Archiv für die Kategorie Auf Entdeckung … an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern)
Meer, Sonne, Strand … (4) – High Noon in Wustrow: Qualmende Schränke und eine Boddenfahrt
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern), Foto am 23/08/2013
Die Blogserie Meer, Sonne, Strand … führte Sie in bisher drei Teilen zuletzt nach Wustrow auf Fischland. Im letzten Part ging es durch den Ort und hinauf auf den Kirchturm mit seinem grandiosem Ausblick. Sie erinnern sich noch an den fröstelnden, ausgesperrten Herrn?
Heute lade ich Sie aufs Wasser ein und zeige Ihnen Schränke, die auf den ersten Blick etwas seltsam anmuten. Schauen Sie allerdings vorsichtshalber genauer hin, bevor Sie voreilig die Feuerwehr alarmieren …
Fortsetzung!
…
Die ev.-luth. Kirche von Wustrow aus Teil 3 hat ihren Platz nahe des beschaulichen Hafens. Das Gewässer in dieser Region wird als Saaler Bodden bezeichnet. Der gesamte Hafenbereich ist ein überaus hübscher Flecken in diesem Ort, der früher einmal ein Seefahrerdorf war. Sie merken diese Tatsache natürlich ganz besonders in Hafennähe, denn dort befinden sich viele der ehemaligen Kapitänshäuser. Reetgedeckt!
Von hier aus verkehren Linienschiffe Richtung Dierhagen und Ribnitz-Damgarten (Fahrradmitnahme ist möglich!) und auch Boddenrundfahrten starten dort. Wenn Sie vorhaben, diese Transportmöglichkeit zu nutzen, dann ist es ratsam, sich vorher den Fahrplan zu organisieren. Gehen Sie nicht auf gut Glück los! So oft sind die Abfahrten am Tag nicht angesetzt. Es wäre einfach schade, wenn Sie von der Fähre nur noch das Heckwasser sehen und Sie erst viele Stunden später eine weitere Möglichkeit hätten, zuzusteigen.
Eine kleine Boddenfahrt sollten Sie definitiv auf ihre Liste setzen!
Und denken Sie nicht, das wäre nur beschaulich und ruhig!
Kein Wellengang, pottebenes Wasser, Stille. Es könnte mittendrin durchaus anders verlaufen …
Bei mir fing es schon damit an, dass der Kapitän das Wort Rundfahrt wörtlich nahm und kaum dass er die Hafenausfahrt hinter sich hatte, damit begann, sein Schiff mit engstmöglichem Radius auf der Stelle zu drehen. Wie ein Kreisel. Er verkündete bierernst über Lautsprecher, das würde er jetzt noch einige Male machen, dann wäre die Rundfahrt beendet und wir würden zurückgebracht.
Fallen Sie nicht darauf herein!
Der seriös wirkende Herr hinter dem Steuer hat es gelegentlich faustdick hinter den Ohren.
Sollten Sie weiterhin fit sein und den Part überstanden haben, führt die Reise hinaus auf den Bodden. Sie passieren u. a. Barnstorf, einen zu Wustrow gehörenden Ortsteil. Schilfbewachsene Uferzone, einige Wasservögel halten sich in diesem Bereich auf. Ihnen begegnen Segelboote, gelegentlich sogar Wasserskifahrer!
Sie werden erfahren, dass keine Rettungswesten an Bord nötig sind, weil das Brackwasser des Saaler Boddens recht flach sei. Es werden in diesem Zusammenhang allerdings zwei Meter Wassertiefe genannt, so dass es mit dem Stehen an allen Stellen wohl doch nicht so klappen dürfte.
Auch wenn es nicht so aussieht und sich in Ufernähe kein Lüftchen regt, weht mitten auf dem Gewässer doch ein recht frischer Wind. Es entsteht von jetzt auf gleich das Gefühl auf See zu sein!
Was die Stille angeht, so erhalten Sie bei der Rückkehr und der Ansteuerung des Hafens eine Vorwarnung, sich die Ohren zuzuhalten, bevor der Kapitän das Schiffshorn betätigt. Sie tun gut daran, dem Rat zu folgen – es ist unheimlich laut!
An Bord gibt es nur den Kapitän und eine Dame – vielleicht seine Gattin – deren Aufgabe es u. a. ist, die Gäste an Bord mit Erfrischungen und heißen Knackwürsten gegen aufkommenden Hunger zu versorgen. Ablege- und Anlegemanöver werden ebenso ausschließlich von ihnen bewerkstelligt.
Sie kennen sicher diese Metallstege mit einer Reling zu beiden Seiten, die als Überbrückung von Schiff zu Haltepier ausgelegt werden. Nun, der Kapitän rüttelt lautstark den Steg in die korrekte Position, schaut betont skeptisch, zeigt auf den nächststehenden Passagier, der aussteigen möchte und gibt ihm den Auftrag:
„Wenn Sie mal bitte testen, ob das hält …“
Ich sag’s Ihnen, so eine Fahrt ist beinahe ein Abenteuer. ^^
Segeltouren auf den alten Zeesenbooten (plattdeutsch Zeesboote, = ehemalige Fischerboote mit meist braunem oder dunkelrotem Segel) werden ebenfalls angeboten.
Im Hafen von Dierhagen am Saaler Bodden liegt ebenfalls eines dieser Zeesenboote und läuft regelmäßig aus.
Überall suchen sich die Möwen die besten Plätze. Zum Sonnen, zum Schauen, zum eventuell etwas Abstauben …
Gelegentlich erfahren Sie Dinge, die Sie noch gar nicht wussten …!
Bei einer Schifffahrt auf dem Bodden werden Ihnen natürlich hauptsächlich landschaftlich schöne Eindrücke geboten.

Nahe Wustrow am Saaler Bodden: Barnstorf – Dort gibt es die Kunstscheune in der hauptsächlich von Juni-Oktober Malerei, Skulptur, Keramik und Schmuck ausgestellt wird.
Fast direkt am Zugang von der Straße zum Hafenbereich auf der rechten Seite befinden sich diese Schränke.
Schon merkwürdig, oder?
Es scheint aus ihnen zu qualmen …
Kein Brand, Kein Notfall. Es handelt sich um eine Fischräucherei, in der fangfrischer Rotbarsch, Heilbutt, Lachs, Butterfisch, Aal, Zander und auch Makrele sowie Forelle geräuchert werden.

Ostseebad Wustrow – Es qualmt immer noch ein bisschen. Hinter den Türen befinden sich Forelle, Rotbarsch, Heilbutt ….
Jeden Tag um Punkt 12 Uhr mittags ist der Fisch fertig, und Sie haben die Möglichkeit, sich dort mit einem Papptablett anzustellen und Ihre Wünsche zu äußern. Sie bekommen genau die Sorte und auch exakt das Stück, das Ihnen am meisten behagt. Es bilden sich jedes Mal lange Schlangen bei dem Herrn am Räucherschrank.

Ostseebad Wustrow – Der Fisch ist fertig. Jeder bekommt seinen Wunschfisch und sein Wunschstück. Mit dem Fisch auf dem Pappteller geht es zum Wiegen und Bezahlen.
Anschließend wird gewogen und bezahlt. Einige verzehren ihren Fisch gleich an Ort und Stelle, andere scheinen für ganze Kompanien einzukaufen und ziehen mit großen, in Alufolie eingeschlagenen Paketen von dannen. Zum Campingplatz, zur Ferienwohnung, zur Familie Richtung Strand.
Sie sehen, High Noon in Wustrow ist Schlangenbildungszeit.
Aber es lohnt sich.
Wie sich der gesamte Ort für einen Besuch oder auch einen längeren Aufenthalt lohnt!
Vielleicht kommen Sie selbst einmal dort vorbei oder verspüren nun Lust, ihn sich selbst anzuschauen und auf dem Bodden zu schippern.
Merken Sie sich doch den September/Oktober vor!
Dann ziehen die Kraniche dort vorbei, und es gibt spezielle Schifffahrten in die Gebiete, in denen sie in großer Zahl anzutreffen sind!
Meer, Sonne, Strand … (3) – Streifzug durch Wustrow und der Turmgefangene
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern), Foto am 21/08/2013
Meer, Sonne, Strand … Teil 2 führte Sie bereits per Fahrrad entlang der Ostseeküste RIchtung Wustrow auf Fischland (Mecklenburg-Vorpommern). Heute steht nun das alte Seefahrerdorf selbst auf dem Programm.
Fortsetzung!
…
Im Grunde ist es für eine Erkundung ganz gleich, ob Sie mit dem Fahrrad in Wustrow fast direkt an der Seebrücke eintreffen und von dort den Ort erkunden (also von See Richtung Land starten) oder ob Sie mit Ihrem Auto der Hauptstraße folgen und später in die Nebengassen abbiegen. Das Örtchen hat viele schöne Stellen und reichlich Flair.
Mit seinem hohen Baumbestand (Alleen aus uralten Linden), den häufig anzutreffenden reetgedeckten Katen sowie traumhaft blühenden (Bauern-)Gärten mit Stockrosenpracht, wirkt alles enorm anziehend und gemütlich. Historische Gebäude sind sehr geschickt verbunden mit allem Neuen, und Neues fällt glücklicherweise nicht völlig aus dem Rahmen. Es herrscht Harmonie zwischen alt und neu, und der Charakter des Ortes bleibt erhalten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich bevorzuge Orte, die einen wirklichen Ortskern besitzen, von dem aus im Laufe der Zeit, so nach und nach, eine Ausdehnung erfolgte. Die Ortsmitte ist das Herz, an dem sich die wichtigsten Anlaufstationen befinden, es ist am geschichtsträchtigsten. Dort findet von jeher das Leben statt, und es ist auch heute nach wie vor der Treffpunkt.
Bei manchen kleineren Ortschaften, die irgendwann aus praktischen Gründen zusammengelegt wurden, zieht sich der neue Gesamtort oft über Kilometer hin, hat aber kein gemeinsames Zentrum. Aus Ersparnisgründen gibt es in dem einen Teil dies, im anderen Teil jenes. Ziele liegen weit auseinander. Das fällt mir persönlich sehr auf, und der Kern, das Herz! fehlt mir tatsächlich merklich.
Wustrow hat ein Zentrum, und man hat sich glücklicherweise bei seiner weiteren Entwicklung und auch trotz der Zunahme der Zahl der Touristen auf das Alte und Bestehende besonnen und nicht wild drauflos irgendwo etwas Unpassendes in die Höhe gezogen oder Flächen gnadenlos zugepflastert. Egal, in welche Nebenstraße Sie abbiegen oder welche Wege Sie zwischen Strand, Zentrum und Hafen wählen, die Häuser sind nicht identisch, dennoch herrscht ein einheitlicher Stil und alles ist grundsätzlich sorgfältig gepflegt.
Der Tourismus spielt – wie erwähnt – an dieser Stelle der Küste, überhaupt in dieser Region, eine große Rolle. Das Werben und der Konkurrenzkampf um die Gäste hat vielleicht einen großen Vorteil: Es macht die Erhaltung und Pflege der Badeorte und ihrer Einrichtungen unabdingbar. Je besser das Angebot, je freundlicher und vielseitiger das gesamte Umfeld, umso größer ist auch das Kuchenstück, dass der jeweilige Ort abbekommt. Wustrow fällt in dieser Hinsicht besonders positiv auf.

Ostseebad Wustrow – Strand und Wasser direkt an der Seebrücke. Es gibt Wellenbrecher (längs zum Wasser in Form von Holzpflöcken, quer aus Stein gegen die Strömung)

Ostseebad Wustrow – In Seebrücken-Nähe gibt es einige Verkaufsstände, die außer Essen und Getränken auch Bilder und Sonstiges anbieten. Auch Würmer …
Apropos Kuchenstück!
Ein Café in der Strandstraße mit dem schönen Namen Windflüchter kann ich wärmstens empfehlen. Es werden jeden Tag selbstgebackene Kuchen und Torten angeboten, die einfach himmlisch schmecken. Kleinere andere Mahlzeiten bekommen Sie dort auch und die Bedienung ist sehr freundlich!
Auf einem Hügel erhebt sich die alte Kirche im neugotischen Stil, von deren Turm Sie einen herrlichen Ausblick auf den Bodden haben.

Fischländer Kirche von Wustrow – Interessanter Anblick: Modell und (hinter dem Haus) das Original zusammen in einem …
Können Sie erkennen, was auf dem Plakat steht?
Der Besuch von Herrn Gauck wird angekündigt. Nicht an dem Tag, an dem ich dort war. Man erwartete ihn ein paar Tage später. Ich musste schmunzeln, denn ich bin ihm in Leipzig bereits einmal fast in die Arme gelaufen. Damals dachte ich, an der Thomaskirche entwickle sich eine Demonstration, da auf einmal unheimlich viel Polizei erschien und alles abriegelte. Es war nur für Herrn Gauck, der ein paar Meter von mir entfernt aus dem Auto stieg, um an den Feierlichkeiten zum Jubiläum der Thomaner teilzunehmen. Seine erste Amtshandlung, nachdem er gerade Bundespräsident geworden war …
In diesem Urlaub habe ich übrigens Frau Merkel ganz knapp verpasst! Nichtsahnend traf ich am 22. Juli 2013 in Prerow ein, da packte sie ihre Sachen gerade wieder zusammen.
Nun, ich kam natürlich auch ohne sie klar …
Möchten Sie vielleicht einmal eintreten? Der Innenraum der Kirche ist sehr schön gestaltet!

Ostseebad Wustrow – Blick in den Altarraum der Kirche. Auch der dreiflügelige Holzaltar ist im neugotischen Stil errichtet und zeigt die Rettung des sinkenden Petrus durch Jesus Christus (Altarbild von Gustav Stever)

Blick in den Innenraum der Kirche von Wustrow. An einigen Stellen hängen Schiffsmodelle von der Decke herab. Es sind Votivschiffe, Modelle die von Seeleuten (und auch Fischern) der Kirche gestiftet wurden.

Kirche von Wustrow mit Orgel und auch hier hängt wieder ein Votivschiff. Diese Orgel wurde 1970 eingebaut und verfügt über zwei Manuale und ein Pedal mit 14 Registern sowie insgesamt 986 Pfeifen.
Eine Turmbesteigung sollten SIe auf keinen Fall auslassen. Sie können unglaublich weit schauen! Man versicherte mir, dass Sie bei gutem Wetter – sprich guter Sicht – sogar Dänemark erspähen können!

Ostseebad Wustrow – Und der Blick vom Kirchturm über einen Teil des Ortes Richtung Ostsee und Windkraftanlage
Doch passen Sie auf, wenn Sie den Turm besteigen und oben auf der Plattform sind! Während meiner Anwesenheit stand die Verbindungstür ständig offen und war arretiert, doch als mein Stiefvater vor einigen Jahren in Ahrenshoop einen Kuraufenthalt verbrachte und in seiner freien Zeit den Kirchturm von Wustrow erklomm, verlief sein Besuch anders als gedacht.
Vor allem war er länger!
Es war an einem kühlen, windigen und leicht regnerischen Tag. Er war der einzige, der zu dem Zeitpunkt die Kirche besuchte. Oben angekommen, umwanderte er langsam den Turm, genoss den Ausblick in alle Richtungen, hatte irgendwann eine komplette Umrundung geschafft – und stand vor verschlossener Tür.
Sie war ins Schloss gefallen und von außen nicht mehr zu öffnen!
Er wartete. Er fröstelte. Er überlegte. Kein Mensch in Sicht. Und ob ihn welche aus der Höhe winken oder rufen hören würden, wenn sie denn unten vorbeigingen? Er war höchst skeptisch und baldowerte daher einen Rettungsplan aus. Nach knapp einer Stunde hat er schließlich einen Zettel beschriftet, seinen Schirm aufgespannt, den Zettel an den Knauf gebunden (er ist immer stolz darauf, alles für eventuelle Notfälle dabeizuhaben – aber damals hatte er noch kein Handy) und wollte sein Kunstwerk mit dem schriftlichen Hilferuf in dem Moment fallschirmartig heruntergleiten lassen, wenn Passanten sich näherten.
Bei seinen Vorbereitungen hatte er nicht mitbekommen, dass inzwischen ein Paar in der Kirche und auf dem Weg zur Turmspitze war. Er schaute verdutzt, als die Tür aufging, die beiden hinaustraten und rief dann relativ hektisch:
„Lassen Sie die Tür auf, um Himmels Willen, lassen Sie die Tür auf!“
Völlig verschreckte Neuankömmlinge, doch alles ging gut, er konnte vom Turm, die anderen stopften eine Art Türstopper in die Öffnung, um nicht das gleiche Schicksal eines ungewollten Langzeitaufenthalts erleiden zu müssen.
Nur seitdem passt der Herr Papa natürlich auf, dass er nicht wieder irgendwo zwangsweise draußen bleiben muss.
Fortsetzung folgt!
In Kürze Teil 4:
Meer, Sonne, Strand … (4) – High Noon in Wustrow: Qualmende Schränke und eine Boddenfahrt
Meer, Sonne, Strand … (2) – Hai-Alarm!? Ostsee, Bodden und per Rad nach Wustrow …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern), Foto am 20/08/2013
Das erste Mal erblickte ich Wustrow von der Wasserseite aus.
Gleich am Tag der Ankunft!
Als sich nämlich herausstellte, dass Bootsfahrten auf der Ostsee ab Graal-Müritz (Mecklenburg-Vorpommern) ausschließlich am Sonntag angeboten werden und zudem klar wurde, dass es sich auch nicht um massenhaft, sondern lediglich um zwei Abfahrten handelt.
Die erste am Vormittag nach Warnemünde kam nicht mehr in Frage. Zu diesem Zeitpunkt waren wir nämlich noch gar nicht eingetroffen. Es blieb für Spätankömmlinge, die den darauf folgenden Sonntag bereits gar nicht mehr da sein würden, lediglich der spontane Entschluss, um 16 Uhr an der kleinen zweistündigen Fahrt mit MS BALTICA entlang der Küste teilzunehmen. Statt west- nun ostwärts Richtung Fischland und Darß.
Dabei passierten wir bei schönstem Sommerwetter und glitzernder See mit etwas Abstand den Badeort Wustrow samt seiner Seebrücke, und irgendwie fand ich schon bei diesem ersten Hinsehen die bunten Häuser, die Kirche, die Landschaft … die Silhouette einfach ansprechend.
Obwohl ich den Zeitpunkt des Vorbeifahrens anfangs fast verpasste!
Auf dem Schiff saß eine Familie mit zwei Kindern neben mir. Der Sohn um die acht Jahre alt, die Tochter vielleicht fünf. Er erkundete das Boot, stiefelte von Backbord nach Steuerbord, schaute über die Reling ins Wasser und brüllte irgendwann quer übers Deck:
„Ein Hai, ein Hai!“
Hellwach waren sie plötzlich alle, die Damen und Herren Mitfahrenden! Bei dem einen löste es eine Schrecksekunde aus, bei anderen flammte züngelnd die Sensationsgier auf. Genau so lange, bis der Satz im Gehirn angekommen war und sich auf den meisten Gesichtern prompt ein leicht schiefes, etwas verlegenes Lächeln breitmachte.
Ach, hier gibt’s doch gar keine Haie! Oder …?
Leichte Unsicherheit, manch einer warf prüfend-skeptische Blicke auf die Wellen.
Die Schwester des Jungen glaubte jedoch ganz sicher weiterhin daran und verkündete heulend, dass sie keinen Hai in der Ostsee möchte, weil sie noch baden wolle. Große Aufregung und Krokodilstränen …
Die Mutter erklärte resolut, der Bruder hätte sich verguckt.
Daraufhin lenkte der Knabe ein und erwiderte ernsthaft:
„Jetzt isser weg. Der Wal hat ihn gefressen …“
Kurz danach ertönte neuer Alarm:
„Piraten …!“
Und so habe ich vor lauter Action Wustrow erst danach entdeckt.
Schauen Sie mal!
Wenn das Wasser an einer Stelle so aufgewühlt ist und aussieht, als würde es gleich brodeln, dann schwimmen dort grad Hunderte von kleinen Fischen! Ein Haifisch-Schwarm! ;)
Ich wollte Sie heute und in weiteren Blogposts gern erneut auf einen Streifzug nach Mecklenburg-Vorpommern an die Ostseeküste mitnehmen – inkl. der üblichen Gedanken(sprünge). Im ersten Teil ging es allgemein um die Strände, die Region und Sie pausierten bereits mit Musiker Christian Sänger und dem Kollegen Paul an der Seebrücke von Graal-Müritz. Meeresblick eingeschlossen.
Oh, ich wurde kürzlich gefragt, was es mit den Seebrücken auf sich hätte!
Früher herrschte erheblich mehr Schiffsbetrieb zwischen den Ansiedlungen an der See und belebte den Bäderverkehr zwischen Warnemünde und der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst.
In dieser Zeit gab es bereits an vielen Orten entlang der Küste die ins Meer hinausgebauten Seebrücken, deren Stege bis in tiefere Gewässer ragen und so ein Anlanden der Schiffe ermöglichen. Die Ostsee ist in Strandnähe sehr flach, Boote haben dort nicht genügend Wasser unter dem Kiel. Die Seebrücke von Graal-Müritz misst daher stolze 350 m. Erst in dieser Entfernung zum Land ist die Wassertiefe für die Ausflugsschiffe ausreichend. Die Länge der Brücke von Wustrow beträgt immerhin 240 m. In beiden Orten wurden sie Anfang der 90er Jahre komplett neu errichtet und dabei verlängert.
Es ist ein schönes Gefühl am Ende einer Brücke zu stehen, windumweht … Es ist fast so, als wäre man wirklich mitten im Meer.
Zurück zu Wustrow.
Es war klar, dorthin sollte es einmal ganz gezielt gehen. Im Laufe der Urlaubswoche näherten wir uns dem Ort sowohl per Auto also auch per Fahrrad. Ein Schild an der Straße hat mich fasziniert und überrascht, denn ich hatte diese Tiere hier als Straßenquerer überhaupt nicht erwartet!
Otter!
Ich vergesse gern, dass es eigentlich Fischotter heißen müsste und diese Art die einzige Marderart ist, die sowohl im Wasser als auch an Land lebt. Und sie sind nachtaktiv. Viele dieser „streng geschützten Tiere“, die auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere aufgeführt sind, lassen ihr Leben im Straßenverkehr!
Das Foto entstand natürlich nicht völlig spontan und nebenbei. Sie ahnen, wie so etwas abläuft.
Beim ersten Vorbeifahren sehen Sie das Schild aus dem Augenwinkel, und es erregt Ihre Aufmerksamkeit. Beim zweiten Mal merken Sie sich die Stelle und beim dritten Mal hoffen Sie, dass Sie sich als Beifahrer aus dem Fenster hängen können und Ihnen irgendein Zufall zur Hilfe eilt, der bewirkt, dass der Fahrer auf der Landstraße langsamer als sonst an diesem Hinweisschild vorbeifährt. Langsamer vorbeifahren kann! Es herrscht ja Betrieb!
Nun, das Glück hatte ich, denn just an dem Tag befand sich weiter vor uns eine Art Trecker mit einer Durchschnittgeschwindigkeit von etwa 30 km/h, und danach mussten sich alle richten.
Frohlockung! Fenster herunter, Kamera raus. Bild im Kasten.
Eine Autoexkursion ist recht nett, doch besonderes Vergnügen bereitet die Fahrt per Rad, denn der Weg führt – im Gegensatz zur Straße – ziemlich parallel zur Küste.

Entlang des Fahrradwegs nach Wustrow. Bunt gestaltete sanitäre Einrichtungen … Hier wird vieles in dieser Hinsicht aufgepeppt. Auch Trafohäuschen.

Dinge, die Sie bei der Fahrt mit dem Auto nicht sehen: Odin – Teil des Dierhäger Themenpfads und ein Werk des Holzbildhauers Siegfried Kümmel. Direkt am Radweg …
Er führt an Dierhagen vorbei, liegt teilweise im Wald, geraume Zeit leicht geschützt hinter der Düne, doch verläuft vor Wustrow auch eine längere Strecke direkt auf dieser Schutzerhebung. Das wiederum bedeutet, man hat nicht nur häufig optimalen Ausblick auf die See, sondern sieht sogar an ein oder zwei Stellen gleich auf beiden Seiten des Landstreifens Wasser. Wustrow auf Fischland liegt nämlich genau an der schmalsten Stelle der Halbinsel, und so befindet sich auf der einen Seite das Wasser der Ostsee inkl. Blick auf feinen Sandstrand und Seebrücke, auf der anderen Seite das Wasser des Boddens mit Wiesen und Schilfflächen.

Ostseebad Wustrow – Vorne im Bild der Bodden, hinten die Ostsee (vom Wustrower Kirchturm aus gesehen)
Sie passieren beim Radwandern auch Siedlungen mit vielen älteren, meist kleineren Häuser, die heute zu einem erheblichen Teil als Feriendomizil vermietet werden. Immer wieder tauchen mit Reet gedeckte Bauten auf. Selbst bei neu errichteten Gebäuden wird dieser Stil häufig gewählt. Man erkennt kürzlich hinzugekommene Dächer daran, dass sie wesentlich heller sind, denn das witterungsbedingte Nachdunkeln des Schilfrohrs braucht ein Weilchen. Ein solches Dach ist bis zu 70 Jahre haltbar, erzählte der Kapitän bei einer Boddenausflugsfahrt. Das Rohr wächst hier in der Uferzone des Gewässers, wird im Winter geschnitten und im Sommer verarbeitet. Es gibt einige Fachbetriebe in dieser Region, man sieht immer wieder Fahrzeuge mit entsprechenden Firmenbezeichnungen.

Das Fischland-Hochufer zwischen Wustrow und Ahrenshoop – Enorm viele Schwalben nisten dort in den Steilwänden in hochgelegenen Höhlen. Ein Loch neben dem anderen …

Wenn Sie – wie ich – vom Radweg abkommen und den Wanderweg weiter Richtung Ahrenshoop nehmen, treffen Sie vielleicht auch diese herumtollenden Hasen …
Auf diesem Landstück von Fischland und Darß über die Halbinsel Zingst bis zur Insel Hiddensee und Westrügen erstreckt sich der insgesamt 805 km² große Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Die Boddengewässer sind quasi große, relativ flache Lagunen, die vom Meer durch Landzungen abgetrennt sind.
Früher hatten sie an mehreren Stellen einen Durchlass zur Ostsee, doch diese wurden aus verschiedensten Anlässen geschlossen. Die Gründe waren oft wirtschaftlicher Natur.
Neid spielte ebenfalls eine nicht zu unterschätzende Rolle!
Während der Hansezeit im 14.-16. Jh. und der Hochzeit der Großsegler, als ab Fischland 240 Schiffe ausliefen und auf der Ostsee mitkonkurrierten, war das vielen ein Dorn in Auge. Kurzerhand versenkte man einheimische Schiffe in der Öffnung zur See, die Stelle versandete – und ab da ging nichts mehr! Wustrow, Ahrenshoop und weiteren Orten erging es so. Allein in Prerow (Darß) beschlossen die Bürger nach einer verheerenden Überschwemmung, die den Ort komplett unter Wasser setzte, von sich aus, die Verbindung zum Meer zu blockieren.
Heute gibt es nur noch eine einzige Öffnung und einige Flutrinnen.
…
Ende Teil 2, Fortsetzung folgt!
Von Wustrow selbst haben Sie heute noch gar nicht viel gesehen, daher erscheint in Kürze Teil 3:
Meer, Sonne, Strand … (3) – Streifzug durch Wustrow und der Turmgefangene
©August 2013 by Michèle Legrand
Meer, Sonne, Strand … (1) An der Seebrücke von Graal-Müritz
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... an der Ostsee (Mecklenburg-Vorpommern), Foto am 01/08/2013
Ein paar Tage bei wunderschönstem Sommerwetter an der Ostseeküste von Mecklenburg-Vorpommern zu verbringen, ist für sich gesehen schon eine feine Sache. Kaum eine Gegend in Deutschland hat schönere und ebenso lange weiße Sandstrände, wie dieses nördliche Bundesland.
Und wissen Sie, was noch besser ist?
Selbst großer Besucherandrang bei hochsommerlichen Temperaturen, führt hier nicht gleich zu einer Urlauber-Stapelsituation am Strand!
Die Lösung lautet, die Strände diverser Kur- und Badeorte gehen nahtlos ineinander über. Darüber hinaus konzentriert sich der Zugang zum Badebereich nicht nur auf wenige, weit auseinander liegende Stellen, an denen es dann notgedrungen zu Staubildung und Stress kommt, sondern mehr oder weniger überall verfügen die oft parallel entlang der Küste verlaufenden Straßen über großzügige, optisch schmeichelhaft hinter einer Doppelbaumreihe versteckte Riesenparkplätze, welche alle einen eigenen Strandaufgang, eine Stelle, an der die Schutzdünen durchquert werden können, haben.

Hier können Sie den Strand, der eben versteckt war, mit sehen – Blick Richtung Seebrücke von Graal-Müritz
Platz ist demnach reichlich vorhanden. Vielleicht reicht an heißen Tagen nicht überall die Anzahl der Strandkörbe, doch für eventuell fehlenden Schatten am Strand, hat Mecklenburg-Vorpommern wieder etwas für diese Gegend Spezifisches parat.
Sie finden – wenn Sie auf der Karte einmal Ihr Auge von Warnemünde östlich bis zur Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und sogar weiter Richtung Rügen schweifen lassen – ein unheimlich großes Waldgebiet. Es ist die flächenmäßig größte, zusammenhängende Waldregion in Norddeutschland! Das Grün beginnt oft direkt im Anschluss an den Strand mit seiner Schutzdünenabgrenzung. Wem es also zu heiß wird, oder wer der Haut kein weiteres Brutzeln zumuten möchte, dem bietet sich eine Alternative im Schatten der Bäume.
Stellen Sie sich den Wald nicht zu dunkel oder ungemütlich vor!
Er besteht vorrangig aus einer Mischung von Kiefern und Buchen bzw. Birken, lässt also relativ viel Licht hindurch – angenehm gefiltert. Es gibt zahlreiche Wanderwege und wenn Sie erst einmal loslaufen, können Sie theoretisch Wochen dort unterwegs sein.
Ein internationaler Fernradweg führt ebenfalls durch diese Region und glauben Sie mir, Fahrräder werden dort genutzt wie nix!

… und alle sind am Ostseestrand. Fahrräder wohin das Auge sieht – abgestellt im direkt hinter der Schutzdüne beginnenden Wald.
In jedem Ort gibt es zudem ein oder mehrere Fahrradverleih-Geschäfte mit ausreichend Nachschub, so dass Sie nicht gezwungen sind, Ihr eigenes Rad dabeizuhaben. Im Durchschnitt 6 € Leihgebühr werden für einen Tag (einzeln, bei Wochenbuchung billiger) fällig. Das ist günstiger als die Miete eines Strandkorbs.
Ich werde Ihnen im Blog im Laufe der Zeit sicher einige schöne Stellen zeigen. Heute möchte ich von einem perfekten Urlaubsnachmittag in Graal-Müritz an der Seebrücke erzählen.
Er begann mit einem kleinen Irrtum.
Ich saß anfangs in einem Strandkorb. Nicht am Strand, sondern dieser Strandkorb dient als Sitzgelegenheit des Café Seestern, direkt am Zugang zur Seebrücke gelegen.

Graal-Müritz – Juli 2013 – Das (Eis-)Café Seestern – ehemals Aufbewahrungsort für die Boote der DLRG/DGzRS
Fallen Ihnen die großen Fensteröffnungen an der Stirnseite des Hauses auf? Die, die ein wenig an Tore erinnern?
Früher wurde das Gebäude von der DGzRS bzw. der DLRG genutzt, die hier ihre Boote und ihre Ausrüstung untergebracht hatten. Ein fast identisches Haus gibt es in Wustrow (ca. 15 km östlich), dort hat es immer noch diese Funktion.
Zurück zum Café. Mit mir saßen dort noch weitere Gäste, aßen Eis, Kuchen oder tranken bei der Hitze Erfrischendes. Schwalben schwirrten ununterbrochen über die Köpfe hinweg. Es gibt dort auch ein Nest unter dem Dachüberstand.
Der Wind säuselte leicht, gelegentliches Möwengeschrei, ein Kleinkind trommelte – allerdings sehr zurückhaltend – auf seinem Plastikeimer. Relative Stille …
Irgendwann beginnt sie, die Musik. Erklingt über unsichtbare Lautsprecher. Halblaut, sehr moderat. Schöner Song, ein Oldie. Nicht das Original, eine Coverversion.
Auch das nächste Lied ist klasse. Auch nicht ganz neu … Die haben einen guten Radiosender laufen. Wie heißt der hier eigentlich? Irgendein Ableger vom NDR oder Antenne sowieso? Ich habe keinen Schimmer. Deren Programm passt jedenfalls zum Urlaub. Sehr entspannt.
Erneut ein älterer Song. Coverversion.
Moment …!
Noch eine Coverversion?
Das war bereits das dritte Lied!
Was kommt jetzt? Ein Titel von Chris Isaak. Klingt super. Aber es ist nicht das Original. Und vor allem – es singt immer die gleiche Stimme!
Herrje, ich bin heute echt wieder ein Schnellmerker und muss einsehen, dass es sich wohl kaum um Musik aus dem Radio handelt. Irgendwo – für mich außer Sichtweite – musizieren offenbar zwei live.
Und sie sind gut!
So gut, dass ich neugierig und sogar bereit bin, meinen Strandkorbplatz aufzugeben, um auf die Suche zu gehen.
Bei Suzie Quatros Stumblin’ in habe ich sie schließlich entdeckt. Sie sitzen strategisch günstig am Zugang zur Seebrücke. Hier ist viel … wie sagt man? Laufhörerschaft? Und es gibt Bänke. Zum Verweilen.

Graal-Müritz – Die Herren Musiker sitzen strategisch günstig am Zugang zur Seebrücke. Und es gibt Sitzgelegenheiten …
Es ist komisch! Manchmal mag keiner der Erste sein, der stehenbleibt oder sich hinsetzt. Oder der Applaus klatscht.
Albern, oder?
Wenn es einem doch gefällt …?
Ich nehme auf einer der umliegenden Sitzbänke Platz. Es füllt sich und weitere Urlauber stoppen, als ein neues Lied beginnt.
So etwas Gutes bekommt man nicht alle Tage serviert. Zwei Gitarren, Gesang. Handgemachte Musik. Unplugged! Von richtigen Könnern! Gute Gitarristen sind sie, eine gute Stimme dazu. Kein einziger schiefer Ton – das versteht sich von selbst. Gut ausbalanciert. Gut aufeinander abgestimmt. Eben einfach … gut.
Es folgt ein weiterer Titel von Chris Issak, Blue Hotel. Während vom lonely highway erzählt wird, beobachte ich nebenher die Schwalben, die wieder auf dem Dach des Eiscafés landen. Auch sie scheinen Gefallen zu finden. Ich bin nicht sicher, ob diese mitsang oder lediglich Hunger hatte:

Graal-Müritz – An der Dachrinne des Cafés: Entweder singt diese Schwalbe mit … (oder sie hat Hunger).
Danach ein Song, bei dem automatisch Füße wippen und mitgebrummt wird: Always Look on the Bright Side of Life …
Können Sie das nachfühlen?
Sie haben Urlaub, es ist Sommer und die Sonne strahlt, das Meer liegt glitzernd vor Ihnen, Wellen laufen auf den Strand. Und dann sitzen Sie da, atmen langsam aus, blinzeln träge und tun nichts außer genießen. Sie genießen alles und ganz besonders die Musik. Und Sie merken, dass es neben Leuten, die das alles nicht so schert, auch ein paar Gestalten gibt, denen es wie Ihnen geht. Die ebenso intensiv genießen. Das schafft beinahe ein Art unsichtbares Band zwischen Ihnen. Manchmal reicht Ihnen dann ein kleines Kopfnicken eines völlig fremden Menschen und Sie wissen genau, was er meint.
Ein Knirps geht auf die Musiker zu. Das Kleinkind redet äußerst ernst auf sie ein. So ganz verstanden haben sie nicht, was der Junge genau von ihnen möchte. Sie schauen sich etwas fragend an. Er wiederholt, eindringlich, wie es scheint, die Situation ist unverändert. Weiterhin ratlose Blicke. Die Mutter des Kleinen naht und übersetzt in Erwachsenensprache. Der Kleine hätte gefragt, ob sie ein bestimmtes Lied im Repertoire haben. Irgendetwas mit Piraten und Kaperfahrt.
Großes Bedauern. Leider nicht. Sie schlagen ihm stattdessen vor, mit ihm Hänschen Klein oder etwas Ähnliches zu singen, stellen sogar das Mikro für ihn ein.
Er findet die Vorschläge nicht ganz so prickelnd und traut sich letztendlich auch nicht. Seine Mutter verrät, dass der (vermutlich erst zweijährige) Sohn gern Follow you mitsingen würde, fragt, ob sie das Lied kennen.
Kurze Klärung, welches Follow you denn gemeint sei. Aha, alles klar … Der Song wird als Wunschtitel angekündigt und extra für den Knaben gespielt. Der runzelt anfangs leicht die sonst absolut faltenfreie Stirn. Wahrscheinlich klingt es in der Version mit zwei Gitarren etwas anders, als er es gewohnt ist. Doch beim Refrain lächelt er. Jedes Mal! Er überlegt lediglich immer reichlich lange, ob er mitsingen soll. Gerade, wenn er sich endlich ein Herz gefasst hat, ist der Refrain mal wieder vorbei …
Trotzdem zieht sich am Ende der Vorstellung ein breites Strahlen über sein Gesicht und er klatscht.
Ich komme mit den beiden Musikern in einer kleinen Pause ins Gespräch. Christian und Paul waren gestern in Warnemünde, sind dort aufgetreten und an diesem Donnerstag nun in Graal-Müritz open air zu hören. Christian kommt aus Rostock und hat bereits mehr als 20 Jahre Musiker-Erfahrung gesammelt. Er tritt in verschiedenen Gruppierungen auf. Je nach Anlass und Möglichkeiten. Neben Paul, den er von etwa anderthalb Jahren in Musikerkreisen kennenlernte und mit dem er gern zu zweit und nur mit den Gitarren auftritt, sind das auch Bands, bei denen dann ein Schlagzeug und weitere Instrumente hinzukommen. Entsprechend vielseitig ist dadurch das Songangebot. Es wird den zur Verfügung stehenden Instrumenten angepasst. Und dem Anlass.
Christian ist weiterhin Mitglied der Acoustic Soul Stars, die sich aus zwei Herren und einer Dame zusammensetzen. Mit zwei akustischen Gitarren, Cajón und mehrstimmigen Gesang warten sie auf und wandeln durch die Welt des Rock, Pop, Blues und Soul. Ältere Songs, jedoch auch aktuelle Lieder sind dabei, englisch und ebenfalls deutsch.
Gerade neulich haben Sie ein Benefizkonzert zugunsten der Flutopfer veranstaltet.
Christian hat natürlich auch einen bürgerlichen Beruf, doch scheint Musik ein wesentlicher Teil seines Lebens zu sein. Und so gut wie er und seine Mitstreiter sind, fragt man sich immer, warum sie eigentlich noch nicht viel bekannter sind!
… sie spielen immer noch. Ein kleiner Junge, der auf Geheiß seiner Eltern gehorsam und willig etwas Geld in den Gitarrenkoffer gelegt hatte, überlegt es sich nach einigen Metern anders. Was vermutlich nicht wirklich mit der Qualität der Musik zu tun hat. Er beschließt jedoch zurückzukehren, um ein bisschen Bares wieder mitzunehmen.
Christian kommt mit ihm ins Gespräch – wie mit vielen – denn das ist die andere Seite, die ein Musiker einfach mit vorweisen können muss. Ein Talent zum Entertainment. Vorhandensein von Spontaneität. Den Mut und die Lust zur Ansprache. Geschick im Dialog mit dem Publikum – um dann nahtlos wieder mit dem Song fortzufahren. Als sei nichts geschehen. Auch darin ist Christian ein Profi.
Er kommt mit dem Jungen recht gut klar. Der Vater hat seinen Nachwuchs auch im Blick. Das Geld bleibt letztendlich im Koffer und zu Paul gewandt bemerkt Christian: Ich hätte Kinderpsychologe werden sollen!
Auch das wurde man ihm durchaus zutrauen. Psychologie, menschliches Verhalten spielt hier eine nicht zu unterschätzende Rolle. Denn würde er sich nicht immer wieder auf sein Publikum einstellen, auf die Tagesstimmung eingehen, auf Äußerungen reagieren oder sehen, was anliegt … er hätte nicht den Erfolg und Zuspruch, den er offenbar bekommt.
So ist es besonders und seine Zuhörer bleiben …
Sollten Sie ihm und seinen Kollegen einmal begegnen, dann halten Sie an und gönnen sich das Vergnügen zu lauschen. Oder wenn Sie jemanden für ein Event suchen und buchen möchten, finden Sie auf dem folgenden Foto eine Möglichkeit, mit Christian Kontakt aufzunehmen.
Sie dürfen übrigens auch Wunschtitel äußern. Für die Ostseegäste waren es an diesem Tag u. a. Highway to Hell und Mrs. Robinson.
Mir war jeder Titel genehm, und ich verabschiedete mich erst spät. Da ging schon beinahe die Sonne unter. Am Ende eines sehr schönen, friedlichen Tages.
Bei den nächsten Ostseeausflügen im Blog geht es u. a. ins Große Ribnitzer Moor, die Boddenlandschaft lohnt einen Abstecher, und dabei kommen Sie irgendwann mit nach Wustrow und erfahren, wo sich tatsächlich manchmal lange Schlangen bilden und klettern mit hinauf auf den Kirchturm, auf dem mein Stiefpapa einmal ausgesperrt wurde.