Archiv für die Kategorie Auf Entdeckung … in Ostfriesland
Ostfriesland – heel wat besünners! Heute: Windmühlen! (4)
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung ... in Ostfriesland, Foto am 30/06/2014
Mehrere Holländer, Müller, kraftsparend, alte Säcke, rechter Flügel, Finale …
Stichworte, die Sie mir heute bitte nicht als in Richtung Fußball-Weltmeisterschaft gehend missdeuten! Ich spreche von Erd- und Galerieholländern, vom Müller als Berufsstand und von Flügeln, die sich im Wind drehen. Von einer Erfindung, die viele kraftzehrende Tätigkeiten erleichterte! Ich rede von Korn oder Mehl abfüllen in bereits leicht betagte Gewebebeutel. WM steht allerhöchstens als Abkürzung für Windmühlen! Mit anderen Worten:
Moin, leeve Lüüd!
Heute erscheint der letzte Part der Ostfriesland-Blogserie. Das Windmühlen-Finale!
Wenn ich einen Hauptgrund nennen sollte, aus dem ich ursprünglich nach Ostfriesland gereist bin, dann wäre es dieser: Wegen der Windmühlen! Sie sind schon eine beeindruckende Erfindung. Ein faszinierender Anblick obendrein! Ganz grundsätzlich – egal welchen Bautyp, welche Form oder Variante Sie nehmen. Einfach optisch und technisch gesehen. Sie haben etwas …
Vor Jahrhunderten erdacht, entwickelt, erbaut, weiterkonstruiert, optimiert, abgeändert, allmählich gealtert, repariert, beschädigt, veraltet, stillgelegt, vergessen, verkommen, wiederentdeckt, erneut restauriert … und so heute immer noch Teil von (in diesem Fall) Ostfriesland. Eine Besonderheit, die gepflegt wird und dadurch glücklicherweise weiterhin zu dem Bild gehört, das diese herrliche, weite Landschaft prägt.
Nur wo fängt man bei diesem schönen, aber weiten Thema Windmühlen bloß an, wo hört man auf?
Machen wir es doch so wie immer. Für das geballte technische und das gehäuft auftretend eher trockene Geschichtswissen googeln Sie selbst, das steht da alles schon hervorragend von Experten im Netz veröffentlicht. Lesen Sie es im Original von den Technikern und Kennern – nicht die ganzen Kopien der ewigen und unverbesserlichen Oberprofis im wortwörtlichen Abschreiben.
Wir hingegen picken uns wieder ein paar spezifische Dinge heraus und finden Mühlen ansonsten einfach auf andere Art entdeckens- und erwähnenswert.
Sagen Sie das Wort Windmühlen einmal ganz langsam. Lassen Sie es auf der Zunge zergehen, verlängern das „n“ in Wind, machen zusätzlich noch eine klitzekleine Pause nach diesem Wortteil.
In etwa so: Winnnd…müh-len.
Spüren Sie dann auch, dass eine Brise aufkommt und Flügel beginnen, sich langsam zu drehen …?
Und jetzt stellen Sie sich noch die Menschen der Region vor. Sprechen Sie bitte das Wort Friesen.
Nein, nein! Nicht so!
Rollen Sie das „r“! Ein langes „i“! Und lassen Sie das zweite „e“ fast weg. Das machen die Menschen dort auch so.
Frrrriiesn.
Geschafft? Das war Ihr Einstieg heute. Nun dürfen Sie mit auf Erkundung. ^^
Wenn Sie über Land fahren, sehen Sie manche Mühlen schon von Weitem. Zumindest die Enden ihrer Flügel, die sie stolz in die Höhe strecken. Gelegentlich handelt es sich dabei wirklich um besonders hohe Exemplare, doch darunter sind ebenfalls normalgroße Varianten, die jedoch sofort auffallen, weil sie relativ frei stehen. Mühlen mitten im Ort werden hingegen gern durch sie umgebende Gebäude oder den Kirchturm etwas verdeckt, erscheinen daher eher plötzlich, wenn Sie um die Ecke biegen. Dann haben Sie diesen auch sehr erfreulichen Huch!-Effekt.
In Norddeutschland und speziell im Ostfriesischen begegnen Ihnen die wirklich schönen Holländermühlen (Kappenwindmühlen). Wie der Name es verrät, wurden sie in Holland entwickelt, kamen aber erst mit etwa 200jähriger Verspätung hierher. Das bestätigt nicht dieses dösige Klischee, dass man dort eben für alles länger braucht, sondern es ist darin begründet, dass man dort andere, noch gut funktionierende Mühlen hatte und die neuen Typen erst nach und nach die bis dahin üblichen Bockwindmühlen ablösten. Der Vorteil der Holländermühle: Anstelle eines Bocks mit aufsitzendem, beweglichem (aber sperrigem und unhandlichem) Körper inklusive der Flügel, befand sich nun hier eine drehbare Kappe mit Flügeln auf einem feststehenden Unterbau. Diese Konstruktion war wesentlich stabiler. Dadurch konnte man höher hinaus, was bedeutete, dass längere, größere Flügel möglich waren, die ihrerseits für mehr Energieerzeugung sorgten. Anstelle der ganzen Mühle (auf dem Bock) musste nun lediglich noch die Kappe mit dem Flügelkreuz gedreht werden, um sie nach dem Wind auszurichten. Das war einfacher.
Wenn diese Mühlen ebenerdig gebaut wurden, d. h. ihr manchmal sechs-, oft achtkantiger Bau und das Holzgerüst direkt auf den Boden gesetzt wurden, heißen sie Erdholländer. Ein solches Exemplar ist beispielsweise die Wind- und Wasserschöpfmühle Wynhamster Kolk von 1804, die das gleichnamige Gebiet entwässert. Mit 2,50 m unter NN ist dieser Bereich einer der tiefstliegenden Punkte überhaupt, und es kam dadurch seinerzeit durch verschiedene Umstände (Deichbrüche, Sturmfluten etc.) häufig vor, dass die Wiesen unter Wasser standen – auch noch, nachdem der Deich repariert worden war. Es floss ja nichts ab! Die Mühle schaffte Abhilfe, ist heute allerdings nicht mehr nötig, da mittlerweile Schöpfwerke die Arbeit übernehmen. Dennoch ist sie nach einer sehr wechselvollen Geschichte heute wieder betriebsfähig.

Ostfriesland – Wind- und Wasserschöpfmühle am Wynhamster Kolk – Hier mussten Sie aufpassen, wenn die Mühle in Betrieb war. Die Flügel reichen sehr weit herunter ….
Die Gegend ist generell sehr schön dort. Sie können auch paddeln und bei einer der speziellen Paddel+Pedal Stationen das Boot abgeben, um ab dort weiter mit dem Fahrrad zu fahren …
Verfolgt man die Geschichte der Mühlen in dieser Region, dann wird deutlich, dass sie alle ihren ganz eigenen Mühlenlebenslauf haben, aber viele das aktive Leben im Grunde spätestens im Zuge des Mühlensterbens (1950er Jahre) vorerst beendeten. Manche wurden im kleinen Stil weiterbetrieben oder bereits in den 60er und 70er Jahren weiterverkauft und wieder betriebsfähig gemacht. Es gibt auch Beispiele, wo zweckentfremdet wurde. Es entstand Wohnraum, ein Museum, eine Verkaufskooperative oder ein Restaurant gliederte sich an. In dem Fall ist bis heute oft noch beides vorhanden – ein zumindest zeitweiliger Mühlenbetrieb mit daneben existierender Gastronomie.
Die Mühle von Bagband dient hierfür als ein gutes Beispiel. Nebenan befindet sich der Mühlenhof, der sehr urig und mit viel Holzanteil eingerichtet ist und in dem Sie sagenhafte Torten und einen Kuchen erhalten, dem Sie nicht widerstehen können. Ich konnte anfangs den Namen Bagband fürchterlich schlecht behalten. Nachdem es mit Packband als Eselsbrücke nicht klappen wollte, hilft nun der Begriff Bigband der Erinnerung flott auf die Sprünge. Schwieriger ist es mit dem Namen der Mühle von Loga (Leer). Logabirum. Ich habe dafür immer die Römer und das Gallierdorf im Hinterkopf …

Ostfriesland – Windmühle Logabirum (Leer) – Flügelkreuz, Flügelwelle und Kammrad sind in der Mühlenkappe, gut zu sehen Windrose sowie Bremsstock (rechts hinten abstehend)
Um es noch einmal deutlich zu sagen. Das Schöne und – wie ich finde – Bewundernswerte ist, dass die weitaus meisten Mühlen vielfach nur dank des Einsatzes von Einzelnen, jedoch vor allem durch diverse lokale Vereine und enorme regionale Unterstützung, erhalten wurden. Dieses Engagement war oft ausschlaggebend, dass überhaupt restauriert wurde, sich auch weiterhin um den Erhalt gekümmert und speziell Auswärtigen das alte Handwerk des Kornmahlens sowie die Mühlentechnik selbst nahegebracht wird. An den Wochenenden geht es oft hoch her in den Mühlen des Nordens.
Noch gibt es auch Menschen der Generation, die in diesen Mühlen gearbeitet haben, die viel zu erzählen haben.
In Jemgum erlaubte mir ein netter Herr, der nebenan seinen Zaun lasierte und eine Weile aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, dass ich um die Mühle herumstrich, sie zu betreten, sie auch zu besteigen und mich dort überall umzusehen. Als ich später begeistert wieder heraustrat, kam Knut Hetzke hinzu. Er war 50 Jahre lang Müller der Jemgumer Mühle. Nun lebt er immer noch nebenan. Die Mühle ist funktionstüchtig und dient obendrein als Außenstelle des Standesamts. Sie können hier heiraten!
Kürzlich wurde der Mahlstein ausgewechselt. Dazu kam eine holländische Firma mit einem Flaschenzug, und in zwei Stunden war die ganze Sache erledigt. Das hat früher in den Zeiten, als die Mühle erbaut wurde, schon deutlich länger gedauert. Knutz Hetzke hat viele Stadien der Entwicklung und der Technik miterlebt.
„Sind Sie heil wieder heruntergekommen?“, fragt er mich zu Beginn.
„Aber sicher“, antworte ich und wundere mich kurz über die Frage, denn er sieht mich ja wohlbehalten auf dem Vorplatz stehen. Es war jedoch nur sein Einstieg zu einer weiteren Frage.
„Warum haben Sie denn nicht den Aufzug genommen?“, spricht er. Ernst und aufrichtig interessiert wirkt er dabei. Ich stutze. Den Aufzug? Es gibt einen schmalen Lastenaufzug für die schweren Kornsäcke, damit man sie zum Mahlwerk hochbekommt. Nach dem Mahlen rutscht das Mehl dann über die Mehlrutsche in darunter befindliche Säcke zwecks Abfüllung.
Gibt es noch einen weiteren Aufzug?
Nachträglich eingebaut, von mir übersehen?
Nein! Ich wurde soeben gnadenlos hereingelegt! Er verrät sich mittlerweile durch sein Grienen. Es gibt natürlich keinen Personenaufzug. Man veräppelt halt nur gern das etwas ahnungslose und tendenziell gutgläubige Stadtwesen.
Soso, das muss jetzt der ostfriesische Humor sein. Doch mit dieser Art kann ich sehr gut leben.
Überhaupt stelle ich fest, dass Ostfriesen – dem Klischee nicht entsprechend – wirklich nicht verschlossen oder wortkarg sind. Sie stürmen nicht auf einen zu, aber sehen alles. Sie warten. Sie sind schon neugierig, doch der Zeitpunkt muss stimmen. Der ist dann gekommen, wenn Sie, als Besucher, den Einheimischen freundlich selbst ansprechen oder zumindest ein unverbindliches „Moin!“ hinüberrufen. Damit heben Sie eine unsichtbare Schranke. Und zwar komplett!
Schon sind Sie im Gespräch, haben allerdings auch Rede und Antwort zu stehen – oder bekommen Antworten auf Ihre Fragen. Das ist ein Wechselspiel.

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – Auch bei anderen Mühlen von Zeit zu Zeit zu sehen: Verbindungsgänge zu den Nachbargebäuden …

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – Mühlentechnik: Zahnräder, Wellen … und es funktioniert heute noch (bzw. wieder).
Wenn es im Norden draußen nächtens so richtig kracht und scheppert, Unwetter toben, ein Orkan um die Ecken pfeift und grelle Blitze den Himmel erhellen, entdeckt mancher Ostfriese am nächsten Morgen in seinem ordentlich angelegten und sorgsam gepflegten Gemüsegarten unvermutet etwas, was dort nicht hingehört. Es gibt auf einmal – wenn Sie so wollen – Flügelsalat.
Stürme richten leider immer wieder Schäden an den prächtigen, so liebevoll restaurierten Windmühlen an. Dann müssen Flügel dran glauben …
So erging es vor einigen Jahren dem Nachbarn, der ein Areal neben der Windmühle von Jemgum beackert und kultiviert. Vielleicht spannen Sie ein Fangnetz über Ihren Garten, falls Sie irgendwann neben eine Mühle ziehen.

Ostfriesland – Kirche Jemgum …. und der Gemüsegarten, in dem schon einmal ein Windmühlenflügel landete.
Wir sprachen vorhin vom Flügel in den Wind drehen, vom Kappe nach dem Wind ausrichten. Wurden die Holländerwindmühlen höher gebaut, dann gab es grundsätzlich ein Problem: Man kam nicht mehr an den sogenannten Steert (plattdeutsch für Schwanz). Der Steert bestand aus langen Balken, die an ihrem oberen Ende mit der Kappe verbunden waren und bei denen sich am anderen Ende, unten, eine Drehwinde befand. Bei jeder Änderung der Windrichtung musste der Müller das Windenrad betätigen und die Kappe bzw. dadurch letztendlich die Stellung der Flügel neu ausrichten. Vom Boden aus war das bei den höheren Mühlen nun nicht mehr zu bewerkstelligen.
Hier ein Beispiel für eine Windmühle mit Steert: Die Mühle von Südgeorgsfehn

Ostfriesland – Mühle Südgeorgsfehn – Eine der wenigen Mühlen, die anstelle einer Windrose noch einen Steert hat
Also bekam die ganze Mühle diese – wie ich finde unheimlich schmückende – umlaufende Galerie. Entstanden war der Begriff: Galerieholländer. Auf die Art kam man sowohl an die Flügel als auch an den Steert. Es war ja nicht damit getan, dass Flügel einmal montiert wurden und danach musste in diesem Mühlenleben nie wieder jemand in ihre Nähe. Auf Segelgatterflügel wurden die Segel ständig auf- und abgespannt, Reparaturen fielen immer wieder an etc. – auch später bei der Weiterentwicklung, den Jalousieklappflügeln.
Sie merken, immer wieder hielt der technische Fortschritt Einzug, und die Mühle wurde entsprechend umgebaut, modernisiert, verbessert. Manchmal boten sich Änderungen bei sowieso anfallenden Reparaturen nach Sturmschäden an. Eine Neuerung, die den Müllern ihre Arbeit sehr erleichterte, war das Auswechseln des Steerts gegen eine Windrose, wie man sie heute noch an den meisten Mühlenkappen findet. Diese Windrose erfasste fortan automatisch jede Änderung der Windrichtung, und durch den Anschluss an mehrere Zahnradgetriebe war es möglich, dass sich nun Kappe plus Flügel selbständig in die optimale Stellung – nämlich in den Wind – drehten.
Genug davon für den Moment.
Windmühlen sind anziehend und faszinierend! Ich bin ein Fan der geflügelten Kameraden, ich gebe es zu. Es ist natürlich sehr schön, dass man Freilichtmuseen einrichtet (für bestimmte Epochen, Häusertypen, Handwerke und eben auch speziell für Mühlen), doch wenn ich ehrlich bin, dann ziehe ich das Entdecken von einzelnen, in die Landschaft wirklich hineingehörenden, dort an genau diesem Platz ursprünglich erbauten Mühlen jedem noch so schön gestalteten Mühlenmuseumsdorf vor. Dort mag ja alles geballt zu sehen sein, dort lassen sich Mühlen sofort und kritisch direkt vergleichen. Bestimmt lässt sich bei Bedarf gleich ein Stapel schriftlicher Ausführungen oder sogar ein Bündel detaillierter Konstruktionspläne jeder vorhandenen Mühle ergattern. Schon toll …, doch ja …
Wissen Sie, es ist nur so ein bisschen wie in den Zoo gehen. Man wandelt vorbei, liest die Tafeln, freut sich über Anblick und Vielfalt der Tiere – doch wenn Ihnen morgen unterwegs ein einzelner Biber am Ufer im Schilf oder ein Fuchs in freier Wildbahn begegnet, dann berührt Sie das viel mehr. Das zählt einfach doppelt. Dreifach. Ach, noch mehr!

Ostfriesland – am Wasser nahe der Mühle Wynhamster Kolk – Eine Bisamratte (ähnelt der Biberratte, Nutria)
Doch wir waren bei den Mühlen. Mühlen in freier Wildbahn.
Ich muss mich solch ehrwürdigen alten Mühlen einfach anders nähern. Nach und nach. Stück für Stück näher heranpirschen. Einzeln sehen. Von draußen. Rundherum. Dann betreten, Material befühlen, die Luft schnuppern, am Holz und Bauteilen riechen. Dastehen und mir den Hals verbiegen beim Hochsehen. Mit klopfendem Herzen entscheiden, alte schmale Stiegen, die ins Halbdunkle führen, zu erklimmen. Noch höher …
Ohne Erklärungen. Vorerst!
Ich bin immer sehr froh, wenn nicht absichtlich alles zu ordentlich, zu sauber, zu nachgestellt, zu organisiert, zu beschriftet, zu vorbereitet ist. Zu …ach, Sie wissen schon, was ich meine.
Es ist schön, ohne Gerede, ohne Vortrag zu entdecken. Es ist himmlisch, wenn nur die natürlichen Geräusche da sind. Sei es bei einer Mühle außer Betrieb das leichte Quietschen der Tür, das Knarren der Hölzer beim Besteigen der Stufen oder ein Kratzen, wenn die Katze des Müllers sich mit hineinschleicht. Und erst all die Geräusche, die entstehen, wenn die Flügel sich drehen, es irgendwo im Mühlenleib rumpelt! Dieser Wischlaut in der Luft, das sehr leichte Knarren gepaart mit dem leichten Klacken nach einer Runde der Flügel. Sie fühlen den Windzug und manchmal huscht ein Schatten vorbei ….
Manchmal brauchen doch die Gedanken diese Ruhe, brauchen eine Gelegenheit, sich zu spinnen, ehe der Mensch sich mit dem nächsten beschäftigen kann. Bilder im Kopf entwickeln und entfalten sich in dieser Stille – bis zu dem Moment, in dem die alte Zeit vor Ihrem inneren Auge auftaucht, Sie auch ein wenig erfasst. Mit einem Mal stecken Sie zumindest mit einem Bein im Früher. Erst das ist der Augenblick, in dem Ihre Fragen entstehen und in dem natürliche Neugier, Wissensdurst und plötzlicher Gesprächswille aufkommen.
Mir stellte sich zum Beispiel die Frage, woher die Bauern wussten, ob und wann gemahlen wurde, wann die Mühle in Betrieb war. Sie wollten doch sicher nicht umsonst mit ihrem Korn anreisen. Es gab keine Wetter-App auf dem Smartphone, die ihnen angekündigt hätte, dass der Wind morgen wohl günstig von Westen weht und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Müller Jan loslegt.
Schrieb man sich? Per Post?
Das dauerte doch viel zu lange. Wenn Bauer Gerd am Montag die Anfrage absandte, erreichte sie Müller Jan vielleicht am Donnerstag. Antwortete der Müller ebenfalls auf dem Postweg mit der Information, dass am Freitag gemahlen wird und traf diese montags drauf ein – dann hatte Bauer Gerd Pech gehabt. So konnte das nicht gehen …
Schickte der Bauer den Knecht durchs Dorf?
„Frerk, loop man tau un kiek, ob Möller Jan mohlen deit.“ (So, oder ähnlich – und vor allem richtig ostfriesisch platt …)
Oder versuchte er, einen Blick auf die Mühlenflügel zu erhaschen? Nur, wenn sie in dem Moment am Vormittag stillstanden, wusste er immer noch nicht, ob am Nachmittag nicht doch gemahlen wurde.
Nee, leeve Lüüd, das lief anders. Man hatte die Flügelsprache.
Je nachdem wie die Stellung der Flügel im Nichtbetrieb (im gebremsten Zustand) war und abhängig davon, ob sie bespannt oder unbespannt waren bzw. in welcher Position sich die Jalousienklappen befanden, konnte eine Botschaft abgelesen werden.
Es wurden Trauerfälle und freudige Ereignisse signalisiert, der Feierabend, Feuergefahr oder längere Ausfälle. Die konnte ein Kunde am senkrechten Flügelstand (unbespannt) erkennen. Es gab aber durchaus auch den Fall, dass der Müller auf Arbeit wartete. Konnten Kunden sofort vorbeikommen, standen die Flügel ebenfalls senkrecht, aber blieben bespannt.
Eine kleine Sache mussten die Menschen allerdings bedenken, wenn sie weit herumreisten und sich an ihre regionale Flügelsprache gewöhnt hatten: Woanders konnten die Signale durchaus etwas anderes bedeuten … Die Flügelsignalsprache war nicht einheitlich.
Die letzte Mühle, die ich Ihnen gern noch zeigen und von der ich Ihnen noch etwas erzählen möchte, ist die Mühle von Spetzerfehn. Dort hatte ich ebenfalls das Glück, dass der Müller erlaubte, ins Innere seiner Mühle vorzudringen, obwohl weder Wochenende war, noch ich vorab einen Termin vereinbart hatte. Er entschuldigte sich sogar, dass er leider nicht saubergemacht, sprich gefegt hätte. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch gedacht, was soll’s, darauf kommt es mir doch sowieso nicht an.
Anfangs besah ich mir wie üblich die Mühle von außen, blieb auf respektvollem Abstand zu den beiden wachhabenden Gänsen, wurde von der Mühlenkatze, die schnurrend um meine Waden strich, begrüßt und wunderte mich, ob in der Mühle eine Aktion geplant war, denn es standen noch weitere Menschen wartend auf dem Gelände. Also wartete ich ebenfalls – just bis zu dem Moment, als mir der vorbeikommende Müller Einlass gewährte.
Keiner sonst wollte hinein! Sehr merkwürdig.

Ostfriesland – Windmühle Steenblock in Spetzerfehn – … und hier zwei ostfriesische Mühlenwachgänse. ^^
Es war kühl und hatte geregnet an dem Tag, meine dunkle Hose, meine wärmende, schwarze Windjacke waren feucht geworden. Ich begann Stufen zu erklimmen. Das geht nur mit festhalten – an allem was sich bietet.
Beim Abstieg gehen Sie aufgrund der schmalen, steilen Stufen meist genauso herunter, wie Sie hinaufgekommen sind. Halten sich mangels vernünftiger Geländer (oftmals sind nur Taue gespannt oder alles läuft freihändig ab) lieber direkt an den Holzstufen oder ihrem Holzrand fest.
Ach, da befand sich also auch das nicht weggefegte Mehl. Und dort …
Mehlstaub setzt sich einfach überall ab, dringt in jede Ritze. Das pudrige Weiß fühlte sich magisch angezogen und bildete interessante Muster auf meiner Kleidung. Man könnte sagen, ich hatte schließlich frappierende Ähnlichkeit mit einer schwarz-weiß gescheckten Kuh. Wieder draußen angelangt, fand die große Säuberungsaktion statt – und die anderen Leute warteten immer noch! Worauf nur?
Kurze Zeit später klärte sich alles auf. Ein Transporter erschien mit Lebendgeflügel. Hier wechselten gackernde Hühner und anderes Getier den Besitzer. Und ich sah Eintagsküken! Schauen Sie mal!
Kommen wir nun zum Schluss.
Ostfriesland hat – wie Sie selbstredend wissen – nicht nur die Flügelsignalsprache zur Kommunikation, sondern auch sein eigenes Ostfriesisches Platt, was von sehr vielen gesprochen wird. Es ist ein weiteres Kulturgut, das dieses Völkchen erhält und pflegt. Wie so vieles andere. Manches haben Sie in den letzten vier Posts kennengelernt.
Ich habe versucht, Ihnen die Region – einen Teil Ostfrieslands! – ein wenig näherzubringen, Ihnen vielleicht auch ein wenig Lust auf einen Besuch zu machen. Es hat so viele schöne Ecken …

Ostfriesland – Ditzum ist nicht allein wegen der Windmühle schön… Blick auf die Lüttje Brügg und den Kirchturm von Ditzum, der in seiner Form an einen Leuchtturm erinnert.

Ostfriesland – … und immer wieder in den Dörfen und Gemeinden: Blütenpracht in den Gärten (hier: Ditzum)

Ostfriesland – Ditzum – … sein ständiges Plätzchen in der Sonne direkt am Hafen vor der Schifferbörse
Als Fazit hinsichtlich der Klischees kann man abschließend übrigens mit gutem Gewissen behaupten, die sind alle ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Erinnern Sie sich noch an den ersten Teil? Ostfriesland – platt und nix los?
Stimmt überhaupt nicht!
Es wirkt idyllisch, ruhig – und das ist es bis zu einem gewissen Grade auch. Wenn Sie also Erholung und Entspannung suchen, sind Sie hier durchaus goldrichtig. Doch da ist immer auch etwas anderes, etwas im Hintergrund. Eine leichte, anregende, positive Spannung. Dinge sind oft anders als erwartet. Ostfriesland ist immer gut für eine Überraschung.
Ostfriesland ist eben heel wat besünners!
Sie brauchen es ja keinem weiter zu verraten, aber wenn ich Krimiautor wäre, dann würden meine Krimis definitiv in Ostfriesland spielen. Es gibt keine schöneren Schauplätze, keine beeindruckenderen Kulissen. Morde würden bei mir nur in Mühlen stattfinden. Die Leiche würde man im fahlen Morgendunst an einen sich langsam drehenden Windmühlenflügel gekettet finden. Sie wäre vom Mahlstein erschlagen oder abgefüllt im Sack mit dem gemahlenen Mehl. Der Mörder würde am Ende kläglich im Fehnkanal ertrinken oder alternativ im Moor versacken. Der Kommissar stammte von einem alten Häuptlingsgeschlecht ab, ein ganzer Ort wäre in einen Fall und seine Aufklärung involviert … Gedankenspinnerei. Vielleicht auch zwei Tote …?
Hören Sie lieber nicht hin. Fahren Sie einfach los! Ihnen passiert schon nichts!
Vielen Dank fürs Dabeisein! Ich schätze es sehr, dass Sie bei den langen Artikeln nicht schlapp gemacht haben und hoffe, die Serie hat Ihnen ein wenig Unterhaltung und Anregung geboten.
Bis zum nächsten Mal mit neuem Thema!
Ostfriesland und die Ostfriesen – heel wat besünners! Heute: Leerer gibt es nicht, der heimliche Hausbaum und ein ostfriesisches Känguru (2)
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung ... in Ostfriesland, Foto am 13/06/2014
„Moin!“ Genau! Das sichere Erkennungszeichen! Ostfriesland ist erneut das Thema hier im Blog. Im heutigen zweiten Teil steht Leer auf dem Plan, die drittgrößte Stadt, das Tor Ostfrieslands. Er wird jedoch auch um die Umgebung gehen, um Mensch, Tier … ach, Sie werden es schon merken!
Wissen Sie noch?
Wir wollten bezüglich Ostfriesland mit den Klischees aufräumen bzw. zumindest prüfen, was an ihnen dran ist. Deshalb vorweg: Wenn Sie nur Fakten über die Region wollen, wenden Sie sich vertrauensvoll an Herrn Gugl oder seinen Sohn Wicky. Hier hingegen ist kein reines Lexikon, hier machen wir uns zusätzlich Gedanken, und es gibt einiges zu schauen.
Leer, Häuptlinge, Schlösser, Burgen …
Mit Leer ist es im Grunde wie mit Essen. Der Stadt. Also rein vom Namen her – sonst eher nicht!
Die eine Stadt kann genauso gut voll sein, in der anderen gibt es nicht zwangläufig etwas zu futtern. Namen sind eindeutig irreführend, genauso wie Klischees. Die Bedeutung von Namen und Begriffen ist – prüft man die Ableitung – nicht selten komplett anders, als Sie und ich annehmen.
Also Vorsicht!
Leer ist nicht gleichbedeutend mit unbewohnt, nichts los etc. Wahrscheinlicher ist, dass sich der Name Leer von dem urgermanischen Wort „hlér“ ableitet, vom „Weideplatz“ – wobei wir doch irgendwie wieder bei futtern und Essen wären …
Und bitte auch aufpassen, wenn Sie von den Anwohnern dieses Städtchens sprechen. Fallen Sie nicht gleich am ersten Tag durch Ahnungslosigkeit auf, indem Sie die Bürger voller Überzeugung als Leerer bezeichnen.
Es sind Leeraner!
Verwegen, oder? Ob solch eine Schöpfung auch den Trierern einfiele? Trieraner? Es wäre wirklich klangvoller und brächte etwas mehr Farbe ins Sprachmuster, wenn alle in dieser Hinsicht kreativer wären. Sich andere Endungen zulegten. Korsikaner, Genferisten, Frankfurteriner, Kölnasten, Plönaden, Jenagisten, Bremeronis, Aachenenser, Emdendanden, Chemnitzeratzis …
Sollte Ihnen das Wort Leeraner aus irgendeinem Grund nicht flüssig über die Lippen kommen, schwenken Sie um zu Leerders, dem niederdeutschen Begriff. Ihr Insiderwissen wird mit Sicherheit wohlwollend honoriert. Warten Sie nur ab! Vielleicht werden Sie danach sogar zur Teezeremonie eingeladen (siehe Teil 1).
Was sagt uns nun die Art der Namenskreation über die Ostfriesen?
Sie sind längst nicht so einfallslos wie behauptet!
Ich könnte mir vorstellen (reine Vermutung, nageln Sie mich nicht darauf fest!), dass die Konstruktion Leeraner schon aus der Zeit der Häuptlinge stammt.
Doch, doch! Es gab sie in dieser Region!
Das war lange nach Germanen, Römern, Sachsen, Franken, der Zeit als friesisches Herrkönigtum usw. und nachdem ab Mitte des 12. Jahrhunderts autonome Landesteile entstanden waren. Die ostfriesischen Häuptlinge gab es etwa ab Mitte des 14. Jahrhundert.
Sind Sie eigentlich immer noch klischeegeschädigt?
Das würde sich jetzt zeigen, wenn bei Ihnen das Stichwort Häuptling das Bild eines kantigen Kauzes im Ostfriesennerz, mit Flechtzopf und einer Feder hervorriefe.
Kschsch! Weg damit!
Diese norddeutschen Häuptlinge (hovedlinge) waren die Oberhäupter einflussreicher Familien, die als solche Macht über nicht unbeträchtliche Gebiete gewannen. Sie waren es, die auf einmal für den Schutz und auch das Gericht zuständig waren, die natürlich untereinander obendrein ständig im Konkurrenzkampf standen. Erst gab es die Lokal-, dann die Regionalhäuptlinge, und von dort war der Weg nicht weit zum Reichsgrafen. Diese Ära endete spätestens, als 1744 ein Fürstentum entstand und den Preußen das Sagen bescherte.
Glauben Sie so ein mit Sicherheit intelligenter, geschäftstüchtiger Ostfriesen-Clanchef, eine souveräne Häuptlingsherrlichkeit, wollte als ein Leerer Häuptling bezeichnet werden? Missverständnisse sind da doch vorprogrammiert! „Leeraner hovedling“ gibt wesentlich mehr her …
Wenn Sie heute über Land fahren oder die Städte besuchen, finden Sie über ganz Ostfriesland verteilt noch viele Wehr- und Prachtbauten, auch Gutshöfe der damaligen Häuptlings- und Adelsfamilien. In Leer allein vier dieser – je nach Art und Nutzungszweck – als Burgen respektive Schlösser bezeichneten Anwesen, ein Teil von ihnen in Privatbesitz, ein Teil in öffentlicher Hand. Die älteste ist die kurz nach 1450 entstandene Harderwykenburg.

Parkanlage an der Evenburg zu Loga (zu Leer gehörend) – Wird seit 1998 vom Landkreis Leer in Stand gesetzt und das sog. Ensemble Evenburg restauriert

Altstadt, Leer (Ostfriesland) – Die Haneburg, ein zweiflügeliges Wohnschloss aus rotem Backstein. Die Volkshochschule nutzt dort Räume für Seminare.
Prägend für Ostfriesland und in meinen Augen positiv ist, dass der gesamte Landstrich keine schnell hochgezogenen, unpersönlichen Großstädte besitzt, sondern natürlich gewachsene Klein- und Mittelstädte. Von letzteren lediglich fünf Stück (Emden, Aurich, Leer, Norden und Wittmund). Viele Dörfer ergänzen das Bild und bestimmen so die Struktur dieser Region.
Gärten, Bäume, Rasen …
Bei Ostfrieslands Bewohnern fallen mir u. a. deren unheimlich gepflegte Gärten auf. Nicht nur der Ziergarten, auch der Nutzgarten ist picobello in Ordnung, könnte bei der nächsten Gartenausstellung als Vorzeigeobjekt dienen. Es wirkt überaus gepflegt, aber nicht steril! Es scheint mit einer gewissen Hingabe geschaffen und nun mit Herz betreut! Man ist mit Recht stolz darauf!
Wissen Sie, was für mich ganz erstaunlich ist?
Dass der recht breite öffentliche Randstreifen an der Straße vor dem Haus von jedem Grundstücksinhaber ohne zu überlegen wie der Garten selbst betreut wird. Dort ist Rasen gesät, der selbstverständlich immer komplett mitgemäht wird. So regelmäßig und ordentlich gestutzt, dass Sie Kricket spielen könnten! (Für Golf reicht der Platz nicht – und Sie werden dort auch vergeblich nach Löchern suchen.)
Da die Grundstücke mehrheitlich recht groß ausfallen – nicht nur in die Tiefe gehend, sondern auch in die Breite – (man hat ja viel Platz, die Region zählt als eher dünn besiedelt), ist die Grundstücksgrenze entlang der Straße entsprechend lang. Daher haben viele Ostfriesen für ihren bis dorthin reichenden grünen Teppich beträchtlichen Ausmaßes nicht nur einen schnöden Handrasenmäher, einen Elektromäher oder die brummende Variante mit dem Benzintank. Nein, in Ostfriesland dürfte der Anteil der Einwohner, die mit einem Aufsitzrasenmäher über ihr Anwesen kurven, überdurchschnittlich hoch ausfallen. Selbst etwas größere Kinder werden schon mit dem Mähen beauftragt und fahren bereits damit! Wahrscheinlich gehört es zu einer ordentlichen ostfriesischen Erziehung dazu.
(Ich hoffe, es entsteht jetzt kein neues Klischee! Achtung! Ostfriesenkinder müssen nicht alle Rasen mähen. Es gibt nicht nur Aufsitzrasenmäher … )
In sehr vielen Gärten gibt es allerdings relativ wenig Bäume. Außer man wohnt an einem Waldstück oder einer Wallhecke mit Baumbestand. Dann ist es Schicksal, dem man sich ergibt.
Vielleicht haben Ostfriesen tatsächlich etwas dagegen, dass so ein Monstrum mit herabfallenden Blättern, Blüten und womöglich Ästen ihr geharktes, sorgsam gehütetes Reich verschandelt. Man findet neben Rosen und einer ganz enormen Staudenblütenpracht sowie kleineren Ziersträuchern eher die weniger Dreck veranstaltenden Immergrüne, Thujahecken, Eiben – und verblüffenderweise die vermehrte Existenz eines besonderen, etwas bizarr anmutenden Baumes, dessen Anblick mich in dieser Region wirklich überrascht hat!

Leer, Ostfriesland – Ein in Ostfriesland erstaunlich häufig entdeckter Baum … sieht aus wie eine Araucaria araucana (Chilenische Schmucktanne)
Wenn ich es richtig erkenne, handelt es sich bei diesem Solitärgewächs um die Chilenische Schmucktanne (Araucaria araucana, Andentanne).
Aus den Bergregionen Südamerikas!
Da liegt die Baumgrenze bei etwa 3.000 Meter! Hier in Ostfriesland ist der höchste Punkt eine Düne auf Norderney (stolze 24,4 Meter über dem Meeresspiegel) bzw. auf dem Festland gibt es eine Wanderdüne in der Gemeinde Uplengen, die es auf sagenhafte ca. 18,5 Meter Höhe bringt. Nichtsdestotrotz ist der südamerikanische Einwanderer inzwischen wahrscheinlich der heimliche Hausbaumfavorit vieler Ostfriesen, ihre Chilaner Friesenschmucktanne.
Wieder ein Indiz dafür, dass der Ostfriese nicht nach dem Motto handelt Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich und Neues komplett ablehnt.
Nein, hier gibt es beides!
Wie schon anhand des Beispiels mit dem Handrasenmäher bzw. Turboaufsitzmäher ersichtlich, kann man es übertragen auch so sehen, dass hier unbekümmert und gleichberechtigt Altes und Modernes nebeneinander besteht bzw. zum Einsatz kommt.
Man findet liebevoll restaurierte alte Windmühlen (in einem späteren Teil der Serie dazu mehr), betagte, jedoch sehr gepflegte und gut erhaltene Kirchen und Gemäuer, nach Originalplänen rekonstruierte Schlösser und Parkanlagen, eine sehenswerte Leeraner Altstadt, herkömmliche Landwirtschaft mit oftmals noch einem gehörigen Teil Handarbeit, Viehzucht, Fischfang und traditionelles Handwerk. Doch direkt daneben sind die modernen Dienstleistungsbetriebe, einige ebensolche Fabriken und neu errichtete Gebäude (anstelle alter Speicher) am Hafen mit weiteren Firmen oder aber begehrten Wohnungen (Penthouses mit Blick aufs Wasser).
Leer zählt übrigens zu den größten Reederei-Standorten in Deutschland und ist wichtigste Einkaufsstadt einer großen Region. Und natürlich spielt der Tourismus eine nicht unerhebliche Rolle!
Altstadt, Hafen, Kirchen und eine Uhr …

Leer, Ostfriesland – Dort wo früher alte Speicher standen, entstanden neue Firmengebäude, die so klangvolle Städtenamen tragen wie Tallinn, Auckland oder New York

Vielfalt hinsichtlich der Geschäfte in der Fußgängerzone von Leer, eine „skatende“ Kuh und Käse, der „Teufelskerl“ heißt.

Was hier wie eine einzige große bepflanzte Fläche aussieht, befindet sich am Seiteneingang der Lutherischen Kirche in Leer und ist in Wirklichkeit ein Lavendellabyrinth aus einzelnen Gängen …
In den zum Landkreis Leer gehörenden Gemeinden entstanden weitere Siedlungen. Es gibt Gewerbe- und Industrieflächen, und vereinzelt trifft man auf bekannte Großunternehmen, die hier in der Region vermehrt für Arbeitsplätze sorgen. Überall sonst: Wiesen, Felder … Natur!
Der Fachbereich Seefahrt/Windkraftanlagen der Hochschule Emden/Leer fühlte sich von Leer angezogen! Und – ganz klar – allerorten sind natürlich zeitgemäße Kommunikationsmittel im Einsatz.
Ein weiteres Klischee, das ausgeräumt werden muss, denn in Ostfriesland ist man nicht zurück in solchen Dingen. Im Gegenteil! Gerade dadurch, dass die Wege weiter sind, die persönliche Kommunikation hin und wieder erschwert oder die Beschaffung von Gütern direkt vor Ort nicht immer gegeben ist, wird der Einsatz moderner technischer Hilfsmittel im Alltag und bei der Arbeit begrüßt!
Häufig ist jedoch dieser Punkt bei Städtern, die aufs Land reisen, aus Unwissenheit ein Grund für Horrorszenarien.
Himmel, hoffentlich haben die Internet! Lass sie bloß WLAN haben!
Undenkbar, dass nicht!
Die Netzabdeckung im ländlichen Bereich ist naturgemäß (bisher) nie komplett und flächendeckend so gut, wie dies in der Stadt der Fall ist, doch kein Mensch muss deshalb in Ostfriesland seine ständigen Begleiter Smartphone und Tablet in die Tonne werfen. Internet ist kein Fremdwort und WLAN vorhanden. Mancherorts ist es halt etwas langsamer.
Bedingt dadurch und durch generell mehr – wie soll man es bezeichnen – Überschaubarkeit, geht es für mein Empfinden überhaupt insgesamt ruhiger und gelassener zu.
Ist es das, was zu der Annahme verleitet, Ostfriesen wären generell nicht die Schnellsten? In jeder Hinsicht?
Welch Fehleinschätzung!
Es ist entspannter, aber nicht zwangsläufig weniger effektiv. Man erlebt in Ostfriesland kaum diese in Großstädten extrem verbreitete (unproduktive) Hektik, Rastlosigkeit, dieses dauernde Multitasking, das einem besonders bewusst wird, wenn es auf einmal wegfällt oder sich drastisch reduziert. Sie merken, Sie kommunizieren verstärkt persönlich, schauen besser hin, hören besser zu, sind verblüfft, wie gesprächig und vor allem hilfsbereit und entgegenkommend Ihr Gegenüber ist. Der angeblich doch so sonderliche, vermeintlich sprachfaule Ostfriese mit dem häufigen Hang zum Einsiedlertum.
Wortkarg, verschroben?
Vorurteil! Blödsinn! Auch dieses Klischee versenken wir im Moor oder der Nordsee, denn ein gutes Gegenbeispiel lieferte ein Leeraner.
Beim Spaziergang vorbei an der Großen Kirche, sah man deren Holztür zwar noch offen stehend, eine Hinweistafel am Zugangsweg verriet jedoch, dass die offizielle Öffnungszeit für diesen Tag fünf Minuten zuvor geendet hatte. Erster Gedanke: Schade! Ein Blick hinein wäre schön gewesen.
Ein älterer Herr verließ die Kirche, nahm den späten Besuch wahr. Man kam sofort zwanglos ins Gespräch, er hängte seinen Leinenbeutel ohne Zögern an die Klinke – und bat herein. In Hamburg hätte es geheißen: „Wir haben jetzt zu!“ Rummms!
Er gab freundlich Erklärungen zur Kirche ab. Erzählte über Stil, Funktion, wer, wann, wo und wieso … Er verkündete stolz, dass es ein Barockbau sei und die Ausstattung der reformierten Tradition entspricht, bei der auf Altar und Kreuz verzichtet wird. Es handele sich um eine reine – wie er es nennt – Predigtkirche, deren ältestes Teil das romanische Taufbecken in der Mitte des Raumes sei. Die Zugänge zu den Holzbänken sind alle mit Holztüren verschließbar, die Orgel solle in den kommenden Jahren restauriert werden.

Leer, Ostfriesland – Große Kirche – Türen vor dem Zugang zur Bank (und das leider abgedeckte romanische Taufbecken)
Mein Blick ging hinauf zu den Orgelpfeifen und blieb bereits vorher an etwas anderem haften.
An der Balustrade befindet sich eine Uhr!
Keine kleine, unscheinbare, sondern etwas, das es größenmäßig durchaus mit einer Bahnhofsuhr aufnehmen könnte. Uhren draußen am Kirchturm kennt jeder. Aber drinnen?
Der nette Ostfriese wusste auch hier Bescheid.
Es gab eine Regel, dass Pastoren nicht ewig reden und ihre Predigt nicht länger als eine Stunde halten sollten. Offenbar klappte das in der Praxis nicht so besonders. Es wurde dauernd überzogen, was wiederum zur Folge hatte, dass man den Predigern kurzerhand diese Uhr vor die Nase setzte.
Ist es zu fassen?
Nun konnte ich die Kirche doch noch von innen betrachten – weil ein Ostfriese „untypisch“ war! Und – völlig unmöglich, so etwas! – mir begegneten noch weitere Exemplare, die sich einfach nicht klischeekonform verhalten wollten …!
Was sagt uns das?
Im Grunde ist er immer sinnlos, dieser Zuordnungsdrang. Dieses Menschen kategorisieren und in Schubladen packen wollen. Dieses Festlegen. Das ist nicht gut. Ist schlecht. Grottenschlecht!
Es gibt doch nie DEN Franzosen, DEN Engländer, DEN Hamburger, DEN Ostfriesen … Zum Glück! Die Grundmentalität einer Völkergruppe, eines Volks oder eines Teil dieser Nation, mag eventuell durch den Einfluss von Kultur, Geschichte, Religion, Erziehung, Klima, Landschaft u. v. m. von der einer anderen Gruppe etwas abweichen. Aber ansonsten sind in der Realität eher eindeutige, eklatante Unterschiede innerhalb einer Menschenengruppe wahrscheinlich, ist vielmehr der Unterschied von Mensch zu Mensch hervorzuheben, als dass es Sinn machte, alle die, die zufällig geballt irgendwo leben, über einen Kamm zu scheren.
Vorurteile schaffen Barrieren, selbst positive Vorurteile sind nicht automatisch harmlos!
Und Klischees? Sie sind unnütz wie ein Kropf!
Ich brauche auch eine Uhr in Sichtweite. Meine Zeit für die heutige „Predigt“ hier im Blog ist sicher schon längst um …
Sie haben diesmal ein wenig von Leer entdeckt, ein bisschen Geschichte erfahren, Sie wissen etwas über ostfriesische Gärten, wir nahmen uns der Klischees an. Sie ahnen mittlerweile, dass Ostfriesland und Ostfriesen vielleicht anders sind als bisher angenommen. Offener. Hilfsbereit. Vielseitig. Die Menschen und das Land!
Es ist kein eintöniges Gebiet! Es ist auch keine Region, in der absolut nichts passiert! Es tut sich einiges! Besonders in den Städten locken umfangreiche Angebote für jeden Geschmack.
Leer kulturell und überhaupt …
In Leer existieren z. B. der Kulturspeicher und ein spezieller Ort, ein Treffpunkt für Buchfreunde, der sich Tatort Taraxacum nennt. Dahinter verbergen sich (Krimi-)Buchhandlung und (Kultur-)Café inkl. Restaurant in einem. Sie können fesselnde Bücher lesen, während sie z. B. hausgebackenen Kuchen und Kaffee aus Bioanbau serviert bekommen. Sie können aber auch an Bord der ‚Koralle‚ eine kriminelle Hafenrundfahrt erleben! Es finden überall zahlreiche Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art statt. Das Teemuseum (aus Teil 1) wäre ein Ziel. Oder Sie schauen, wo Sie boßeln könnten …
Ostfriesland ist die Hochburg dieses Sports!

Altstadt Leer, Ostfriesland, Haus Samson / Weinhandlung Wolff mit Privatmuseum! Zeigt die Wohnkultur in Ostfriesland im 18. und 19. Jahrhundert. Sehr sehenswert!

Weitere Skulpturen des Künstlers Karl-Ludwig Böke (Sie erinnern die Teelke aus Teil 1?) befinden sich am Hafen (wie auch das Böke-Museum). Hier seine „Meerwiefke“ …
Als Radtourist ist die Region Ihr El Dorado, denn Sie haben Anschluss an gleich mehrere Radfernwege (Dortmund-Ems-Kanal-Route, Deutsche Fehnroute, EmsRadweg).
Wer sich für Malerei, Kunsthandwerk, Lesungen etc. interessiert, kommt auch hier auf seine Kosten. Gastspiele von Theatern wären auch noch zu erwähnen.
Und ich spreche jetzt nur von Leer und Umgebung!
Wenn Sie Ihren Radius erweitern, haben Sie schier unbegrenzte Möglichkeiten. Ich selbst habe lediglich festgestellt, es gibt lokal bereits so viel Interessantes, dass ich längere Touren in andere Städte vorerst gar nicht unternommen habe. Die Gegend um Leer herum hatte für einen Neuankömmling unheimlich viel parat.
Bei der Fahrt durch die Natur, über die Dörfer, über Land finden sich so einiges. Überraschendes! Wissen Sie, es gab eine Ampel mitten in der Einsamkeit …
Aber davon werde ich Ihnen das nächste Mal erzählen. Und es stehen immer noch die Windmühlen aus! Ein Thema für sich, auf das ich mich sehr freue.
Zum Schluss …
Nur eines schnell noch: Es gibt in Ostfriesland Kängurus! Jedenfalls nach der ersten Eingebung einer Dame, die auch in meinem Hotel wohnte. Beim Essen hüpfte es an der großen Fensterfront vorbei. Lange Hinterbeine, hohe, weite Sprünge, graubraunes Fell, sehr quirlig und außergewöhnlich lange Ohren. Für ein Känguru. Eine ostfriesische Unterart?
Wir einigten uns schließlich darauf, dass der ostfriesische Springer beutellos war und es sich um einen besonders großen Feldhasen gehandelt hatte. Er kam ein weiteres Mal am nächsten Abend.
Bei Regen!
Und hier räumen wir mit einem weiteren Klischee auf (das hat jetzt mit dem Hasen nichts mehr zu tun):
Ich habe während meines Aufenthalts keinen einzigen Ostfriesen gesehen, der einen Ostfriesennerz oder einen Südwester getragen hätte!
Man munkelt, dass solche Kleidung vermehrt an der Küste üblich sei.
Bei Touristen.
(Fortsetzung Teil 3 – wenn Sie mögen … )
Von wegen nur platt und nichts los! Ostfriesland – heel wat besünners! Heute: Typisch, Tee und Teelke (1)
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung ... in Ostfriesland, Foto am 02/06/2014
Ich war im Süden. Vor mir aus gesehen zumindest. Für Sie ist das südliche Ostfriesland vielleicht der ganz hohe Norden, aber das ändert nichts am Ergebnis, das ich Ihnen vorweg verraten möchte: es ist obercool dort!
Ein paar (im Grunde zu wenige) Tage auf dem Land sind vorüber, und wem ich vorher verriet, wohin ich fahre, der zog leicht amüsiert eine Augenbraue hoch. Was mir völlig unverständlich ist! ^^ Doch ich ahne, woher der Anflug von Spott im Blick kommt.
Klischees, Herrschaften!
Die Inseln (Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog und Spiekeroog) werden ja noch akzeptiert. Die sind mittlerweile ein Synonym für feinen Sandstrand, Nordsee, Watt und gesunde Luft. Ein Urlaubsparadies.
Doch was taucht im Kopf auf, wenn Sie spontan Begriffe nennen sollten, die Sie mit Ostfriesland verbinden?
Ostfriesenwitze! Schafe! Plattes Land. Man sieht bereits am Donnerstag, wer am Sonntag zu Besuch kommt.
Haha!
Der Spruch ist so ausgenaddelt, den können Sie getrost in den Ordner „Todbringende Gähnanfälle“ abheften und diesen am besten danach gleich ganz entsorgen.
Welches Bild wird uns von dieser Region und seinen Menschen gern durch die Medien transportiert?
Ostfriesland. Unendliche Weiten. Ein gewisser Baummangel nebst Hügelnot, bewohnt von einem etwas anderen Menschenschlag. Ostfriesen sind danach kauzige Gesellen, die immer und überall entweder im Friesennerz oder im Fischerhemd erscheinen. Dauergummistiefelträger, die damit sogar zu Bett gehen. Sie sind tendenziell eher langsam – beim Bewegungsablauf, beim Denken, beim Antworten. Extrem skurrile Typen, die wortkarg am Tag hin und wieder immerhin ein „Moin!“ herausbekommen. In verschiedenen Stimmlagen, um es abwechslungsreicher zu gestalten.
Apropos „Moin!“.
Sie wissen schon, dass man das nur einmal sagt? Also durchaus mehrmals am Tag, aber immer nur ein einzelnes „Moin!“ pro Anwendung! Nicht „Moin, moin!“ Das ist doppelt gemoppelt. Da zieht der Ostfriese nicht nur eine Augenbraue hoch, sondern beide! Wie Gewitterwolken verdunkeln sie sein ostfriesisches Antlitz! Notieren Sie sich also bitte die Moin-Regel, und schreiben Sie gleich dazu, dass jeder jeden grüßt, auch ihm Fremde!
Was noch? Kennen wir Ostfriesen? So als Paradebeispiel?
Da wären der Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen (Das Boot, Troja etc.) oder Heiko Engelkes, der Journalist und ARD-Korrespondent. H. P. Baxxter, der Frontmann von Scooter ist gebürtiger Ostfriese. Karl Dall, Otto Waalkes …
Otto Waalkes! Der Ostfriesenjung ist mir vor Jahren in Hamburg am U-Bahnausgang Jungfernstieg/Ballindamm förmlich in die Arme gehüpft. In seiner Freizeit bewegt er sich gelegentlich genauso wie auf der Bühne.
Ist das ein Ostfriesenmerkmal?
Wenn alle Ostfriesen so hibbelig herumhüpfen würden, hätte ich es mir noch einmal überlegt, ob ich nach Leer und Umgebung fahre, aber andererseits war der quirlige Elefantenrüsselzeichner damals ausgesprochen freundlich und harmlos, was wiederum für einen Besuch Ostfrieslands und seiner Menschen spricht.
Und sonst … ? Tee! Die Teegeschichten, die verbreitet werden, stimmen tatsächlich! Der echte Ostfriese ist ein Teetrinker vor dem Herrn! Er verkonsumiert im Jahr ca. 2,5 kg seines „Echten Ostfriesentees“. Man sagt, damit verbraucht er ungefähr das Zehnfache dessen, was ein Durchschnittsdeutscher an Tee zu sich nimmt. Wenn ich allerdings von meinem Teeverbrauch ausgehe, bin ich eine verkappte Ostfriesin, die lediglich die falsche Sorte Tee im Schrank lagert.
Ein bekannter ostfriesischer Teehersteller ist die Firma Bünting, die in Leer auch nebenher ein Teemuseum (mit angegliedertem großen Geschäft) betreibt.

Das Stammhaus der Firma Bünting mit Teemuseum – angrenzend an das Coloniale-Haus in der Brunnenstraße in Leer
Wenn Sie in Ostfriesland Tee bestellen – dort im Museum, im Café, Hotel etc. – bekommen Sie diesen sehr häufig in dem ganz speziellen Geschirr „Ostfriesenrose“ serviert. Ich muss gestehen, dass ich die Rose gar nicht auf Anhieb als solche erkannt habe. Es scheint irgendwie eine Mischung aus Blume und Hagebutte darzustellen. Oder was erkennen Sie daraus?
Sie sehen, zur Teekanne auf dem Stövchen gibt es ein kleines Kännchen mit ganz besonderer Teesahne inkl. kleinem Schöpflöffel sowie ein Schälchen mit unregelmäßig geformten Kandisstücken, die man hier als Kluntjes bezeichnet. Tee trinken in Ostfriesland bedeutet nicht, achtlos Flüssigkeit herunterzustürzen, sondern zum Tee trinken gehört eine Zeremonie.
Sie beginnen mit dem Einfüllen der Kluntjes. Dann erst kommt der Tee.
Aber nicht zu voll gießen! Das tut man nicht!
Achten Sie einmal darauf, der Kandis macht Geräusche, knistert, sobald die heiße Flüssigkeit mit ihm in Berührung kommt! Nun nehmen Sie mit der Miniaturkelle eine kleine Menge Sahne auf und geben sie in den Tee. Die meisten gießen sie vorsichtig gegen den Uhrzeigersinn hinein.
Warum?
Um die Zeit anzuhalten … So sind die Ostfriesen eben.
Die Sahne sinkt erst hinab, steigt dann langsam wieder auf und verteilt bzw. entfaltet sich zu sagenhaften Mustern! Zu Bildern. Kunstwerken! Die Sahnewölkchen, auch Wulkjes genannt, werden zu Seepferdchen, Häusern, Tintenklecksen, Quadraten mit Riffelmuster, Strahlen … Ihrer Phantasie sind bei der Deutung keine Grenzen gesetzt.
Sie trinken den Tee letztendlich auch schichtweise. Erst oben die Sahne, dann den kräftigen Tee und zum Schluss den Teil, der vom Kluntje ganz süß wurde.
Achten Sie stets darauf, wie Sie ihren Löffel platzieren! Daneben gelegt bedeutet es, Sie möchten noch mehr, in die Tasse gestellt signalisiert er, dass Sie nichts mehr nachgeschenkt haben möchten. Drei Tassen oder auch drei Koppkes Tee stehen Ihnen nach „Ostfriesenrecht“ zu …

Teelke mit der Tasse Tee … Eine Skulptur von Karl-Ludwig Böke für das Teehandelshaus Bünting. Teelke, die Teebotschafterin, befindet sich direkt gegenüber dem Coloniale-Hause in Leer
Sie sehen, es geht stilvoll zu. Und es gibt sehr viel Überraschendes, Spannendes, Unerwartetes in Ostfriesland. Schöne Ortschaften, Städte wie z. B. Leer mit einem überaus sehenswerten alten Viertel und seinem Hafen. Ostfriesland hat viel Wasser, viel Grün, viele Tiere – mit anderen Worten: viel Natur!
In den nächsten beiden Teilen der kleinen Ostfriesland-Blogserie wird es weiter um die Stadt Leer, die Umgebung mit Burgen, Wallhecken, Schafen etc., vor allem aber um Windmühlen gehen! Sie sind faszinierend, und es gibt viele hier! Wir werden auch in das Innere schauen und vielleicht bei dieser Gelegenheit gleich mehr über das Wesen der Ostfriesen erfahren. Die Klischeevorstellungen überprüfen.
Kommen Sie doch mit!
Sagen Sie nicht, Leer – pffft! Das Städtchen ist begehrt als Ziel! Nicht nur Fahrradtouristen machen hier halt. Nein, an dem Tag, als ich eintraf, statteten ihm keine Geringeren als König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande einen Besuch ab! Bei meiner Ankunft brachen sie allerdings gerade wieder auf, sodass ich bestenfalls noch die königlichen Limousinenrücklichter gesehen hätte – hätte ich mich wild entschlossen im Blitztempo durch den Ort zum Maritimen Kompetenzzentrum bewegt.
Ich wollte damit eigentlich auch nur sagen, wenn sogar die beiden vorbeischauen, dann müssen Sie schon eine sehr gute Ausrede haben, um sich hier auszuklinken. ^^
Ich lasse Ihnen auch Zeit bis zum Teil (2). Das liegt allerdings mehr daran, dass ich leider ein weiteres Mal unterwegs bin und keine Gelegenheit zum früheren Schreiben haben werde.
Lesen wir uns? Ich wünsche Ihnen bis dahin eine angenehme Woche und werde Sie demnächst – so Sie denn erscheinen – mit einem „Moin!“ zur Fortsetzung begrüßen.