustrieb inzwischen erheblich länger, doch insgesamt immer noch etwas spärlich wirkend …

Aralie (Aralia elata) - Mitte Juli - die Blattwedel sind ausgewachsen. Die Blüten treiben bereits aus ...

Aralie (Aralia elata) – Mitte Juli – die Blattwedel sind ausgewachsen. Die Blüten treiben bereits aus …

Aralie (Aralia elata) - Die Blüten beginnen sich zu entwickeln ... etwas näher betrachtet

Aralie (Aralia elata) – Die Blüten beginnen sich zu entwickeln … etwas näher betrachtet

Aralie (Aralia elata) ... zwei Wochen weiter - Anfang August

Aralie (Aralia elata) … zwei Wochen weiter – Anfang August

Aralie (Aralia elata) - Mitte August öffnen sich immer mehr fünfzählige Einzelblüten an den Blütenrispen der Trugdolden, deren Durchmesser ca 50 cm beträgt

Aralie (Aralia elata) – Mitte August öffnen sich immer mehr fünfzählige Einzelblüten an den Blütenrispen der Trugdolden, deren Durchmesser ca 50 cm beträgt

Aralie (Aralia elata) - Zweite Hälfte August - die Insekten schieben Extraschichten ein, seit die Aralie blüht ...

Aralie (Aralia elata) – Zweite Hälfte August: die Insekten schieben Extraschichten ein, seit die Aralie blüht …

Aralie (Aralia elata) - Ende August: die unteren Dolden sind zum Teil ausgeblüht und bilden (noch grüne) Früchte

Aralie (Aralia elata) – Ende August: die unteren Dolden sind zum Teil ausgeblüht und bilden (noch grüne) Früchte

Aralie (Aralia elata) - 20. September - Die beerenartige Steinfrüchte sind dabei, sich auszubilden. Sie sind tiefblau bis schwarz und sind im Winter bei Vögeln begehrt

Aralie (Aralia elata) – 20. September – Die beerenartigen Steinfrüchte sind dabei, sich auszubilden. Sie sind tiefblau bis schwarz und später bei Vögeln begehrt

Aralie (Aralia elata) - Nur zehn Tage später - 30.09. - die Herbstfärbung hat eingesetzt. Die Aralie wird bunt ...

Aralie (Aralia elata) – Nur zehn Tage später – 30.09. – die Herbstfärbung hat eingesetzt. Die Aralie wird bunt …

Aralie (Aralia elata) - 15. Oktober: die ersten großen wechselständigen Laubblätter (sind bis zu 100 cm lang und ein- bis dreifach gefiedert), die sich verfärbten, wurden bereits abgeworfen.

Aralie (Aralia elata) – 15. Oktober: die ersten großen wechselständigen Laubblätter (sind bis zu 100 cm lang und ein- bis dreifach gefiedert), die sich verfärbten, wurden bereits abgeworfen.

Aralie (Aralia elata) - Ende Oktober - Ein blick in die Höhe zeigt lichter gewordenes, buntes Laub ...

Aralie (Aralia elata) – Ende Oktober – Ein Blick in die Höhe zeigt lichter gewordenes, buntes Laub …

Aralie (Aralia elata) - Ein bis

Aralie (Aralia elata) – Ein bisschen wie Patchwork. Von grün über gelb bis hin zu orange und braun ….

Aralie (Aralia elata) - Ende Oktober - leuchtendgelbes, herabgefallenes Laub - von der Hecke gestoppt

Aralie (Aralia elata) – Ende Oktober: leuchtendgelbes, herabgefallenes Laub – von der Hecke gestoppt

Aralie (Aralia elata) - Ende Oktober - Kalte Nächte, Regen, doch am Tag kommt noch die Sonne durch. Doch lange bleiben die restlichen Blätter nicht mehr am Baum ...

Aralie (Aralia elata) – Der November beginnt – Kalte Nächte, Regen, am Tag kommt noch einmal die Sonne durch. Doch lange bleiben die restlichen Blätter nicht mehr am Baum …

Aralie (Aralia elata) - Es wird licht. Die abgeblühten Blüttenrispen mit einem Teil der Früchte halten sich oft noch ein Weilchen.

Aralie (Aralia elata) – Es wird licht. Die abgeblühten Blüttenrispen mit einem Teil der Früchte halten sich oft noch ein Weilchen.

Ich weiß, man soll sich nicht über andere lustig machen. Sie müssen es ja nicht weitererzählen …
Ich amüsiere mich immer köstlich über die Amseln, wenn sie versuchen, sich im Herbst die kleinen, schwarzen Früchte der Aralie zu holen.  Auf dem Foto direkt hierunter, sehen Sie, wie die Rispen, die noch nicht abgefallen sind, irgendwann kopfüber herunterhängen. Den Meisen macht das nichts aus. Sie fliegen sie direkt an, pendeln an ihnen herum wie an den Meisenknödeln, picken ein paar Früchte und fliegen davon.
Die Amseln landen hingegen zuerst auf den Ästen. Hüpfen sehr sorgsam näher an das Objekt der Begierde, wobei ich sie bewundere, dass sie mit ihren Füßen die Stacheln der Äste abkönnen. Sie sind schließlich keine Fakire.
Oder sind die Abstände groß genug, dass sie quasi dazwischen spazieren?
Wie dem auch sei, sie versuchen sich zu dem Hängesträußchen hinab zu beugen und Beeren zu erwischen. Amseln vergessen nur, dass sie keinen Schwanenhals haben. Sie reichen nicht heran! Die Gier ist immer noch da, daher kommt Wegfliegen nicht in Betracht. Nun gucken sie bei den Meisen ab und springen ebenso beherzt in die Rispen hinein. Ihr Gewicht (beträgt teilweise das Fünffache dessen, was eine Kohlmeise wiegt) und der Schwung sind beachtlich, die Rispen sehr empfindlich, nur noch an einem Eckchen haltend. Schon lösen sie sich, reißen vom Ast ab. Die schwarzgefiederten Kollegen merken das Malheur, flattern wild mit den Flügeln, um nicht mit abzustürzen und schimpfen entrüstet. Es sieht jedesmal urkomisch aus!
Immerhin sind sie so schlau, den heruntergefallenen Leckerbissen zu folgen und die Früchte dann am Boden zu verzehren.

Aralie (Aralia elata) ... irgendwann kippen die Blütenrispen nach unten und hängen wie ein Trockenstrauß.

Aralie (Aralia elata) … irgendwann kippen die Blütenrispen nach unten und hängen wie ein Trockenstrauß.

Aralie (Aralia elata) - Mitte November - Blütenrispenreste und Beeren zum Teil am Boden ...

Aralie (Aralia elata) – Ende November – Blütenrispenreste und Beeren zum Teil am Boden … (Hier kommen auch die absturzgefährdeten Amseln zum Zuge …^^)

Und dann ist schon Dezember, das Jahr neigt sich dem Ende zu, und wir würden mit dem Bild von ganz oben, vom Anfang des Blogposts, wieder beginnen … vielleicht auch mit einem richtigen Schneebild wie diesem:

Aralie (Aralia elata) eingeschneit ....

Aralie (Aralia elata) eingeschneit ….

Haben Sie es bemerkt?
Die Aralie schafft es, nicht nur die vier Jahreszeiten anzuzeigen, sondern sie verrät Ihnen sehr genau, welcher Monat gerade ist, unter Umständen sogar welche Monatshälfte. Es hängt ein bisschen davon ab, wie lang der jeweilige Winter dauert. Doch um mehr als ein bis knapp zwei Wochen verschiebt sich der Einsatz der Blütenbildung im Endeffekt nie. Die Pflanze scheint im Laufe des Jahres aufzuholen, selbst wenn sie wetter- und temperaturbedingt später loslegte.
Ein Blick hinaus erspart ihnen den Kalender, und auf irgendeine Art beruhigt es kolossal, diesen Zyklus immer wieder aufs Neue zu beobachten.

Sollte Sie jemand von dieser Pflanze  mit dem Hinweis abbringen wollen, dass sie Ausläufer treibt,  dann bleiben Sie ganz ruhig. Sie sind bei Weitem nicht so zahlreich, lästig und schwer zu entfernen wie beim Sumach (Rhus typhina) oder beim Ranunkelstrauch (Kerria japonica). Es hält sich wirklich in Grenzen, lässt sich sehr leicht abstechen oder herausziehen und gibt den einen oder anderen kostenlosen Nachzögling.

Sie überlegen, ob die Standortbedingungen bei Ihnen gegeben sind?
Die Ansprüche an den Boden sind gering. Er sollte durchlässig sein, so dass Wasser gut ablaufen kann und keine Staunässe entsteht. Leicht saurer Boden scheint ihr gut zu bekommen, ab und zu etwas Kompost oder anderen organischen Dünger beigeben. Wer die Möglichkeit hat, sollte einen windgeschützten Platz wählen, der auch nicht komplett austrocknet.  Alles außer richtigem Schatten ist genehm. Selbst da wächst sie, blüht aber kaum und zeigt auch nicht so ausgeprägt die Herbstfärbung – was beides extrem schade wäre.
Winterschutz ist gar nicht nötig. Einfach das Laub als Schutz liegen lassen oder deponieren Sie extra eine Schicht im gesamten Wurzelbereich.
Hat die Aralie nach einigen Jahren begonnen, sich für die Baumform in gewünschter Höhe zu verzweigen und nach ca. 10-12 Jahren das Endmaß erreicht, fällt auch nicht viel Pflege an. Kein lästiges dauernd Auslichten oder Einkürzen.

Ja, so sieht es aus, lieber Blogleser, liebe Blogleserin. Überlegen Sie es sich mit der Aralie … ^^

Und wenn Sie sich jetzt fragen, warum dieses zauberhafte Gewächs den Namen Teufelskrückstock bekommen hat, muss ich leider bei der Antwort passen. Ich leite es zurück auf die etwas krumme Form der Äste und die sehr stachelige Beschaffenheit der Rinde bzw. Borke.  Falls Sie eine passendere Erklärung finden sollten oder im Internet darauf stoßen, lassen Sie es mich gerne wissen!

©Januar 2013 by Michèle Legrand

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Wenn es in Hamburg regnet: Rathausplatz, zwei Türme und ein Unterschlupf mit bunter Decke

Heute würde ich gern mit Ihnen in den Regen hinaus. Nicht lange!
Ich möchte Ihnen in Hamburgs City etwas zeigen, bevor in diesem Monat eine weitere Folge der Serie
Stilvolle Treppenhäuser, schöne Fassaden, eigenwilliges Interieur –
der Charme Hamburger Kontorhäuser
hier im Blog erscheint.
Entsinnen Sie sich an das beeindruckende Hildebrand-Haus aus dem dritten Teil und die Feststellung, dass es in der Straße Neuer Wall noch mehr zu entdecken gibt? Folgerichtig heißt es demnächst:
Teil IV – Hübner, Gutruf, Pinçon … ein Blick auf die Häuser im Bereich Neuer Wall

Heute sind wir ganz in der Nähe, nur vernachlässigen wir vorerst die Kontorhäuser, da es auf dem Weg dorthin bereits etwas gibt, was es sich anzuschauen lohnt. Wir kommen gleich dazu …
Wissen Sie, was mich manchmal stört?
Mich stört, dass auf Ansichtskarten fast immer Sonnenschein und blauer Himmel zu sehen sind. Meist sogar noch kräftig retuschiert! So unverschämt blau ist der Himmel selbst im Sommer höchst selten …
Es ist genauso unnatürlich, wie die Eigenart, in Rosamunde-Pilcher-Filmen Schottland oder Cornwall ebenfalls immer nur mit strahlender Sonne zu zeigen.
Es ist nicht so!
Und es ist auch nicht so, dass bestimmte Gegenden und Orte nur bei Sonne Charme hätten. Manches ist gerade bei Regen reizvoll. Die Größenverhältnisse scheinen anders, die Farben sind dunkler und kräftiger. Nasses Pflaster wirkt grundverschieden, Metall spiegelt, Granit glänzt. Geräusche verändern sich. Außerdem sind weniger Menschen da, auf einmal ist alles ganz weit. Mitten in der Stadt.
Diese Schönwetter-Postkarten führen leicht zu einer gewissen Erwartungshaltung und haben gelegentlich zur Folge,  dass schlechteres Wetter gleich fürchterlich krumm genommen wird. Manch einer geht dann gar nicht vor die Tür.
Genau das ist heute unser Glück!
Schnappen Sie sich eine Jacke und den Schirm. Es sieht weiter hinten bereits wieder heller aus, vielleicht wird es schon in ein paar Minuten besser.
Ach, einen kleinen Moment bitte noch!
Wir treffen uns heute auf dem Rathausplatz in Hamburg. Sie können Ihn gar nicht verfehlen …

Die City im Regen - Hamburg, Rathausplatz, Blick Richtung Petrikirche

Die City im Regen – Hamburg, Rathausplatz, Blick Richtung Petrikirche

Ist das nicht ein höchst ungewohnter Anblick? Wie oft habe ich Ihnen Bilder präsentiert, auf denen zumindest Teile des Platzes zu sehen waren. Mal waren chinesische Wochen, ein anderes Mal fand der Triathlon statt und die Fläche des Rathausmarktes war für den Einlauf der Läufer präpariert. Bahnen, Tribünen, künstlicher Bodenbelag.
Oder vor ein paar Wochen! Wissen Sie noch? Der Weihnachtsmarkt hatte gerade begonnen, alles war gefüllt mit Holzbuden, Ständen, Lichterdekoration, Tannenbäumen, Pyramiden.

Aber heute – heute haben wir alles fast alleine für uns! Zumindest momentan …

Die City im Regen - Hamburg, Rathausplatz, Blick zu den Alsterarkaden

Die City im Regen – Hamburg, Rathausplatz, Blick zu den Alsterarkaden

 

Jetzt erst lässt sich erkennen, welche Ausmaße der Platz eigentlich hat! Und wenn Sie sich umschauen, sehen auch die von Alexis de Chateauneuf erbauten Alsterarkaden im Regen schön aus. (Haben Sie bemerkt, der Regen wird weniger – schon strömen alle wieder nach draußen …)

Die City im Regen - Hamburg - Blick Richtung Alte Post (Poststraße)

Die City im Regen – Hamburg – Blick Richtung Alte Post (Poststraße)

Lassen Sie Ihren Blick weitergleiten Richtung Schleuse und hinein in die Poststraße. Sehen Sie das rote Gebäude links mit dem hohen Turm? Es ist die Alte Post.
Sie wurde von 1845 bis 1847 erbaut, und wer sich über gewisse Ähnlichkeiten im Stil wundert, etwas, das ihn an die gerade gesehenen Alsterarkaden erinnert, dem sei gesagt, dass Architekt Alexis de Chateauneuf auch hier zuständig war. Auch bei diesem Gebäude ist wieder italienische Renaissance im Spiel, das venezianische Vorbild, die Palazzo-Bauten – wenn auch hier und dort zusätzlich Ergänzungen durch gotisch anmutende Rundbögen aus Sandstein anzutreffen sind.

Hamburg -  Die Alte Post, Poststraße - Einer der  Seiteneingänge - Im EG befindet sich eine Einkaufspassage

Hamburg – Die Alte Post, Poststraße – Einer der Seiteneingänge – Im EG befindet sich eine Einkaufspassage

Hamburg -  Die Alte Post, Poststraße, diesmal vom Hanseviertel Richtung Rathaus schauend ...

Hamburg – Die Alte Post, Poststraße, diesmal vom Hanseviertel Richtung Rathaus schauend …

Hamburg -  Die Alte Post,  Poststraße - Uhrturm

Hamburg – Die Alte Post, Poststraße – Uhrturm

Sie haben den Turm gesehen? Natürlich!
Es ist der Uhrturm, an dessen Spitze sich ab ca. 1838 ein optischer Telegraf befand, der den Endpunkt der Nachrichtenverbindung bis zur Elbmündung, dem zu Hamburg gehörenden Cuxhaven, bildete. Er bekam später einen oktogonförmigen Baukörper zusätzlich obenauf gestülpt, weil man gemerkt hatte, dass der Turm für seine Zwecke zu niedrig war. In dieser Form sehen wir ihn heute hier, und mit diesem neuen Endpunkt wurde 1848 eine optische Telegrafenlinie Richtung Bremen in Betrieb genommen.

Bemerkenswert, dass es endlich ein erstes öffentlich zugängliches Kommunikationsmedium gab, das von Kaufleuten begründet und genutzt wurde. Andere Systeme zuvor hatten immer nur der Verwaltung gedient oder dem Militär!
Diese Erfindung war natürlich noch nicht das Gelbe vom Ei. Wenn Sie sich vorstellen, dass optische Telegrafen nur kurze Reichweiten hatten und es sich beispielsweise um einfache Blinkspiegel handelte. Oder auch komplexere Spiegeltelegrafen. Dann gab es noch Winkzeichen und Flaggensignale.
Alles ein bisschen unsicher, wetterabhängig, kompliziert, und es wurde schwierig bei ungünstigen Sichtverhältnissen.

Kein Wunder, dass kluge Köpfe weiter forschten, und sehr schnell vollzog sich der Wandel zum elektrischen Telegrafen/zur Morsetelegrafie. Die nötige technische Einrichtung hierfür war billiger, einfacher und letztendlich auch günstiger im Unterhalt. Jahrzehntelang gab es weiterhin beides. Das eine schlich sich dazu, das andere verabschiedete sich in kleinen Schritten.
Im Grunde haben wir sogar heute bei der Eisenbahn (Signale) immer noch einen gewissen Teil an optischen Telegrafen
Und bis heute sind trotz aller neuzeitlichen Erfindungen mancherorts auch weiterhin in der Schifffahrt Morselampen für kurze Entfernungen gebräuchlich.
Es reicht an Information, oder?

So, und was sehen Sie direkt in Verlängerung des Turms?
Einen weiteren Turm!

Die City im Regen - Hamburg -  Blick Richtung Alte Post ... und dahinter ... der Fernsehturm (Heinrich-Hertz-Turm)

Hamburg – Der Regen hat nachgelassen – Blick Richtung Alte Post … und dahinter … der Fernsehturm (Heinrich-Hertz-Turm)

Den Heinrich-Hertz-Turm, auch Telemichel (Fernsehtum) genannt oder ganz offiziell: die Funkübertragungsstelle 22 Hamburg. Er wurde in den Jahren 1966-1968 erbaut und ist quasi die moderne Variante des Alten Postturms – ein Neuer Postturm, ca. 120 Jahre jünger.  Hier im trauten Beisammensein …

Es regnet schon wieder …
Ach, Sie haben doch keinen Schirm dabei?
Jetzt schauen Sie nicht so unglücklich! Seien Sie froh, dass es momentan nicht so aussieht:

Hamburg - Alsterarkaden, Kleine Alster und Rathausschleuse im Nebel

Hamburg – Alsterarkaden, Kleine Alster und Rathausschleuse im Nebel

Kommen Sie!
Huschen wir einfach in den Arkadengang der Alsterarkaden,  und ich zeige Ihnen einen Durchgang, eine prachtvolle Abkürzung zum Neuen Wall (den wir uns demnächst vornehmen (s. o.)).
In den Alsterarkaden befindet sich die älteste und kleinste Einkaufspassage Hamburgs: die Mellin-Passage. Dort hat u. a. die Hamburger Bücherstube Felix Jud & Co. ihren Sitz.
Die Decken und höhergelegene Teile der Seitenwände des Durchgangs sind mit wunderschönen, farblich sehr stimmigen Malereien verziert. An vielen Stellen werden die Arkadenformen wieder aufgenommen. Ansonsten finden sich im oder am Mauerwerk zahlreiche Verzierungen, dekorative Vorsprünge oder auch weiter oben eingelassene Bogenfenster (geschlossen).

Hamburg - Durchgang Alsterarkaden zum Neuen Wall, Mellin-Passage

Hamburg – Durchgang Alsterarkaden zum Neuen Wall, Mellin-Passage

Hamburg -  Ein Blick an die Decke der Mellin-Passage (Alsterarkaden/Neuer Wall)

Hamburg – Ein Blick an die Decke der Mellin-Passage (Alsterarkaden/Neuer Wall)

Wussten Sie, dass diese Decken- und Wandbemalung mehr durch Zufall wieder zum Vorschein kam?
Nachdem es Silvester 1989 einen Brand in einem der Geschäfte gegeben hatte, musste ein Teil des Hauses abgerissen und wieder neu errichtet werden. Hauptsächlich fanden bauliche Veränderungen an der Westseite, also am Neuen Wall statt, und bei dieser Renovierung entdeckten Handwerker staunend die Malereien im Stil von Alphonse Mucha …

Hier werden wir uns beim nächsten Mal treffen. Ist Ihnen das recht?
Sagen wir in der Mitte der Passage, wo der Lichthof ist.
Und dann gehen wir hierhin (Appetizer)^^:

Hamburg - Kontorhäuser - Das Gutruf-Haus - Stilvoll und elegant - auch die Farbwahl

Hamburg – Kontorhäuser – Das Gutruf-Haus – Stilvoll und elegant – auch die Farbwahl

Ich freue mich, wenn Sie wieder dabei sind!

Quelle:
Wikipedia half mir mit Wissen über die optischen Telegrafen.

Anmerkung/Hinweis:
Wenn Sie generell gern mit durch Hamburg spazieren möchten, rufen Sie doch hier im Blog einfach die KATEGORIE Hamburg! auf.
Dort werden Sie fündig.

©Januar 2013 by Michèle Legrand

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Weihnachtliche Bevorratung und andere Phänomene …

Hamburg - Hauptbahnhof - Wandelhalle mit weihnachtlicher Dekoration - Dezember 2012

Hamburg – Hauptbahnhof – Wandelhalle mit weihnachtlicher Dekoration – Dezember 2012

Hallo! Willkommen zurück! ^^
Schön, dass Sie den 21. Dezember gut überstanden haben!
Auch wenn kein Weltuntergang stattfand, ist es gar nicht selbstverständlich, dass Sie hier heute, am 22.12.2012, wieder auftauchen!
Es geht es in den letzten Tagen dermaßen wühlig zu in Deutschland, es herrscht ein solcher Andrang in den Einkaufshochburgen, dass manch einer dabei leicht verschütt gehen könnte.
Prima, dass Sie offenbar unversehrt sind und sicher wieder nach Hause gefunden haben.

Wie lief es bei Ihnen unterwegs?
Mit welchen „Bräuchen“ wurden Sie konfrontiert?

Ich biete folgende Stichworte: Verstöpselung. Bevorratung. Erpressung.
Kennen Sie auch?
Wenn nicht, liegt es unter Umständen nur an den Begriffen. Gut möglich, dass Sie gewisse Phänomene lediglich anders betiteln.

1. Die Verstöpselung
Verstöpselung hat mit Babys und deren Lage im weihnachtlichen Gedränge zu tun. Genauer gesagt geht es um deren missgelauntes Gequake – nein, Gebrüll! – und um die kleinen Dinger, die gemeinhin als Schnuller bekannt sind.
Einerseits werden diese Gummipfropfen von vielen Eltern rein prophylaktisch bei ihrem Nachwuchs eingesetzt.
Zustöpseln, damit gar kein Geschrei möglich ist!
Andererseits sind viele Babys sie mittlerweile gewohnt, brauchen sie unbedingt!

Vielleicht haben Sie schon einmal beobachtet, dass Babys beim weihnachtlichen Einkaufen gar nicht losheulen, weil es so tropisch warm in den Einkaufszentren wäre. Nein, dagegen haben die Eltern meist Gegenmaßnahmen ergriffen. Der Wintersteppanorak mit der plüschohrverzierten Bärenkapuze wurde bereits ausgezogen.
Das Gebrüll kommt aus einem anderen Grund.
Die abgestandene Luft löst ständiges Gähnen aus! Selbst bei den Kleinsten. Warum sollte es Babys in der Situation anders ergehen als Erwachsenen.
Und die Konsequenz der Gähneritis?
Richtig! Der Schnuller fällt dauernd aus dem Mund!
Das hat zur Folge, dass mit zwei Sekunden Verzögerung das Gequake einsetzt, und keiner kommt hinterher mit dem immer wieder neu Einstöpseln!
So ein Muss-Schnuller hat eben auch seine Nachteile …

Hamburg - Hauptbahnhof (Wandelhalle) in der Weihnachtszeit

Hamburg – Hauptbahnhof (Wandelhalle) in der Weihnachtszeit

2. Die Bevorratung
Die Erwachsenen quaken übrigens auch, nur können Sie hier einen herausploppenden Schnuller als Ursache getrost vernachlässigen.
Der kauffähige Anteil der Bevölkerung ist aktuell geschädigt und entnervt vom kolossalen Andrang an Theken, Tresen und Kassen in Läden und ganz speziell in Lebensmittelgeschäften.
Jedes Jahr das gleiche Spiel. Zuerst allseits die große Verdrängung, und dann kommt Weihnachten absolut überraschend!
Oh, schon der 22.12.! Nun aber hurtig …!
Neben der Bewältigung der Last Minute Weihnachtseinkäufe für den Gabentisch, schlaucht die Menschheit speziell die Bevorratung mit Lebensmitteln.
Sie könnten leicht auf den Gedanken kommen, die Feiertage zögen sich in diesem Jahr bis über Neujahr hin – in einem Rutsch – oder die Geschäfte wären nun mindestens vier Wochen geschlossen.
Hamstereinkäufe!
Panik-Tütenfüllen! (Ich habe einen Bindestrich bevorzugt, ich hatte sonst das Bild von panischen, wild herumzappelnden Tüten vor meinem inneren Auge)
Einkaufswagenüberladung!

Es sind zwei Tage, liebe Menschheit, zwei lumpige Tage …
Aber verständlich, man sollte das Risiko des Hungertodes in unseren Breitengraden nicht unterschätzen …
Ja, ja, ich bin gehässig! Und – sagen Sie es ruhig laut – schnodderig!
Verraten Sie es nicht weiter.
Ich darf mir nämlich eigentlich nichts leisten im Moment …

3. Erpressung
Sie kennen diese andere Sitte, die an Weihnachten neben Panikeinkäufen gern gepflegt wird? Sie nennt sich Erpressungssprücheklopfen.
„Wenn du schön brav bist, bringt dir der Weihnachtsmann auch, was du dir wünschst …“
Das bekommen Sie in jedem Alter zu hören – glauben Sie nicht, das wäre irgendwann vorbei!
Nun, ich wünsche mir, nicht mehr kameralos zu sein – denn ich gehe langsam ein ganz ohne Fotoapparat.
Kamera gegen Bravsein.
So ein Deal ist anstrengend!
Das ist psychologisch bedingt. Immer wenn Sie wissen, dass Sie etwas nicht dürfen oder vermeiden sollen, dann passiert es umso leichter.
Wenn Sie zu einem bestimmten Verhalten gezwungen werden, bocken Sie innerlich. Ihr aufmüpfiges Ich rebelliert dagegen.
Sei brav! Benimm dich! Mach dir keine Flecken! Weck ihn nicht auf! Nichts essen vorher! Bleib wach! Komm nicht zu früh! …

Sie kennen es, oder?
Die Müdigkeit, die Sie aus purer Bosheit regelmäßig an Silvester schon um 22 Uhr befällt – weil Sie wissen, dass Sie heute einfach nicht vor Mitternacht ins Bett gehen können!
Sie dürfen nicht einschlafen, Sie müssen wach bleiben – herrje, warum klappen bloß die Augen zu?
Der Hunger, der Sie quält, just an dem Tag, an dem Sie nüchtern zur Blutentnahme kommen sollen. Sonst ist Ihrem Magen die Versorgung am frühen Morgen relativ schnuppe.
Der gleiche Hunger, der sofort einsetzt, sobald Sie beim Zahnarzt fertig sind und er Ihnen die Anweisung mit auf den Weg gibt, die nächsten drei Stunden noch nicht wieder etwas zu sich zu nehmen.
Was macht Ihr werter Magen?
Er knurrt wüst!
Und Sie blicken dauernd auf Ihre Uhr und trauen dem Ding immer weniger …

Kekse zu Weihnachten (Michèle. Gedanken(sprünge)

Kekse zu Weihnachten – hier halt ohne Glocke und Tannenbaum!

Sie könnten jetzt den Eindruck gewinnen, dass ich immer nur esse. Dem ist nicht so. Ich hadere nur mit Verboten, womit wir wieder beim Bravsein wären.
Ich bemühe mich redlich.
Noch zwei Tage!
Wenn jetzt keiner zu hohe Ansprüche stellt, könnte es klappen.
Notfalls gibt es vielleicht noch gewisse Bonuspunkte für diesen ganzen Weihnachts-Familien-Bekochungs-Zauber, der an mir hängenbleibt.
Unter Umständen lässt sich damit manches noch retten … herausreißen!

Und nun zu Ihnen!
Ich hoffe, Sie sind durch mit Ihren Besorgungen, konnten alles erfolgreich ergattern, was Sie suchten und haben auch den Eindruck, dass es nicht das Schlechteste ist, wenn die Weihnachtsfeiertage nach einem Wochenende starten.
Mein Empfinden ist, dass manches ruhiger läuft, und die Menschen etwas gelassener unterwegs sind.

Wir treffen uns hier sicher noch einmal in den kommenden Tagen, doch sollten Sie es aufgrund familiärer Verpflichtungen nicht mehr schaffen, wünsche ich Ihnen schon an dieser Stelle ein schönes, fröhlich-besinnliches Weihnachtsfest und bleiben Sie gesund!

©Dezember 2012 by Michèle Legrand

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Kostbare Zeit … und das Thema Weltuntergang wird jetzt zu den Akten gelegt!

Michèle Legrand  ©Foto: Andreas Grav (Ausschnitt)Vorweihnachtszeit. Und prompt kommt man zu nichts mehr! Hier herrscht schon seit einer kompletten Woche Funkstille.
Eine Woche … gähnende Leere!
Und Sie! Sie melden sich natürlich auch nicht! Sagen keinen Ton! ^^
Wie darf ich denn das auslegen, hm?
Geben Sie es ruhig zu, Sie sind heilfroh, dass wenigstens einmal Ruhe ist.
Nicht?
Ach, Sie sind selbst auch am rotieren?
Klar, das adventliche Zeitknappheitsproblem ist Ihnen nicht neu …
Bitte?
Exakt! Sie haben natürlich völlig recht, es ist nicht nur die generell vorbereitungsintensive Zeit vor Weihnachten, es ist auch dieser zusätzliche Zeitdruck durch den unsäglichen Weltuntergang am 21. Dezember.
Wenn es danach geht, ist die aufkeimende Weihnachtshektik eigentlich völlig für die Katz …
Stopp!
Soll ich Ihnen einmal hier – so unter uns – etwas verraten?
Kommen Sie bitte etwas näher, ich muss es leiser sagen, denn einige werden mich jetzt sicher steinigen. Es ist nämlich so:
Ich kann dieses Weltuntergangs-Gedöns nicht mehr hören!
Alles, was jetzt daraus entsteht!

Haben Sie schon einmal beobachtet, welches Verhalten diese Ankündigung bei vielen Menschen auslöst?
1)
Es gibt den Typ 1, der plötzlich überhaupt nichts mehr anpackt, weil die Welt in ein paar Tagen sowieso am Ende ist. Er glaubt selbstverständlich nicht daran, aber er nutzt es für alles und jedes als Ausrede, um sich vor Dingen zu drücken oder sich etwas zu gestatten.
Was soll ich die Aufgabe jetzt erledigen/aufräumen/helfen, wo doch hier bald Schluss ist?
– Ich kann weiter (fr)essen – denn ich sterbe ja eh am 21. Dezember!
– Was soll ich diese Sache klären, „bis dahin“ geht es auch gut ohne Einigung.
– Ich rauche/trinke/ rase, etc. weiter. Auf die paar Tage kommt es wirklich nicht an.
Typ 1 ist klar, dass er schwafelt, doch eine gute Ausrede ist es allemal – aus seiner Sicht.
2)
Typ 2 glaubt zwar auch nicht an den Weltuntergang, aber seine Logik weicht leicht ab. Sie sieht so aus:
Weil es theoretisch doch passieren könnte, vertagt er alle Aktivitäten auf einen Termin nach dem 21.12.2012. Rein vorsichtshalber.
– Du, ich warte mal ab, wegen Weltuntergang und so …
Mit Menschen des Typs 2 ist zurzeit auch nichts anzufangen.
3)
Mensch Typ 3 erlebt momentan einen Ausbruch von Kreativität. Er malt sich diesen Tag des Weltuntergangs in bunten Farben aus und schreibt irrwitzige Szenarien. Er erfindet quasi Stundenpläne für den Ablauf. Wo es wann startet, wer sich mit wem versammelt, wie das Menü (Apokalypse-Brunch) aussieht, wer zur Eröffnung singt, wie lange alles dauert.
Natürlich ist der UN-Sicherheitsrat involviert! Alles wird ein einziges Happening! Eine große Weltuntergangsfeier, bei der Brasilien gegen eine Weltauswahl Fußball spielt – letzteres las ich bei Facebook.
4)
Mensch Typ 4 ist von der ernsthaften Sorte und stets bemüht, die Hintergründe um die These des kommenden Untergangs zu klären. Auch zu erklären. Er möchte sich damit auseinandersetzen und versucht, seriös Fachwissen zu vermitteln.

Es gibt sicher weitere Wesen anderer Art, doch dabei wollen wir es vorerst bewenden lassen und kommen stattdessen zu meinem Einwand, es nicht mehr hören zu können.
Warum diese Abneigung?
Mir könnte es im Grunde herzlich egal sein, was wer wie oder wann über den Weltuntergang zu sagen hat.
Zu schreiben hat. Oder welche Informationen es darüber gibt.
Wer welche Späße dazu erfindet. Wie abgedroschen, überholt oder  überhaupt nicht witzig sie teilweise auch sein mögen.
Ich könnte auch die zweihundertfünfzigste Wiederholung milde lächelnd hinnehmen.
Kann ich es?
Weiterhin habe ich durchaus die Hintergründe verfolgt, studierte die Geschichte vom Langzeit-Maya-Kalender, die Theorien bezüglich des Sonnensystems und der Sternenkonstellation. Dort ist nicht unbedingt von einem Untergang im eigentlichen, ganz wörtlichen Sinn die Rede! Kein Versinken wie bei Atlantis o. ä. Oft wird von einem Übergang geredet …
Wir wissen demnach gar nicht, was genau uns erwartet!
Dennoch lähmt es die Leute in ihrem Handeln. Nicht, weil es sich so entsetzlich darstellt, vorgestellt wird – nein, es ist zu abstrakt, zu schwer greifen und zu begreifen – daher ist die Reaktion irrational, eher kindisch.

Für mich wirft die derzeitige Weltuntergangs-Beschau jedoch eine andere Frage auf, die ich für viel naheliegender halte. Ein Szenario, das greifbarer ist und mit dem wir uns daher besser auseinandersetzen oder darauf geeigneter reagieren können:
Hat schon einmal jemand daran gedacht, dass jeden Tag irgendwo für irgendeinen Menschen gerade die Welt untergeht?
Seine Welt?
Dass es gar nicht so selten ist?
Dass es nicht derart vage oder abstrakt ist wie die Ankündigung, mit der wir uns gerade herumschlagen oder mit deren Berichten uns die Medien zupflastern?
Naturkatastrophen, Terrorakte, Amokläufe, Kriege, Unfälle, Krankheiten, familiäre Zerwürfnisse, Tod eines nahestehenden Menschen, Notsituationen aller Art … alles Auslöser, die eine (persönliche) Welt untergehen lassen.
Die Welt eines oder auch mehrerer Menschen.
Immer wieder!

Würden auch diese betroffenen Menschen immer nur davon reden, dass sie jetzt gerade nichts tun könnten, weil doch Weltuntergang sei oder sich nicht getrauten mit dem Hinweis auf ein vielleicht kommendes Ende ihrer Welt?
Nein, sie würden für sich überlegen, ob sie damit weiterleben könnten und dann handeln. Und das Wissen um die Möglichkeit des Verlustes, würde sie dazu bewegen, sich ihrer Zeit bewusst zu sein und Dinge noch vorher zu tun – weil manche Momente und Gelegenheiten unwiederbringlich sind!

Mich stört das sinnlose Vergeuden der Zeit.
Mich irritiert das Verhalten, als hätten wir grundsätzlich noch alle Zeit der Welt – nämlich nach dem Untergang, an den nicht geglaubt wird.
Wir wissen nie, wie viel Zeit noch ist!

Es wird kein Langzeit-Mayakalender sein, der uns persönlich darauf hinweist, wann unser Ende gekommen ist. Es wird auch nicht als Neuigkeit in der Zeitung zu finden sein. Überhaupt sollte sich jeder darüber im Klaren sein, dass es nicht unbedingt erst dann passiert, wenn er damit rechnet! Es wird nicht immer gewartet, bis wir unseren Kram endlich geregelt haben!
Und was bedeutet das?
Es bedeutet nicht, dass Sie jeden Tag Angst haben müssen, dass Sie dran sind.
Es heißt nicht, dass Sie nicht heute noch etwas beginnen können – selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Sie es nicht mehr lange fortführen könnten …
Es heißt nicht, dass Sie von nun an grundsätzlich vorpreschen müssen, panisch alles erledigen müssen …
Es heißt nur, dass Sie die Zeit nutzen sollen und bedeutet, dass sie wirklich kostbar ist!
Zu schade zum Vergeuden.
Schieben Sie nicht alles auf die lange Bank!
Und schieben Sie nicht diesen dämlichen Weltuntergang vor!

Wenn Sie noch irgendetwas Unerledigtes zu tun haben, irgendetwas, das Ihnen am Herzen liegt, dann tun Sie es jetzt!
Sie können es nicht vorher wissen – aber es könnte die letzte Chance sein!
Tun sie es deshalb.
Nicht, weil die Zeitung schon wieder reißerisch den 21. Dezember erwähnt.

Diese Art Weltuntergangs-Gedöns legen wir nun zu den Akten.

©Dezember 2012 by Michèle Legrand

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Rentier mit Krokantbecher

Die Zeit, in der ich ohne Kamera auskommen muss  (ich vermisse sie sehr!), möchte ich – was den Blog angeht – gern für etwas Spezielles nutzen. Ich würde gern Ergänzungen vornehmen!
Daher taucht heute an dieser Stelle ein Beitrag auf, der (in einer anderen Version) vor zwei Jahren auf der Seite http://www.goodnewstoday.de veröffentlicht wurde. Einer Internet-Seite, die es sich zum Ziel gemacht hat, positive Nachrichten (good news) zu verbreiten. Eine ganze Reihe meiner Erlebnisse ist vorrangig 2010 dort gelandet.

Ich erwähne gelegentlich Robert Redford oder den Krokantbecher und manche fragten nach dem Hintergrund. Falls es Sie auch interessiert, Sie Lust haben, es noch nicht oder nicht mehr kennen, dann lade ich Sie heute herzlich ein zum:

Rentier mit Krokantbecher

Sie haben das Tier der Lappen vor Augen und wundern sich?
Sie müssten mittlerweile als Stammleser wissen, dass ich es manchmal sehr liebe, Verwirrung zu stiften – die ich selbstredend auch wieder auflöse!
Es geht heute im Blog um einen Herrn im Ruhestand, einen Rentner, auch Rentier genannt, sowie einen Besuch im Eiscafé.
Solche althergebrachten Begriffe wie Rentier, die haben schon etwas, oder?^^
Und Krokantbecher. Ich kann mir nicht helfen, auch dieses Wort erschien mir absolut titeltauglich.

Lassen Sie uns beginnen:
Ich sage Ihnen nichts Neues, wenn ich Ihnen verrate, dass manche Wochen es in sich haben und manche Tage ziemlich bescheiden anfangen. In einem solchen Fall gibt es immer mindestens zwei, wenn nicht gar drei Möglichkeiten, damit umzugehen:
1.
Sie können jedes negative Puzzleteilchen des Tages aufpicken, aufbauschen, jammern und leiden. Gut macht es sich auch, depressiv dreinzuschauen und zu muffeln. Auf jeden Fall sollten Sie den anderen gehörig auf die Nerven gehen und ihnen generell an allem die Schuld geben!
Vorteil: Gefühlt geht es den anderen jetzt ebenfalls nicht so blendend.
Nachteil: Die Situation ist immer noch bescheiden, und es fördert nicht gerade die eigene Beliebtheit oder die eigene Zufriedenheit mit sich selbst.
2.
Ignorieren, so weit dies möglich ist. Gute Miene machen zum ganzen Elend. Hinnehmen, ergeben ertragen, still vor sich hin leiden. Abwarten.
Vorteil: Keiner
Nachteil: Die Passivität ist deprimierend. Der Ärger nagt. Die Situation bleibt.
3.
Wenn der Tag bis – sagen wir – 15 Uhr katastrophal war, dann kann dies eigentlich nur bedeuten, dass das Gute, das an jedem Tag passiert, eben heute noch dran ist, und Sie mit dem anderen Elend jetzt gleich durch sind.
Vorteil: Sie können das Zurückliegende abhaken und sich auf das Kommende freuen.
Nachteil: Sie müssen sich ein bisschen selbst darum kümmern, dass Ihnen das Positive auch auffällt. Das klappt besser, wenn Sie nicht gerade mit Punkt 1 und Punkt 2 beschäftigt sind …

Ich befand mich dieser Tage  in jener erwähnten 15-Uhr-Situation und wollte mich, zum Abschütteln des ersten Teils des Tages und zum Begrüßen des zweiten Teils,  in dieser Übergangsphase mit einem Kaffee vergnügen.
Liebend gerne hätte ich es in dem gewohnten Coffee Shop getan, dem, in dem auch die Geschichte über den Rolltreppen-Voyeurismus (siehe Link unten) entstand. Leider stellte ich fest – er hat zugemacht!

Wissen Sie, was mir dabei auffiel?
Sämtliche Läden, in denen ich in den letzten Jahrzehnten hin und wieder mal eine Tasse Schwarzes trank, sind nach einer Weile geschlossen worden!
Ich fragte mich natürlich doch leicht verunsichert, ob ich mir tatsächlich eine neue Kaffeebleibe suchen sollte oder ob dann auch dort bald das letzte Stündlein geschlagen hätte …
Was soll ich Ihnen sagen, ich schob energisch jegliche Bedenken beiseite, fuhr mit der Rolltreppe eine Etage höher und besuchte dort ein Eiscafé.
Vor einiger Zeit wechselte der Inhaber, und man baute komplett um. Es wurde sich viel Mühe hinsichtlich der Dekoration gegeben, ist an einigen Stellen aber etwas overdone. Sehr viel Gold, Lederimitat und Glanz. Andererseits – ich glaube, man gewöhnt sich daran …

Eiscafé - Blogpost: Rentier mit Krokantbecher

Im Eiscafé …

Wie geht es Ihnen, wenn Sie zwangsweise, aus der Not heraus, irgendwo neu hinzustoßen? Fühlen Sie sich sofort heimisch?
Ich brauche immer ein bisschen, muss mich umschauen, horchen und mich an Gerüche gewöhnen.
Ich setzte mich also inmitten einer Kissenflut auf eine Eckbank an einen etwas größeren Tisch, denn die kleinen 2er-Tische waren besetzt. Versuchte abzuschalten, was mir auch gelang, bis sich neben mir im Gang eine lautstarke Diskussion zwischen der Bedienung und einem Pärchen mit Kinderwagen entwickelte. Wie sich herausstellte, hatte das Center-Management harte Auflagen erlassen, was das Freihalten der Fluchtwege, sprich Gänge, angeht. Ein Kinderwagen darf dort neben dem ausgewählten Tisch nicht in den Gang ragen. Es war zwar mindestens noch ein Weg von einem Meter Breite frei, aber Auflage ist Auflage!

Während ich meinen Blick in die Runde gleiten ließ, registrierte ich, dass mein Tisch perfekt sein würde, denn es gab hier eine Nische, in die das Gefährt ideal hineingepasst hätte. Also bot ich an, als Einzelperson mit meiner Kaffeetasse umzuziehen. Spontan, wie ich manchmal halt bin. Große Begeisterung, Dankesbekundungen, etc.
Soweit prima – nur, wohin sollte ich jetzt gehen?

Cafè Latte - Blogpost: Rentier mit Krokantbecher

Cafè Latte …

Überall saß schon mindestens eine Person am Tisch. Aufdrängen mochte ich mich nicht. Im Stehen Kaffee trinken hatte ich allerdings auch nicht geplant und so entschloss ich mich, einen älteren Herrn zu meiner Linken zu fragen, ob ihm meine Gesellschaft recht wäre. Es löste bei ihm einen überaus erstaunten Blick aus, doch nach drei Sekunden Bedenkzeit wurde mir die Genehmigung zum Platz nehmen erteilt.
Ich beschäftigte mich ein wenig mit meinem Stift und dem Notizblock und beobachte ihn unauffällig aus den Augenwinkeln.
Auch so eine Manie von mir, gerne wissen zu wollen, mit wem ich es zu tun habe. Wer mir so dicht auf die Pelle rückt, oder – wie in diesem Fall – wem ich nahe komme.

Sein Alter war schwer zu schätzen. Rentier, also Rentner, auf jeden Fall. Wenn ich ihn beschreiben sollte, würde ich sagen: Denken Sie an den Film mit Robert Redford, den, in dem er einen Fliegenfischer spielt. Addieren Sie Jahre und Falten hinzu, und Sie haben meinen Tischnachbarn. Eine allgemein große Ähnlichkeit der Gesichtszüge,  aber auch ansonsten der Typ einsam im Fluss stehender Angler mit wettergegerbtem Gesicht.
Wortkarg.
Ruhe ausstrahlend.
Und vor ihm stand sein Espresso.
Nachdem meine Erkundung abgeschlossen war, stellte ich fest, ich saß genau am richtigen Tisch. Der Herr übertrug diese ihm eigene Ruhe, und das tat enorm gut! Außerdem schien er keinerlei Bedürfnis zu haben, unbedingt eine Unterhaltung zu führen.
Nichts Ablehnendes in der Haltung, im Gegenteil!
Es war ein sehr einvernehmliches und friedliches Schweigen.
Sein rechter Arm bereitete ihm momentan offensichtlich Probleme, denn er trug ihn in einer schwarzen Schlinge.
Ich trank weiter meinen Kaffee, während das Pärchen das kleine Kind aus dem Kinderwagen gehoben hatte und es, nun auf der Sitzbank hockend, mit einem prallen Luftballon spielen ließ.
Die Bedienung trat an den Tisch und setzte einen Krokantbecher für den Fliegenfischer ab. Er freute sich sichtlich und begann, den Löffel in der linken Hand, sein Eis zu vertilgen.
Er musste definitiv Rechtshänder sein, denn er tat sich jetzt schwer. Kleine harte Krokantstückchen auf Sahne verschwanden etwas ungelenk hinter seinen Lippen. Wenn er mit links nicht genau die Mundöffnung traf, blieben Sahnereste an der Oberlippe hängen.
Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall!
Ich fuhr zusammen. Mein Kaffee geriet ins Schwappen. Ihm fiel der Löffel aus der Hand, gefolgt von seinem erschrockenen Einziehen des Atems.
Dem Kleinkind war der Luftballon geplatzt!
Während ich mich schon wieder etwas beruhigt hatte, wurde er plötzlich knallrot und fing an zu husten. Es wirkte recht bedrohlich, doch er winkte ab, es schien nur immens im Hals zu kratzen.
Wirklich alles okay?
Er wurde immer dunkler und japste. Krokant ist nicht ohne …
Ich fragte die Bedienung, die sich leicht besorgt in sicherer Entfernung bemühte wegzuschauen, nach einem Glas Wasser. Als sie zögerte, wiederholte ich die Bitte und erwähnte, dass es nett wäre, wenn sie es jetzt gleich bringen würde, so lange der Gast noch lebte …
(Ja, wundern Sie sich ruhig. Sie kennen mich sonst sehr friedlich, nur als  in einer solchen Situation keinerlei Reaktion erfolgte …)
Ihr Verhalten war höchst seltsam, sie holte zwar das Wasser, schien sich damit aber nicht heranzutrauen. Also stand ich auf, ging zu ihr, nahm es ihr ab und reichte es weiter an Herrn Redford.
Er trank vorsichtig kleine Schlucke, das Husten ebbte langsam ab, und seine Gesichtsfarbe wechselte wieder in den Normalbereich.
Die Bedienung erwachte nun auch aus ihrer Starre und verhielt sich von da an wieder formvollendet.

Ein finales Räuspern, dann war er soweit, dass er grinsen konnte und trocken verkündete, er hätte nicht den Krieg überlebt und einen Fahrradunfall (daher der Arm in der Schlinge), um letztendlich in der Eisdiele an Krokant zu ersticken.

Rentier Robert Redford und ich  haben danach noch eine Viertelstunde höchst angelegentlich miteinander geplaudert und sehr vergnügliche Minuten miteinander verlebt.

Die 15-Uhr-Regel hatte sich an diesem Tag, der so unruhig und nervig begonnen hatte, wieder einmal bewahrheitet. Das Elend hatte sich verzogen, aufgelöst.
Und bei Ihnen? Nicht?
Seien Sie guten Mutes! Es klappt auch bei Ihnen!
Manchmal müssen Sie nur etwas genauer schauen. Oder ein bisschen mehr mit daran herumbasteln.
Dann wird’s …

Hier noch der Link zum „Rolltreppen-Voyeurismus“:
https://michelelegrand.wordpress.com/2012/06/27/bloglesernachfrage-was-ist-bitte-rtv-heute-die-ganze-geschichte-dazu/
Oder auch der Link zu „Zerstört mir nicht die Kaffeehausatmosphäre!“:
https://michelelegrand.wordpress.com/2010/12/04/umstellungen-kaffeehausatmosphare-nervtoter/

PS In dem Eiscafé ist es 2012 übrigens sehr nett und auch nicht mehr so streng hinsichtlich der Gangfreihaltevorschriften.

©Dezember 2012 by Michèle Legrand

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