Archiv für die Kategorie Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich)
Von einem, der nicht fliegen will und einer, die ungefragt malt …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 30/01/2021
Ich konnte mich heute nicht beherrschen und habe auf Autoscheiben Bildchen gemalt. Ich sag’s Ihnen, der allererste richtige Schnee bei uns in diesem Winter macht was mit einem. Feinstes Zeug fieselte beständig vom Himmel und bildete perfekte Leinwände fürs Zeichnen mit den Fingern.
Schon im Begriff an einem Fahrzeug ein Herz auf dem Fenster der Beifahrerseite zu hinterlassen, kamen mir Dramen in den Sinn, die sich bei der Rückkehr abspielen könnten. Falls es sich um ein Pärchen handelte und einer der beiden misstrauisch-eifersüchtiger Natur wäre. Hinter einem Herz weiß Gott was vermutete …
Vielleicht hätte es das Ganze relativiert, wenn ich mehr als nur ein Auto mit Herzen verziert hätte. Ich habe mich letztendlich jedoch für lachende Schneemänner, schwankende Tannen, Sternschnuppen, stehende Hasen mit Möhre und springende Igel entschieden. Dass es an mehreren, in langer Reihe parkenden Autos geschah, lässt sich nur mit der endlosen Wartezeit vor der geschlossenen Bahnschranke entschuldigen.
Ehrlicherweise muss ich hinzufügen, ich bin dieser Schneemalsucht schon seit frühester Jugend verfallen. Einmal, da war ich allerdings schon erwachsen, hat sich unser Postbote hinterhältig von hinten angeschlichen und plötzlich laut: „Hab‘ ich Sie erwischt!“ gerufen. Er amüsierte sich natürlich köstlich über mein Zusammenzucken – hat mich aber nicht verpfiffen!
Was ich Ihnen eigentlich erzählen wollte, ursprünglich, ist etwas komplett anderes. Nur auch dies hier passt zu einer Erkenntnis, zu der ich gerade gelangte: Es ist momentan einfach entspannend, Assoziationen zuzulassen, alte Erinnerungen hervorzukramen und Minizeitreisen zu unternehmen.
Durch die persönlichen Einschränkungen, die die Coronazeit erfordert, sieht es mit Unternehmungen, positiv stimmenden Vorkommnissen und Erlebnissen aufbauender Art etwas mager aus. Nun wird häufig und mit Nachdruck gemahnt, unbedingt in der Gegenwart zu leben. Bloß nicht zu sehr mit der Zukunft und ganz speziell nicht mit der Vergangenheit (pfui, bäh) herumzutechtelmechteln.
Ich sehe allerdings einen großen Unterschied, ob man sich permanent im Spagat befindet oder sich einfach die Fähigkeit erhält, hüpfen zu können. Während der Spagat eine Extremhaltung darstellt – bildlich gesehen ist ein Bein in der Vergangenheit, das andere in der Zukunft, die Gegenwart wird kaum touchiert – gestattet mir das flexible Hüpfen ein Switchen, aber ebenso eine kurzzeitige Verbindung zwischen Altem und Neuem. Hüpfer lassen sich besser einer imaginären Entfernung anpassen und erlauben schnelle Richtungswechsel. Sie sind sehr viel flexibler als dauergestreckte, überdehnte Beine, bei denen es zweifelhaft bleibt, ob man sie je wieder unbeschadet zusammenbekommt.
Ich finde es einfach schön, wenn ein Moment-Hüpfer zum früheren Postboten ein lebendiges Gefühl zurückholt, ein Wiederaufgreifen des alten „Lasters“ Schneemalerei einen wohltuenden Effekt auf die Stimmung beschert. Und falls Sie jetzt nicht beschließen, ach, das reicht mir schon für heute, erzähle ich Ihnen noch von einer anderen Begebenheit. Einer recht kuriosen Sache …
Kürzlich rief ein Bekannter meines Mannes an. Wie gerade das folgende Gespräch entstand, weiß keiner, Anlass des Anrufes und Ursprungsthema waren meilenweit davon entfernt, doch plötzlich ging es um Schneefall, Ski fahren, führte irgendwann Richtung Eifel und nach einer weiteren kleinen Wendung erzählte der Bekannte, was er dort beim Besuch einer Greifvogelstation erlebte.
Sie befindet sich am südöstlichen Rand des Naturparks Eifel nahe des Ortes Hellenthal und der Oleftalsperre. Eifel verrät Ihnen schon, es ist hügelig in der Gegend. Ich war selbst noch nicht dort, doch so wie der Bekannte berichtete, befindet sich der Standort der Station in höherer Lage am Berg, während der Ort – wie es der Name verrät – im Tal liegt.
In dieser Station lebt ein Andenkondor. Manche nennen diese Vogelart auch Andengeier, weil sie zu den Neuweltgeiern gehört. Große, schwarze Vögel mit enormer Flügelspannweite! Bis zu 15 kg schwer! Weiße Halskrause, darüber schaut ein kahler, rotbrauner Kopf hervor. Sie haben bestimmt schon Fotos von ihnen gesehen.
Der Kondor lebt dort seitdem er zweieinhalb Monate alt ist, ist mittlerweile über 15 Jahre alt (so genau konnte sich unser Anrufer nicht erinnern) und wurde von Hand aufgezogen. Das hat zum einen zur Folge, dass er überaus anhänglich ist, zum anderen aber auch, dass er absolut keine Lust auf Ausflüge hat. Fliegen lehnt er rundweg ab! Was hat man nicht schon alles versucht, ihn dazu zu bewegen! Es wurde ihm der Mauersims der Oleftalsperre als Absprungort schmackhaft gemacht, man kletterte mit ihm auf einen Turm, es gab sogar das Angebot, von einem Heißluftballon aus zu starten! Aber nein, der Geier wollte lieber weiter zu Fuß gehen.
Als er geschlechtsreif wurde, kümmerte man sich um Gesellschaft für ihn. Nach längerer, intensiver Suche siedelte eine unternehmungsfreudige Kondordame aus Frankreich zu ihm über. Als Partnerin, aber auch in der Hoffnung dazugesellt, dass sie bei ihm die Lust aufs Fliegen endlich wecken könnte.
Über den Erfolg wusste der Bekannte leider nichts Genaues zu sagen, allerdings hat er etwas anderes direkt miterlebt.
Der Geier startet mittlerweile wohl gelegentlich bei gutem Wetter von der Station aus, nutzt die Thermik und segelt ein paar Runden über dem Tal. Er landet dann an einer bestimmten Stellen an einer Straße, die Ort und Station verbindet. Grund ist die dortige Würstchenbude, in deren Nähe er sich demonstrativ niederlässt. Inzwischen hat er spitz gekriegt, dass er etwas Essbares abstauben kann. Lassen Sie sich nicht weismachen, dass Geier nur Aasfresser im Sinne von in der Landschaft herumliegenden oder ihnen sonstwie dargebrachten Rohkadavern seien! Der Andenkondor aus der Eifel zumindest mag definitiv Bratwurst.
Und jetzt dürfen Sie raten, was danach passiert. Richtig. Er bleibt sitzen. Es kann ihn nichts, aber auch gar nichts dazu bewegen, selbst wieder den Berg hinaufzufliegen. Folglich kommt jemand von der Station mit einem Wagen von oben herunter und holt den Ausflügler heim. Entweder, wenn er oben vermisst wird, ansonsten, sobald jemand von unten anruft, dass der Geier wieder auf den Bus wartet.
Ich musste lachen, als ich von dem eigensinnigen Vogel erfuhr. Gleichzeitig ließ die Erwähnung des Heißluftballons eine andere Erinnerung aufblitzen.
2003 bin ich in einem Ballon über Hamburg gefahren. Es ging von der Stadt aus in südöstlicher Richtung über die Norderelbe (Richtung Bergedorf und Vierlande). Ein spannendes Erlebnis, besonders als ein Wassersportflugzeug relativ nah an uns herankam.

Blick auf die Norderelbe (flussabwärts) 2003 – Der Hamburger Hafen, etwa mittig die Landungsbrücken, links (gelb) das Musical-Theater „König der Löwen“. Rechts unten beginnt die HafenCity, der Stadtteil, dessen Bau erst später startete.
Es lässt sich nicht verhindern, ich stelle mir gerade vor, der Andenkondor wäre mit an Bord unseres Ballons gewesen. Ich persönlich hätte den Geier mit Sicherheit über dem Hafen vorsichtig und unter gutem Zureden vom Korbrand geschubst. Er hätte im Flug mit seiner sagenhaften Spannweite von fast drei Metern garantiert viele Blicke auf sich gezogen, wäre ein paarmal um den bis dahin nur existierenden Unterbau (Kaispeicher) der späteren Elbphilharmonie gekreist, hätte auf diesen Runden jedoch vermutlich ziemlich schnell an den Landungsbrücken die Fischbrötchenbuden entdeckt. Und man ahnt, wie es ausgegangen wäre:
Abruptes Ende des Segelfluges, zielsichere Landung, um Fischbrötchen zu ergattern und daran anschließend gelangweiltes Warten, auf einem Poller sitzend. Bis endlich die Abholung eintrifft …
©by Michèle Legrand, Januar 2021
Bitte recht freundlich oder Vorsicht Kamera! – „Public Face“ in der Hamburger Speicherstadt
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 09/05/2019
Heute habe ich Ihnen lediglich eine Kleinigkeit mitgebracht. Jetzt lachen Sie nicht, es wird wirklich kurz, denn zu umfangreichen Beiträgen komme ich momentan noch gar nicht wieder.
Ich bin am Dienstagmorgen in die Innenstadt gefahren um etwas abzuholen und habe mir im Anschluss einen kleinen Schlenker Richtung Hafen gegönnt. Irgendwann werden Sie hier im Blog auch sehen, weshalb ich sogar recht gezielt dort war – und zwar vor dem Erscheinen von Menschenmassen. Dass Trubel naht ist sicher, denn am kommenden Wochenende (10-12.05.2019) wird Hafengeburtstag gefeiert. Die ersten Vorkehrungen habe ich bereits mitbekommen (Absperrungen, Sicherungen, Aufbau zusätzlicher Stromkästen etc.)
Doch vorweg würde ich Ihnen heute gern schon etwas ganz in der Nähe zeigen, wofür Hafen und Landungsbrücken ein prima Ausgangspunkt sind.
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Wenn Sie sich ostwärts halten und am U-Bahnhof Baumwall über die Niederbaumbrücke Richtung HafenCity und Speicherstadt abbiegen, haben Sie voraus die Elbphilharmonie und erblicken links das Hanseatic Trade Center. Es geht jedoch nicht in den modernen, neu entstandenen Teil des Stadtviertels, sondern gleich hinter der Brücke links Richtung Binnenhafen. Während Sie am Wasser entlangspazieren, tauchen zu Ihrer Rechten einige Neubauten auf, die sich trotz modernen Glasflächenanteils im Stil den alten roten Speicherbauten, die bald darauf anschließen, anpassen.
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Beim Blick über das Wasser hinüber zur Alt- und Neustadt können Sie das Mahnmal St. Nikolai und auch die Hauptkirche St. Katharinen ausmachen. Auf dem nächsten Foto entdecken Sie am gegenüberliegenden Ufer etwa in der Mitte ein großes Gebäude, das Haus der Seefahrt. Und just dort (links vom Haus) ist der Eingang zur Deichstraße mit ihren alten, restaurierten Bürgerhäusern. Von der Hohen Brücke (rechts vom Haus) haben Sie einen exzellenten Blick auf die Rückfronten der historischen Häuser direkt am Nikolaifleet.
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Bleiben wir weiter auf dem einmal eingeschlagenen Weg, nun entlang der alten Speicher. Wenn Sie zwischendurch einfach einmal einen Moment die Augen schließen, kann es passieren, dass Ihr Kopfkino anspringt und Sie das ein oder andere kleine Abenteuer erleben. Wollen Sie es wagen?
Die Straße vor den Häusern am Binnenhafen besitzt noch das alte Kopfsteinpflaster. Ohne (moderne) optische Ablenkung wird ein ganz anderes Hörgefühl erzeugt. Autos unserer Zeit, die langsam vorbeihubbeln, könnten vom Empfinden her ebenso gut Fahrzeuge aus vergangenen Tagen sein. Mit geschlossenen Augen riecht das Elbwasser viel intensiver, das Tuten und Hupen der Hafenfähren und -barkassen wird auffälliger …
Sind die Augen noch zu? Gleich kommt ein alter Ewer vorbeigesegelt … Der Käpt’n am Ruder, die Pfeife im Mundwinkel. Schuten gleiten durch die Fleete und bringen Ware zu den Lagerhäusern. Teppiche. Und Gewürze. Oder Kaffee …!? Wie aus dem Nichts strömt auf einmal intensiv der Geruch frisch gemahlenen Kaffees. Während Sie noch die Luft einziehen und den Duft inhalieren, klappt nicht weit entfernt eine Tür und gedämpft, aber eindeutig, erreichen Sie Schreie, die leicht panisch klingen …
Sobald Sie Ihre Augen wieder öffnen, werden Sie merken, es hat nicht nur niemand die Zeit zurückgedreht, es gibt auch für alles einen hundsnormalen Grund. Eine Kaffeerösterei hat hier nämlich ihren Sitz, und ein kleines Stück dahinter gelegen befindet sich das Hamburg Dungeon, eine Art Gruselkabinett, das mit einigen seiner Horrorszenarien aus der Geschichte des sehr frühen Hamburgs manchen zum Schwitzen bringt – oder eben Angstschreie auslöst.
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Das inzwischen international bekannte Miniatur-Wunderland hat sich in diesem Speichergebäude darüber und über weitere Etagen ausgebreitet.
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Lassen Sie die Brooksbrücke am Hamburg Dungeon hinter sich und visieren Sie stattdessen die nächste, die Kibbelstegbrücke an. Sie ist unser heutiges Ziel. Der Binnenhafen liegt mittlerweile hinter uns, ab jetzt wird das Wasser neben Ihnen Zollkanal genannt.
Die Kibbelstegbrücke … Im Dunkeln wäre Ihnen sofort klar, was ich Ihnen zeigen möchte, denn mit der Neonbeleuchtung fällt es sofort ins Auge. Doch auch am Tag kann man es sehen. Schauen Sie einmal zur Brückenmitte. Oberhalb des Geländers …
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Hamburg – HafenCity/Speicherstadt – Kunstinstallation „Public Face“ (Smiley) an der Kibbelstegbrücke
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Im November letzten Jahres wurde (für begrenzte Zeit) ein großer Smiley installiert. Die Skulptur mit einem Durchmesser von fünf Metern nennt sich „Public Face“ und stammt aus dem Programm „Imagine the City“. Ganz neu ist die Idee mit dem Smiley nicht, ursprünglich entstand „Public Face“ (2010) für die Hafeneinfahrt von Lindau am Bodensee.
Wenn Sie jetzt staunen, dass etwas wie ein Smiley zur Skulptur erhoben wird, dann lassen Sie sich sagen, wie das Ganze zur Kunstinstallation wurde und so ungefähr funktioniert bzw. gedacht ist.
Stellen Sie sich den Smiley nicht als reines Spielzeug und ewig lächelnden Gesellen vor, sondern als Stimmungsbarometer. Drei Künstler (Julius von Bismarck, Benjamin Maus und Richard Wilhelmer) haben sich ihn als interaktives Kunstwerk ersonnen, das nicht immer ganz unumstritten ist, denn damit es funktioniert, müssen Überwachungskameras installiert sein und ihre Dienste tun.
Diese Kameras erfassen den Ausdruck in den Gesichtern von Passanten. Eine Software analysiert die eingehenden Daten und mittels eines Algorithmus wird es auf die Skulptur übertragen. Der Smiley „kann“ traurig, glücklich, überrascht oder sauer sein. Genauer gesagt, er kann so wirken indem er die entsprechen-
den Emotionen darstellt. Er lässt die Mundwinkel hängen, lächelt oder schaut einfach recht konsterniert bis gleichgültig drein. Die Position einer den Mund darstellenden Neonröhre wird an den Mundwinkeln mit Motorenhilfe verändert. Und im Dunkeln erkennen Sie sogar zwei zusätzliche waagerechte Röhren in den Augen, die leuchten, wenn er traurig ist (weint). Beim Lächeln hingegen sind die Augen rund/geöffnet.
Es lässt sich bei Kunstobjekten natürlich stets eine ganze Menge mehr hineininterpretieren. Je nach Art der Betrachtung werden sich unterschiedliche Schlüsse ziehen lassen, die wieder zu unterschiedlichen Aus-
legungen führen. Betrachter wird es mehr oder weniger inspirieren. Ein und dieselbe Installation kann leicht für absolut konträre Reaktionen sorgen.
Man kann sich in Smileys Fall diverse Absichten ausführlich erklären lassen und überhaupt näher erfahren, wie das mit Kunst und Kultur in der HafenCity und mit den Menschen, die hier leben, gemeint ist. Es geht obendrein um den Wunsch nach einer steigenden Wertschätzung von Kunst und um den Fakt, dass diese eindeutig auch „verstören und irritieren“ darf. (Ich lasse Ihnen im Anschluss einen Link da, falls es Sie interessiert, mehr darüber zu lesen.)
Als ich dort Dienstag eintraf, war „Public Face“ zunächst recht missmutig. (Wieder einmal, ich habe ihn schon öfter betrachtet.) Eine Minute später hielt ein Reisebus mit einer asiatischen Reisegruppe ganz gezielt neben der Kibbelstegbrücke. Die Smiley-Skuptur dient mittlerweile als anzufahrende „tourist attraction“.
Ihr Prinzip wurde den Gästen auf Englisch erläutert, woraufhin sich die Mienen schnell erhellten. Gelächter, eifriges Geplauder und gutgelauntes Posieren, dauerklickende Kameras und Handys. Die Überwachungskamera bekam in kurzer Zeit reichlich neue Daten und dank des positiven Futters gingen die Mundwinkel prompt nach oben.
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Hamburg – HafenCity/Speicherstadt – Smiley an der Kibbelstegbrücke reagiert erfreut auf lächelnde Touristen ….
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Kurz darauf folgte der Aufruf, nun bitte wieder an Bord des Busses zu kommen. Nicht einmal eine Minute später war nichts mehr übrig von der lachenden Menschenansammlung, was unser Smiley – als die aktualisierten Daten ihn erreichten – etwas konsterniert zur Kenntnis nahm …
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Anhaltende Nichtbeachtung und das zusätzliche Einfangen von offenbar griesgrämigen Gesichtsausdrücken, machten aus dem „gleichgültig-skeptisch“ ein „ich bin echt mucksch“. (Falls Sie diesen Ausdruck aus Ihrer Region nicht kennen, es bedeutet so viel wie sauer, eingeschnappt.)
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Sämtliche demonstrierbaren Emotionen in kürzester Zeit … Die Installation ist kurzweilig – um einmal ganz allgemein etwa dazu zu sagen. Es ist auch interessant zu beobachten, dass es erstaunlich häufig um die Laune der Bevölkerung bzw. der Passanten überhaupt nicht gut bestellt sein muss, denn das Lächeln erscheint beim „Public Face“ sehr viel seltener als die Ausdrucksformen Gleichgültigkeit und Traurigkeit. Wie kommt’s?
Jetzt mal unter uns, nicht ganz so ernst und schon gar nicht wissenschaftlich begründet. Lediglich laut gedacht.
Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass dermaßen viele Muffelköppe vorbeikommen! Liegt es womöglich nur an der Erkennung und Programmierung? Wir sind in Hamburg, bei Hanseaten! Dauert es vielleicht viel zu lange, ehe die Mundwinkel den Impuls erhalten hochzugehen? Muss so ein Hanseat womöglich für seine Verhältnisse völlig unnatürlich grinsen, ehe es für die Kamera und die Auswertung als ein akzeptables Lächeln durchgeht?
Bei einem angenommenen, derart strengen Maßstab, wäre quasi ein neutraler Ausdruck bereits negativ …
Mich treibt auch folgende Frage um: Wenn zwei Passanten von der Kamera erfasst werden, von denen einer extrem strahlt und einer finsterst grummelt, was macht die Software daraus? Den Durchschnitt? Das würde zumindest das unterproportionale Auftauchen des Lächelns erklären und den dafür oft zu sehenden geraden Strich als Mundlinie.
Kunst. Oft umstritten. Doch was sie immer erreicht, ist, dass der Mensch – egal, wie er im Speziellen gerade dazu steht – sich gedanklich willentlich oder unwillentlich in irgendeiner Form damit beschäftigt. Ziel erreicht, oder?
Und nun lasse ich Sie wieder allein. Sie werden zugeben, es war kurz heute. Im Vergleich zumindest … ^^
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Bis zum Wiederlesen!
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Mehr über die Kunstinstallation hier:
„Wie ein Riesensmiley die Hamburger verstören soll“ – Hamburger Abendblatt
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©by Michèle Legrand, Mai 2019
Alter Schwede! – Der Findling im neuen Gewand …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 11/01/2019
Es ging vor einigen Tagen durch sämtliche Medien. Sie haben es sicher auf irgendeinem Kanal mitbekommen. Der „Alte Schwede“, ein beeindruckend großer Findling, zeigte sich urplötzlich im neuen Gewand!
In Hamburg hatten Unbekannte in der Nacht zum 2. Januar 2019 den Stein mit einer Art Goldbronze überzogen. So mutierte der ursprünglich graue Riese am Elbstrand bei Övelgönne zum Goldnugget, das es schaffte, in-
nerhalb kürzester Zeit zu einem Motivhit in den sozialen Netzwerken zu werden, wo Fotos seiner wundersamen Wandlung wieder und wieder verbreitet wurden.
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Mal lag der Fokus auf dem Stein, noch häufiger allerdings fungierte dieser als Selfie-Hotspot. In diesen Tagen des Goldrausches war der neue Look des Schweden als Hintergrund wohl noch begehrter als die sonst so angesagte Silhouette der Elbphilharmonie.
Vielleicht haben Sie auch gehört, dass aufgrund der Begeisterung über das Gold in kürzester Zeit die ersten Online-Petitionen auftauchten, die bewirken sollen, dass keine große Säuberungsaktion stattfindet, sondern
der neue Goldschatz bleibt, wie er ist.
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Wenn Sie allein die aktuellen Fotos betrachten, d. h. nur das jetzt Offensichtliche, das Optische, für eine Ent-
scheidung heranziehen, könnten Sie aus dem Bauch heraus zu dem Überzug sagen: „Sieht toll aus, soll so bleiben.“ Und vielleicht sagen siebentausend Kommentatoren bei Facebook oder Twitter das ebenfalls. Ein unisono erklingendes „Ja!“
Sie kennen das Phänomen Herdentrieb, nur liegt der Leithammel mit seiner Ansicht nicht unbedingt automatisch richtig. Ich behaupte nicht, er hätte unrecht, aber ist es angemessen sich festzulegen oder gar etwas zu fordern, ohne sich überhaupt vorher näher mit dem Thema befasst zu haben?
Seinen Sie unbesorgt, ich werde nicht mit dem erhobenen Zeigefinger herumfuchteln, doch eine Meinung zu etwas kann man sich – dies ist meine ureigene Auffassung – nicht ohne Hintergrundwissen bilden. Alles andere ist bestenfalls ein Schnellschuss nach Teilbetrachtung, meist aber blindes Nachreden ohne Ahnung.
Informationen sind – gerade vor Entscheidungen – nicht nur zweckdienlich, es geht einfach nicht ohne! Wie wollen Sie sonst Argumente sammeln, prüfen und bewerten? Verstehen Sie mich richtig: Es geht nicht darum, WIE die Entscheidung im Endeffekt ausfällt. Es geht darum, wie man zu einer Entscheidung gelangt!
Hätten Sie Lust, den „Alten Schweden“ etwas näher kennenzulernen? Wo kommt er her, was macht ihn aus? Wo trieb er sich herum, warum liegt er am Elbstrand …
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Lernen Sie den „Alten Schweden“ kennen
In diesem Herbst jährt sich der Jahrestag seiner Entdeckung zum zwanzigsten Mal. Im Herbst 1999 befand sich die „Titan“ zu Ausbaggerungsarbeiten auf der Elbe. Zwischen dem 15. und dem 17. September arbeitete sie am nördlichen Elbufer nahe Övelgönne. Ziel der Aktion: eine Elbvertiefung.
Sie wissen, dass die Elbe bei Hamburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts nur drei bis vier Meter tief war? Seit
der gerade erwähnten Elbvertiefung, die in den Jahren 1991-1999 stattfand, liegt die Sohle der Fahrrinne mindestens 14,9 Meter unter SKN (Seekartennull). Die seit Jahren geplante, zweitweise gerichtlich untersagte, zwischendurch unter Auflagen erlaubte, planungsmäßig nachgebesserte, neu diskutierte und äußerst um-
strittene, mehrmals herausgeschobene, erneut angepeilte … usw. Vertiefung sieht eine neue Fahrrinnentiefe von 15,9 bis 17,1 m vor. Doch zurück zur „Titan“.
Die Spezialfirma ist an diesen Tagen mit ihrem Eimerkettenbagger im Einsatz, dessen 65 Schaufeln unermüdlich Schlick und Schlamm aus der Tiefe holen.
Nur plötzlich, man buddelt an der seinerzeitigen Flusssohle in einer Tiefe von 13,5 Metern, rumst es mächtig. Die Eimer stoßen auf Widerstand, der sich nicht aus dem Weg räumen lässt. Schluss mit Baggern und Prüfung der Situation.
Eine Bombe aus dem II. Weltkrieg scheidet als Möglichkeit aus, die hätte der Bagger in seinen großen Schaufeln mit nach oben befördert. Ein Wrack, Reste eines uralten Kutters? Auch dies scheint immer unwahrscheinlicher. Die Vermutung geht bald dahin, dass man es mit einem außergewöhnlich großen Felsbrocken zu tun haben müsste.
Was tun? Muss man überhaupt was tun?
Ein Laie denkt vielleicht spontan, war nicht eben von Ufernähe die Rede? Spielt ein widerspenstiger Hubbel am Elbgrund da überhaupt eine große Rolle? Die Fahrrinne ist doch schließlich mehr in der Flussmitte …
Doch der Brocken hatte sich einen denkbar ungünstigen Liegeplatz ausgesucht. Er befand sich genau im Drehkreis zwischen Parkhafen und Övelgönne. Zum Parkhafen führt ein Elbabzweiger schräg gegenüber von Övelgönne. Genau hier drehen viele Schiffe, die via Parkhafen Richtung Waltershof zu den Container-Terminals fahren wollen. Sie brauchen für ihre Abbiegemanöver Platz. So wie der Containerfrachter, den Sie auf dem folgenden Bild sehen.
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Hamburg – Elbstrand mit „Altem Schweden“ bei Övelgönne – Containerfrachter CMA CGM Bougainville dreht auf der Elbe zur Einfahrt in den Parkhafen
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Die Containerschiffe des französischen Schifffahrts- und Logistikunternehmens CMA CGM gehören zu den größten der Welt! Die CMA CGM Mumbai auf dem Foto weiter unten fährt unter der Flagge von Hong Kong und ist ganz neu (Bj. 2018). Fast 336 m lang und gut 48 m breit …
Die drehende CMA CGM Bougainville auf dem Foto oben ist unter franz. Flagge unterwegs. Sie ist noch größer: 398 m lang und 54 m breit
Parkhafen nennt sich übrigens nur das erste Stück der Elbabzweigung. Gleich hinter dem Leuchtturm Waltershof geht es rechts ab zum Petroleumhafen. Direkt an dieser Abbiegung befinden sich die Containerbrücken am Bubendey-Ufer.
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Fahren die Frachter hingegen weiter geradeaus, gelangen sie in den Waltershofer Hafen mit seinem großen HHLA Container Terminal Burchardkai und gegenüber dem Eurogate Container Terminal.
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Was immer am Grund der Elbe Widerstand leistete, es musste herausgeholt werden. Nun waren vor weiteren Planungen zunächst Taucher nötig, die die Lage vor Ort erkunden mussten.
Das Tauchschiff „Düker to“ erschien vor Övelgönne. Ein Taucher in Spezialausrüstung startete seinen ersten Sondierungstauchgang bei Niedrigwasser. Viel sehen konnte er auch mit Lampe nicht, also fühlte er die Form ab. Da er einen Spalt auszumachen glaubte (nur mit Mergel gefüllt), stand kurz die Frage im Raum, ob es evtl. zwei nebeneinander liegende Riesensteine sein könnten.
Am nächsten Tag stand jedoch fest, es ging um einen Findling, dessen Gewicht auf 200 bis 300 Tonnen geschätzt wurde. Und das Bemerkenswerteste an der ganzen Sache war, er war uralt! Ein geologischer Sensationsfund, der sage und schreibe 1,8 Milliarden Jahre auf dem Buckel hat und während der Elster-Eiszeit (auch: Elster-Kaltzeit bzw. Elster-Glacial) vor 400.000 bis 320.000 Jahren als Gletschertransport zu uns kam.
Bis er exakt vermessen werden konnte, verging noch etwas Zeit, denn zuerst musste er geborgen werden. Was im ersten Anlauf erst einmal schiefging. Der Schwimmkran „Taklift 4“ hatte ihn bereits mit dicken Stahlseilen aufgenommen, doch der Findling rutschte heraus und landete wieder im Fluss. Was bei einem Stein dieses Ausmaßes nicht nur ein bisschen platscht oder ploppt, sondern reichlich Wellengang und Spritzer verursacht. Denken Sie nur an die berühmten A…bomben im Schwimmbad. Und die sind wirklich nichts dagegen!
Der nächste Versuch, der fünf Tage später erfolgte, glückte. Am 18. Oktober 1999 wurde der Koloss genau um 17.14 Uhr am Strand abgesetzt. Dort wo er heute steht, egal, was zwischendurch für Pläne und Ideen hinsichtlich anderer Standorte aufkamen.
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An Land ließen sich genauere Untersuchungen vornehmen. Die Vermessung ergab eine Höhe von 4,5 m, einen Umfang von ca. 20 m, sein Gewicht beläuft sich auf 217 Tonnen. (Als Gewichtsvergleich können Sie sich sechs große, vierachsige LKW vorstellen.)
Geologen entdeckten Schrammen und Furchen im Stein. Speziell recht markante, parallel zueinander ver-
laufende Schrammen auf dessen Nordseite, was sie als Bestätigung dafür sahen, dass andere Gesteins-
brocken direkt an seiner Oberfläche vorbeirutschten.
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Nach weiteren Prüfungen des Mineralbestands des Findlings, kam man zu dem Schluss, dass es sich bei dem Findling um einen schwedischen Burschen handelt, der per Gletschermitreisegelegenheit durch die Ostseesenke von Südschweden bis zu uns eine recht beachtliche Strecke zurückgelegt hat.
Die Gesteinsanalyse ergab, dass es sich um den Grauen Växjö–Granit (Granodiorit) handelt, eine Granitart, die in Schweden in der Region Ost-Småland vorkommt.
Stellen Sie sich gedanklich die Küste Südschwedens vor, peilen zwischen Kristianstad und Karlskrona etwa die Mitte an (Karlshamn) und streben von dort noch 100 km senkrecht nach Norden. Dort liegt Småland. Zwischen dem Ausgangspunkt der Findlingsreise und Hamburg liegen insgesamt gut 500 km Strecke! Wie lange es wohl gedauert hat, bis der Findling die Elbe erreichte?
Ich las in einem Bericht, dass man davon ausginge, der Stein hätte seit etwa 100.000 Jahren an seinem Platz auf dem Grund der Elbe gelegen. Eine Angabe, die ich mir gerade gar nicht vorstellen kann, denn zwischen der Elster-Kaltzeit und dieser Zeitangabe liegen 220.000-300.000 Jahre. Es hieße, der Findling wäre erst über 200.000 Jahre nach Ende der genannten Eiszeit an der Elbe eingetroffen. Wie soll das denn passiert sein, wenn die Gletscher schon längst abgeschmolzen waren und gar nicht mehr als Transportmittel fungierten?
Aber vielleicht unterliege ich einem gedanklichen Irrtum oder lasse irgendeine andere nötige Information dazu außer acht. Eventuell hat ja eine später stattgefundene Kaltzeit (Saale-Komplex) eine Rolle gespielt.
Der Einwanderer wurde am 6. Juni 2000 getauft. Nach einer Umfrage und nach Eingang zahlreicher Namensvorschläge entschied man sich für den mehrdeutigen Begriff „Alter Schwede“.
Kaum war er an Land, ging es auch schon los mit den Schmierereien. Schriftzüge, Kleckse. Graffiti der unattraktiven Art.
Sollte man ihn umplatzieren? Dort, wo man ihn besser im Blick (unter Kontrolle) hatte? Ole von Beust lieb-
äugelte mit Planten und Blomen, aus anderer Ecke kam der Vorschlag Spielbudenplatz (Reeperbahn) auf,
und der damalige Tourismuschef Dietrich von Albedyll hätte ihn gern am Museumshafen Övelgönne gesehen. Ein Landwirt und Künstler aus Büchen schlug vor, den Stein auf Betonstelzen stellen.
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Hamburg – Elbe – Blick elbaufwärts zum Museumshafen Övelgönne mit ehem. Union-Kühlhaus (heute Augustinum)
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Nichts von alledem wurde in die Tat umgesetzt, doch etwas anderes passierte: Man deklarierte den Stein als „Naturdenkmal“ und verband damit die Hoffnung, auf diese Art weiteren Verschandelungen vorzubeugen. Ein Naturdenkmal darf nicht beschädigt, zerstört oder verändert werden. (Noch nicht einmal beklettert.) Ansonsten drohen Geldbuße und Freiheitsentzug. Der neue Status sollte für Abschreckung sorgen – was natürlich nicht immer klappte.
Um wenigstens das Eindringen von Farbe bis in die Poren zukünftig zu verhindern, bekam der Stein eine Spezialversiegelung. Graffiti können nun wesentlich einfacher entfernt werden. Sie sitzen lediglich auf der geschützten Granitoberfläche und lassen sich abwaschen.
Und das bringt uns zurück in die heutige Zeit.
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Die Goldfarbe oder -bronze, die Anfang Januar verwendet wurde, hält auf der Versiegelung natürlich auch nicht dauerhaft. Schon nach zwei, drei Tagen blickte an vielen Stellen das Grau des Granits wieder durch, und wer über den Goldbezug wischte, glänzte hinterher selbst.
Während sich nach Bekanntwerden der Nacht-und-Nebel-Aktion „Goldschwede“ alles in heller Aufregung befand und die zuständige HPA (Hamburg Port Authority) schon von Säuberungskosten im fünfstelligen Bereich und einer Strafanzeige sprach, scheint es mittlerweile so, dass sich die Angelegenheit – würde man nur lang genug warten – von ganz alleine regelt.
Andererseits ist man auf Behördenseite über Vandalismus und eigenmächtige Aktionen an Naturdenkmälern natürlich alles andere als begeistert und möchte so etwas auch nicht ungestraft durchgehen lassen.
Hier erleben wir nun den seltenen Fall, dass Vandalismus ein recht ansprechendes Objekt hervorgebracht hat und dass den unbekannten Tätern wohl auch sehr bewusst war, dass das Resultat ihrer unerbetenen Ver-
schönerungsaktion nur eine kurze Überlebensdauer haben würde.
Was denken Sie, wie die Sache ausgeht? Bis zum 8. Januar hätte ich gesagt, der Findling wird wieder grau,
und es legt sich ganz allmählich ein Mantel des Schweigens über das Ganze. Die Petitionen zum Erhalt des Goldgewands werden wirkungslos bleiben, der Enthusiasmus abebben und in ein paar Wochen werden nur noch gelegentlich Gespräche beim Kaffee so verlaufen: „Weißt du noch, als der Alte Schwede plötzlich gold war …?“
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Am 9. Januar lese ich allerdings im Hamburger Abendblatt, die Hafenbehörde (HPA) sei plötzlich offen für den Vorschlag, dass der Findling neu vergoldet wird. Dauerhaft lackiert! Es läge alles nur an der Politik. Wenn es eine politische Entscheidung dafür gäbe, ja, dann würde man sich darum kümmern …
Was vom Ablauf her gar nicht anders geht. Die HPA muss sich an die Vorschriften für Naturdenkmäler halten. Aber sie hat es gleichzeitig recht gut. Obwohl grundsätzlich zuständig, wenn es um dieses Denkmal geht, ist sie nicht mehr der Buhmann, der eine Vergoldung kategorisch ablehnt und sich echauffiert, sondern sie gibt den Schwarzen Peter lässig weiter. Es bleibt spannend …
Liebe Leser, Sie sind nun im Besitz von Informationen über den Einwandererstein. Kennen die Bewandtnis, die es damit hat, wissen um sein sagenhaftes Alter, ermessen die Besonderheit des Granits, haben eine Vorstellung von dem langen Weg, den er auf ungewöhnliche Art zurücklegte. Alter Schwede – ein einmaliger Zeitzeuge.
Die Frage ist:
Ist er das mehr in seiner natürlichen Form? Nicht so prunkvoll, aber mit allen Zeichen dessen, was vor vielen Jahrtausenden stattfand bzw. auf seiner Reise passierte.
Oder ist er das (ebenso) als Traum in Gold? Als in der Sonne leuchtender Schatz am Elbstrand. Außen schön – das andere weiß man, sieht es aber nicht mehr so genau.
Die Entscheidung ist nicht ganz leicht. Was mir dabei durch den Kopf schießt: Wenn es lediglich um einen goldenen Eyecatcher am Strand geht, wäre es dann nicht ebenso gut möglich, ein anderes Objekt dafür auszuerwählen? Es müsste nicht notwendigerweise ein 1,8 Mrd. Jahre alter Granitbrocken mit einmaliger Geschichte zugekleistert werden …
Was hielten Sie zum Beispiel davon, eine neue Form (Hohlform, Guss, Betonkörper o. a.) zu erschaffen. Ich denke an etwas Nasenähnliches. Auffällig groß natürlich, wie es auch beim Alten Schweden der Fall ist. Das Ganze wird mit Gold überzogen und unterhalb von Süllberg und Treppenviertel am Elbstrand platziert. Der Name der auf Hochglanz polierten Attraktion: „Blanke Neese“.
Und mit einem Schlag hätten wir nicht nur ein Wahrzeichen für das noble Viertel* nebendran, sondern gleich zwei Anziehungspunkte als Beginn und Ende einer „Goldroute“ entlang des Elbstrands von Övelgönne nach Blankenese.
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*Blankenese (Stadtteil Hamburgs), Neese hamburgisch für Nase
Quellen bzw. weiterführende Berichte:
Hamburger Abendblatt – Druckausgaben
3.1.2019 – Alter Schwede glänzt jetzt in Gold (Edgar S. Hasse und Jonas Backhaus)
4.1.2019 – Bleibt der Alte Schweden golden? (Peter Ulrich Meyer und Matthias Popien
9.1.2019 – Wird der „Schwede“ neu vergoldet? (Louisa Rascher)
Hamburger Abendblatt, Geschichtswerkstatt (Jan Haarmeyer), 16.09.2009 –
„Alter Schwede“ – Der Koloss aus der Kälte (Bericht zehn Jahre nach seiner Entdeckung)
(Zugang zum Artikel möglicherweise kostenpflichtig. Hier lohnt der Versuch, den Titel so als Suchbegriff einzugeben, ohne Linknutzung!)
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Alter Schwede – Nachtrag
Ein kleines Update am 31. Januar 2019
Vier Wochen sind mittlerweile vergangen. Der Goldglanz ließ unter Einfluss der Witterung nach. Wahrscheinlich wäre es dabei geblieben, hätten nicht am Dienstag (29.01.2019) Vandalen den Findling aus der Eiszeit erneut als Ziel ausgesucht und ihn diesmal für – wie man vermutet – politische Parolen missbraucht und verschandelt.
In seiner unteren Hälfte wurden in der Art einer Banderole in gleichmäßigem Abstand zueinander auf der Spitze stehende gelbe Dreiecke mit grünem Rand aufgetragen. In den Lücken dazwischen erscheint jeweils ein schwarzes Sternchen. Man liest die ebenfalls schwarz geschriebenen Wörter: WAR STARTS
Welcher Krieg da beginnt oder angekündigt wird überlegen nun die Behörden und voraussichtlich auch der Staatsschutz, da man meint, die Gestaltung erinnere an die Bewegung „Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistan (Kadek), eine Nachfolgeorganisation der PKK.
Die nächste, bereits heute (Donnerstag 31.01.19) erfolgende Aktion seitens der HPA (Hamburg Port Authority) wird sein, den „Alten Schweden“ sandzustrahlen. Eine Generalreinigung wiederum hat zur Folge, dass damit auch jeglicher Goldrest verschwinden wird …
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©by Michèle Legrand, Januar 2019
Hamburg: Zwischen Altstadt und Neustadt (3) Althamburger Bürgerhäuser und ihr „brutaler“ Nachbar – Ein Streifzug durch die Deichstraße
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 23/09/2018
Nach herrlichem Altweibersommer mit vielen warmen Septembertagen ist gerade stürmisch-feuchter Herbst eingezogen. Ein entspannter virtueller – und vor allem trockener – neuer Hamburger Streifzug bietet sich daher an! Die Altstadt ruft zum inzwischen dritten Mal, und wenn Sie mögen, schließen Sie sich gerne wieder bei einem weiteren Erkundungsgang an.
Es wird Sie verwundern, doch dass es heute wieder etwas ausführlicher wird, liegt diesmal an der Bundeswehr. Hätte die Truppe nicht bei ihren Schießübungen den Schwelbrand im Moor bei Meppen ausgelöst und zunächst eine Woche alleine eine mögliche Lösung ausgebrütet, würde jetzt nicht ein Großteil Norddeutschlands – es zog am Freitagmorgen bis nach Hamburg und weiter hoch nach Schleswig-Holstein! – angeschmort riechen. Und ohne den Dauergeruch in der Nase, hätte ich den feurigen Part (Sie werden bald merken, worum es sich handelt) unserer heutigen Erkundungstour möglicherweise gar nicht erwähnt.
Es geht diesmal in die ganz in der Nähe des Binnenhafens gelegene, nur einen Katzensprung von der Spei-
cherstadt und dem Miniatur-Wunderland entfernte Deichstraße mit ihren Althamburger Bürgerhäusern. In deren unmittelbarer Nachbarschaft steht ein – im gewissen Sinne „brutaler“ – Nachbar, den ich Ihnen auch ein wenig vorstellen werde.
Wir nehmen – am Rande – eine Feier in der Deichstraße mit, das Fest am Fleett. Ich gedenke, mit Ihnen einen Blick auf den Anleger im Nikolaifleet zu werfen. Sowohl Fleet als auch Ponton befinden sich auf der Rückseite der Deichstraßenhäuser. Aus Anlass des Festes haben einige relativ kleine und flache, schon recht betagte Boote, u. a. eine Kastenschute, dort festgemacht. Alles Schiffe der Art, wie sie hier früher üblicherweise auf den Fleeten verkehrten, Waren transportierten und diese direkt am Haus anlieferten.
Eine kleine Zeitreise könnten wir auch einschieben.
Wie wäre es, zum heutigen Abschluss Gold zu schnuppern?
Auch das wird möglich sein, hat mit den Traditionsschiffen jedoch nichts zu tun. Neugierig? Sind Sie mit von der Partie? Dann lassen Sie uns starten.
Deichstraße
Die Deichstraße in Hamburgs Altstadt ist bei den Touristen als Ziel recht beliebt, doch nicht nur bei denen.
Die Ortsansässigen streben ebenfalls dorthin, wenn auch meist aus einem anderen Grund.
Während die Gäste aus der Ferne gern zunächst von außen alte, geschichtsträchtige Häuser ansehen möchten, zieht es die Einheimischen meist in diese hinein. Die Fassaden sind für sie ja nichts Neues, den Anblick kennen sie bereits.
In den prächtig restaurierten Gebäuden und in dieser schönen Lage direkt am Fleet haben sich zahlreiche Lokale, Cafés und Restaurants niedergelassen. Restaurants im alten Stil und mit teilweise langer Tradition, solche, die im Laufe der Jahrzehnte so einige Veränderungen in ihrer Umgebung selbst miterlebt haben.
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Hamburg – Altstadt – Deichstraße – Restaurants „Kartoffelkeller“ (Haus Nr. 21) und „Deichgraf“(Nr. 23)
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Eine bisschen Extraberühmtheit hat das alles durch eine Besonderheit erlangt: Hier in der Deichstraße ist das letzte erhaltene Ensemble althamburgischer Bürgerhäuser unterschiedlichen Stils zu finden. Ein ganzer Straßenzug, der einen Eindruck davon vermittelt, wie Hamburg in der Zeit zwischen dem 17. Jahrhundert und dem Großen Brand im Jahr 1842 aussah. Zusätzlich geschichtsträchtig ist der Ort dadurch, dass dieser ver-
heerende Brand damals genau in dieser Straße ausbrach!
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Überall sonst wurden die allmählich leider etwas heruntergekommenen Zeugen dieser Zeit nach und nach abgerissen, spätestens nach weiterer Beschädigung oder kompletter Zerstörung durch die Bombenangriffe im zweiten Weltkrieg. Die wohl letzten Überreste verschwanden im Zuge der nach Kriegsende einsetzenden Neubebauung sowie infolge der Einrichtung neuer Verkehrswege, für deren Verlauf die Planung häufig eine komplett neue Straßenführung vorsah.
In diesem Zusammenhang wurden damals mit dem vielen herumliegenden Geröll und Bauschutt gleich einige Fleete zugeschüttet. Sie erinnern Sie vielleicht, dass ich in vorherigen Teilen zu diesem Punkt schon einmal von Hamburger Straßen erzählte, deren aktuelle Namen durch das Anhängsel -fleet zwar noch „fleethaltig“ klingen, in denen Sie aber verdammt lange nach Wasser suchen können.
Die Deichstraße heißt nicht aus einer Laune heraus einfach nur so, die Häuser wurden tatsächlich auf einem Deich gebaut. In der frühen Neuzeit, einer Zeit, in der sich in Hamburg der Handel mächtig intensivierte, herrschte auf Stadtgebiet (innerhalb der Wallanlagen) bald enorme Platzknappheit. Gebäude entstanden – wie hier auch – nicht mehr nur auf der Landseite der Straße, sondern direkt auf den Grundstücken an den Fleeten. Da diese Wasserwege mit der Norderelbe in Verbindung stehen und ihr Wasserpegel von der Tide beeinflusst wird, hatte man dort bereits – zu jener Zeit waren es noch – Außendeiche errichtet, die nun bei Bebauung gleich einen höheren und sichereren Standort boten und davor schützten, dass einem während des Hochwassers die Fluten ins Haus liefen.
Was Sie bei einem Besuch vor Ort vielleicht auch für sich feststellen werden, ist, dass Sie, abhängig davon, zu welcher Jahreszeit oder bei welchem Wetter Sie der Deichstraße und dem Nikolaifleet dahinter einen Besuch abstatten, Sie entweder einen freundlichen, jedoch eher oberflächlichen Eindruck der Gesamtszenerie auf-
schnappen, oder aber sich erstaunlich echt in alte Zeiten zurückversetzt fühlen.
Im Sommer, wenn die Straßenbäume grün sind, die Lokale ihr Platzangebot auch vorne nach draußen auf die Trottoirs der Deichstraße, die größtenteils Fußgängerzone ist, ausgeweitet haben und die Menschenmassen sich drängen, bleibt meist das Empfinden: Ach ja, hübsch. Ganz nette Gegend.
Man blickt kurz hoch an den restaurierten Häuserfassaden, schaut in Schaufensterauslagen, aber der Hintermann sorgt schon dafür, dass man nicht ewig stehenbleibt. Während also das Laub der Bäume den Blick leicht bremst und ein wenig die Sicht aufs Ganze hemmt, lenkt gleichzeitig das Gewusel der Menschen ab. Und Sie sind dann leider auch nicht der Einzige, der die Idee hat, sich die Häuserzeile alternativ von der Fleetseite anzusehen.
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Hamburg – Altstadt – Deichstraße – Fest am Fleet, es ist viel los …
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Ein Tag im zeitigen Frühjahr, im Spätherbst oder sogar Winter, bei eventuell sogar unvorteilhaftem Wetter, wenn es kaum jemanden dorthin zieht, birgt den unschätzbaren Vorteil, dass sich versunken betrachten lässt und dass man die Gedanken schweifen lassen kann. Sich vorstellen kann, wie es damals aussah und zuging! Sie erkennen verblüfft, dass es ein ganz beträchtlicher Unterschied ist, ob Sie die Frontseite mit barocken, farben-
frohen Fassaden inkl. Beschriftung durch die Gastronomie bzw. Auslagen in den Läden betrachten, oder ob Sie sich die eher schlichten Rückfronten, teilweise mit altem Fachwerk, hinten ansehen.
Hätten Sie Lust auf eine kleine Zeitreise zurück ins – sagen wir – 19. Jahrhundert? Ich habe Ihnen dazu einzelne Ansichten in einer s/w-Version angefertigt und ergänze aktuelle Bilder vom September 2018 mit einigen Archiv-
fotos von Anfang und Ende 2017, um eine „kahlere“ Jahreszeit sowie Aufnahmen ohne Gerüstteile (wie sie momentan gerade auf der Cremon-Seite aufgebaut sind) zur Verfügung zu haben.
Wenn Sie auf der Hohen Brücke stehen, also vom Hafenbereich aus ins Nikolaifleet schauen und von dort die Häuserrückseiten mit ihrem Fachwerk betrachten, ist der Eindruck vergangener Zeiten fast perfekt.
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Hamburg – Altstadt – Blick von der Hohen Brücke am Hafen auf Nikolaifleet und die Rückfronten der Deichstraßenhäuser
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Die Bürgerhäuser stammen alle aus einer Zeit, in der es üblich war, Leben und Arbeit gleichzeitig in den recht engstehenden, mehrgeschossigen Fachwerkhäusern stattfinden zu lassen. Ein einziger Ort, an dem das Kontor eingerichtet und das Handwerk betrieben wurde, an dem bunt gemischt gelagert, aber auch mit vielköpfiger Familie gewohnt wurde. Dazwischen standen Waren, es liefen Maschinen, es wurde mit Feuer hantiert, das Wasser für die Produktion, aber auch für den Verzehr, wurde dem Fleet entnommen, Abwässer allesamt hineingeleitet. Entwässerung/Kanalisation, Hygiene … das waren noch Fremdwörter.
Die Straßen waren schmal und oft uneben, so dass sich Waren mit Karren oder dem Pferdewagen recht mühsam an- und abtransportieren ließen. Sie wurden stattdessen von Schuten und Ewern vom Hafen aus via Fleet an die Rückfronten der Gebäude gebracht. Sie können auch heute noch erkennen, dass die Häuser Ladeluken besitzen. Mittels Flaschenzug wurde sämtliche Ladung zu den weiter oben im Haus befindlichen Speichern befördert.
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Drüben auf der anderen Fleetseite liegt der Cremon. In dieser Straße (früher war Cremon eine ganze Marschinsel!), gibt es eine erhaltene Speichergruppe in den Außendeichshäusern Cremon 33 bis 36.
Der Rest der ursprünglichen Bebauung wurde leider im Krieg zerstört.
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Zwischen einigen Häusern der Deichstraße verlaufen sehr schmale Wege, die an das Fleet hinunterführen. Von jeher der Zugang von der Straße zum Wasser – und zwar nicht nur für die Bewohner der Häuser auf dem Deich, sondern auch für die auf der gegenüberliegenden Seite der Straße Wohnenden.
Sie als Besucher können diese Gänge heute nutzen, um auf den vor einigen Jahren installierten Ponton im Nikolaifleet zu gelangen.
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Hamburg – Altstadt – Ein weiterer Verbindungsgang – Dieser hier führt zwischen den Häusern vom Ponton im Nikolaifleet zur Deichstraße
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Wenn Sie von der anderen Seite, von der Holzbrücke aus, Richtung Hafen in das Fleet schauen, wirkt es ähnlich historisch …
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… bis Ihr Blick zu weit vorprescht und er die noch – nun, ja – nicht ganz so alte Elbphilharmonie erfasst.
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Hamburg – Nikolaifleet – Der Anblick von eben, nur ein wenig farbiger und mit der Elbphilharmonie ganz am Ende …
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Wie wohl ein Mensch des 17., 18. und selbst des frühen 19. Jahrhunderts, vertraut mit einem komplett anderen Baustil, beim Anblick hypermoderner Bauten unserer Zeit reagieren würde? Selbst die von uns schon als alt empfundene Speicherstadt mit ihren roten Backsteingebäuden kannte er nicht. Sie wurde erst später in den Jahren zwischen 1883 und 1927 errichtet …
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Beamen wir uns beim Blick auf alte Gemäuer und Fachwerk gedanklich zurück ins Jahr 1842.
Es ist Frühjahr, der Monat Mai hat eben begonnen. Himmelfahrt steht vor der Tür. Am festen Anleger an der Holzbrücke rüstet sich gerade der Kapitän eines Ewers zum Ablegen. Er fährt ein Segelschiff kleineren Typs mit einem Flachkiel, d. h. es hat geringen Tiefgang und kommt mit der nicht so üppigen Wasserhöhe im Fleet aus. Jedenfalls bei Hochwasser …
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Dass der Anleger seit langem ein Schattendasein führt und keiner mehr hier anlegt, erkennen Sie leicht am Wildwuchs … Auf der anderen Seite der Holzbrücke befindet sich heutzutage der Dauerliegeplatz des „Theaterschiffs“.
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Für den Ewer unseres Kapitäns ist nicht nur die Tauglichkeit in Bezug auf zur Verfügung stehende Wasser-
stände wichtig. Um überhaupt von Elbe und Hafen ins Fleet zu gelangen, sollte auch die Höhe stimmen, denn das Schiff muss unter den niedrigen Brücken hindurchpassen. Für unseren Ewerführer heißt das, er muss jedes Mal den Mast einklappen, sonst wird das nichts.
Auch heute haben die Rundfahrten anbietenden Hafenbarkassen – so flach sie sind – darauf zu achten, dass sie zwischen Ebbe und Flut nur während eines kleinen Zeitfensters Zugang zu den Fleeten haben. Außerhalb dieser Zeit reicht entweder die Durchfahrtshöhe kaum noch aus, oder aber sie sitzen auf dem Trockenen.
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Im Mai 1842 herrscht reger Betrieb. Schuten drängeln sich aneinander vorbei. Entweder von Hand mit Peekhaken fortbewegt oder aber per Barkasse geschleppt. Sie haben Waren geladen, die per Seeschiff nach Hamburg kamen und nun auf dem Weg zum Kunden ins Lager oder in seinen Betrieb sind. Oder sie bringen umgekehrt Ladungen zu in Kürze aus Hamburg auslaufenden Schiffen. Werkmaterialien, Verbrauchsgüter, Lebensmittel, es gibt kaum etwas, was nicht gehandelt oder verarbeitet wird.
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Ins Haus Nr. 27 wird Gemüse geliefert. Dort ist der Bardowicker Speicher. Die Gemüsebauern aus dem gleichnamigen Ort nahe Lüneburg lagern hier ihre Waren ein. Eine andere Schute transportiert importierten Tabak. Später im Jahr werden auch wieder etliche Hopfenladungen für die Brauerei Gröninger bei den Lieferungen dabei sein …
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Feuer! Der Große Brand
Wie bei uns der Sommer 2018, ist das Frühjahr 1842 extrem trocken. Seit Wochen hat es nicht geregnet. Es hält hier am Fleet jedoch niemanden von seiner Arbeit ab. Strom gibt es noch nicht. Man arbeitet mit Feuer, zur Beleuchtung dienen Kerzen.
Die Lager sind proppevoll, Entzündliches steht offen herum, weitere heikle, weil leicht brennbare Sachen, befinden sich gleich daneben. Brandschutzmauern zwischen den Häusern – wie damals schon in Lübeck – gibt es in Hamburg noch nicht.
Am 5. Mai, die Nacht ist noch gar nicht so weit fortgeschritten, ertönt Alarm. Nachtwächter haben bemerkt, dass im Haus Nr. 42 (hin und wieder auch die Nr. 44 genannt) bei einem Tabakhändler Feuer ausgebrochen ist. Die genaue Brandursache wird sich nie herausstellen …
Das betroffene Haus liegt an dem Ende der Deichstraße, das zum Hafen zeigt, jedoch auf der fleetabgewandten Seite der Straße. Ungefähr gegenüber vom Alt Hamburger Aalspeicher.
Haus Nr. 25 wiederum, welches den Schriftzug „Zum Brandanfang“ trägt, zeigt, wo das Feuer auf die Häuser der Ostseite der Straße übersprang.
Es werden Signalschüsse abgegeben, um die Feuerwehr herbeizurufen. Die Sturmglocken läuten. Die Flammen breiten sich sagenhaft schnell aus. Nebenan lagern hochbrennbarer Schnaps genauso wie Gummi und Lacke. Die Gebäude selbst geben durch ihren hohen Holzanteil ideales Brennmaterial ab. Schon fliegende Funken reichen nach der Trockenheit aus, immerzu Neues in Brand zu setzen. Die Flammen lodern wild, dunkle Rauchwolken steigen hoch und weithin sichtbar auf. Kleine Explosionen ertönen, es entwickeln sich Dämpfe, verbranntes Gummi stinkt zum Himmel …
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Auch wenn auf obigem Foto der Himmel hell ist, können Sie sich vorstellen, wie es damals hier qualmte, wie der Altstadtteil schwarz verhangen war, die Flammen sich gierig durchfraßen, die Hitzeentwicklung unerträglich wurde …?
Alles brennt wie Zunder, unaufhörlich. Die vom Feuer betroffenen Gebiete weiten sich immer weiter aus. Der Große Brand zieht durch die Altstadt Richtung Neustadt, und trotz Großeinsatz aller Kräfte, gibt es so gut wie keine Chance, dem Vorankommen Einhalt zu bieten.
Selbst die Sprengung des altes Rathauses an der Trostbrücke und weiterer Gebäude, die in der Hoffnung erfolgt, eine Art Schneise zu schlagen, die Flammen damit aufzuhalten und alles unter Kontrolle zu bekommen, nützt nicht …
Die Flammen dringen letztendlich bis zu den Wallanlagen vor. In der Neustadt und hier in der Straße, die deshalb heute noch den Namen „Brandsende“ trägt, bekommt man das Feuer endlich – drei, fast vier Tage nach Ausbruch – am 8. Mai 1842 in den Griff.
Von den etwa 120.000 Einwohnern, die Hamburg zu dieser Zeit hat, verlieren 20.000 Menschen ihre Wohnung, zahlreiche sterben, noch mehr werden verletzt. 100 Speicher mit Waren fallen ebenfalls dem Brand zum Opfer.
Sie und ich wissen, wie heute ein Feuerwehrgroßeinsatz aussieht, doch wie lief es damals ab? Was stand überhaupt zur Brandbekämpfung zur Verfügung?
Eine begrenzte Anzahl an Feuerwehrleuten, Leiterwagen, von Pferden gezogene Karren, Spritzenwagen, dazu Handspritzen und die Möglichkeit des zusätzlichen Einsatzes vom Fleet aus …
Seinerzeit hatte Hamburg 1 150 Feuerwehrleute, die man „Wittkittel“ nannte, da sie weiße Kleidung aus Leinen trugen. Weiße Kleidung? Eigenartig, oder? Noch trugen sie sie, muss man dazu sagen, denn inzwischen war natürlich jedem klar geworden, dass Weiß als Farbe beim Kontakt mit Ruß und Asche alles andere als ideal war. Es gab daher bereits die ersten blauen Uniformen, nur die große Mehrheit trug tatsächlich immer noch den Schutz aus hellem Material.
Unsere Feuerwehr heute hat eine ausgefeilte Ganzkörpermontur. Einen Helm mit Sichtschutz. Dazu wird – abhängig vom Einsatz – unter schwerem Atemschutz gearbeitet. Und die „Wittkittel“ 1842 während des Großen Brands?
Als Feuerwehrmann hatte man lange Zeit zum Schutz des Kopfes Filzhüte aufgehabt, ging jedoch seit 1820 langsam zum Tragen eines Lederhelms über. Der wurde aus den Abfällen der Lederschläuche gefertigt. Sie müssen sich das einmal vorstellen: Im 16. Jahrhundert wurde der Schlauch erfunden und war aus Leder genäht, wurde später genietet! Mitte des 18. Jahrhunderts kamen die Hanfschläuche auf, die aber auch erst ein Jahr-
hundert später vernünftig genutzt werden konnten, als man sie nämlich – und das war so um die Zeit des Großen Brands herum – mit einer Gummieinlage versah. Und nun also Lederschlauchreste zur Fabrikation von Schutzhelmen …
Nicht leicht, mit den vorhandenen Mitteln und dem eher kümmerlichen Schutz des eigenen Lebens ein Feuer dieser Größenordnung zu bewältigen. Es kam immerhin noch Verstärkung von außerhalb hinzu. Feuerwehr-
männer aus Lübeck, aus Kiel …
Manche Anwohner der Häuser am Wasser, die beim Brand um ihr Hab und Gut bangten, entschlossen sich, einen Teil der Waren oder Haushaltsgegenstände einfach ins Fleet zu werfen mit dem Plan, das Versenkte später wieder herauszuholen.
Es gab auch Situationen, in denen die Eigner aus Vernunft beschlossen, speziell im Fall von kritischen Stoffen, die eh nicht mehr zu retten waren, diese ins Fleet zu werfen, damit sie nicht als weiteres Brennmaterial für das gierige Feuer dienten. Dieses lobenswerte Vorhaben ging in einem Fall ein wenig nach hinten los …
Es gab einen ansässigen Herrn, der genau aus diesem Grund seine 350 Fässer mit Arrak (Schnaps) ins Fleet auskippte. Es herrschte allerdings gerade Ebbe. Das Zeug floss nicht ab. Die Feuerwehr wiederum versuchte unverdrossen, aus dem Fleet Spritzwasser zum Löschen zu pumpen.
Sie können sich das Resultat denken: Man spritzte über lange Zeit anstelle von Wasser den hochprozentigen Schnaps in die Flammen. Kräftiger Wind aus Südwest blies und trieb das frisch angeheizte Feuer weiter Richtung Stadtmitte.
Nach dem Großen Brand
Und nachdem das Feuer endlich erloschen war – lag anschließend alles ewig in Schutt und Asche? Blickte man auch noch nach Jahren auf Brandruinen?
Nein, im Gegenteil. Nach Ende des Brandes starteten sofort die Aufräumarbeiten, und es begann der Wieder-
aufbau von zerstörten Gebäuden bzw. die Wiederherrichtung beschädigter Häuser. Es gab Spenden aus dem In- und sogar aus dem Ausland! Ein regelrechter Bauboom wurde ausgelöst. Auch die Häuser hier in der Deichstraße wurden schnellstens wieder hochgezogen, obwohl wirklich kaum mehr als einige Grundmauern übriggeblieben waren.
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Hamburg – Altstadt – Deichstraße Nr. 19
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Wenn der Große Brand irgendetwas Gutes gehabt hat, dann ist es die Tatsache, dass man sich nach dem verheerenden Feuer Gedanken machte, wie man so etwas in Zukunft vermeiden konnte, aber auch darüber,
wie sich die Feuerbekämpfung verbessern ließe.
Sie haben bestimmt von dem englischen Ingenieur William Lindley gehört. Er entwarf damals u. a. eine zentrale Wasserversorgung für Hamburg, was letztendlich auch Löscheinsätze einfacher gestaltete. Und man gründete 30 Jahre nach dem Brand eine Berufsfeuerwehr.
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Ganz wichtig war jedoch auch, dass sich die Menschen – obwohl sich die eigentliche, die genaue Brandursache nie ausmachen ließ – klarmachten, dass Umstände wie enorme Enge, fehlende Brandschutzmauern und besonders das Leben und gleichzeitige Arbeiten mit gefährlichen und leichtentzündlichen Materialen an einem Ort, zu den Hauptrisikofaktoren für einen Feuerausbruch zählten. Abgesehen davon, dass es prinzipiell Leben gefährdete.
Der Große Brand löste ein Umdenken aus mit der Folge, dass sich danach eine strikte Trennung von Arbeitsstätte und Heim durchsetzte. Die Menschen zogen nach außerhalb, der Arbeitsplatz blieb aufgrund der günstigeren Lage am bisherigen Ort.
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Hamburg – Altstadt – Haus der Seefahrt – Ecke Deichstraße/Hohe Brücke – 1910 neu errichtetes Kontorhaus
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Kontorhäuser (s. Hinweis am Ende des Beitrags) entstanden, die ganz anders gestaltet und eingerichtet wurden. Holz als Baumaterial war auf dem Rückmarsch, die Gebäude entstanden aus Sandstein oder Backsteinen, Treppen aus Stein und Marmor. Der Einsatz von Metall verstärkte sich, und aus Brandschutz-
gründen stand in den Foyers und Treppenhäusern von da an nichts Brennbares mehr herum, was einem Feuer als Nahrung dienen konnte.
Nach einzelnen Häusern in der Neustadt zum Ende des 19. Jahrhunderts, entstand zum Beginn des 20. Jahrhunderts in der Altstadt nach und nach ein ganzes Kontorhausviertel!
So viel, was damals durchs Feuer zerstört wurde … – und doch auch so viel, was aus Ruinen wieder zum Leben erweckt wurde! Schön, dass nach alledem das Ensemble der althamburgischen Bürgerhäuser in der Deichstraße – welchem, ganz ohne weiteres Feuer, aber bedingt durch Alter und Kriegsschäden, der Abriss drohte – durch einen Volksentscheid 1972 und die Spendenaktion „Rettet die Deichstraße“ nicht nur erhalten, sondern auch restauriert werden konnte.
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Die Häuser stehen heute alle unter Denkmalschutz und sind nicht nur von außen, sondern auch von innen sehr sehenswert. Wenn Sie einmal schick essen gehen möchten, schauen Sie in den Alt Hamburger Aalspeicher, den „Deichgraf“ oder eines der anderen Restaurants.
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Das „Kontor“ ist beliebt, im „Kartoffelkeller“ gibt es leckere Gerichte, und wer eher auf Crêpes und Galettes Appetit hat, der ist im „Ti Breizh“, einer bretonischen Crêperie genau richtig.
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Im Haus Nr. 37, dem „Alt Hamburgischen Bürgerhaus“ kann man heute noch eine authentische, zwei-
geschossige Diele aus dem Barock vorfinden, dazu besonderes und wertvolles Mobiliar, das aus während des Kriegs zerstörten Bürgerhäusern stammt.
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So geschichtsträchtig, so alt, so farbenfroh und lebhaft, ja, so homogen sich das Leben im weitaus größten Teil der Deichstraße präsentiert, ich muss Ihnen zum Schluss unbedingt noch den „brutalen“ Nachbarn zeigen. Aus Anlass des Fests am Fleet und da obendrein Tag des offenen Denkmals war, bestand die Chance, sich ein weiteres denkmalgeschütztes, jedoch völlig anderes Gebäude anzusehen, das sonst nur Geschäftsleute und -kunden oder Angestellte betreten.
Es geht um diesen Bau ….
Deutsche Bundesbank – Zentrale Hamburg
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Hamburg – Altstadt – Zentrale Hamburg der Deutschen Bundesbank – Ecke Deichstraße/Willy-Brandt-Straße
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Darf ich vorstellen, dies ist die Hamburger Zentrale der Deutschen Bundesbank, die ihren Sitz in einem Betonbau an der Ecke Deichstraße/Willy-Brandt-Straße hat. Fünf Jahre wurde daran gebaut, 1981 wurde er bezogen.
Ein ziemlicher Gegensatz zu den eben kennengelernten Bürgerhäusern. Abgesehen davon, dass man die Ansicht eines derartigen Gebäudes durchaus als etwas brutal bezeichnen kann, gibt es jedoch erstaun-
licherweise in der Architektur tatsächlich den Fachbegriff Brutalismus.
Es ist ein Stil der Moderne, der sich – in unserem Fall – auf die Zeit zwischen 1960 und dem Beginn der
1980er Jahre bezieht. Es geht dabei um die Verwendung von Sichtbeton, eine betonte Konstruktion sowie
eine sogenannte skulpturale Ausarbeitung und Gliederung der Gebäude.
So weit, so gut. Aber wieso „brutal“…?
Die Sprache der Franzosen hilft uns weiter. Bei ihnen heißt roher Beton „béton brut“. Wer sich ein wenig genauer mit diesem französischen Wort auseinandersetzt, weiß natürlich, dass brut eben nicht nur roh, sondern auch grob, rau und herb, ja sogar ehrlich bedeutet. Es geht irgendwie um eine Art von kraftvoller Kunst, durchaus auch in Kombination mit Stahl und Glas, und oft findet sich streng Geometrisches.
Man kann natürlich wie immer über Schönheit streiten, doch etwas Gutes dabei gedacht hat sich der Architekt schon bei seinem speziellen Entwurf. Dass der Baustil insgesamt später ganz offiziell in Verruf geriet, liegt auch daran, dass unverputzte Betonbauwerke nach einer Weile etwas ungepflegt ausstehen. Sie nehmen Schmutz sehr leicht an, es wachsen Algen darauf, und der Baustoff ist vor Zerfall eben auch nicht gefeit.
Hier bei der Bundesbank, wirkt es durch das relativ dunkle Material relativ „ordentlich“, und wie Sie sehen, versucht man im Sommer, mit den Geranien zusätzlich ein bisschen Farbe und Leben hineinzubringen …
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Hier haben wir im Grunde das umgekehrte Phänomen: Habe ich Ihnen vorhin geraten, die Deichstraßen-Häuser bei schlechterem Wetter und laublosen Bäumen zu betrachten, so kann ich Ihnen hier nur empfehlen, den Bundesbank-Bau bei Sonnenschein und mit Grün drumherum zu betrachten. Ich war schon häufiger dort, und es ist bei Kahlheit und Regenwetter einfach ein lebloser Klotz. Wenn Sie unten davor stehen, sehen Sie nur Grau und es zieht wie Hechtsuppe.
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Bei schönem Wetter hingegen, fallen die doch unterschiedlichen Materialien auf, alles wirkt wärmer, das Klotzhafte schwindet, neue Formen fallen auf, alles wirkt gefälliger.
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Wer aus der Distanz einen längeren Blick riskiert, entdeckt, dass sich die Außenfassade in versetzten Stufen anordert. Horizontal gliedert sich das Ganze in neun terrassenförmig angeordnete Ebenen. Es gibt dort nicht nur Beton. Es wurden farblich zum an den vertikalen, fensterlosen Bauteilen verwendeten Granit passende Aluminiumplatten an den Putzbalkonen zu deren Verkleidung verwendet. (Was mich jetzt wieder im Zusammen-
hang mit dem Begriff Brutalismus verwundert, denn dort heißt es eigentlich, es wird nichts verkleidet und verputzt.) Sobald Sie drinnen sind, finden Sie dieses Material von außen wieder, nur etwas aufwendiger bearbeitet, nämlich mit Feinschliff und hochglanzpoliert.
Der Grundriss der Bundesbank ähnelt einem gleichseitigen Dreieck und auch diese Form wird wieder im Innenraum aufgegriffen und betont.
Wenn die Bank ein nächstes Mal einlädt, schauen Sie sich den „brutalen“ Kasten ruhig einmal an. Es gibt nämlich interessante Haus- und Kunstführungen, die doch ein bisschen mehr Einblick erlauben.
Wer Gemälde mag, den zieht es vielleicht ins dritte Obergeschoss. Im weiträumigen Foyer hängen Werke von Emil Nolde („Schiff im Hafen“, „Schiff im Dock“), Rolf Nesch (der sich von Edvard Munchs Holzschnitten inspirieren ließ) oder auch Eduard Bargheer („Wattlandschaft“, „Città morta“, „Ankunft der Harmonie“).
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Im Außenbereich findet sich ebenfalls Kunst. Kunst am Bau in Form von Bronzeplastiken des Bildhauers Georg Engst („Knoten“ (1984) und „Haken, Ösen, Knoten und Schlingen“).
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Und werfen Sie unbedingt einen Blick auf die links vom Haupteingang an der Ecke Deichstraße/Steintwiete installierte und durch denselben Künstler entstandene Brunnenanlage von 1981!
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Sie hat fünf große, bronzene Pumpenzylinder und dazu fünf kleinere gläserne Wassertöpfe gleichen Durchmessers, die versetzt angeordnet sind. Das Wasser wird hydraulisch durch Schaumdüsen in Plexiglaszylinder gepumpt.
Alles ist ständig in Bewegung, da durch den Rückfluss in ein unterirdisch angelegtes Wasserbassin ein geschlossener Wasserkreislauf besteht.
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Genug für heute. Ausreichend Denkmalgeschütztes kennengelernt. Feuerthematisch sind wir ebenfalls durch.
Ich hatte Ihnen allerdings zu Beginn Gold schnuppern versprochen. Das machen wir noch.
Die Bundesbank hatte einen Goldbarren ausgestellt. Ziemlicher Andrang, lange Schlange im Gang vor dem Raum, in dem sich das kostbare Edelmetall im Wert von ca. 450.000 Euro befand. Drei Polizisten, in diesem Gang postiert, sicherten zusätzlich. Passten auf, dass keiner auf die Idee kam, das Ding zu klauen und damit wegzurennen.
Wegrennen? Aus dem 5. Stock und durch enge Gänge? Via Fahrstuhl oder Treppenhaus und das alles mit einem 12,5 kg schweren Metallriegel vor dem Bauch und Bediensteten, die einen abfangen würden?
Nun ja, er wurde nicht geklaut. Aber schauen Sie, wie verlockend er blitzt und blinkt …
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Das hier blinkt deutlich weniger, stellte jedoch pro Doppelpack einmal den Gegenwert von 50.000 Euro dar. Vor dem Schreddern wohlgemerkt, als es noch komplette Banknoten waren. Die Päckchen waren merklich leichter als der Barren mit einem Feingoldgehalt von mindestens 995/1000 Einheiten – und durften im Gegensatz zu diesem sogar mitgenommen werden.
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Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende, freue mich, wenn ich Sie hier irgendwann wieder lesend vorfinde und hoffe sehr, die Schredderei am Ende war für Sie jetzt kein „adieu brut“.
Vielleicht schiebe ich doch lieber noch zwei versöhnliche Aufnahmen hinterher … ^^
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Bis zum nächsten Mal!
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Wer die vorherigen Teile zur Altstadt-Serie noch nicht kennt, findet nachstehend die Links zu den ersten beiden Streifzügen:
Zwischen Altstadt und Neustadt, Teil 1
Zwischen Altstadt und Neustadt, Teil 2
In einem weiteren Beitrag geht es u. a. um Fleete und das Bierbrauen:
Hamburg: Fleete, Bier und die Mahnung an der Tür
Die Beiträge zum Thema Kontorhäuser finden Sie unter der entsprechenden Rubrik (Kategorie) rechts auf der Startseite des Blogs.
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©by Michèle Legrand, September 2018
Hamburg: Leichter Eisgang auf der Elbe / Frostige Zeiten im Museumshafen Oevelgönne und am Anleger Neumühlen
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 18/03/2018
Heute geht es an die Elbe. Bei frostigen Temperaturen. Ein bisschen schauen, ein bisschen entdecken. Und den Winterspaziergang schnell beenden, sobald das Bibbern ein erträgliches Maß übersteigt.
Zuckerbrot und Peitsche. Draußen. Haben Sie es gemerkt? An dieses Prinzip scheint sich sogar das Wetter zu halten. Schickt erst ein schmeichelnd-laues Frühlingslüftchen, nur um kurz danach – zwusssch! (das war der Peitschenknall) – mit neuem Frost aufzuwarten.
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Ganz so unpassend ist diese Winterrückkehr gar nicht für das, was ich Ihnen heute gerne noch mit etwas Verzögerung zeigen würde. Am Monatsbeginn, als ein Hochdruckgebiet aus dem Osten eisige Kälte mit starkem Nachtfrost und sogar Tagesminusgraden bescherte, hatte sich auf der Elbe Eis gebildet. Eine moderate Schicht.
Das waren noch keine Schollen, wie wir sie vom Februar 2012 kennen, als der Fluss von Sachsen bis Hamburg für den Schiffsverkehr gesperrt werden musste und von Hamburg bis zur Mündung in die Nordsee bei Cuxhaven erhebliche Behinderungen für ein- und auslaufende Schiffe entstanden. Eisbrecher kamen damals zum Einsatz, damit Schifffahrt und Hafenbetrieb überhaupt weiterlaufen konnten.
Auf der Außenalster hingegen, dem großen See, verabschieden sich die Alsterschiffe regelmäßig in die Winterpause. So lässt man das Eis ungestört „wachsen“, bis seine Stärke irgendwann als so sicher gilt, dass
die Behörden den Hamburgern das Betreten der Eisfläche offiziell freigeben. Es geschieht nicht sehr häufig.
Diesmal setzte zu schnell Tauwetter ein. Nichts mit großem Volksfest auf dem Eis …
Eis auf der Elbe
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Vor gut zwei Wochen bildete sich auf der Elbe bei klirrender Kälte ruckzuck Eis. Obenauf. Dünn. Wir sind hier ja nicht am Nordpol.
Das Weiß verändert etwas für das menschliche Auge. Die helle Lage Eis verbindet auf den ersten Blick alles zu einer einzigen großen Fläche, geht zum Teil sogar nahtlos in die Uferlandschaft über. Entfernungen scheinen zu wachsen, der Fluss wirkt breiter, gleichzeitig ruhiger.
Beim Näherkommen zeigte sich, dass die Oberfläche überhaupt nicht komplett verschlossen war. Ein Meer aus unzähligen Eisstücken – dicht an dicht – dümpelte vor sich hin, denn all die großen Frachter, Container- und Kreuzfahrtschiffe, die Hamburg anlaufen, brechen dünnere Eislagen mit links auf. Sie gleiten einfach hindurch. Was zurückbleibt, sieht aus wie ein riesiger Scherbenteppich, der nur hin und wieder ein paar Lücken aufweist. Dort, wo robuste Schiffsrümpfe die Eisschicht in recht kurzen Abständen durchpflügen, wird aus einst groß-
formatigen Eisplatten im Nu Scherbengebrösel.
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Die Einwirkung der Gezeiten ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Das Wasser der Elbe ist durch den ständigen Wechsel von Ebbe und Flut laufend in Bewegung. Ehe hier alles ins Stocken gerät und sich – u. a. nach dem Einsatz von Eisbrechern – Eisschollen lokal zu richtigen Wällen aufschichten, das dauert.
Andererseits, durchgängige, ebene Eisflächen – glatt und unschuldig, zum Schlittschuhlaufen geeignet – werden Sie genauso wenig antreffen. Was nicht weiter tragisch ist, denn die Elbe hier ist sozusagen ver-
gleichbar mit einer vielbefahrenen Verkehrsstraße. Sie dürften im Hafen zwischen einem Kreuzfahrer wie der „Queen Mary 2“, einem 400 m langen Riesencontainerschiff wie der in dieser Woche eingelaufenen „CMA CGM Antoine de Saint Exupéry“ und mittenmang all der Hafenfähren und -barkassen sowieso nicht auf Schlittschuhkufen ihre Bahnen ziehen.
Da kürzlich kein moderner Eisbrecher in Sicht war … Möchten Sie stattdessen einen Eisbrecher der alten Zunft sehen?
Dampfeisbrecher „Stettin“
Das hier ist die „Stettin“ ein fahrbereiter, see- und funktionstüchtiger Dampfeisbrecher, der seinen Liegeplatz an der Elbe beim Kühlhaus am Anleger Neumühlen hat.
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Der Eisbrecher wurde 1933 als bis dahin größter seiner Art in Dienst gestellt. Kohlebefeuert! Da wurde einiges verheizt! Der Dampf für die große Dampfmaschine wurde in zwei überdimensionalen Kesseln erzeugt, was wiederum das Verfeuern von 1,5 Tonnen Kohle nötig machte. Stündlich! (Kaum vorstellbar.)
Nun werden Sie sich vielleicht fragen, warum nahmen die denn nicht gleich einen weniger arbeitsintensiv einsetzbaren Dieselmotor, der damals auch schon bekannt war? Ganz einfach: Die Umsteuerung der Maschine von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt ging mit Dampfantrieb sagenhaft schnell! Innerhalb von drei Sekunden war die Aktion erledigt. Im Einsatz im Eis ein Riesenvorteil!
Fast 50 Jahre tat die „Stettin“ ihren Dienst. Aus ihrer ursprünglichen Heimat (Stettin) ging es später zu Einsätzen auf die Unterelbe, den Nord-Ostsee-Kanal oder auch zur Kieler Förde. 1981 drohte ihr die Verschrottung, doch ein Förderverein mit ehrenamtlichen Unterstützern gründete sich und verhinderte das scheinbar Unvermeidliche. 1982 wurde der Eisbrecher technisches Kulturdenkmal. Enorm viel Arbeit (und auch Geld) steckt in dem alten Schiff. Heute unternimmt man mit der „Stettin“ in den Sommermonaten Gästefahrten, die die Kasse etwas auffüllen.
Leider ereignete sich im letzten August während der Hanse Sail 2017 in Rostock eine Kollision zwischen der finnischen Frachtfähre „Finnsky“ und der „Stettin“, die für die „Stettin“ einen ca. zwei Meter langer Riss am Rumpf zur Folge hatte. Zum Glück ließ sich die Situation in Rostock durch Verschweißen einer Stahlplatte so weit retten, dass der Eisbrecher es aus eigener Kraft heim nach Hamburg schaffte und hier endgültig repariert werden konnte. Aufatmen für den Verein, denn zum einen hatte man schließlich auch in Rostock zahlende Gäste an Bord, die zurückgebracht werden wollten, zum anderen sind generell nicht derart große finanzielle Reserven verfügbar, um mal eben einen außerplanmäßigen Werftaufenthalt zu bezahlen …
Wenn Sie den Eisbrecher unter Dampf erleben wollen, dann kommen Sie doch während des Hafengeburtstags Anfang Mai nach Hamburg; er nimmt regelmäßig an den Ein- und Auslaufparaden teil, und oft sind Gäste mit auf Fahrt. (Bei Interesse immer frühzeitig Kontakt aufnehmen!)
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Eh. Union-Kühlhaus / Seniorenresidenz Augustinum
Wir befinden uns heute etwas westlich (elbabwärts) von Altona am Anleger Neumühlen, eine Bezeichnung, die – streng genommen – falsch ist. Neumühlen gehört nämlich zum Stadtteil Ottensen. Der Anleger Neumühlen liegt aber bereits auf dem zu Othmarschen gehörenden Gebiet „Oevelgönne“. Wir werden uns durch diese kleine Ungereimtheit jedoch nicht irritieren lassen.
Auf dem Bild oben können Sie im Hintergrund ein großes, rötliches Gebäude erkennen. Kastenförmig. Gar
nicht zu übersehen. Es ist das frühere Union-Kühlhaus, in dem sich seit 1993 eine Seniorenresidenz, das Augustinum, befindet.
Das Kühlhaus war ein eigenartiges, ein spezielles Gebäude. Hatte ganz unterschiedliche Etagenhöhen, spezielle Fensterfronten, waagerecht umlaufende Betonbänder an den Außenwänden. Eine etwas bunker-
ähnliche Erscheinung. Die Gesamthöhe kam mit dem krummen Maß von 38,36 m daher. Ganz oben befand sich eine expressionistisch anmutende Krone.
Mitte der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts errichtet, war es dafür vorgesehen, Fische kühl zu halten. Als man in den Siebzigern immer mehr dazu überging, die Fische gleich an Bord der Schiffe einzufrieren, wurde es überflüssig. Der Umstand, dass es da bereits als Industriedenkmal galt, legte seine bauliche Erhaltung fest. Aber wie weiter nutzen? Umnutzungspläne wurden geprüft, die Augustinum-Gruppe erhielt schließlich den Zuschlag. Nur mit dem Umbau lief es absolut nicht wie gedacht, da das Baugutachten desaströs ausfiel. Substanzielle Schäden. Keine Tragfähigkeit etc. Ein neuer Beschluss fiel, den Abriss und Neuaufbau unter Auflagen zu gestatten. Schwupps, gesellte sich in dieser Zeit ein schwerer Brand mit üblen Schäden hinzu. Die Konsequenz daraus: Alles wurde neu errichtet – musste aber so aussehen wie vorher.
Falls Sie sich also wundern, dass die nicht ganz billige Senioren-Residenz in 1a-Lage an der Elbe so gar keine Balkone oder Loggien hat – es war nicht erlaubt. Das Kühlhaus hatte schließlich auch keine.
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Als das Augustinum seine Residenz eröffnete und sich – um es mal so auszudrücken – eher wohlhabende Menschen dort ein Apartment leisten konnten, kursierte einige Zeit ein spezieller Begriff für das ehemalige Kühlhaus: Klunkerbunker.
Sie können sich bezüglich erforderlicher Solvenz vielleicht selbst ein Urteil bilden. Ich habe nachgelesen, in welchem Rahmen sich die Preise bewegen. Es heißt, für rund 2.200,– Euro ist das kleinste 1-Zi.-Apartment beziehbar. Die größeren 2- und 3-Zimmer-Wohnungen kosten dann schnell zwischen 3.500,– und knapp 5.000,– Euro.
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Sie haben zugegebenermaßen einen wunderbaren Ausblick auf die Elbe und sind direkt am Museumshafen Oevelgönne, am Elbstrand, am Spazierweg und am Anleger! Sie könnten spontan eine Spritztour auf der Elbe unternehmen!
Anleger Neumühlen
Hier halten die HADAG-Fähren der Linie 62. Die Boote bringen Sie entweder flussabwärts hinüber auf die andere Elbseite nach Finkenwerder, oder aber zurück Richtung Stadt. In dem Fall geht es ab Neumühlen flussaufwärts über das Dockland und den Altonaer Fischmarkt direkt bis an die Landungsbrücken.
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Die Pendler aus der Stadt, die drüben bei Airbus auf Finkenwerder arbeiten, nutzen für die Elbquerung gern diese Fähre. Anwohner natürlich auch. Überhaupt Bewohner auf Niedersachsenseite, die ohne Stau im Elbtunnel oder auf den Elbbrücken schnell über den Fluss kommen wollen und auf ihr Auto in Hamburg verzichten können.
Und die Touristen! Die mögen die Fähre, weil der Fahrpreis bereits im HVV-Ticket mit enthalten ist. Die Fahrt
mit der Linie 62 stellt sozusagen die Alternative zur extra kostenden Hafenrundfahrt mit der Barkasse dar. Gelegentlich herrscht ordentlich Andrang an Bord. So sehr, dass die Pendler in der Vergangenheit Probleme bekamen, einen Platz zu finden und allmählich zu murren begannen …
Schauen Sie, die Eisentwicklung auf der Elbe stellt noch kein Hindernis für den Fährbetrieb dar. Die Boote fahren regelmäßig und ohne Schwierigkeiten.
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Ein schöner Gedanke, hier im Frühling am Anleger auf der Bank zu sitzen und aufs Wasser zu schauen. Oder mit einer Decke am Strand zu liegen und die Schiffe vorbeiziehen zu lassen … Gut, ja, im Moment ist es noch ein wenig zu kalt ….
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Winter in Hamburg – Oevelgönne/Elbe – Auflaufendes Wasser lässt bald alle Schollen wieder schwimmen …
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Man könnte jedoch schon einen Kaffee in einem der Oevelgönner Lokale trinken. Drinnen im Warmen. Draußen wird noch nichts serviert …
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Andererseits gibt es durchaus abgehärtete Spaziergänger, die trotz Frost auf einer Bank ausharren …
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Man würde es an milderen Tagen noch ein wenig länger im Museumshafen Oevelgönne aushalten. Sommers wie winters liegen viele der alten Boote hier. Auf den Namen Museumshafen einigte man sich aufgrund der Zusammenarbeit des Vereins mit den hamburgischen Museen. Es hätte sonst auch ein Oldtimerhafen oder einfach der Oevelgönner Hafen werden können. Er ist heute in privater Trägerschaft, sämtliche Schiffe gehören dem Verein.
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Was findet sich denn nun dort?
Man sammelt verschiedenartige Fahrzeugtypen. Fischer- und Frachtboote (Kutter, Ewer, Tjalken) mit Segeln, die auf der Niederelbe sowie der Nord- und Ostsee unterwegs waren, die dampfbetriebenen Schlepper des Hafens, aber auch Motorfahrzeuge, die für Polizei und Zoll fuhren. Sogar ein Feuerschiff gehört dazu. Und z. B. Kräne, wie sie beim Umschlag im Hafen genutzt wurden.
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Die Oldtimer aus dem Oevelgönner Museumshafen sind übrigens wie die „Stettin“ jedes Jahr beim Hafengeburtstag mit von der Partie.
Es gibt zwar keine geschlossene Eisdecke hier im Hafenbecken, doch man sieht an den vereisten Trossen,
dass anständig Frost herrscht …
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Wenn Sie direkt entlang des Wassers laufen, haben Sie zwar die beste Aussicht und Srandfeeling, doch der kalte Ostwind pfeift auf Dauer recht ungemütlich. Die Minusgrade sind auch ohne ihn schon ausreichend zu spüren. Gehen Sie besser nur in der Richtung am Strand, in der der Wind von hinten kommt. Für den restli-
chen Weg erklimmen Sie über eine der Treppen am Strand den höhergelegenen Spazierweg, der entlang der Häuser verläuft. Dort ist es geschützter und sehr viel erträglicher bei Frost.
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Farbenfrohe Häuser, nette Vorgärten und ein weiteres Gartenstück jenseits des Weges mit Blick auf den Fluss. Wie Sie sehen, wird immer fleißig ein Rückschnitt der Bäume vorgenommen. Schließlich möchte man sich als Anwohner seinen Elbblick erhalten …
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Ich muss gestehen, mir frieren trotz allem so langsam die Hände ab. Der oben erwähnte Abbruchpunkt im Bibberfall ist erreicht. Lassen Sie uns ein anderes Mal wieder zusammenkommen und bei sicherlich bis dahin frühlingshaftem Wetter den Strand unsicher machen – oder neue Ecken entdecken!
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende! Bis zum nächsten Mal!
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Neumühlen/Oevelgönne erreichen
Falls Sie Neumühlen ansteuern wollen:
Ab Bahnhof Altona (oder auch von der S-Bahn-Station Landungsbrücken) fährt der Bus 112 Neumühlen direkt an.
Die Buslinie 111 wäre die Alternative, sie fährt ab Neumühlen weiter entlang der Elbe Richtung HafenCity. Eine kleine Stadtrundfahrt quasi mit dem Linienbus. Sie können jedoch auch an der Reeperbahn aussteigen und dort wieder in die S-Bahn wechseln.
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Quellen:
Einige die „Stettin“ sowie den Museumshafen Oevelgönne betreffende Details wurden den jeweiligen Vereinsseiten entnommen.
Wikipedia lieferte die Jahreszahlen und weitere Eckdaten zur Geschichte des ehemaligen Kühlhauses.
Sämtliche Fotos © Michèle Legrand
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©by Michèle Legrand, März 2018
Zwischen Altstadt und Neustadt (2) – Ein neuer Streifzug durch Hamburg
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs City (Rathaus, Alsterarkaden, Skulpturen, Erkundungsgänge ...), Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 26/01/2018
Es geht wieder weiter! Mit leichter Verzögerung folgt heute der zweite Teil des Streifzugs durch Hamburgs Alt- und Neustadt. Ich verwende weiterhin Aufnahmen, die Ende November entstanden, denn seinerzeit schien die Sonne, ein Ereignis, das bekanntermaßen nicht nur hier in Hamburg seit Monaten Seltenheitswert hat. Grau haben Sie sicher genug gesehen, bringen wir via Foto ein bisschen Farbe ins Leben.
Erinnern Sie sich? Wir waren im ersten Teil in der Altstadt im Bereich zwischen der U-Bahn-Station Meßberg und dem Mahnmal St. Nikolai unterwegs. Mit Zwischenstopp an architektonisch interessanten Kontorhäusern sehr unterschiedlichen Alters, an der Brauerei Gröninger und der inzwischen entrüsteten (im Sinne von Gerüst weg, nicht etwa einer furchtbar aufgebrachten) Kirchenruine von St. Nikolai.
Heute streben wir zunächst den Nikolaifleet an, werfen danach einen Blick auf eine der Hauptkirchen Hamburgs, St. Katharinen, und spazieren anschließend am Zollkanal entlang Richtung Binnenhafen und Baumwall. Auf die Art werden Sie diesmal zu Beginn in der Altstadt unterwegs sein und sich am Ende auf Neustadt-Boden von mir trennen.
Start am Mahnmal …
Unsere letzte Tour endete bei St. Nikolai in der Willy-Brandt-Straße. Halten Sie sich dort westlich, so erreichen Sie nach kurzer Zeit die Straße Holzbrücke. In südlicher Richtung führt Sie diese über den Nikolaifleet auf die Fleetinsel Cremon. In der Verlängerung – nun mit der Straßenbezeichnung Mattentwiete – geht es weiter zum Zollkanal und Binnenhafen.
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Im Verlauf der Straße Holzbrücke gibt es tatsächlich immer noch die gleichnamige Brücke, nur ist das, was
Sie heute vor sich haben, ein dreibogiger Nachfolgebau, der vor gut 130 Jahren (1887) nicht mehr aus Holz, sondern aus Stein erreichtet wurde.
Wären Sie ein bisschen eher – so um 1170 oder auch noch in den folgenden Jahrhunderten – in der Altstadt unterwegs gewesen, hätten Sie die Vorläufer aus Holz selbst in Augenschein nehmen können und hätten auch die Zeit erlebt, als es am Nikolaifleet einen großen Hafen mit regem Betrieb gab, in dem mit Schuten u. a. viel Hopfen angelandet wurde. Gröninger und andere Betriebe brauchten schließlich kontinuierlich Nachschub zum Brauen ihrer Biere.
„Das Schiff“
Heute finden Sie am Fleet direkt an der Holzbrücke möglicherweise keine Schute, dafür jedoch „Das Schiff“, das dort seinen Stammplatz hat. Hamburgs Theaterschiff. An Bord ist politisches Kabarett angesagt, hin und wieder auch Kindertheater. Und gelegentlich wird Literatur zum Thema.
Man feierte 2015 sein 40jähriges Bestehen. Zwar hat vor geraumer Zeit schon (2000) sein bekannter Gründer, Kabarettist Eberhard Möbius, die Leitung in andere Hände übergeben, dennoch läuft der Betrieb weiter.
Noch vor einigen Jahren fuhr man hin und wieder sogar zu Gastspielen nach Kiel, Stade oder Buxtehude.
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„Das Schiff“ ist ein Privattheater, das meist so viel einnimmt, dass laufende Kosten gedeckt sind. Nur was tun, wenn altersbedingt am Schiff umfangreiche Reparaturen notwendig werden? Wenn dazu sein Innenleben überaltert ist? Wenn obendrein Arbeiten am Liegeplatz erforderlich werden, z. B. für einen neuen Bodenbelag des Pontons, der rissig ist. Oder für den Ersatz der vorhandenen Treppe durch eine Art tideunabhängige Gangway, die den Zugang zum Schiff auch für ältere, nicht mehr ganz so rüstige und sportliche Menschen sichert bzw. erst möglich macht. Das ist im Budget nicht drin. Dafür ist man auf Unterstützung angewiesen. Letzten Dezember standen die Chancen sehr gut, Gelder (über 300.000 Euro) aus einem Sanierungsfond bewilligt zu bekommen.
Schön häufig, wenn ich von der Holzbrücke das Schiff betrachtete, schoss mir der Gedanke durch den Kopf: Mensch, ist das beachtlich, was der betagte Kahn alles miterlebt hat, seitdem es als Besansegel-Ewer 1912 in Holland das Licht der Welt erblickte! Wie lange das her ist!
Der erste Weltkrieg hatte noch gar nicht stattgefunden. In den Niederlanden saß damals die Uroma des heutigen Königs, Königin Wilhelmina, auf dem Thron, während bei uns Kaiser Wilhelm II herrschte. Zu jener
Zeit misst er lediglich 20,19 m. Der Kahn, nicht der Kaiser. Ein deutscher Kunde ersteht den Segler aus Holland und baut irgendwann eine Hilfsmaschine ein. Für ihn verrichtet der Ewer als „Seemöve“ seinen Dienst.
Ein paar Jahre darauf entscheidet sich der nächste Eigner für einen stärkeren Motor, ein Schiffsmast fällt, der Klüverbaum wird gekappt. So weit so gut. Doch dann! Stellen Sie sich vor, im zweiten Weltkrieg sinkt das Schiff im Hamburger Hafen! Geht komplett unter!
Es wird gehoben, repariert und bei dieser Gelegenheit gleich umgebaut. Plötzlich ist der Rumpf 34,50 m lang und das Boot kein Besan-Ewer mehr, sondern ein Küstenmotorschiff. So hört er bald darauf nicht mehr auf den Namen „Seemöve“, sondern nennt sich fortan „MS Rita Funck“. Dieses Schiff schauen sich Herr Möbius und sein Frau aus, um es nach dem Kauf auf einer Werft in Rothenburgsort für den Theaterbetrieb herrichten zu lassen.
Seit 1975 steht es für diesen Zweck zur Verfügung. Mitte der 80er Jahre war ich selbst einmal an Bord für eine Vorstellung …
Ein abwechslungsreiches Schiffsleben bis dahin mit Hochs und Tiefs. Doch seitdem es Theaterschiff ist, wurde nichts Größeres mehr daran erneuert, gerichtet, saniert oder verschönert, während gleichzeitig unablässig Wind, Wetter und vor allem das Fleetwasser an ihm „nagen“ – wie auch der Zahn der Zeit …
Vielleicht hat „Das Schiff“ im Alter von 106 Jahren nun bald einen längeren Kuraufenthalt.
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Lassen Sie uns ein Stück weiterspazieren …
In vielen dieser Altstadtstraßen stoßen Sie immer wieder auf besondere Eingangstüren oder Portale.
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Hinter der Holzbrücke, direkt links abgebogen in die Katharinenstraße, geht es im sanften Bogen bis vor zur Kirche St. Katharinen.
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Sankt Katharinen
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Von den fünf Hauptkirchen, die es bei uns gibt, ist St. Katharinen die dritte. Sie entstand um 1250 herum. Damals wuchs Hamburg, der Platzbedarf stieg erheblich, und Stadtflächen sollten durch Eindeichungen ver-
größert werden. Gesagt, getan. Doch ist nicht unmittelbar nach Eindeichung gleich alles knochentrocken. Das Gelände hier war noch feuchtes Marschland, und so wurden für das Fundament der Kirche 1 100 Lärchen-
stämme in den Grund getrieben.
Wir sprachen vorhin davon, dass der Hafen früher im Bereich des Nikolaifleets regen Betrieb aufweisen konnte. Ein aufstrebender Hafen zudem, der natürlich viele anzog. St. Katharinen wurde damals die Kirche für die sich neu niederlassenden Kaufleute, die Bierbrauer und Schiffbauer.
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Ob Kirchgänger damaliger Zeit sich eine Vorstellung davon hätten machen können, wie sich die Zeiten wandeln, wie sich die Menschheit in Glaubensfragen und damit auch die Beziehung zwischen Mensch (Volk) und Kirche ändern würde? Die Kirche selbst findet sich mit anderen Aufgaben und Erfordernissen konfrontiert, so dass es nicht verwunderlich ist, wenn sich das Kirchenleben der Neuzeit hin und wieder überraschend anders gestaltet …
In Zeiten, in denen die Finanzlage der Kirchen aufgrund sinkender Kirchensteuereinnahmen und gleichzeitig steigender Pensionsansprüche sowie erhöhter Ausgaben jeglicher Art gehörig in die Schieflage gerät, denkt man mancherorts neben Einsparungen über zusätzliche Einnahmequellen nach. Was lobenswert ist und nicht grundsätzlich schlecht sein muss.
Unabhängig von Sparzwängen oder gar Profitdenken, gilt es manchmal auch nur sich hervorzuheben, sich von anderen Gemeinden bzw. Glaubensrichtungen abzuheben und zu positionieren. Seht her, so machen wir das. Wir sind anders. Fortschrittlicher, konservativer, offener … was auch immer.
Nähe, Erreichbarkeit – nicht nur im örtlichen Sinn – zu demonstrieren, scheint ein weiteres Ziel. Nicht selten erleben Sie den Versuch einzelner Kirchen (Pastoren, Kirchenvorstände), das Image des Starren, des Welt-
fremden, des ewig Gestrigen abzulegen.
Wenn Kirchen viele Mitgliedsaustritte verzeichnen und dazu die Bänke im Gottesdienst stets reichlich freie Plätze aufweisen (womit auch die Kollekte mager ausfällt), ist schon die Frage erlaubt, wie Kirche von heute bei den Menschen auszusehen hat, damit sie wahrgenommen, angenommen, obendrein im Idealfall (finanziell) unterstützt wird.
Es ist wohl immer ein bisschen von allem, was zum Tragen kommt und irgendwann ein – ich nenne es einmal – Testballons starten auf Kirchenseite hervorruft. Die Katharinenkirche z. B. nutzte die Klimawoche 2015 dazu, ein „Klimakonzert mit grüner Modenschau“ im Kirchenschiff zu genehmigen und durchzuführen. Mit Models, Lichteffekten und allem, was dazugehört. Das ist mittlerweile salonfähig und kein Aufreger mehr. Es bringt Einnahmen, sorgt für Gesprächsstoff, und immerhin steht dahinter der positiv behaftete „grüne“ Gedanke.
Ein Teil der Gemeinde schreit Hurra, der andere ist etwas pikiert, und morgen ist das Thema abgehakt.
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Als allerdings 1996 rund 2 000 Raver in St. Katharinen eine Technoparty feierten, gab es mehr als hanseatisch leicht gerümpfte Nasen. Da half es auch nichts, dass Rauchen nicht erlaubt war. Es gab reichlich Alkohol, seltsame „Energy Drinks“, leichtbekleidete Wesen zwischen Heiligenstatuen, ekstatische Tänzer und viel Remmidemmi.
Warum man es in der Kirche gestattete? Oh, es war eine Art Kreuzzug der Techno-Tänzer („Crusade“). Es sollten die beiden Kulturen Gregorianik und Techno miteinander verbunden werden. Immerhin war auch ein Kieler Gregorianik-Chor mit von der Partie. Auf diese Art erhoffte man, Menschen in die Kirche zu locken, die sonst nie hinfänden. Das hat man sicher auch geschafft, nur ob die danach je wiederkamen?
Finanziell hat es sich gelohnt. Man musste zwar einen Sicherheitsdienst engagieren, der zehn Stunden im Dauereinsatz war, aber bei damals 60 DM Eintritt kam doch ein erkleckliches Sümmchen von ca. 120 000 DM zusammen. Damit waren die Kosten kein Thema mehr, und der ansehnliche Rest half, den der Kirchen-
technoparty folgenden Stress und Ärger leichter zu verdauen.
Danach fanden in St. Katharinen interessanterweise ebenso Abende mit Gegenveranstaltungen statt, in
denen genau dieses Verhalten (Konsumdenken, Profit egal wodurch) angeprangert und kritisiert wurde.
Kirchenleben ist also bunt. Vielfältig, mit einem Hauch Unberechenbarkeit.
Schauen Sie einmal zur Turmspitze. Diese als Krone geformte Goldverzierung soll gerüchteweise mit Gold
aus dem verschollenen Goldschatz Störtebekers hergestellt worden sein. Sie wissen schon, der berühmt-berüchtigte Pirat. Der Begriff Störtebeker – übersetzt aus dem Plattdeutschen – bedeutet „Stürz den Becher“. Man munkelt, der Pirat konnte einen Vierliter-Krug Wein, wahlweise Bier, in einem Zug austrinken. Ob er deshalb so genannt wurde?
Ich zweifle ein wenig daran, ob jemand überhaupt vier Liter auf einmal in sich hineinbringen kann …
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Sie können auch in St. Katharinen die Aussicht von oben genießen, allerdings, wenn Sie hier auf den Turm möchten, müssen Sie es im Rahmen einer Führung machen. 292 Stufen hinauf, vorbei an fünf Glocken …
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Plaza oder Turm? Elbphilharmonie vs. Kirchtürme …
Apropos Turmbesteigung. Die Kirchen, und vorneweg der Pastor der Hauptkirche St. Michaelis, klagen, dass seit Eröffnung der Elbphilharmonie vor einem Jahr die Zahl der Kirchturmbesteigungen massiv zurückge-
gangen sei und damit eine wichtige Einnahmequelle versiege. Im Gegensatz zum kostenfreien Besuch der Plaza in der Elbphilharmonie kostet die Besteigung der Türme Geld.
Der Michel-Pastor hat jetzt nicht explizit gefordert, dass die Begehung der Plaza umgehend Eintritt kosten muss, doch hätte er angesichts der Umstände natürlich nichts dagegen. Sein nachvollziehbares Wunschdenken wurde in den Medien vielfach gleich in Richtung Forderung verdreht, und schon rief seine Bemerkung einen Sturm der Entrüstung hervor.
Lassen wir kurz den Punkt Plaza-Eintritt ja oder nein außen vor und betrachten die Situation ganz generell. Zum einen können nicht alle Kirchen diese Entwicklung uneingeschränkt oder in gleichem Maße bestätigen. Beim Mahnmal St. Nikolai ist es nicht eindeutig, weil gerade nach der Sanierung und Wiedereröffnung des Turms im letzten Herbst besonders viel Zustrom zu verzeichnen ist. Dort herrscht Andrang, obwohl die Fahrt mit dem gläsernen Panoramalift fünf Euro kostet. Also ebenso viel, wie beim Michel zu löhnen ist. Ob der Zulauf so bleibt, wird man sehen.
Andere verzeichnen ebenfalls einen Rückgang, der jedoch trotz verlangter Gebühr für die Turmbesichtigung geringer ausfällt.
Die Hauptkirche St. Petri in der City wiederum meldet zwar weniger Zulauf, nur hatte sie dabei eher mit den Auswirkungen des berüchtigten G20-Gipfels im letzten Jahr zu kämpfen. Währenddessen (im Monat Juli) erschienen gleich 17 000 Besucher weniger als im Folgemonat August (39 000 zu 56 000).
Wenn ein Hamburger Ur-Wahrzeichen wie der Michel von eklatantem Rückgang der Turmbesucher spricht, dann sind es vermutlich weniger die Einzelreisenden, als vielmehr – und zahlenmäßig relevanter – die Teilnehmer von Gruppen- und organisierten Städtereisen, die ausbleiben. Wer allein, auf eigene Faust kommt, plant meist mehr Zeit ein, steuert viele Attraktionen und Ziele an und hängt notfalls dafür noch einen Tag dran.
Bei organisierten Städtetrips (z. B. Wochenendtouren) ist irgendwann Schluss mit der Programmstraffung. Wenn keine zusätzliche Zeit zur Verfügung steht und jeder Reiseteilnehmer erwiesenermaßen vor allem die Elbphilharmonie gesehen haben möchte, wird kurzerhand der Michel entweder komplett herausgenommen oder aber zumindest der Turmbesuch gestrichen. Gerade die Besteigung kostet Zeit, ganz abgesehen davon, dass nicht jeder in der Lage ist, daran teilzunehmen. Die Aufzugfahrt ist nicht von ganz unten bis direkt zur Aussichts-
plattform möglich. Es bleiben einige Treppen, die weiterhin zu Fuß bewältigt werden müssen. Nehmen wir jetzt noch das mehr als unvorteilhafte Wetter des letzten Jahres mit entsprechend schlechter Aussicht, so ist es nicht verwunderlich, wenn weniger Interesse als sonst besteht, bei niedrigen Temperaturen und Nässe den Aufstieg für einen zugigen Turmausblick anzugehen.
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Hamburg – Hafen (Höhe Baumwall) – Restaurant „Feuerschiff“ – Im Blick haben Sie auch die Elbphilharmonie …
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Es kann nicht allein an den Kosten liegen. Über ein reizvolleres Kombiticketangebot (Kirche mit Krypta plus Turm) ließe sich trotzdem nachdenken. Warum nicht auch als Anreiz den Treppensteigern einen günstigeren Preis anbieten als den Lift-Nutzern oder eventuell einen Tag festlegen, an dem es nur die Hälfte kostet …
Ja, und ein bisschen enthusiastischer die Besonderheiten einer solchen Turmbesteigung und vor allem die des Ausblicks hervorheben! Rundumblick vom Turm aus 106 m Höhe und Plaza-Ausblick sind nun wirklich nicht vergleichbar. Michel und Elbphilharmonie müssten so gesehen gar keine Konkurrenten sein.
(Ich lasse Ihnen am Ende einen Link zu einem Blogbeitrag meiner Michelklettertour da, falls Sie Lust darauf haben. Auch Glockengeläut ist zu hören!)
Angewiesen sind die Kirchen auf die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern, selbst wenn sie im Grunde nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind, betrachtet man die Kosten, die zum Erhalt der Gebäude nötig sind. Es ist also leider keine Option, grundsätzlich auf Eintritt zu verzichten.
Der Plaza-Besuch in der Elbphilharmonie wiederum würde unter Garantie bei den Reiseveranstaltern weiter im Programm bleiben, selbst wenn der Zutritt kostenpflichtig werden würde. Für den Reisegesamtpreis bedeutet es letztendlich keine dramatische Erhöhung. Einzelpersonen hingegen und speziell die Hamburger …
Nun, viele Hamburger fühlten sich doppelt ausgenommen, sollte es dazu kommen. Erst wird das Jahrhundert-
bauwerk und neue Wahrzeichen so hundsteuer, dass mehrfach immense Summen aus Steuergeldern der Hamburger Bürger nachgeschoben werden müssen, und nun soll womöglich noch einmal geblecht werden, bevor man als Einheimischer und Mitfinanzierer einmal einen Blick auf das Ganze werfen kann? Das sieht nicht jeder ein …
Wir werden die Entwicklung weiter verfolgen.
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Wir sind inzwischen von St. Katharinen ein Stück entlang des Zollkanals gewandert und haben den Binnenhafen erreicht.
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Flussschifferkirche
Sehen Sie das blaue Schiff (Foto unten)? Das ist die Flussschifferkirche, Deutschlands einziges Gotteshaus auf dem Wasser, auf Schiffsplanken zumindest. Mit Gottesdiensten, einer Binnenschifferseelsorge, und „Hausbesuchen“. Man fährt zweimal die Woche mit einer alten Arbeitsbarkasse im Hafengebiet herum und besucht die Binnenschiffer direkt an ihrem Arbeitsplatz.
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Nachdem wir uns bisher die ganze Zeit auf Altstadtgebiet befanden, wechseln wir hier nun auf Neustadtgebiet. Die Grenze verläuft etwa auf der Otto-Sill-Brücke, von der aus das obige Foto aufgenommen wurde. Der Baumwall liegt voraus – doch wenn ich es mir recht überlege, ist eigentlich dieser Wechsel des Stadtgebiets eine wunderbare Gelegenheit, für heute die Tour zu beenden. Mit einem Blick aus der Neustadt zurück in die Altstadt …
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Hamburg – Hafen – Niederbaumbrücke – Blick von der Neustadt Richtung Altstadt / Ganz hinten St. Katharinen, links der Turm von St. Nikolai (Mahnmal)
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Sind Sie bei einem weiteren Streifzug wieder mit dabei? Sie haben gemerkt, obwohl es stets seine Zeit braucht, müssen Sie keine Riesenentfernungen schaffen oder tausend Dinge durchhecheln. Es bleibt entspannt.
Bis demnächst! Ich vermeide es allerdings, mich zeitlich festzulegen, denn das klappt erfahrungsgemäß nur mittelprächtig.
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Hier noch der Link zur oben erwähnten St.-Michaelis-Turmbesteigung:
=> „Der Hamburger Michel: Wem die Glocke schlägt“
Und so gelangen Sie bei Interesse zum ersten Teil des Altstadt/Neustadt-Streifzugs:
=>„Zwischen Altstadt und Neustadt (1): Ein neuer Streifzug durch Hamburg“
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© by Michèle Legrand, Januar 2018
Blick von oben …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 09/08/2017
Es ist soweit: Zumindest ab und zu werde ich wieder bei Ihnen hereinschneien und Sie behelligen. Die
Wochen seit Mai sind gefühlt schnell vergangen, waren und sind aber alles andere als einfach. Ich möchte
das Thema Erkrankung nicht völlig umgehen, die Lage allerdings nur kurz und schnodderig so umreißen:
Es ist alles Grütze. Weiterhin große, ernste, unbarmherzige, verdammte Grütze.
Einen kleinen Lichtblick gab es allerdings am Sonntag. Der Gemahl hatte Freigang! Oder wie heißt das korrekt, wenn man tagsüber raus darf aus dem Bau? Warten Sie … Bin ich gerade auf dem richtigen Dampfer? Nicht, dass wir uns missverstehen, es geht ums Krankenhaus …
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Mein Mann muss seit geraumer Zeit erneut stationär behandelt werden. So bin ich seit nunmehr fünf Wochen täglich quer durch Hamburg von Ost nach West bzw. umgekehrt unterwegs und verbringe viele Stunden bei ihm am Krankenbett. Ich werde Sie nicht mit privaten Krankenhausgeschichten zuschütten. Nein, nein. Doch stellen Sie sich darauf ein, dass ich Ihnen momentan logischerweise ausschließlich von Ereignissen, Eindrücken und Menschen erzählen kann, die mir auf dem Weg zum Krankenhaus unterkamen.
Ist Ihnen auch aufgefallen, wie außergewöhnlich oft Hamburg in den Wochen meiner Blogabstinenz aus den unterschiedlichsten, dabei nicht immer schönen, Anlässen bundesweit in den Medien erwähnt wurde? Auf der einen Seite bot der G20-Gipfel mit seinen Ausschreitungen ausreichend Gelegenheit. Dazu Themen wie Bürgermeister Scholz in Nöten, dauerhaft innerstädtische Staus, Wasserrohrbruch mit anschließendem Riesenkrater auf der Amsinckstraße, wochenlange Sperrungen wegen immer neuer Langzeitbaustellen und Bauarbeiten entlang der Autobahn, Brückenerneuerung selbst bei der Bahn mit umfangreichem Schienen-
ersatzverkehr über die gesamten Sommerferien.
Dazu Ereignisse wie die kürzliche Messerstecherei im Supermarkt, Funde von Leichenteilen in Rissen, ein Erschlagener an der Alster oder auch Berichte über die Müllzunahme auf den Straßen, die vielen zu späten
und lauten An- oder Abflüge am Flughafen, das nicht endende Chaos bei der Gepäckabfertigung.
Klar, es gab glücklicherweise auch Positives. Den Gegenpol bildeten ansprechende Fotos einer grünen und wasserreichen Stadt, gute Taten und Aktionen, der friedliche Ablauf zahlloser Events. Bei den Großveran-
staltungen fielen die Triathlon-Tage sowie der jährliche Schlagermove als positiv verlaufen auf. Sogar Kate und William waren bei uns zu Besuch! Nicht bei mir direkt, aber beim Bürgermeister und u. a. in der Elbphilharmonie.
Ja, die jungen Vertreter des Hauses Windsor samt ihrer beiden Kinder … Die Presse hatte wieder einmal aufgepasst und mitgezählt, wie viele unterschiedliche Kleider die Herzogin auf der Reise wo und zu welchem Anlass trug. Man staunt, dass das immer noch Leser hinter dem Ofen hervorlockt … Unter uns: Ich persönlich stehe eher auf Berichte über beispielsweise den Gummistiefelweitwurf bei Veranstaltungen wie der „British Flair“, die am vergangenen Wochenende wieder zum Besuch einlud. Ich habe Ihnen vor zwei Jahren davon erzählt, erinnern Sie sich noch? (Welly throwing – Einmal im Jahr fliegen die Stiefel …)
Nirgends aktiv teilgenommen, habe ich von all dem dennoch eine Sache wirklich intensiv miterlebt: die Auswirkungen des G20-Gipfels. Plötzlich ist eine Stadt tagelang mehr oder weniger lahmgelegt und dabei gleichzeitig in Aufruhr. Straßensperrungen machen jegliches Durchkommen unmöglich, die Umleitungen sind im Nu ebenso verstopft oder funktionieren aufgrund chaotischer Zustände von vornherein nicht. Selbst Taxis geben auf und stellen die Fahrten ein, die Notfallpläne für den oberirdisch verlaufenden öffentlichen Verkehr können nicht umgesetzt werden. Kaufhäuser verbarrikadieren vorab vorsorglich ihre großen Fensterflächen aus Angst vor Randale mit Holzplatten, und in kritischen Ecken bleiben Läden, Betriebe und Praxen geschlossen.
Das Aufeinandertreffen von gewaltbereiten Demonstranten und der Polizei artet teilweise aus, Steine fliegen, Autos brennen, Vandalismus findet statt, Plünderungen passieren, an denen sich erstaunlich viele beteiligen! Und überall sind Menschen im Handumdrehen in Gefahr! Die Polizei, die in einen Hinterhalt gelockt wird, aber selbst Außenstehende, Passanten, Anwohner, die gar nicht aktiv an etwas teilnehmen. Ihre Unversehrtheit, ihr Leben. Ihr Hab und Gut dazu, wenn sie das Pech haben, am „falschen“ Ort zu wohnen, bzw. bereits dann, wenn sie lediglich ihr Auto oder sonstiges Eigentum dort abgestellt haben.
Ich muss Ihnen gestehen, ich habe Hamburg noch nie so erlebt. Ich war wirklich erschüttert! Es mag Anwohner aus anderen Stadtteilen und speziell den Außenbezirken geben, die abwiegeln. Ach, komm, so schlimm war’s nun auch nicht! Vielleicht hat es dann nicht so eindrücklich berührt, wenn vieles nur im Nachhinein verwundert den Medien entnommen wurde, der Mensch jedoch zu weit ab vom Geschehen war. Distanz bewahren konnte.
Wer einmal erlebte, wie völlig egal offenbar einigen gewaltbereiten Demonstranten Menschenleben sind, wie viel Hass auf jeden und alles, wie viel blinde Zerstörungswut sich zeigt, wer sich dem immensen Polizeiaufgebot gegenüber sah mit den schier endlosen Fahrzeugkolonnen, den Wasserwerfern, wer die stundenlang über einem kreisenden Hubschrauber hörte, sehr schwer einzuschätzende Vermummte oder sogar Randalierende plötzlich in seiner Nähe entdeckte, neben wem es knallte, wer mit demolierten Fahrzeugen, eingeschlagenen Fenstern oder verkohlten Resten einer Barrikade unmittelbar konfrontiert wurde, dem war alles andere als wohl zumute.
Ich selbst hätte unter anderen Umständen konsequent einen Riesenbogen um die Innenstadt und die Areale gemacht, die als Korridore für die Fahrten der Delegierten des Gipfels herhalten mussten. Unter normalen Umständen hätten mich keine zehn Pferde aus meinem Viertel im Osten Hamburgs bekommen. Durch den Klinikaufenthalt gab es erzwungenermaßen eine Planänderung: Ich wollte – allen Sperrungen zum Trotz – zum Krankenhaus am anderen Ende der Stadt kommen!
Als sicherste Variante entpuppte sich die in den kritischen Gebieten unterirdisch verkehrende S-Bahn. Sie werden in solch einer Situation ja trickreich. Sie lassen den während der Gipfeltage als unsicher geltenden Bahnhof Altona aus, suchen sich nicht ab dort die empfohlene, praktische Anschlussverbindung, sondern fahren unterirdisch über das eigentliche Ziel hinaus und schleichen sich dann von hinten per Bus wieder an. Wenn jedoch selbst im feinen und vermeintlich sicheren Othmarschen, in Bahrenfeld, in den schmalen Straßen Ottensens, an der noblen Elbchaussee und an weiteren Stellen unerwartet ebenfalls herumrandaliert wird, Scheiben zertrümmert sowie Geldautomaten demoliert werden und Busse sich zum Halten zwischen den Touren auf einmal in Nebenstraßen verdünnisieren, jeglichen Fahrplan über den Haufen werfend … dann hat das Chaos gefühlt allmählich die ganze Stadt erreicht.
Dies alles ist nun einen Monat her, doch erstaunlicherweise ist es präsent, als wäre es gestern passiert. Es beschäftigt gedanklich wieder und wieder.
Bahn- und Busfahren habe ich seitdem beibehalten, denn es ist tatsächlich die schnellste Variante, um auf die andere Seite der Stadt zu kommen. Und die nervenschonendste! Außerdem, das wissen Sie vermutlich aus eigener Erfahrung, sind Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln durchaus lehrreich. Manche Linienbusse hier bei uns haben eine sogenannte „Buchhaltestelle“. Das ist eine Art Leihbücherei für Mitfahrende. Ein Buchregal, aus dem sich während der Fahrt bedient wird und aus dem Bücher auch leihweise entführt werden können. Bis man sie durch hat. Bei einer der nächsten Fahrten stellt man sie einfach ins Bord zurück.
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Weiterhin lernte ich kürzlich zwischen Othmarschen und Altona, dass die Chance, von einem Hai angegriffen zu werden, geringer ist, als die Chance auf einen Sechser im Lotto. Und ich habe mir sagen lassen, die sei schon extrem winzig. Der Mensch seinerseits – das hat mich angesichts der Menge sehr erstaunt – murkst jährlich die schier unvorstellbare Zahl von 100 Millionen Haien ab!
Mich verblüffen häufig auch die Gespräche meiner Mitfahrer. Manchmal aufgrund der unerwarteten Wendung, die sie nehmen.
Zwei erhitzte, junge Männer stiegen zu, nahmen mir gegenüber Platz. Der eine meinte mit sehnsuchtsvollem Blick, jedoch akustisch eher resolutem Einschlag:
„Jetzt ´nen Energydrink! Mann, was habe ich grad Bock auf ‘nen Energydrink!“
Einen Moment herrschte Ruhe.
„Hätte noch Wasser“, sagte der andere. „Willste?“
„Ja, geht auch.“
Oder die Schulklasse auf Ausflug. Davon waren in Hamburg in der zweiten Julihälfte vor der Zeugnisvergabe und dem Beginn der Sommerferien einige unterwegs.
Vier Jungen, zehn, elf Jahre alt, drängten auf zwei einander gegenüberliegende Zweiersitzbänke zu. Die beiden Fixesten belegten die Fensterplätze. Einer der Nachkömmlinge wandte sich schwer empört an den am Fenster:
„Da sitze ich!“
„Nö.“
„Los, mach Platz!“
„Nö.“
„Mir wird aber immer schwindlig am Gang!“
(Man kann es ja wenigstens versuchen.)
„Spinner.“
(Versuch erfolglos, Schwindelkandidat gibt auf.)
Die vier erwähnten im lebhaften Gespräch einige Male den Ausdruck „OP machen“, das Wort „steril“ und weitere Begriffe, die ich in den Bereich Medizin packen würde. Ich vermutete kurzzeitig, vielleicht weil ich momentan etwas vorgeschädigt bin, sie hätten gerade eine Krankenhausbesichtigung hinter sich, aber nein, sie redeten über ein Handyspiel. Einiges klang für mich wie böhmische Dörfer. Zum Beispiel entwickelte sich eine heiße Debatte über einen Stick mit Verbrennung. (Keine Ahnung, ich grüble heute noch darüber nach.) Die Wortwahl anschließend fiel nicht minder kurios aus.
„Du kannst Coins im Shop kaufen.“
„Da bist du ja instant tot!“
(Was?)
Kennen Sie noch das Spiel „Papier, Schere, Stein“ und den dazugehörigen Spruch: „Ching, Chang, Chong“?
Von den Jungen habe ich eine neue Variante kennengelernt. Bei dieser Abart führen Sie die gleichen Hand-
bewegungen aus, die Sie von Papier, Schere, Stein kennen, sagen dabei jedoch laut und vernehmlich: „Ching, Chang, Schmerz.“ Wer verliert, kriegt eine Backpfeife. Keine saftige Ohrfeige, mehr ein gezieltes, jedoch labberiges Tätscheln. Bei den jungen Herren gab es großes Gelächter gratis dazu.
Ich vermute, wenn sich Mädchen etwas Alternatives ausdächten, hieße es „Ching, Chang, Schmatz.“ Und die Verlierer müssten den Gewinner küssen.
Zu erzählen wäre noch einiges, nur meine Zeit für heute ist um. Ihre sicher auch. Ich komme demnächst wieder. Ich hätte Ihnen zum Abschluss jedoch gern noch einen Blick von oben gezeigt.
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Das ist die Aussicht, die Sie aus dem 18. Stock des Klinikums in Altona haben. Ich bin extra einmal hoch-
gefahren. Nur in diesen Höhen kommt selten eine Fensterputzkolonne vorbei. Die Scheibe hat sicher schon einmal sauberere Zeiten erlebt; erkennen können Sie trotzdem ein bisschen.
Der Blick geht Richtung Süden, Richtung Elbe. Da das Gelände am Flussufer schnell ansteigt und Baum-
bestand auf den Anhöhen zusätzlich die Sicht auf den Strom nimmt, können Sie am besten mit Hilfe der Kräne am gegenüberliegenden Ufer erkennen, wo die Elbe verläuft.
Etwa in Bildmitte (Klick aufs obere Foto vergrößert die Aufnahme) lässt sich im Hintergrund sogar die langgezogene, geschwungene Köhlbrandbrücke ausmachen …
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Wenn Sie sich von unserem Aussichtspunkt eine senkrechte Linie Richtung Elbfluss denken, würde sie etwa in Höhe der recht bekannten „Strandperle“ auf das Ufer stoßen. Die liegt zwischen dem Museumshafen Oevelgönne und dem großen Findling, den man „Alter Schwede“ getauft hat. Gegenüber am Elbufer befindet sich Waltershof mit den erwähnten Kränen, ein Areal, das nahezu ausschließlich aus Hafen- und Industrie-
anlagen besteht. Rechts davon (flussabwärts) liegt Finkenwerder. Dort schließt sich auch das Gelände von Airbus an. Die dicken Transportmaschinen („Beluga“) kommen hier beim Ansetzen zur Landung im Tiefflug vorbei, und sie röhren speziell beim Starten mächtig.
Feierabend. Vorerst. Machen Sie sich bitte darauf gefasst, dass ich Sie gelegentlich mit einem neuen Beitrag behelligen werde. Ich habe es jedenfalls vor. Je nach Lage – und wenn ich die beschreiben sollte, dann am ehesten so: Der Blick schweift in diesen Wochen eher nicht in die Ferne, sondern vorsichtig voraus, immer nur bis zur nächsten Ecke …
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Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit noch einmal recht herzlich für den vielen Zuspruch, die fürsorglichen Nachrichten und überhaupt ihre persönliche Anteilnahme via Kommentar und Mail nach dem letzten Post bedanken!
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© by Michèle Legrand, August 2017
Hamburg entdecken – Heute ein Blick in den Oberhafen und seine Umgebung
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 20/02/2017
Moderne Glasbauten, Backstein, Brücken, alte Schlösschen und mehr
Hätten Sie heute zufällig etwas übrig für schiefe Kaffeeklappen, eigenartige Drachenschwäne
und all die anderen Dinge, die ich gerade oben erwähnte? Elbwasser wäre auch dabei …
Überlegen Sie es sich, und bis Sie einen Entschluss gefasst haben, lesen Sie einfach weiter.
In der letzten Zeit hatte ich abends mehrmals in für mich relativ unbekannten Ecken der Hansestadt zu tun. Entweder war ich noch nie dort gewesen (Hamburg ist immerhin eine Großstadt) oder hatte mich ewig lang
nicht mehr in gerade diesen Bereichen aufgehalten.
War man bereits irgendwann einmal in dem Viertel, verleiht dieser Umstand eine trügerische Sicherheit im Hinblick auf den jetzigen Besuch. Das finde ich schon wieder, ist der erste Gedanke. Nur vergisst man dabei schnell, dass Veränderungen gerade in einer Stadt an der Tagesordnung sind. Im Laufe von fünf, zehn oder noch mehr Jahren, hat sich vieles erheblich gewandelt. Wo Sie sich einst fast schon auskannten, ist nun eine andere Straßenführung, es gibt auf einmal Tunnelbauten oder weitere Brücken, riesige Kreuzungsanlagen, es fanden diverse Abrisse statt, Neubauten gesellten sich dafür dazu, andere Fassaden blinzeln sie an. Es ist manchmal gar nicht so einfach, sich wieder zu orientieren.
Klar, wie jeder andere wahrscheinlich auch, suche ich mir gerade deshalb jeweils vorab die entsprechende Route heraus, doch, Hand aufs Herz, Karte gegenüber realer Ansicht – irgendwie wirkt das beim Näher- bzw. Ankommen oft komplett anders. Vor allem, wenn die markanten Punkte, die einem als Wegmarken dienen sollen, kaum zu sehen sind. Wegen Dunkelheit. Im Winterhalbjahr ist sie leider ein ständiger Begleiter.
Ich habe jedenfalls in letzter Zeit hin und wieder ganz schön verdutzt geschaut und herumsuchen müssen.
Umso schöner, hin und wieder einen Mitkommer und Mitsucher dabeizuhaben. Als ich neulich am Abend in Begleitung meiner Tochter unterwegs war, wurde dabei nur eines ziemlich deutlich: Man kann nicht gerade behaupten, dass ich – zumindest zu später Stunde – über so etwas wie Adleraugen verfügen würde.
Wir wollten zu einer Veranstaltung am Großmarkt. Früher strebten dorthin nur Produzenten und Händler von Lebensmitteln (frisches Gemüse und Früchte) und Blumen. Und bis heute herrscht dort speziell nachts und in den frühen Morgenstunden Hochbetrieb! Generell gibt es aber in den Großmarktmallen rund um die Uhr ein Riesenangebot für Kaufwillige. Es ist Norddeutschlands größtes Frischezentrum mit etwa 470 beteiligten Marktfirmen!
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Sind es sonst die Firmenvertreter und die Käufer des Einzel- und Großhandels, die sich in den Hallen begegnen, so treffen einmal im Jahr an einem Wochenende auf dem Großmarktgelände völlig andere Menschen und viel blitzender Chrom aufeinander. Dann sind Harley Days angesagt und auf dem Vorplatz stehen die Maschinen dicht an dicht.
Seit zwei Jahren streben nun regelmäßig Unmengen von abendlichen Besuchern mit einem wiederum völlig anderen Plan auf die Hallen mit den geschwungenen, wellenförmigen Dächern zu. Sie wollen ins Konzert!
Im Jahr 2015 hat das „Mehr! Theater am Großmarkt“ eröffnet, das bis zu 3500 Besuchern Platz bietet und wohl das einzige Theater ist, das in einen bestehenden Lebensmittelgroßmarkt einfach integriert wurde.
Nicht direkt ins Gemüse, aber in eine der Hallen, in die mittlere.
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Mit meiner Tochter spazierte ich vor dem Konzert vom Hauptbahnhof und den Deichtorhallen kommend die lange Banksstraße hinauf Richtung Mehr!Theater. Kurz vor dem Ziel überquert man die „Erste Banks-Brücke“, und dort tauchte mitten aus der Dunkelheit auf der Außenseite des Geländers ein mittelgroßes Wesen auf. Ein unechtes, wie aufgrund der Starre schnell klar wurde. Aber was ..? Ich versuchte, etwas zu erkennen.
„Was ist denn das? Ein Schwan?“, fragte ich meine Tochter.
Ein kurzer Blick hinüber genügte ihr. „Nein! Kein Schwan! Eher ein Drachen!“, entgegnete sie überzeugt.
Ein Drachen? Ich fixierte das Wesen genauer. Meine Augen sahen allmählich etwas mehr … Sie hatte sofort Details im Dunkeln erkannt, ich hingegen zunächst nur die reine Form, die Haltung. Das muss die berühmte Nachtblindheit sein, die unweigerlich zunimmt, sobald man in die Jahre kommt …
Wir mussten weiter. So nahm ich mir in dem Moment bereits fest vor, mir den sonderbaren Kollegen bei Gelegenheit noch einmal anzuschauen. Im Hellen!
Letzte Woche war es schließlich soweit. Der Wochenanfang hielt lang vermisste Sonnenscheintage und nicht mehr ganz so frostige Temperaturen parat. Somit geht es heute auch für Sie hinaus! Später zum Drachen, doch zunächst an die Elbe. Auf Hamburger Gebiet. Zur Abwechslung diesmal nicht elbabwärts Richtung Blankenese (und Nordsee), sondern ein Stückchen in die Gegenrichtung, elbaufwärts.
Wer von der Norderelbe abzweigt, kommt z. B. in die Speicherstadt, landet im Zollkanal, in den Fleeten oder in verschiedenen Hafenbecken. Eines davon trägt den Namen Oberhafen, und das – inkl. seiner Umgebung – schauen wir uns heute an.
An einem Ufer dieses Hafenbeckens schließt der Stadtteil Hammerbrook an, an der gegenüberliegenden Uferseite stoßen Sie auf den neuen Stadtteil HafenCity mit dem Lohsepark.
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Eine recht interessante, kontrastreiche Ecke Hamburgs! Sie haben nämlich neben der schönen Wasserlage eine lebhafte Kombination von Altem und Neuem. Einerseits Bürogebäude mit futuristischen Design und hohem Glasanteil, andererseits die Ausläufer der alten Speicherstadt mit ihren roten Klinkern und dazu die zwischen 1911 und 1914 auf dem Areal des ehemaligen Berliner Bahnhofs in Hamburg als Markthallen errichteten Deichtorhallen.
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Als Markthallen werden sie schon länger nicht mehr genutzt. Sie wurden restauriert, saniert, und heute sind
sie mit der Halle für aktuelle Kunst sowie dem Haus der Photographie (Südhalle) bekannter und beliebter Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst. Noch bis zum 1. Mai heißt es „Elbphilharmonie revisited“. Kein er-
neuter, ellenlanger Aufwasch der Entstehungsgeschichte, die gerade vor der Eröffnung der Philharmonie im Januar extrem oft und ausführlich durch die Medien ging, sondern Werke von Künstlern, die sich durch die Elbphilharmonie inspirieren ließen. Ich war noch nicht in dieser Ausstellung, es hört sich aber spannend an.
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Der Kunstverein ist gleich gegenüber am Klosterwall ansässig und zeigt ebenfalls zeitgenössische Kunst.
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Das ZDF-Landesstudio hat sich in einem sehr modernen Gebäude niedergelassen, dem 2002 fertiggestellten Deichtor-Center. Zehn Geschosse und u. a. war hier Herr Teherani einer der Architekten (Jens Bothe, Kai Richter und Hadi Teherani (BRT Architekten))
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Mittendrin tost der Verkehr. Ein Verkehrsknotenpunkt, eine wichtige Verbindung auch von Stadt Ost nach Stadt West. Gewusel und Gedränge herrscht am Klosterwall stets zusätzlich durch die Bauarbeiten im Wallringtunnel. Die Sanierung des Tunnels begann bereits 2014, und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Immerhin ist die Oströhre bald (geplant April) fertig.
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Nach dem Blick auf die Gegebenheiten auf Landseite, werfen wir doch jetzt ein Auge auf das Wasser. Der Oberhafen grenzt unmittelbar an den Ericusgraben. Ein Begriff, der Ihnen vielleicht irgendwoher bekannt vorkommt. Ericus? Genau! Ericusspitze! DER SPIEGEL! Dort, mit Adresse Ericusspitze 1, residiert in einem modernen Gebäude mit sehr markantem Aussehen seit 2011 die SPIEGEL-Gruppe.
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Woher weiß man überhaupt, wo der Oberhafen endet und der Ericusgraben beginnt? Das Elbwasser sieht doch nicht plötzlich anders aus … Es gibt eine Art optische Begrenzung zwischen Oberhafen und Ericusgraben. Die Oberhafenbrücke dient als guter Anhaltspunkt. Dort wo sie das Wasser quert, denken Sie sich einfach eine Trennlinie. Die Brücke ist speziell. Sie ist eine kombinierte Bahn- und Straßenbrücke, bei der der Verkehr nicht nebeneinander, sondern übereinander verläuft!
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Auf ihr fährt ganz oben auf insgesamt vier Gleisen der Fernzugverkehr Richtung Harburg (Süden) bzw. kommt hierüber in die Stadt hinein. Darunter, eine Ebene tiefer, ist es dem Autoverkehr möglich, das Wasser zu queren. Zu beiden Seiten der Fahrbahn verlaufen Wege für Fußgänger.
Es ist ein ulkiges Gefühl, dort als Passant zu laufen. Zwischen all den Stahlstreben, bei gefühlt recht geringer Brücken- bzw. Raumhöhe, dicht neben sich Autos … Besonders merkwürdig wird es, wenn über einem gerade ein Zug fährt. Oder gar Züge! Eigenartige Geräusche entstehen, und ein anhaltendes Vibrieren und leichtes Schwanken macht sich bemerkbar. Die Seitenverstrebungen engen seltsam ein, nehmen zudem viel Licht. Urplötzlich kommt es einem so vor, als sei man die Wurstscheibe in einem Sandwich. Von oben und unten etwas eingezwängt. Gleichzeitig meldet sich die Hoffnung, von der Lage drüber möge bitte nichts abbröseln und durchkleckern …
Von der Hammerbrook-Seite aus startend, stoßen Sie nach Überquerung der Brücke ganz am Ende auf etwas, was herrlich windschief daherkommt und eine recht lange, zeitweise unruhige Geschichte mit ungewissem Ausgang vorweisen kann: die Oberhafen-Kantine.
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Ursprünglich war in dem kleinen 1925 erbauten Gebäude eine Kaffeeklappe. So nannte man in der Bevöl-
kerung eine Einrichtung, die es ungefähr seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst in England gab und die eigentlich korrekt Volkskaffeehalle hieß. Das Hauptmerkmal einer Kaffeeklappe war, dass es dort einfache Speisen für Arbeiter und keinerlei alkoholische Getränke gab.
Arbeitgeber waren damals schwer hinter der Sache her und unterstützten die Klappen, um dem Alkoholkonsum von vornherein wirksam entgegenzutreten. Man bot das Essen äußerst preisgünstig an und schenkte zusätzlich reichlich Kaffee aus, der die Arbeitsleistung noch steigern sollte.
Bei der Oberhafen-Kantine, die für die Werft- und Hafenarbeiter errichtet wurde, spricht man von expressio-
nistischer Gebrauchsarchitektur. Toller Begriff, oder? Es klingt beeindruckend. Sollten Sie vorhaben, gegrillte Würstchen an den Mann zu bringen und eigens zu diesem Zweck ein Häuschen mit ordentlicher Raumhöhe
und einigen Spitzbögen bauen, dann könnten Sie Ihren Imbiss mit stolz geschwellter Brust als gotische Gebrauchsarchitektur bezeichnen.
Doch zurück zur Oberhafen-Kantine. In dem speziellen Fall und angesichts der Umgebung, in der sie sich befindet, spricht man von norddeutschem Klinker- bzw. Backsteinexpressionismus. Der ist nun nicht auto-
matisch windschief und krumm. Warum also steht das Häuschen dermaßen schräg?
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Sie können sich vorstellen, dass das kleine Gebäude an dieser Position direkt an der Kaikante des Oberhafens nicht immer trockene Füße behalten hat. Der Fluss ist mächtig – und tideabhängig! Das Mauerwerk wurde unterspült, sowohl bei den normalen Gezeiten, aber vor allem bei Sturmfluten. Das komplette Haus ist dadurch abgesackt.
Es ist erstaunlich, dass es überlebt hat und bis heute immer wieder neu betrieben wird! Nachdem der Bauherr es vor über 90 Jahren als eine Art Familienbetrieb etablierte, kümmerte sich dessen Tochter bis ins hohe Alter um die Verpflegung und blieb der Kantine treu. Erst vor 20 Jahren, nach ihrem Tod 1997, musste man sich überlegen, wie es weitergehen könnte.
Es hieß damals, das Gebäude sei einsturzgefährdet, jedoch viel zu schade zum Abriss. Nach einigem Hin und Her wurde es zunächst unter Denkmalschutz gestellt, dann kaufte es derselbe Herr, der auch die Rote Flora in der Sternschanze besaß, Klausmartin Kretschmer. 2005 pachtete es – frisch renoviert – Tim Mälzer, dessen Mama wiederum ab 2006 mit Frikadellen, Kartoffelsalat und ähnlichen Speisen für das leibliche Wohl der Kantinenbesucher sorgte.
Leider richtete danach ein Orkan schwere Schäden an, also musste erneut saniert werden. Herr Mälzer fand den Zustand nicht so verlockend, seine Mutter mit Sicherheit auch nicht, also wechselten seit 2008 mehrfach die Gastronomen. Schon 2014 schlug abermals ein Orkan mit entsprechendem Hochwasser zu, und noch einmal musste gerettet werden, was noch zu retten war. Während der notwendigen Sanierungen und Schadens-
behebungen blieb als Ausweg immer nur die zeitweilige komplette Schließung der Klappe oder das befristete Auslagern des Betriebs.
Aber sie lebt immer noch! Sie ist einfach nicht unterzukriegen.
Man kann sein Pausenbrot natürlich ebenso gut von daheim mitbringen und mittags hinaus in die Sonne gehen. Die Möwen warten hoffend …
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Interessant auch, was bei Niedrigwasser im Schlick so alles zum Vorschein kommt …
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Wenn Sie von Westen, also von der Stadt her kommend, auf die Oberhafenbrücke sehen, entdecken Sie an ihr einige Wörter, die in großen, weißen Neonlettern geschrieben sind. Es sind Begriffe wie Kanäle, Eisenbahn-
brücke, Lagerhäuser, Schiff, Wolken, Himmel, Wind und Hafenkräne. Begriffe, die für Hamburg und gerade diesen Bereich der Stadt am Rande des ehemaligen Freihafens sehr typisch sind. Und wer hat …?
Das ist ein Kunstprojekt! Diese Beschriftung wurde bereits für die Vorgängerbrücke (Drehbrücke von 1902) im Zuge einer Ausstellung des Schweizers Rémy Zaugg (Deichtorhallen, 1992) angefertigt, und nach abgeschlos-
sener Neuerrichtung der Oberhafenbrücke (2007) später an dieser wieder montiert.
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Auf der Hammerbrook-Uferseite, auf der Sie auf einem Foto weiter oben den Fruchthof gesehen haben, liegt
die Straße Stadtdeich. Auf dieser Seite der Brücke gibt es ein Schiebetor zur Flutsicherung. Man kann also die Brückenfahrbahn schließen.
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Hamburg – Oberhafenbrücke – Auf der Schiebetorseite – Ein weiterer Begriff aus dem Kunstprojekt von Rémy Zaugg …
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Bevor es abschließend zu einem wirklich schönen Bauwerk in traumhafter Lage an einem Fleet in der Speicherstadt geht, möchte ich mit Ihnen noch den Schlenker zum „Drachenschwan“ in der Banksstraße (Hammerbrook) einlegen.
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Ich habe die Brücke und ihn bei Sonnenschein wiedergefunden und dabei entdeckt, dass nicht nur ein Drache existiert, sondern auf der anderen Straßenseite, ebenfalls außen am Geländer, sein Zwilling Wache schiebt. Allerdings ist auf dessen Schild sogar die Bezeichnung „Erste Banks-Brücke“ zu lesen.
Mich interessiert sehr, welchen Bezug Drachen gerade zu dieser Brücke oder überhaupt zu einem Standort wie diesem in der Banksstraße haben. Ich vermute stark, es ist ein Zeichen dafür, dass dieser Teil der Stadt ursprünglich einmal zum Stadtteil St. Georg gehörte. Sie kennen doch die Sage um den heiligen Ritter Georg, den Drachentöter …
Aber vielleicht sollen sie auch nur den Mittelkanal und die Einwohner von Hammerbrook vor unliebsamen Gästen schützen, die sich via Oberhafen und durch die Hammerbrookschleuse einzuschmuggeln versuchen. Wer weiß …
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Hamburg-Hammerbrook – Banksstraße – Der Drache auf der anderen Seite verrät sogar, wie die Brücke heißt …
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Es gibt noch etwas Interessantes an dieser Stelle, was offenbar wesentlich älter ist als die eigentliche Straßenbrücke. Es ist eine separate Rohrbrücke aus dem Jahr 1894, die parallel zu ihr über den Mittelkanal führt.
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Auf dem nächsten Kanalfoto können Sie im Hintergrund die Hammerbrookschleuse gut erkennen. Sie ist schon mächtig alt, wurde zwischen 1844 und 1847 erbaut! Das muss man sich einmal vorstellen. Die Schleuse wurde in dem Jahr fertiggestellt, als Thomas Alva Edison, Paul von Hindenburg oder auch Revolverheld Jesse James gerade erst geboren wurden!
Die Hammerbrookschleuse steht unter Denkmalschutz. Dennoch hat man natürlich inzwischen nachgebessert (2008/2009) und saniert, damit sie technisch gut funktionsfähig bleibt sowie von der Höhe her ausreichend Schutz bietet. Sie regelt nämlich als Stauwehr die Tide zwischen der Norderelbe und dem vom Oberhafen hier abzweigenden Mittelkanal.
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Aber jetzt! Nun geht es noch einmal zum Ericusgraben, über die Oberbaumbrücke am SPIEGEL-Gebäude entlang und kurz danach rechts in eine kleine Seitengasse, die zur Poggenmühlenbrücke über dem Wandrahmsfleet führt. Die Brückenmitte sollten Sie sich als Platz merken! Von da aus haben Sie nämlich
eine hervorragende Sicht auf das kleine Wasserschloss, das abends zusätzlich wunderbar illuminiert wird.
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Sieht schön aus in seiner Umgebung, nicht wahr? Es ist eines der beliebtesten Fotomotive hier in Hamburg. Insbesondere als Nachtaufnahme, wenn es angestrahlt ist!
Es wurde vor etwa 110 Jahren erbaut, als auch die Speicherstadt entstand. Und hier haben wir ihn wieder:
den Backstein-Expressionismus. Zusätzlich zum Backstein wurde zur Gliederung noch Granit verwendet. Den Schlosscharakter erhält das kleine viergeschossige Schmuckstück durch seinen Turm, die runden Erker und durch die hohen Bogenfenster. Auch sein Kupferdach macht sich gut.
In früheren Zeiten wurde das Schlösschen von Windenwächtern genutzt. Als Unterkunft, aber auch als Werkstatt. Windenwächter (oder –wärter) waren die Hafenarbeiter, die für die Wartung und die Reparatur von Speicherwinden zuständig waren. Von diesen hydraulischen Vorrichtungen gab es in der Speicherstadt unzählige, denn wie anders als durch Hochhieven sollte man Waren aus den Booten vom Fleet hinauf zu den Lagerböden der Speicherhäuser bekommen. Obwohl sonst in der Speicherstadt damals keiner wohnen durfte – für die Wächter und anderes technisches Personal wurde eine Ausnahme gemacht. Es war vorteilhafter, sie direkt vor Ort zu wissen.
Heute wacht im Wasserschloss keiner mehr über Winden, aber über Tee oder über Sie. Das „Wasserschloss Speicherstadt“ besteht aus einer Gastronomie mit gleich angeschlossenem Fachgeschäft, in dem sich alles um
Tee dreht. Sie können also zunächst einkehren, später im Teekontor Sorten schnuppern und neue Ge-
schmacksrichtungen für daheim erstehen.
Haben Sie Kinder? Es könnte sein, dass Ihrem Nachwuchs das Wasserschloss schon ein Begriff ist. Es ist sehr bekannt, seit es in der beliebten Fernsehserie „Die Pfefferkörner“ vorkam.
Mir fällt gerade ein, was Sie in dem Schlösschen am Wasser auch tun könnten! Stilvoll heiraten! Sie müssten sich in dem Fall zwecks Terminabsprache mit dem Standesamt Hamburg-Mitte in Verbindung setzen.
Natürlich dürfen Sie sich auch das noch gut überlegen und müssen hier und jetzt keine übereilten Entschlüsse fassen. Während Sie in sich gehen, verabschiede ich mich für dieses Mal.
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Bis demnächst – vielleicht bei einer neuen Entdeckungstour.
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©by Michèle Legrand, Februar 2017
„Büschen Wind“
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 28/12/2016
Haben Sie das Weihnachtsfest gut verlebt? Ich hoffe, Sie hatten schöne Feiertage, solche entspannter Natur, so dass Ihnen Stress oder andere Unannehmlichkeiten weitestgehend erspart blieben.
Nachdem der Trubel vorbei und das Essen etwas gesackt ist, spräche doch nichts dagegen, sich hier erneut zusammenzufinden. Ich hätte Sie nach der vermehrten Sitzerei natürlich gern wieder zu einem Spaziergang abgeholt, doch glauben Sie mir, das Hamburger Wetter war bisher alles andere als empfehlenswert für einen Aufenthalt im Freien. Sturm, Regen und Hochwasser wurden uns um Weihnachten herum kredenzt.
Obwohl Hamburger – mit ihrem leichten Faible fürs Understatement – eher von einem büschen (bisschen) Wind und erhöhter Feuchtigkeit sprechen. Ich sage, es hat ordentlich gebrist, dazu gab es ausgiebig Sprühregen, am zweiten Feiertag abends örtlich obendrein Hagel, der Blitzeis auslöste. Nicht so fein. Genauso wenig wie umge-
stürzte Bäume und herumfliegende Gegenstände. Und dann die Elbe!
Dazu fällt mir gerade etwas ein …
Ein ehemaliger Kollege war Leiter der Speditionsabteilung meiner damaligen Firma. Er war einer dieser wetterfesten Althamburger. Jobbedingt musste er recht häufig vom Büro an der Außenalster hinüber in den Hafen zu Speditionen und anderen Betrieben, zu Lagerhallen und Schuppen oder, wenn wir Ware erwarteten bzw. verluden, auch direkt bis an die Pier zu den Containerschiffen. Ein alter Fuchs wie er war natürlich mit den Gezeiten vertraut und wusste, was Sturm an der Elbe, einem mit der rauen Nordsee verbundenen Fluss, bedeutet. So einem war klar, dass man bei Hochwasser fix aufpassen musste, wo im Hafenareal noch ein Durchkommen war und vor allem, wo man bei angesetzten Terminen vor Ort zwischenzeitlich sein Auto ab-
stellen konnte und wo tunlichst nicht.
Wer nicht gerade ein Amphibienfahrzeug besitzt, hat nämlich sonst ganz schnell das Nachsehen.
Es ging auch alles gut bis zu dem Tag, an dem er nach einem Vertragsabschluss zum Feiern mit Geschäfts-
partnern am Hafenrand, unten in Altona an der Fischauktionshalle, unterwegs war und seinen ziemlich neuen BMW dort parkte. Völlig sorglos, da sich kaum ein Lüftchen regte, geschweige denn eine Sturmflutwarnung verbreitet worden wäre.
Man feierte bei einem Essen auf Partnerseite die zu erwartenden großen Ladungsmengen bzw. auf unserer Seite vorteilhafte Sonderkonditionen für alle Frachtraten, zog spätabends zu Fuß weiter, versackte in einer Kneipe auf St. Pauli und becherte ganz erheblich – wie das seinerzeit branchenüblich war. Der Morgen dämmerte bereits, als der Kollege sich von einem Taxi nach Hause chauffieren ließ. Vernünftig nach all dem Alkoholkonsum, und das eigene Auto lässt sich schließlich auch im Tagesverlauf noch einsammeln.
Nicht so reaktionsschnell wie sonst, fiel ihm im angeduselten Zustand überhaupt nicht auf, dass über Nacht ein frisches Windchen aufgekommen war. Eines, das der Sturmflutwarndienst des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie so nicht auf dem Schirm gehabt hatte. Später hieß es, man hätte es schwächer und wesentlich weiter nordöstlich vorbeiziehend erwartet. Dieses „büschen Wind“ erreichte jedoch selbst in Stadtnähe in Böen Orkanstärke, was wiederum zur Folge hatte, dass das auflaufende Hochwasser mit Macht hereingedrückt wurde und in Altona an der Fischauktionshalle Land unter herrschte. Die Elbe trat im Schwall über die Kaimauer, noch bevor überhaupt der Höchststand der Flut erreicht worden war.
Es ist jedes Mal aufs Neue erstaunlich, wie sich Wasser seinen Weg sucht, wie schnell es sich durchfrisst, ausbreitet und dabei der Wasserspiegel innerhalb weniger Minuten massiv steigt …
Für die Fischauktionshalle selbst ist das Hochwasser kein Drama. Dort ist es bereits eingeplant. Man öffnet sogar die Tore, damit das Wasser gut wieder ablaufen kann. Aber für alles drum herum bedeutet es heute genauso wie früher: Was nicht niet- und nagelfest ist, wird getunkt, getränkt und mitgeschleift, und nicht rechtzeitig entfernte Autos in Kainähe gehen nach kurzer Zeit auf leichte Tauchstation. Heute wie damals.
Wie es mit dem Kollegen weiterging? Am nächsten Morgen vermissten die Mitarbeiter der Speditionsabteilung zunächst ihren Chef, nahmen angesichts des Vertragsabschlusses und des intensiven „Anstoßens“ jedoch an, er wäre verkatert und käme deshalb etwas später. Mittags hielt ein weißer R4 vor der Firma. Sein Sohn lieferte ihn am Büro ab.
Es stellte sich heraus, dass der Nachtschwärmer daheim im Halbschlaf das Heulen des Windes und das Rütteln an den Fenstern mitbekommen und kurz darauf im Radio von der Sturmflut bzw. der Situation im Hafen gehört hatte. In böser Vorahnung war er mit seinem Sohn als Chauffeur zur Fischauktionshalle geeilt. Wasser stand dort nicht. Nicht mehr. So schnell wie es aufläuft, läuft es häufig auch wieder ab. Allerdings stand dort auch kein Auto mehr. Kostenpflichtig abtransportiert, wie er kurz darauf von der Polizei erfuhr. Es hatte nachts eigenmächtig seine Position verändert und gefährdete den Verkehr. Die Spuren am Auto zeigten, dass das Wasser bis mindestens Oberkante Radkasten gestanden hatte und teilweise hineingelaufen war – an Stellen, die besser kein Wasser abbekommen hätten.
Inzwischen befand sich der BMW erneut auf einem Abschleppwagen und auf dem Weg zu einer Werkstatt. Die Laune seines Besitzers fiel eine ganze Weile entsprechend grottig aus. Die Stimmung besserte sich erst, als das Auto aus der Reparatur zurückkam, wieder einsatzfähig war und langsam Gras über die Sache wuchs.
Nur von Zeit zu Zeit, wenn der Abteilungschef wieder zu Terminen Richtung Hafen aufbrach, konnte es sich mancher nicht verkneifen, mit unschuldigem Blick und den Worten „Büschen windig, oder?“ alte Wunden wieder aufzureißen.
Sturmflut in Hamburg. Überflutete Bereiche im Hafengebiet. Verschwundene Straßen, einsam aus dem Wasser ragende Laternenpfähle oder die Oberkanten von Sitzbanklehnen als einzige noch herausragende Teile und sichtbare Beweise ihrer Existenz. Umgekippte Mülltonnen, herumfliegende Gegenstände, im Wasser treibende Teile. Sprühregen, den der Wind waagerecht heranpeitschen lässt. Sie haben vielleicht entsprechende Aufnahmen gesehen. Alles büschen feucht …
Im Moment wird gerade wieder diskutiert, ob zu spät vor dem Hochwasser am zweiten Feiertag gewarnt wurde, denn die Sturmflutwarnung kam erst in der Nacht, als die meisten bereits schliefen, also nichts mehr hätten in Sicherheit bringen oder eventuell zusätzlich hätten schützen können. Auf der anderen Seite kam es selbst für Spätheimkehrer nicht mehr rechtzeitig genug; sie wurden von der Heftigkeit der Sturmflut und den überfluteten Straßen größtenteils überrascht.
Zum Zeitpunkt der Nachricht und Warnung war der Höchststand jedenfalls schon fast erreicht, und der Fischmarkt optisch bereits ein Swimmingpool.
Es ist offenbar gar nicht so leicht, den richtigen Zeitpunkt für die Verbreitung einer Warnmeldung zu finden. Vor einiger Zeit wurde massiv und mit überreichlichem Vorlauf vor einer erwarteten, schweren Sturmflut gewarnt, nur trat sie später in dieser Form nicht ein. Die angekündigten Pegelstände wurden bei weitem nicht erreicht. Schon wurde gemeckert. Was die Aufregung und unnütze Panikmacherei solle.
Zu Weihnachten hingegen hatte man stürmische Winde an der Küste erwähnt und auf dadurch etwas höher ausfallendes Hochwasser hingewiesen. Nun entpuppte sich das „büschen Wind“ als mächtiger als vermutet. Sie werden es ahnen – nun wird gemosert, dass „nie“ jemand was sagt.
Und die Fachleute selbst äußern dazu, sie wollten vermeiden, zu oft und zu früh zu warnen, weil sie dadurch im Fall der Fälle keiner mehr ernst nehmen würde …
Stimmt alles, doch lieber einmal zu oft oder letztendlich unnötig gewarnt, als gar nicht und es passiert durch Unwissenheit ein Unglück. Oder wie sehen Sie die Sache?
Bei Sturm und Regen war mir nicht so sehr danach ins Hochwassergebiet zu marschieren, nur um Fotos mitzubringen. Ich habe in meinem Archiv gekramt und zeige Ihnen stattdessen, wie es an der Fischauktionshalle aussieht, wenn es trocken und sturmfrei ist. Die 120 Jahre alte Halle ist nämlich ein sehr schöner Bau, der nach der Restaurierung 1984 zu Recht unter Denkmalschutz gestellt wurde.
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Haben Sie gesehen? Draußen vor der Halle macht gerade eine Gruppe von weißbemützten Köchen Pause, bevor die Verköstigung der Gäste drinnen weitergeht …
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Sie können auf den nächsten Aufnahmen erkennen, wo Autos üblicherweise geparkt werden. Hinter der Fischauktionshalle verläuft die Große Elbstraße …
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Hamburg – Altona – Große Elbstraße (Im Hintergrund die Fischauktionshalle)
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… und etwas weiter rechts (Foto unten), von der Halle aus gesehen, findet am Sonntag in der Früh stets der traditionelle Altonaer Fischmarkt statt.
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All diese Bereiche stehen bei Sturmflut komplett unter Wasser …
Der erwähnte Kollege hat natürlich nie wieder dort unten geparkt. Einmal Überflutung, nasser BMW und Reparaturkosten haben ihm gereicht. Geben auch Sie acht, wo Sie ihre Habseligkeiten abstellen, falls Sie einmal in Hamburg an der Elbe unterwegs sind und so ein büschen Wind weht. Auch am Elbstrand!
So wie die Flut an der Nordsee nach der Ebbe enorm schnell große und eben noch trockene Wattbereiche wieder für sich einnimmt, so macht sich hier der Fluss notfalls breit und erobert sich das Land dazu. Wasser
ist unberechenbar …
Ich schaue gerade aus dem Fenster … Ich möchte nicht euphorisch wirken, schon gar nicht zu früh, doch es scheint tatsächlich so, als würde sich das Wetter endlich bessern. Ein Spaziergang rückt somit in greifbare Nähe. Sie werden schon sehen, das wird hier alles penibel nachgeholt …
Haben Sie jedoch erst einmal eine schöne Zeit zwischen den Jahren und kommen Sie gut in das neue Jahr hinein. Wäre es nicht traumhaft, wenn 2017 positiver und friedlicher ausfallen würde als 2016?
Ach, kommen Sie, träumen und hoffen darf man doch …
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© by Michèle Legrand, Dezember 2016
HafenCity / Hamburg: Wo ein Teppich kein Teppich und ein Pilz kein Pilz ist …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Hamburg, Hamburgs Elbe (Entlang des Flusses/Hafenbereich) am 06/10/2016
Falls Sie gerade Lust auf Elbluft verspüren und mitkommen möchten, würde ich Sie heute gern Richtung HafenCity Hamburg ziehen und Ihnen dort nebenbei etwas ganz speziell Herausgepicktes vorstellen.
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Hamburg – Hafen – Blick vom Baumwall Richtung Elbphilharmonie und Kehrwiederspitze
Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, bei HafenCity allein an den sich neu entwickelnden Hamburger Stadtteil
zu denken, der an vielen Stellen nicht nur modern wirkt, sondern einen überaus futuristischen Charakter hat. Die alten Speichergebäude an den Fleeten zählen verwaltungstechnisch ebenfalls zur HafenCity! Vielleicht erinnern Sie sich noch an einen früheren Beitrag, in dem es um die Kontraste ging, die dort besonders zutage treten, wo die markanten roten Backsteinbauten Hamburgs denkmalgeschützter Speicherstadt direkt an die modernen Häuser der neuen HafenCity angrenzen. Auf der einen Seite die alten Bauten, die alte Zeit – gegenüber die gläserne, die neue Welt.

Hamburg – HafenCity – Wilhelminenbrücke und Kehrwiederspitze
Könnten Sie sich etwas vorstellen, was – diese besondere Situation berücksichtigend – einen Anknüpfungs-
punkt darstellen würde? Was einen Übergang oder ein optisches Bindeglied bildete, eine Art Brücke von Alt zu Neu? Bedenken Sie dabei, dass Hamburg ein überaus bedeutender Handelsumschlagsplatz für Orientteppiche ist. Nun?
Eine Brücke bilden … Teppichbrücke? Läufer? Etwas Begehbares? Ein begehbares Bindeglied?
Aus einer solchen Grundidee entstand ein Kunstwerk im öffentlichen Raum. Die Körber-Stiftung, die ihren Sitz
in der Hafencity am Kehrwiederfleet hat, beauftragte den Steinmetz und Bildhauer Frank Raendchen, einen Orientteppich mehr oder weniger vor ihrer Haustür zu erstellen. Er schmückt seit 2005 auf der einen Seite der Wilhelminenbrücke deren Fußgängerweg, und passenderweise verbindet genau diese Brücke das Alte (City) mit dem Neuen (HafenCity).
Wenn Ihr Läufer zu Hause aus Wolle geknüpft ist und respektable zwei oder gar drei Meter Länge vorweisen kann, so ist das Grundmaterial des Brückenteppichs Stein, und er besitzt „unwesentlich“ größere Ausmaße: Diese Brücke misst 27,5 m in der Länge, ist 2,45 m breit und ca. 5 cm hoch.

Hamburg – HafenCity – Steinerner Orientteppich auf der Wilhelminenbrücke
Seine typisch orientalischen Ornamente wurden mit Hilfe eines farbigen Natursteingranulats (Quarz, Granit
und Marmor) geformt, das von Frank Raendchen und zwölf Helfern in wochenlanger Arbeit „krümelgenau“ ausgebracht und zum Schluss mit einem Kunstharz versiegelt wurde. Selbst Teppichfransen wurden nicht vergessen!

Hamburg – HafenCity – … auch Fransen besitzt der Steinerne Orientteppich
Diese besondere Herstellungsweise sollte Langlebigkeit und Resistenz gegen die üblichen Einflüsse von außen garantieren. Hitze, Kälte, raue Sohlen, spitze Absätze … Nur stand dem Teppich gleich nach dem „Auslegen“ eine besonders harte Belastungsprobe bevor, als während der Umzugsarbeiten des Hanseatic Trade Centres (2005/2006) reichlich Betrieb und Rangiererei auch auf der Brücke herrschte und dort sogar mit Genehmigung eine Entladezone eingerichtet wurde.
Infolgedessen bröselte es bereits ein halbes Jahr nach Fertigstellung und Teile des Teppichs platzten ab. Die ersten Notausbesserungen standen an. So blieb es, und die Jahre vergingen. Wenn Sie daheim ihren Teppich nie ausklopfen, säubern oder auf sonstige Art pflegen, wissen Sie, wie er nach einigen Jahren aussieht. Der Flor ist platt, ein paar Fransen hat es erwischt, die Farben verblassen.
Dem steinernen Teppich erging es nicht anders. Man nahm ihn dadurch zuletzt relativ spät wahr, nämlich erst, wenn man unmittelbar vor der Brücke und somit direkt vor seinem Anfang oder Ende stand. Ich hatte seine Existenz dadurch fast vergessen, zumal bei Besuchsanlässen wie z. B. dem Hafengeburtstag, exakt dort häufig Buden und Stände aufgebaut wurden, die die Sicht auf ihn versperrten.
Im letzten August (2016), also zehn Jahre nach den Ausbesserungen, wurde er komplett restauriert. Nun sieht er wieder sehr präsentabel aus, und das Muster tritt kräftig hervor.
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Hamburg – HafenCity – Steinerner Orientteppich nach der Restaurierung
Wenn Sie bitte einmal Ihren Blick auf das folgende Foto richten, so bemerken Sie ein Gebäude aus dem Jahre 1910. Neoromanischer Stil. Ein wenig burgähnlich, oder?
Das ist die historische Polizeiwache, in der heute das Revier 22 der Wasserschutzpolizei seinen Sitz hat und in dem auch die Mannschaft des Feuerlöschboots „Brandmeister Repsold“ anzutreffen ist. Wenn Ihnen selbst als Auswärtiger das Gebäude irgendwie bekannt vorkommt, dann vielleicht durch eine Vorabendserie im Fernsehen. Für den „Notruf Hafenkante“ und sein Filmpolizeikommissariat 21 werden die Außenaufnahmen hier gedreht.
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Hamburg – HafenCity – Kehrwiederspitze mit der Historischen Polizeiwache
Seitdem der westliche Teil der neuen HafenCity fertiggestellt ist, dort keine Baukräne mehr stehen, Bauzäune verschwanden, etwas Grün aufblitzt und vor allem Leben eingezogen ist, macht es Vergnügen, am Dalmannkai direkt entlang des Grasbrookhafens …
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Hamburg – HafenCity – Dalmannkai am Grasbrookhafen, im Hintergrund das Unilever-Haus
… vorbei am Vasco-da-Gama-Platz Richtung Marco-Polo-Terrassen am Unilever-Haus und weiter zum Überseequartier oder zum Kreuzfahrtterminal zu spazieren.
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Hamburg – HafenCity – Vasco-da-Gama-Platz
Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten, direkt am Wasser einzukehren und dabei draußen zu sitzen oder aber, man lässt sich am Unilever Haus einfach auf den flach auslaufenden Marco-Polo-Terrassen neben einer Sumpfzypresse nieder und schaut über das Wasser.
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Hamburg – HafenCity – Blick von den Marco-Polo-Terrassen am Unilever-Haus zurück Richtung Elbphilharmonie

Hamburg – HafenCity – Gesundes Elbwasser? Auf jeden Fall treibt hier frisches Grün aus ….

Hamburg – HafenCity – Zentrum „Überseeboulevard“
Dringen Sie östlicher vor, landen Sie unweigerlich irgendwann im Baustellenbereich. Für sich gesehen durchaus interessant, allerdings nicht unbedingt als hübsch zu bezeichnen. Ich habe jedoch etwas durch einen Metallgitterzaun hindurch in der Entfernung an der Spitze des Baakenhöfts erspäht, und das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Sehen Sie das weiße, pilzähnliche Bauwerk etwas von der Mitte aus rechts?
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Hamburg – HafenCity – Das östliche Gebiet ist Baustellenbereich – Rechts zu erkennen der Wohnleuchtturm „Lighthouse Zero“
Das ist der Prototyp eines Wohnleuchtturms. Bauherr Arne Weber (vom Bauunternehmen HC HAGEMANN) entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro BIWERMAU Architekten BDA sein „Lighthouse Zero“. Mitte letzten Jahres erfolgte der Baubeginn, für Dezember 2015 war die Einweihung avisiert.
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Hamburg – HafenCity – Baakenhöft – „Lighthouse Zero“
Was aus der Distanz etwas niedriger und eher verhalten imposant wirkt, ist in Wirklichkeit ein 20 m hoher Betonschaft, auf dem sich eine Plattform mit beachtlichen 230 qm Wohnfläche sowie darüber ein 150 qm
großer Dachgarten befinden.
Seit der Fertigstellung können Interessenten diesen ungewöhnlichen Wohnturm nun real begutachten, das Wohngefühl testen, und was die Suche nach geeigneten weiteren Standorten angeht, so kümmert man sich bereits von Unternehmerseite aus darum. Falls Sie sich fragen, wie Sie hinauf in Ihre Wohnung gelangen, so gibt es entweder die Möglichkeit, dass ein gläserner Aufzug Sie hochfährt oder – eher für den Typ sport-
licher Hausbesitzer, der auch keine ultraschweren Möbellieferungen oder Konzertflügel erwartet – die Treppenvariante, die sich dann in der Spannbetonröhre befindet.
Der Vorteil des Ganzen:
Sie benötigen extrem wenig Grundfläche, können Ihren robusten Pilzstiel unterpflanzen, haben oben ungestörten Ausblick in alle Himmelsrichtungen und ein lichtdurchflutetes Zuhause.
Der Nachteil:
Es wird teuer. Der Focus sprach in einem Artikel seinerzeit davon, dass die Errichtung eines Lighthouses
etwa zwei Millionen Euro kostet …
Sie können es sich ja noch ein bisschen überlegen. Sie sollten nur ein paar Euro Reserve einplanen, denn
a) ist das Grundstück wahrscheinlich noch nicht mit dabei und
b) wissen Sie, weißer Beton bleibt nicht weiß.
Der Witterung ausgesetzt, wirkt er bald schmuddelig – was dem Ganzen etwas Trostloses verleiht. Ich würde
mir also ebenfalls darüber Gedanken machen, wie Sie ihr neues Heim, speziell die Betonröhre, von außen persönlich gestalten und diesen „Used-Look“ vermeiden. Gönnen Sie Ihrem Leuchtturm doch die typischen, lebhaften rot-weißen Ringe, im Sockelbereich ergänzt durch einige Felsbrockenmotive und Wellengangszenen.
Was halten Sie denn von der Idee, die Sache mit dem optischen Bindeglied von vorhin auch hier aufzugreifen? Da Ihr zukünftiges Heim so überaus futuristisch daherkommt und massiv an Raumfahrt und Weltall erinnert, gäbe es einerseits die Möglichkeit, die Betonröhre vollkommen schwarz zu streichen. Schalteten Sie in diesem Fall abends oben rundherum in all den Räumen mit ihren Glasfronten großzügig Licht an, hätten Sie optisch anstelle einer Plattform plötzlich ein schwebendes Ufo. Das tragende Element schiene verschwunden …
Alternativ könnte der Schaft im ersten Drittel eine Startrampenillusion für Ihre fliegende Untertasse erhalten, während es nach oben hin überginge in eine Art Milchstraße. Sterne und leichte Andromedanebel auf dunklem Grund …
Als Trompe–l‚œil ließen sich natürlich genauso unechte Fenster und angebliche Durchblicke realisieren …
Oder etwas komplett anderes!
Eine aufgemalte Strickleiter! Ein sich öffnender Reißverschluss, ein Kettenkarussell! Wenn Sie sich spendabel zeigen, ließe sich sicher die Plattform gleich von vornherein als Drehbühne anlegen …
Wir sind ein wenig vom Thema HafenCity abgekommen, oder? Der Part der Blogbezeichnung, der von Gedanken(sprüngen) handelt, macht seinem Namen heute wieder alle Ehre. Ein Gedankengehopse, als
wären Sprungfedern unter den Füßen … Lassen Sie uns zurückgehen. Es soll für heute auch reichen.
Ich verabschiede mich von Ihnen diesmal an der U-Bahn-Station Baumwall und lasse Sie mit Ihren ureigensten Assoziationen zu Steinteppichen, pilzähnlichen Leuchttürmen o. a. allein. Hecken Sie ruhig aus, wonach Ihnen der Sinn steht, und für gute Vorschläge habe ich natürlich ein weit geöffnetes Ohr!

Hamburg – U-Bahn-Station Baumwall am Hafen
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Machen Sie es gut und bis demnächst!
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© by Michèle Legrand, Oktober 2016