Archiv für die Kategorie Auf Entdeckung … in Leipzig
Geflügelplatte …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 19/08/2013
Was ist das?
Richtig. Eine Geflügelplatte.
Und dies?
Genau. Ein Auflauf.
Es scheint so, als seien wir im Küchen- und Kochbereich.
Doch nichts da! Achtung!
In dieser Art könnte es in den nächsten Tagen im Blog weitergehen. Es gibt neue Ostseeküsten-Streifzüge, aber heißt das automatisch, wir sind im anstrengenden Aufpass-Lern-Bereich oder im ermüdenden Herumstuffel-Modus?
Nein!
Sie haben es dabei überaus bequem, und ich tendiere stark dazu, Sie nicht zum Einschlafen zu animieren! Schauen Sie also gern herein, denn neue Teile der Serie „Meer, Sonne, Strand …“ gehen demnächst online und viele Fotos werden dabeisein. Und so wie Sie oben eine lebendige Variante der Geflügelplatte erhalten, so dürfte das Sightseeing auch eher etwas lebhafter ausfallen.
Leipziger Allerlei: Teil 7 – Leipzig ist … wenn man Grün sieht
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 11/04/2012
Heute der vorerst letzte Part dieser kleinen Blogserie, bei dem ich Sie/euch wieder mitnehme auf meinen Spaziergängen durch das sächsische Leipzig.
Leipzig, Hamburg, London, Stockholm … Was haben diese (und weitere) Städte gemeinsam? Was macht sie zu besonders liebens- und lebenswerten Städten?
Sie haben etwas gemeinsam?
Vielleicht taucht diese erstaunte Frage eigenmächtig auf.
Diese grundverschiedenen Städte?
Sie unterscheiden sich doch erheblich hinsichtlich Größe und Einwohnerzahl. Die Zeit der Entstehung und der geschichtliche Hintergrund weichen voneinander ab, ihre Entwicklung verlief folglich nicht konform. Wenn nun sogar Kultur, Regierung, Sprache, Sozialsystem, Währung, Fahrgebote (rechts/links) etc. differieren, was ist ihnen bloß gemein?
Diese Städte sind trotz unterschiedlicher Gründungsdaten und Lage historische, gewachsene Städte. Sie besitzen Bauten aus verschiedenen Epochen, weiteten sich mit zunehmender Bevölkerungszahl Stück für Stück auf umliegendes Gebiet aus und haben eines geschafft: die Stadtväter sind früher oder später darauf gekommen, sich um ihren vorhandenen Schatz (insbesondere den Gebäudebestand) zu kümmern. Ihn zu sanieren, zu pflegen, zu schützen, hervorzuheben und zu versuchen – durchaus mit unterschiedlich glücklichem Händchen – Neues gut zu integrieren. Jede der Städte mag andere Schwerpunkte haben, auch unterschiedlich geartete „Altlasten“, denen man sich widmen muss. Doch jede geht es auf ihre Weise an und bleibt am Ball. Die Resultate können sich durchaus sehen lassen!
Es gibt jedoch noch ein weiteres Merkmal, das ihnen gemein ist: es sind ausgesprochen grüne Städte!
Grün wirklich auf die Umwelt und den Zustand sowie den Anteil Natur bezogen, nicht als Information zur politischen Prägung oder als Garantie für extrem und ständig vorhandenen Ökosinn. Der entwickelt sich leider immer noch (wie allerorten) recht zögerlich, manchmal halbherzig oder unzuverlässig. Immer dann, wenn Wirtschaftsinteressen und ökologische Anliegen aufeinandertreffen und sich nicht optimal verbinden lassen. Wenn es um die Beurteilung von Preis, jedoch auch Wert bzw. Auswirkung einer Maßnahme geht und die Ansichten auseinanderklaffen …
Grüne Stadt Leipzig. Wer im März mitten auf dem Augustusplatz ausgesetzt wird, fragt unter Umständen skeptisch:
Grün? Und wo jetzt?
Das Gleiche fragt ein Tourist in London am Trafalgar Square oder in Hamburg auf den Magellan Terrassen der neu gestalteten Hafencity. Die wenigen noch unbelaubten Bäume fallen nicht besonders auf, doch nur ein paar Schritte weiter, um die nächste Ecke gebogen, sieht es häufig ganz anders aus. Wendet sich besagter Ausgesetzter vom Augustusplatz z. B. der Oper zu, spaziert an ihr vorbei, so entdeckt er nach wenigen Metern den dahinter im Grünen liegenden Schwanenteich, ein kleines Idyll mitten in der Stadt.
Wie läuft demnach der Hase, wenn man eine Stadt wirklich kennenlernen möchte?
Man schaut sich um. Überall. Möglichst zu Fuß.
Ich streife beim Besuch in einer fremden, aber auch in meiner eigenen Heimatstadt Hamburg, gern weiträumig umher. Immer der Nase nach – was den Stadtplan nicht überflüssig macht, ihn aber vorrangig beim Finden des Rückwegs zum Zuge kommen lässt. Ich schaue mir Häuser, Straßen, Museen, Passagen, Bahnhöfe, Hallen, Kirchen, Skulpturen etc. an. Ich nehme bewusst die Menschen einer Stadt wahr, achte auf Geräusche, Gerüche, Licht.
Nach meinem gerade in der Halle verbrachten Buchmessen- und einem weiteren City-Erkundungstag stellte ich fest, was ich eigentlich überall nach mehr oder weniger kurzer Zeit konstatiere: ich brauche Ausgleich!
Erholung vom Aufenthalt in Kunstlicht-Räumen, Erholung vom Laufen auf den Steinplatten der City, Erholung vom Gewühl, Erholung vom Verkehrslärm. Ich benötige frische Luft – und neben den vielen Mitmenschen, die sich als Touristen diese Stadt ansehen – bitte auch ein paar Menschen, die hier leben. Einheimische. Sie – und die grünen Oasen einer Stadt – sind die besonderen Punkte ganz weit oben auf meiner imaginären Kennenlernliste. Ich sehne mich sehr schnell nach „normalen“ Orten, solchen, an denen sich Menschen aufhalten, die einfach auch nur draußen sein, sich entspannen und Freude an der Natur haben möchten.
Wie grün Leipzig wirklich ist, sah ich das erste Mal zu Herbstbeginn, als ich im Regen und windzerzaust auf der Aussichtsplattform des Panorama-Towers stand. Das zweite Mal in einem späten Frühjahr und von der Sonne beschienen beim Blick vom Völkerschlachtdenkmal in die Ferne. Ich empfehle jedem, sich auf diese oder ähnliche Art einen Überblick über die Ausmaße, den Aufbau und die Struktur einer Stadt zu verschaffen.
Es scheint sich ein grüner Streifen durch Leipzig zu ziehen, der im Norden beginnt und sich bis in den Süden streckt, dorthin, wo mittlerweile die neuen (gefluteten) Seen entstanden sind. Es heißt, beinahe ein Drittel der Stadtfläche Leipzigs sei grün. Diese Angabe erscheint realistisch. Allein der zur Naherholung in und um die Stadt befindliche Auenwald (den ich bereits im Teil 3 des Leipziger Allerleis erwähnte), ist einer der größten seiner Art. Der Baumbestand nimmt etwa eine Fläche von 1.800 ha ein. Hier gelten strenge Naturschutzauflagen.
Wie auch in den anfangs erwähnten anderen Städten, gibt es in Leipzig zahlreiche Parks, die die Bebauung unterbrechen, Straßenlärm verbannen und für Luftverbesserung sorgen. Man findet zudem überall kleinere grüne Inseln, die Wohngebäude voneinander trennen, kleine Heckenreihen und Strauchgruppen – fast wie Knicks – aus denen Vogelgezwitscher, besonders das Tschilpen der Spatzen, ertönt. Sie sind typisch für Leipzig, und inzwischen warte ich bei jedem erneuten Besuch nach dem Eintreffen sehnsüchtig auf die ersten Spatzenlaute. Erst dann ist alles komplett.
All diese Naturecken, diese kleinen und großen Bereiche sind erholsam. Sie sind es für Auge, Ohr, Nase und Gemüt. Sie verbessern innerorts bzw. innerstädtisch das Kleinklima, fördern und begünstigen das Ansiedeln diverser Tier- und Pflanzenarten. Sie sind für das Wohlbefinden der Bewohner und auch der Gäste unbezahlbar, und in Kombination mit dem vorhandenen Wasser sind sie ein unschlagbares Duo.
Doch, es gibt Wasser!
Im Stadtgebiet bilden die Weiße Elster, Parthe und Pleiße gemeinsam ein Netz von ca. 84 km Länge. Hinzu kommen die Verzweigungen, Bäche und Gräben, die noch einmal ca. 90 km ausmachen. Das Flutbecken der Elster ist ein sehr beliebter Wassersportplatz. Leipziger Wassersportler nutzen es speziell für Kanu, Kajak und fürs Rudern. Ganz in der Nähe des Teilungswehres befindet sich sogar eine Slalom-Übungsstrecke.
Meinen letzten Tag verbrachte ich ab zeitigem Mittag ausschließlich im Grünen. Es war der Dienstag, dessen Vormittag mit meiner Demo-Vermutung (im Endeffekt war es der 800-Jahre-Thomaner Festakt) begann. Von der Thomaskirche führte mich mein Weg in Richtung Rosental, einem der weit ausgedehnten Parks, dessen eine Seite direkt an den Leipziger Zoo angrenzt.
Ein Phänomen: Egal, wie ich auch meinen Weg beginne, ich komme irgendwann immer dorthin!
Was ist so anziehend?
Ich glaube, es ist der Kontrast. Diese Ausmaße der Wiesen! Einerseits sind sie eingerahmt durch dichtes Waldgebiet, andererseits wird ein unbeschreibliches Gefühl von Weite vermittelt, da die Grasfläche nur ganz selten von einzelnen Baumriesen unterbrochen wird. Jetzt im März – noch ohne Belaubung – fällt besonders auf, dass im Park bei der ursprünglichen Anlage auf die Einrichtung von Sichtachsen geachtet wurde. Eigentlich wollte sich August der Starke hier ein Lustschloss bauen, doch die Leipziger fanden die Idee nicht so umwerfend und konnten es abbiegen. Obwohl sich die Anlage seitdem vom Barockstil entfernt und zu einem Landschaftsgarten entwickelt hat, sind die für den Bau eingeplanten sechs Sichtschneisen heute noch zu finden.
Ich wanderte daher eine ganze Weile quer über die Wiesen, um es von vielen Stellen aus zu testen.
Der zweite Magnet, der einen (und speziell mich) unweigerlich Richtung Rosental zieht, ist das Zooschaufenster, ein Punkt am Spazierweg, an dem die Möglichkeit gegeben ist, in den Zoo Einblick zu nehmen und ein Stück der weitläufigen Kiwara-Savanne zu sehen. Dort leben die Giraffen, Zebras, Antilopen, Strauße und weitere andere afrikanische Tiere. Zum Weg hin abgetrennt ist das Terrain auf eine sehr natürliche Art und Weise, nämlich durch Wasser, Schilf und Sträucher.
Als Besucher Leipzigs, der schon zu verschiedenen Jahreszeiten am Zooschaufenster stand, habe ich im letzten September bedauert, dass es fast zugewachsen war. Das Schilf hoch aufgerichtet, die Sträucher am Weg ebenso. Im Vergleich zum Frühjahr und dem Vorjahr, fiel der Blick auf die Tiere nun sehr schwer. Nur ein paar Giraffenhälse überragten noch die wippenden Enden des Schilfrohrs. Ich erfuhr damals von Leipzigern, dass sich eine Initiative gegründet hatte, die mit dem Zoo Kontakt aufnahm und Unterschriftenlisten präsentierte, um zu erreichen, dass vom Schaufenster mehr bleibt als dieses arg kleine Mauseloch. Der Erfolg war anfangs nur mäßig. Zwar demonstrierte man ein gewisses Verständnis, hielt aber auch hin durch Vertrösten und Hinauszögern u. a. mit der Begründung, die Tiere müssten vor den Menschen geschützt werden. Es wären flüchtende Tiere, die, wenn sie erschreckt würden, leicht panisch reagierten.
Nur frage ich mich, warum diese Tiere die Mengen von offiziellen Besuchern jeden Tag auf der einen Seite verknusen können und als gefahrlos empfinden, derweil die nicht zahlenden, viel weiter ab stehenden paar Gäste auf der anderen Seite ihnen Unbehagen bereiten …?
Meine Überraschung war dementsprechend groß, als ich dieses Mal dort eintraf.
Mir präsentierte sich ein Zooschaufenster im Breitbildformat!
Sämtliches Schilf am Wassergraben wurde bis zum Boden zurückgeschnitten, die angrenzenden Sträucher gekappt bzw. ausgelichtet.

Blick vom Rosental hinüber in den Leipziger Zoo. Das Schilf am Ufer wurde großflächig zurückgeschnitten – Das Zooschaufenster hat dadurch momentan Breitwandformat
Nach einem Spaziergang im Wald (dort blühten bereits Sternmiere und Lungenkraut) und später Richtung Gohlis und dem Gohliser Schlösschen, führte der Weg am Haupteingang des Zoos und der Gondwana-Halle vorbei wieder in Richtung Stadt.
Während sich Zoo und Rosental im Zentrum Nord-West befinden, ist die andere und größte Leipziger Parkanlage im Zentrum-Süd (südwestlich vom Stadtzentrum). Dort befindet sich der Clara-Zetkin-Park, dessen Fläche ca. 125 Hektar beträgt und den nördlichen und südlichen Teil des Auenwaldes verbindet.
Der Clara-Zetkin-Park entstand Mitte der 50er Jahre durch einen Zusammenschluss von Scheibenholzpark, Johannapark, Albertpark und Palmengarten. Seitdem hat sich einiges getan, denn nach und nach wurden dort Kultur- und Sportanlagen integriert. Es vollzog sich bereits zu einer Zeit, in der so etwas noch nicht überall selbstverständlich war, und daher hatte diese Parkgestaltung durchaus Vorbildcharakter für andere Großanlagen. Die Rennbahn im Scheibenholzteil des Parks, die schon seit 1867 existiert, gibt es weiterhin, dazu entstanden Bauten wie Freilichtbühne und Parkcafé, es erfolgte die Anlage der Dahlienterrasse und die des großen Spielplatzes mit Imbisspavillon. Des Weiteren gibt es das Schachzentrum, einen Musikpavillon, das Glashaus im Clarapark (Biergarten) und eine Inliner-Strecke, die rege genutzt wird. Oben erwähnte ich bereits das Elsterflutbecken, dessen Wasser mitten durch diesen Park fließt und seine Nutzung für den Wassersport.
Mein Weg zum Clara-Zetkin-Park führte diesmal über einen kleinen Umweg Richtung Bundesverwaltungsgericht. Vor diesem beeindruckenden Bauwerk bog ich in die Wächterstraße ab und passierte das schwer bewachte amerikanische Generalkonsulat. Die Straße trifft am Ende in einem Bogen mit der Beethovenstraße zusammen und stößt auf den Kreisel an der Karl-Tauchnitz-Straße. Dort gibt es mit der Anton-Bruckner-Allee einen großzügigen Zugang zu dem Bereich, der sich früher König-Albert-Park nannte und die größte Teilfläche im Clara-Zetkin-Park einnimmt (ca. 30 ha).
Man stößt gleich zu Beginn auf eine ovale Teichanlage, an der sich zahlreiche Wasservögel aufhalten. Auch die irgendwann eingewanderten (ursprünglich aus Ostasien stammenden) Mandarinenten fand ich hier, als sie sich am Ufer ausruhten und von der Sonne ihr Gefieder trocknen ließen.
Es gibt offenbar eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen im Raum Leipzig, die ganz grob den Neozoen und Neophyten zugeordnet werden könnten. Das sind per Definition Tier- bzw. Pflanzenarten, die nach dem Jahr 1492 unter direkter oder indirekter Mitwirkung des Menschen in ein bestimmtes Gebiet gelangt sind, in dem sie vorher nicht heimisch waren und die jetzt dort wild leben. Mit einem älteren Herrn, der zusah, als ich die Enten fotografierte, kam ich darüber ins Gespräch. Er war zwar kein Fachmann, doch erzählte sofort, dass es Waschbären in Leipzig gäbe. So etwas hatte ich auch gelesen. Genauso wie es Vorkommen von Marderhund, Mink und Nutria geben soll. Der Mensch bekommt nur relativ selten etwas zu Gesicht. Sei es, weil es sich um scheue oder nachtaktive Tiere, ungewöhnliche Insektenarten oder kleine, unscheinbare Teichbewohner handelt. Vielleicht stoßen wir eher auf Pflanzen (wie z. B. das Springkraut, den Riesenbärenklau oder sogar Ambrosia), die schon durch ihre Immobilität, zum Teil auch Größe, leichter ins Auge fallen.
Bei einigen Lebewesen stellt sich hin und wieder wirklich die Frage: Was ist letztendlich (noch) fremd, was (schon) heimisch? Was ist noch harmlos (da höchstens invasiv) für die ursprünglich beheimatete Flora und Fauna, was schon bedrohlich (invasorisch)?
Etwas beeindruckt mich: Tierarten, die einmal heimisch waren, aber aus ihrem Lebensgebiet verschwanden, kehren langsam zurück! Hier in Leipzig beispielsweise, lebt der Eisvogel heute wieder in Teilen des Auenwaldes: Ein schöne Entwicklung.
Ich treffe unterwegs auf viele Spaziergänger. Der Sonnenschein hat sie nach draußen gelockt und obwohl die Temperatur sich nur um 12°C bewegt, liegen, sitzen oder picknicken sie bereits auf dem Rasen des Parks.

Leipzig – Clara-Zetkin-Park – Erstes Weidengrün zu erahnen, doch auch ohne Laub wunderschön, ruhig und entspannend
Die Inline-Skater sind auf der superglatt asphaltierten (in diesem Bereich fahrzeugfreien) Anton-Bruckner-Allee unterwegs. Hier schnappe ich einige Gesprächsfetzen auf, die überhaupt nicht sächsisch klingen. Zugereiste – vielleicht Studenten, denn Leipzig ist als Universitätsstadt beliebt und hat viele Lernende, die aus anderen Bundesländern kommen.
Radfahrer sind stark vertreten. Jogger. Mütter oder ganze Familien mit Kinderwagen, Dreirad und Roller. Und wo treffen sie sich alle wieder?
Beim Eiswagen an der Sachsenbrücke, der dort seinen Stammplatz hat!
Das Eis ist heiß begehrt, selbst im März.
Auch ich habe mich angestellt. Vor mir ist ein junger Mann an der Reihe. Seine Bestellung lautet:
„Isch möscht zwee Gugeln. Aba im Bäscher, bidde …!“
Der Eisverkäufer wirkt nicht sächsisch sondern südländisch. Er sagt nichts, nickt lediglich, um seinen Kunden danach wieder fragend anzuschauen. Schließlich bleibt noch zu klären, welche Sorten er gern hätte.
„Och, isch nähm Schtrazziatella. Beede.“
Er bekommt das Gewünschte. Nun bin ich dran. Auch mich erhascht ein fragender Blick.
„Ich möchte gerne eine Kugel Vanille.“
„Ooch in eine Bäscher?“
Ich bin völlig perplex, dass er sächselt – mit italienischem Einschlag!
„Nein, für mich bitte in der Waffel.“
„Nu gloar …!“ Er reicht mir das Eis hinüber: „Prego!“
Das Eis schmeckt himmlisch.
Ich schaue mich um. Was nun? Ein interessantes Bild: Offenbar wird mit der kalten Trophäe danach – wie heimlich untereinander abgesprochen – auf der Sachsenbrücke pausiert. Die Nase Richtung Sonne, ein Schwätzchen mit dem Nachbarn, die Zungen wandern mit Hingabe an der Eiscreme entlang. Und während dieser Pause lehnen und liegen massenhaft Fahrräder auf oder an der Brücke, und höchst zufriedene Menschen sitzen auf dem Bordstein.
Auch ich geselle mich dazu.
„Mach’ mal Blatz, Lu-ga, damit die Lädi sisch ooch hinhoggen kann!“, ermahnt ein Vater seinen Sohn. Der rutscht sofort, ich „hogg“ mich daneben und strecke genüsslich die Beine aus.

Die Sachsenbrücke, die über das Elsterflutbett führt. Stammplatz des Eiswagens und Treffpunkt der Radler, Skater sowie Spaziergänger
An meiner Seite taucht eine fluchende Brünette auf, die sich offenbar kurz zuvor mit ihren Inline Skates hingelegt hat. Wortschatz und Tonfall lassen mich auf Herkunft Franken tippen. Das Knie ist etwas aufgeschlagen, blutet, aber nicht dramatisch. Sie war anscheinend ohne Schützer unterwegs und scheint nichts weiter dabei zu haben, was zur Verarztung taugt.
„Taschentuch?“, frage ich sie und halte die Tempos hin.
„Oh ja, gerne“, ist die Antwort. Sie heißt Sylvia und hat sich schnell wieder beruhigt. Sie stammt aus Nürnberg und lebt seit Herbst 2010 in Leipzig. Studentin. Sie ist von der Stadt und allem begeistert.
„Nee, es läuft prima. War eine gute Entscheidung. Man kann alles machen hier – auch erstklassig Inline Skates fahren. Also rein theoretisch, wenn man nicht hinfällt“, grinst sie und hat den Sturz schon fast wieder abgehakt.
Da ich nach drei Tagen Sachsen bereits gehäuft schwer infiziert in die lokale Mundart verfalle, frage ich sie, wie es bei ihr ist. Hat sie inzwischen den sächsischen Dialekt angenommen? Auf mich nur zufällig hochdeutsch reagiert?
„Ich unterscheide. Mit den Sachsen komme ich schon ins Sächseln, mit den anderen auswärtigen Studenten laufen die Gespräche eher hochdeutsch. Hochdeutsch ist wahrscheinlich unser gemeinsamer Nenner und am sichersten für alle zu verstehen. Aber wenn ich heimfahre zu Freunden, dann muss ich einfach frängisch babbeln.
„Und das mit der Trennung klappt anstandslos?“
„Klar, das funktioniert. Zumindest, wenn ich nach Nürnberg unterwegs bin. Dann switche ich während der Zugfahrt zuverlässig um.“
Wenn sie es sagt …
Ich stelle nur belustigt fest, wie zuverlässig und vollkommen automatisch die eigene Mundart durchkommt, sobald jemand aus einer starken Gefühlsregung heraus etwas von sich gibt. Wie sie vorhin. Geflucht wird halt doch in der „Muttersprache“…
Mein Eis ist verputzt und Sylvia zieht weiter ihre Bahnen. Für mich geht es am Elsterflussbett entlang zur nächsten Brücke, der Klingerbrücke.

Aus der Gründerzeit – Gerhardscher Pavillon (klassizistisch) Er wurde im vergangenen Jahr restauriert und besitzt ein neues Kupferdach, sowie einen sehr schönen blauen Himmel

Auch der Wassersport wird im März schon wieder betrieben … Elsterflutbett zwischen Sachsen- und Klingerbrücke.

Denkmal für C. Heine, im Hintergrund der Gerhardsche Pavillon. Dr. C. Heine (Karl) war Rechtsanwalt, Unternehmer und Industriepionier (1819-1899)
Von der Klingerbrücke aus schauend, befindet sich weiter nördlich als nächstes die Zeppelinbrücke. Zwischen diesen beiden Brücken liegt linkerhand der alte Palmengarten, der gar keine Palmen mehr hat.
Der Rückweg führt mich durch den schönen Johannapark mit seinem Teich und den idyllisch gelegenen, dunklen Holzbrücken Richtung Neues Rathaus (Pleißenburg).

Beim Blick zur zweiten Brücke dieser Art, zeigt sich auch, dass wir uns in Leipzig befinden (im Hintergrund der Panorama-Tower und der Turm des Neuen Rathauses (Pleißenburg)
Auch hier herrscht an diesem sonnigen Nachmittag reger Betrieb. Insbesondere der Spielplatz ist stark besucht. Das fröhliche Kinderlachen begleitet mich eine Weile.
Nachdem ich die Lutherkirche passiert habe und fast schon wieder die Hauptstraße erreiche, entdecke ich auf der rechten Seite ein Stück vom Weg entfernt einen nackten Knaben, der auf etwas zeigt. Mich interessiert, mehr zu sehen oder zu erfahren, doch dazu muss ich ein knutschendes, auf der Wiese liegendes Pärchen umrunden und beide leider bei ihrer Tätigkeit etwas stören.
Es war völlig umsonst – aber das erfahren sie nicht. Leider gibt es keine Tafel mit Erläuterungen bei dieser Bronzestatue.
Vielleicht weiß es jemand von den Leipzigern: Auf was zeigt die Figur, oder was stellt die Szene dar? Welcher Künstler hat diese Bronze angefertigt?

Kunst im Johanna-Park. Wenn ich nur herausbekäme, warum der Knabe auf dieseArt Stab, der im Stein eingelassen ist, zeigt …
Übrigens: Ich finde, dass er einen sehr niedlichen Allerwertesten hat …
Meine große Runde ist fast beendet, die Stadt hat mich zurück. Es waren rundherum schöne Stunden im Freien, und die Füße sind sogar noch fit! Es macht doch etwas aus, nicht nur auf Beton zu laufen. Der Unterschied wird mir gleich wieder auf dem letzten Stück des Weges, der Strecke zum Hotel deutlich.
Beim Packen des Koffers frage ich mich, wann und ob ich wohl wiederkehre. Im Moment scheint es, als hätte ich nun wirklich genug entdeckt. Andere Ziele wollen schließlich auch erkundet werden.
Morgen geht es heim.
Nur dann kommt plötzlich die Erkenntnis, dass ich die weiter außerhalb gelegenen Seen noch nicht sah, dass vielleicht eines Tages wieder die Zeit für ein persönliches Treffen reif ist, dass eventuell eine interessante Lesung, eine Veranstaltung stattfindet … dass plötzlich irgendein Grund besteht wiederzukommen!
Vielleicht zählt auch der Grund, hin und wieder Aktuelles über Leipzig berichten zu können. Denn was ich sehr häufig als Reaktion auf meinen Blog, auf die Erzählungen, Beschreibungen und Fotos von dieser Stadt erlebe, ist pures Erstaunen.
Das hätte ich nicht gedacht! So ist Leipzig? So schön ist das dort?
Ja, ist es.
Es existiert offenbar in vielen Köpfen ein nicht zutreffendes oder völlig veraltetes Bild, das unbedingt korrigiert werden sollte.
Leipzig ist schön, Leipzig ist lebendig, Leipzig ist grün.
Leipzig ist eine Entdeckung wert!
Und wann fahren Sie? ;)
PS Wer mehr „grüne“ Bilder sehen möchte, den bitte ich, die Teile 1-3 des Leipziger Allerleis (2011) aufzurufen, die zu einer Zeit entstanden, als die Vegetation ein bisschen weiter war.
©April 2012 by Michèle Legrand
Leipziger Allerlei – Teil 6: Die Demo, die sich als Festakt entpuppte – 800 Jahre Thomaner
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 31/03/2012
Nein! Musste das jetzt gerade heute sein?
Es ist Dienstag, der 20. März 2012. Mein letzter Tag in Leipzig, und ich hatte mich auf den Weg zur Thomaskirche gemacht. Wieder einmal. Mehrmals war ich bereits in der Kirche gewesen oder hatte sie umwandert sowie den Kirchhof mit seiner Bach-Statue betrachtet. Heute wollte ich gern ein Foto von dem ganz neu eingetroffenen bronzenen Tastmodell der Kirche im Maßstab 1:100 aufnehmen. Erst am 17. März, dem Tag meiner Ankunft, war es aufgestellt und eingeweiht worden. Danach schwebte mir ein Besuch des Bach-Museums vor.
Und nun das! Ich näherte mich vom Alten Rathaus kommend, hatte den Marktplatz überquert und den Kirchturm schon im Visier, um dann doch sehr abrupt zu stoppen! Gegenüber dem goldverzierten Gebäude der Commerzbank bevölkerten Polizeibeamte den gepflasterten Kirchhof. Ein paar junge Leute in dunklen Jacken trieben sich herum. Sie wirkten harmlos, doch schleppten sie Plakate mit sich, deren Aufschrift ich allerdings noch nicht lesen konnte.
Toll! Demo! Das habe ich ja gut abgepasst!
Hier offenbart sich, was der Mensch im Urlaub – oder generell fern von daheim – anders macht und was ihm zum Nachteil gerät: Er kauft auswärts selten eine Tageszeitung und ist so beschäftigt, dass auch die Nachrichten und das Fernsehen allgemein grob vernachlässigt werden. Hätte mich jemand gefragt: Wann hat denn Bach Geburtstag? Ich hätte ihm sagen können, dass es am 21. März ist, dem folgenden Tag. Hätte mich jemand gefragt, ob ich wüsste, welches Jubiläum der Thomanerchor feiert, wäre ich auch um keine Antwort verlegen gewesen. Doch in dem Moment hatte ich keinen Platz dafür, keine Idee, denn bei mir war nur Demo angesagt.
Punkt. Keine Diskussion.
Etwas zögerlich umrundete ich die Kirche, um zu der Seite zu gelangen, auf der die Bachstatue steht, sich der Thomas Shop befindet und somit auch das Bronzemodell.
Herrschaftszeiten! Noch mehr Absperrungen, Sicherheitskräfte en masse, eine Pressetribüne vor der Statue.
Pressetribüne?
Für eine Demo?
So langsam kamen mir Zweifel. Kurz danach fiel der Groschen. Festakt. Thomaner. Doch gleich danach stieg die Frage auf: Warum denn so ein Trara? Bei einer Feier?
Irgendwo witterte ich, dass ich vielleicht Blogfutter finden würde und zückte meinen Block und den Stift. An dem Morgen hatte ich mich für dunkle, äußerst konservative Kleidung entschieden. Schwarze Hose, schwarze Jacke, Halstuch schwarz-weiß. Was passiert? Die Sicherheitskräfte halten mich offenbar für jemanden der erwarteten Gäste und nicken mir vielsagend zu. Ein Mann aus dem Pressebereich winkt herüber.
„Gehören Sie auch dazu? Die haben uns hier den Platz zugedacht. Kommen Sie doch rüber!“
Ich schaue noch einmal verstohlen hinter mich. Keiner da. Er scheint mich zu meinen. Kleines innerliches Zögern, dann nehme ich mir ein Herz und nähere mich ihm, etwas vor mich hinmurmelnd wie: „Bin nur inoffiziell da, nicht eingeladen …“ Es scheint keinen zu stören.
Halteverbotszonen werden neu eingerichtet, der Verkehr umgeleitet. Die ersten Menschen bleiben stehen. Einige sind Leipziger, die offenbar gezielt gekommen sind, andere Spaziergänger – Touristen –, die sich für das Treiben interessieren. Sie schließen sich neugierig an. Irgendwie habe ich immer noch keinen Durchblick. Ich kann aber schlecht meine „Pressekollegen“ fragen, für wen hier solch ein Aufwand betrieben wird. Hinterließe keinen professionellen Eindruck, oder…?
Daher entferne ich mich und suche Einheimische. Ein Ehepaar älteren Jahrgangs ist sehr zugänglich und erzählfreudig. An sie halte ich mich.
„Wer hier erwartet wird? Na, der Bräsident! Der war doch ooch een Thomaner und ooch Pfarrer!“
Ich stutze. Thomaner? Der Präsident war Thomaner? Der Bundespräsident? Seit wann das? Also frage ich lieber nach:
„Sie meinen, der neue Bundespräsident kommt heute hierher?“
„Natürlisch! Der Herr Gauck!“
Jetzt ergibt das Polizeiaufgebot Sinn. Ich bleibe dort wo ich bin stehen, denn hier bekomme ich unauffällig Informationen. Geladene Gäste erscheinen, und ich erkenne leider die Lokalprominenz nicht wirklich. Die Namen sagen mir etwas, aber das Gesicht dazu fehlt mir.

Die Lokalprominenz wartet, der Sicherheitsdienst passt auf, die Jugendlichen halten ihre Plakate (formen den Slogan: glauben – singen – lernen). Der Bürgermeister ist noch ohne Kette …
„Wer ist denn der große Herr, der gerade eingetroffen ist? Der dort mit dem hellen, dünnen Schal neben dem Herrn mit der Steppweste?“
„Nu, das ist unser Oberbürgermeister, der Herr Jung. Du“, fragt er seine Frau, „warum hat der denn die scheene Kette noch nüsch umgelescht?“
„Weeß’sch ooch nüsch …“, kommt als Antwort, doch sie erkennt gerade den Thomaskantor Georg Christoph Biller und den Pfarrer der Kirche, Herrn Christian Wolff (der etwas kleinere Herr im grauen Anzug und weißem Schal) und zeigt ganz ungeniert mit dem Zeigefinger auf die Herren. Eine WDR-Reporterin spürt, dass sie hier vielleicht etwas erfahren kann und kommt zu uns herüber.
„Hallo, guten Tag. Wie finden Sie das denn, dass der Herr Gauck Präsident geworden ist?“, fragt sie, an die Leipzigerin gewandt.
„Na, doll! Äscht subba!“ Die Leipzigerin reagiert verdutzt ob dieser Frage.
„Und was mögen Sie an ihm?“
„Das is mal Eener von uns. Aus’m Osten, nu?“
„Nur deshalb, oder…?“
„Wissen Sie, isch gloob, wir brauchen mal eenen, der ooch mal ja oder nein sacht. So eener mit Ecken und Kanten. Eener, der sisch nüsch immer nur durschschlängeln tut …“
Herr Jung, der Oberbürgermeister, inzwischen mit Goldkette, hat mittlerweile entdeckt, dass der WDR mit Mikrofon präsent ist und hält dies für eine gute Gelegenheit mitzumischen. Er eilt im Geschwindschritt herbei. In äußerst aufgeräumter Stimmung begrüßt er uns aufs Herzlichste persönlich, und ich gewinne nun den Eindruck, dass er die Reporterin wahrscheinlich schon kennt. Strahlend und gutgelaunt erzählt er, wie phantastisch es ist, dass Herr Gauck quasi als erste Amtshandlung nach seiner Wahl hier nach Leipzig kommt. Welche Ehre für die Stadt! Er verrät weiterhin, dass dieser nicht selbst sprechen wird, sondern nur als Gast komme. Grund: der Herr Bundespräsident ist zwar gewählt, aber noch nicht vereidigt.
„Och, schade, du“, wendet sich die Leipzigerin an ihren Gatten. Dann interviewt sie ihrerseits Herrn Jung.
„Herr Jung, nu verroten Sie mir mal: wenn Sie hier nüsch mehr Bürgermeister wär’n, würden Sie trotzdem in Leibzsch bleiben? Ist das nüsch eene scheene Stadt, Sie?“
Der Herr Bürgermeister kommt ursprünglich aus Siegen. Er reagiert völlig richtig und schwärmt in den höchsten Tönen von „seiner“ Stadt Leipzig. Nein, er wolle auf keinen Fall wieder weg. Wieder zurück. Wie hieß es doch so schön, als er gewählt wurde? Es tauchte der Spruch auf: Was ist schlimmer als Verlieren? Siegen …
Auf einmal herrscht Aufruhr im Volk. Herr Jung dreht auf dem Absatz. Limousinen fahren vor. Dunkle, schwergewichtige mit ernst blickenden Fahrern. Noch eine. Irgendwann kommt der Wagen mit dem Fähnchen. Dem Bundesadler.
Jubel und Beifall brandet auf. Die Wagentür wird geöffnet, und ein relativ kleiner Herr Gauck steigt aus. Er wird außerordentlich herzlich empfangen, winkt in die Menge, ruft: „Guten Tag, Leipzig!“, erhält dafür tosenden Applaus sowie einen der weißen Schals mit Thomaner-Logo umgelegt. Nach der Begrüßung anderer Gäste, findet ein Fotoshooting vor der Bach-Statue und vor der versammelten Presse statt.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) kümmert sich um den Präsidenten. Daneben die Lebensgefährtin von Herrn Gauck, Daniela Schadt.
Irgendwann verschwinden alle in der Kirche. Der Festakt wird via Lautsprecher nach draußen übertragen, doch allmählich löst sich die Zuschauermenge vor der Thomaskirche auf. Das Leipziger Ehepaar ist bereits gegangen. Sie haben mir zum Schluss gesagt, ich soll doch unbedingt noch „Lerschen“ essen. Lerchen? Bloß gut, dass mir Christian schon beim allerersten Besuch erklärt hat, dass es sich heutzutage nicht mehr um die Vögel handelt, sondern um eine Gebäckspezialität …
Resümee des Vormittags:
Um die Demo herumgekommen, mit dem Oberbürgermeister auf Tuchfühlung gewesen, Herrn Gauck in Greifweite (etwas verlängerter Arm) gehabt, für Pressetante gehalten worden, nettes Gespräch gehabt, Orgelmusik gehört und letztendlich auch das Foto vom Modell gemacht.
(Die Innenfotos stammen vom Vortag, denn zum Festakt war der Zugang natürlich nur geladenen Gästen möglich.)
Den Nachmittag werde ich im Grünen verbringen. Auch wenn es noch nicht wirklich grün ist. Auf jeden Fall in Parks und überall dort, wo Natur und Tiere sind. Und „Einheimische“.
Davon mehr in Kürze im siebten und letzten Teil des Leipziger Allerleis.
Wieder dabei?
©März 2012 by Michèle Legrand
Leipziger Allerlei – Teil 5: Leipzig – Die City. An verschiedenen Ecken und in unterschiedlichem Licht
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 28/03/2012
Morgens im Hotelbett liegen und stöhnen … Nein, leider nicht deshalb! So schön das Hotel nahe der Nikolaikirche ist (zentral, hell, ordentlich), so nett die Mitarbeiter sich verhalten, ich bin nicht ganz glücklich mit meiner Wahl. Der Grund: Ich bin müde und etwas gerädert und schuld ist der Lärm in meinem Quartier. Das Hotel ist ausgebucht, viele feiern das Ende der Buchmesse und bleiben noch eine weitere Nacht, bevor sie abreisen. Doch das allein ist es nicht. Was den Schlaf raubt, ist Folgendes: Die eng aneinander liegenden Zimmertüren lassen sich alle per Karte öffnen und sind zu diesem Zweck mit einer entsprechenden Apparatur ausgerüstet. Ein Riesenkasten mit Elektronik befindet sich unterhalb der Türklinke. Jeder, der kommt oder geht, stopft sein Kärtchen oben in den Schlitz, zieht es wieder heraus, öffnet zwar noch per Klinke die Tür und drückt sein Körpergewicht dagegen, konzentriert sich dann allerdings auf die Apparatur innen an der Eingangswand des Hotelzimmers. Es gilt dort den nächsten Schlitz zu treffen, der gewährleistet, dass es im Zimmer Strom gibt. Die Schulter ist an der Tür, der Fuß im Schlitz, den Trolley nicht vergessen, Karte zirkeln …
Mit Multitasking ist es so eine Sache. Mehr als zwei Hände hat der Mensch nicht. Der Gast quetscht sich folglich ganz in den Raum, die recht schwere Tür wird für die kommende Fummelei losgelassen und fällt augenblicklich mit gewaltigem Rums und mittelschwerer Erschütterung der Umgebung ins Schloss. KRAWUMM!
Gefühlt sind in dieser Nacht die letzten Hotelgäste etwa um 4 Uhr Richtung Bett marschiert (RUMS!), während die ersten Frühaufsteher sich ab 5 Uhr auf den Weg nach draußen machten (RUMS!). Das Wasser aus den Bädern rauschte durch die Leitungen sämtlicher Geschosse, die Toilettenspülungen liefen auf Hochtouren. Mein Schlaf war wohl auch nicht besonders tief, denn mir war kühl. Sich eine in einen Bettbezug gezogene, dünne Wolldecke umzuwickeln, reicht nur mäßig, um die Körperwärme zu halten, sie sich als Lärmschutz über die Ohren zu ziehen, ist völlig sinnlos. Dass ich in dem Zimmer eine Klimaanlage habe, bemerkte ich zwar und erhöhte die Temperatur ein wenig, doch es brachte nur etwas, wenn ebenfalls das Gebläse mehr leistete. Die Wahl der Höchststellung hatte natürlich Konsequenzen. Das Brummen einer Propellermaschine im 1. Weltkrieg war mit Sicherheit leiser.
Der Morgen. Gegen halb acht Uhr wird es auf einmal ruhiger. Ich beschließe, ausnahmsweise noch ein halbes Stündchen Bettruhe dranzuhängen, doch nach zehn Minuten ist es schon wieder vorbei mit der Stille, denn jetzt startet der Reinigungstrupp mit dem Staubsaugen der ersten Zimmer von Gästen, die zeitig abreisten.
Es ist zwecklos. Ich stehe auf, ziehe die Gardine auf. Es sieht gar nicht schlecht aus. Noch bewölkt, aber irgendwo versteckt sich die Sonne. Die Wettervorhersage war bisher für jeden Tag viel zu negativ ausgefallen. Zum Glück! Inzwischen glaube ich sie nicht mehr und habe meinen Schirm längst wieder im Koffer verbuddelt. Doch weil es sich immerhin ändern könnte, nehme ich mir vor, die trockene Zeit auf jeden Fall für Spaziergänge an der frischen Luft zu nutzen. Museen, Galerien, selbst Passagen – all das ist etwas, was man sich für schlechtes Wetter aufheben kann.
Klingt das nicht gut und logisch? Es hat aber einen Haken. Ich habe bemerkt, wenn es überhaupt nicht schlecht wird, sehe ich relativ wenige Museen … Immerhin kenne ich sie alle von außen!
Warum reist der Mensch bloß immer wieder in die gleiche Stadt? Er wird es aus dem gleichen Grund tun, aus dem manch einer auch immer wieder an den gleichen Urlaubsort zurückkehrt. Er findet dort etwas, was ihm gut tut. Für den einen ist es Erholung, für den anderen Anregung. Oder er trifft dort auf Menschen, die ihm sympathisch sind, mag die Mundart. Was sonst? Gute Erfahrungen, schöne Umgebung, appetitliches Essen, verträgliches Klima. Natur vorhanden, Kulturangebot ebenso, auf Wunsch Ruhe, die Mischung aus ländlich und städtisch, besondere Geräusche, Gerüche … All das spielt eine Rolle.
(Siehe auch: -> https://michelelegrand.wordpress.com/2011/10/03/leipziger-allerlei-teil-2-die-stadt-leipzig-verfallen-ihr-nicht-sie%E2%80%A6/ )
Und ich? Warum musste ich das vierte Mal nach Leipzig? Die Buchmesse war ein Grund. Ja. Aber hinzu kam all das andere, was ich gerade erwähnte.
Kennst du denn nicht langsam jeden Winkel? Wird es nicht langweilig?
Diese Frage stelle ich mir selbstverständlich auch und entdecke dabei, dass eben diese Vertrautheit mit einer Stadt häufig der Grund der Wiederkehr ist. Vertraut, aber nie gleich. Man kommt zu einer anderen Jahreszeit, und schon ergibt sich ein völlig anderes Bild. Winter heißt nicht ausschließlich kahl, es heißt auch, dass alles weiter und offener wirkt, sonst Verstecktes auf einmal hervortritt. Die Umwelt klingt anders im Winter! Im Sommer hingegen unterteilt das Grün der Bäume und Parks die Stadt in Einzelräume, die es zu erkunden gilt. Manches hemmt die Sicht, aber bietet Schutz. Die Tierwelt ist plötzlich präsenter. Sichtbar. Hörbar. Die Luft hat einen anderen Geruch.
Bei Regen wirkt vieles unauffällig und bleibt schnell unbeachtet. Oder das genaue Gegenteil tritt ein. Etwas glänzt besonders. Asphalt, polierte Granitplatten von Denkmälern, Metallverzierungen jeglicher Art.
Bei Regen entsteht übrigens ganz plötzlich der Eindruck, Leipzig hätte nur noch halb so viele Einwohner und viel breitere Gehwege. Die unzähligen „Freisitze“ (ein typischer Begriff – bei uns im Norden würde man Außenplätze sagen) sind zusammengeschoben, und nur wenige Hartgesottene (Raucher) harren etwas fröstelnd draußen aus.
Straßen verändern sich. Etwas wird abgerissen, etwas renoviert, Baustellen eingerichtet. Großbaustellen für Großprojekte. Bei jeder Rückkehr stellt sich die Frage: wie sieht es dort jetzt aus? Wie weit sind sie inzwischen? Erkenne ich es noch?
Oder ein Phänomen anderer Art: losgehen ohne bestimmtes Ziel und auf einmal magnetisch angezogen werden. (Fern-)gesteuert werden. Wieder und wieder ein Ziel anvisieren. Zum vierten Mal nicht daran vorbeigehen können.
Es gibt Dinge, die ich bei Tag gesehen habe und die in der Dunkelheit völlig anders wirken. Manches gewinnt durch tolle Abendbeleuchtung, sieht vielleicht nur dann pompös aus, anderes trumpft eher am Tag bei Sonnenlicht auf. Etwas wird bei Dunkelheit völlig geschluckt, doch Restteile ragen dafür umso deutlicher hervor. Bei einem einzigen Besuch lässt sich das gar nicht alles wahrnehmen.
Zu guter Letzt: die Menschen. Es geht immer auch darum, wie ich die Menschen erlebe, wen ich treffe, mit wem ich ins Gespräch komme. Heute beispielsweise, freue ich noch einmal auf ein Stündchen Nachmittags-Abschieds-Kaffeeklönschnack im Café de Ville mit Torte, vor allem aber mit meinem ‚alten’ Twitter-/Facebook-Freund Christian Scheinhardt.
Daher für mich ein weiteres , aber das erste Mal im März: Leipzig!
Soviel vorweg, damit ich gleich Fotos mit kleinen Kommentaren versehen posten und jeder sich vorstellen kann, warum ich gerade sie ausgewählt habe. Schöne und/oder interessante Stellen in Leipzig, Orte, an denen ich mich wohlfühle, Gebäude, die Eindruck hinterlassen, Dinge, die mir ins Auge gefallen sind. Auch wenn es sehr willkürlich wirkt – durcheinander – es ist gerade diese enorme Vielseitigkeit, die Leipzig ausmacht!
Die grünen Stellen in Leipzig bekommen ihren eigenen Teil Leiziger Allerlei (in Teil 7) und bleiben hier außen vor.
Für mich ein Punkt des Wiederkehrens: der Augustusplatz. Das (Neue) Gewandhaus mit dem davor befindlichen Mendebrunnen ist besonders in der Dunkelheit mit Beleuchtung unheimlich schön anzusehen (siehe auch Foto zu Beginn)

Mendebrunnen, Gewandhaus, Panorama-Tower (MDR) am Tage. Das Wasser sprudelt noch nicht, die Bäume lassen sich noch etwas Zeit mit dem Austrieb.
Am Abend wird alles plötzlich zu einem großen Kunstwerk:

Gesang vom Leben – Deckenmalerei im Hauptfoyer des Gewandhauses – Künstler Sighard Gille, 712 m², 1979-1981
Der hohe Panorama Tower (MDR-Tower) befindet sich gleich nebenan, ebenso die Moritzbastei, der letzte Rest der alten in den 70er Jahren entdeckten Stadtmaueranlage, die 1551-53 im Auftrag von Kurfürst Moritz von Sachsen ausgebaut wurde.
Daran an schließt sich das neu gestaltete Unigebäude, das in Teilen an eine Kirche erinnert. Und wirklich, hier stand früher zuerst die Klosterkirche St. Pauli, nach Auflösung des Dominikanerklosters die Universitätskirche St. Pauli, die aber 1968 auf Betreiben der SED und letztendlich mit Zustimmung der Universität gesprengt wurde.
Der Neubau „Paulinum“ nimmt die Form der Kirche auf. Hier gibt es eine Aula und einen Andachtraum.
Ich erwähnte im Text, wie unterschiedlich Gebäude am Tag oder bei Nacht wirken, daher auch hier zusätzlich ein Bild bei Nacht.

Blick auf die Uni bei Dunkelheit. Das helle zylinderförmige Gebilde im Vordergrund ist ein Aufgang aus dem Parkhaus.
Im weiteren Verlauf erreicht man das Krochhochhaus (in dem sich auch das ägyptische Museum befindet). Es wurde 1927/1928 erbaut. Das erste Hochhaus (43m) damals inmitten von Bürgenhäusern, die von Historismus, Renaissance und Barock geprägt waren und das sich neben gotischen Hallenkirchen plötzlich als prägend für die Stadtmitte darstellte. Vorbild war der Uhrenturm auf dem Markusplatz in Venedig. Auch die im Relief ausgearbeiteten Markuslöwen an der Fassade zeigen das italienische Vorbild deutlich an.
3,30 m hoch sind die Glockenschlägerfiguren, die Leipzig die Zeit schlagen. Die Inschrift lautet: OMNIA VINCIT LABOR (Arbeit überwindet alles)
Einen Kreis schlagend, gelangt man zur Oper mit ihrem Vorplatz aus Pflastersteinen. Im Sommer befindet sich hier ein großes, rundes Wasserbecken mit einer Wasserfontäne in der Mitte.
Zurück zum Vorplatz des Gewandhauses mit seinem Mendebrunnen. Ich saß im Kaffeehaus Riquet und kam mit einem Paar am Nebentisch kurz ins Gespräch. Sie waren auch in Leipzig zu Besuch, aber gebürtige Sachsen.
„Ach, den Brunnen wollen Sie anguggen? Nu, der is scheen. Der Nuttenbrunnen …“
Bitte? Nuttenbrunnen? Ich dachte Mendebrunnen?! Nutten wegen der barbusigen Figuren?
Ich werde aufgeklärt, dass es mal eine Verwechslung hinsichtlich der Stifterin dieses Brunnens gab. Frau Marianne Pauline Mende war eine ehrbare, wohlhabende Witwe, die 150.000 Goldmark für die Errichtung stiftete. Ein Journalist verwechselte sie mit einer gleichnamigen Dame, die ein Bordell betrieb, behauptete von ihr, sie sei die edle Spenderin, und seither hält sich wohl der Name Nuttenbrunnen.
Mir gibt dieser Brunnen ein Rätsel auf. Am Abend sah ich eine der Figuren etwas haltend, von dem ich dachte, jemand hätte sich einen Spaß erlaubt, wäre hochgeklettert und hätte ihr eine Art Zwille, eine Krampenschleuder in die Hand gedrückt. Ich konnte es nicht richtig glauben, und als ich am Sonntag wieder vorbei kam, um dort in die Straßenbahn zur Messe zu steigen, schaute ich es mir wieder an. Bei Tageslicht wirkte es wiederum so, als gehöre es wirklich dazu.
Eine verkehrt herum gehaltene Wünschelrute, eine Zwille ohne Band. Was ist das eigentlich wirklich? Die anderen Figuren halten Fische, einen Seestern, einen Dreizack, eine Perlenkette (!), etc. und haben alle mit der griechischen Mythologie zu tun. Ich habe es nicht herausbekommen …
Das genannte und von mir enorm geschätzte Kaffeehaus Riquet, befindet sich in einem Eckhaus am Schuhmachergässchen 1. Die beiden die Eingangstür flankierenden, kupfergetriebenen Elefantenköpfe stellen das Markenzeichen der Firma Riquet dar. Es ist urgemütlich dort, und wer noch in Erinnerung hat, dass es mir in meinem Hotelzimmer ein bisschen zu kühl und zu laut war, der ahnt, dass ich auch dort gesessen habe, weil sich neben mir eine warme Heizung befand, die Sonne hereinschien und der Geräuschpegel verursacht durch halblaute Gespräche einfach ein anderer und angenehmer war.
Ich habe Schmandkuchen mit Mandarine probiert, am anderen Tag Schokoladen-Sahnetorte mit kleinen Zebra-Keksröllchen als Dekoration. Sehr delikat! Freundliche, prompte Bedienung, nette Umgebung, und wer tatsächlich einmal die sanitären Anlagen benutzen muss, steigt hinab ins Untergeschoss, kommt an einem Holzlattengitter vorbei (dem versperrten Zugang zum Weinkeller), vermutet daraufhin ein Uraltklosett und stößt stattdessen auf höchstmoderne Ausstattung mit sich drehender und automatisch selbst reinigender Klobrille.
Auf meinen Spaziergängen gelange ich immer wieder zur oder durch die sehr zentral gelegene Straße Am Brühl nahe dem Hauptbahnhof. Dort ist ein Großprojekt im Bau. Ein neues Einkaufszentrum der gehobenen Klasse mit dem Namen „Höfe am Brühl“. Als ich im September 2010 das erste Mal Leipzig besuchte, war gerade alles, was sich vorher dort befunden hatte, abgerissen worden. Es war auch der Standort des ehemaligen Konsument-Warenhauses, das die Leipziger aufgrund der charakteristischen Aluminiumfassade Blechbüchse nannten.
Beim darauffolgenden Besuch war die Baugrube ausgehoben, die Untergeschosse im Bau. Im September 2011 sah man schon an einigen Stellen mehrere Geschosse, aber alles im Rohbau. Und heute?
Man kann sich vorstellen, dass im Herbst 2012 Eröffnung von 130 Geschäften (und Fertigstellung von 70 Wohnungen) sein wird.
Beim Neubau erkennt man, dass ein Teil der typischen, charakteristischen, denkmalgeschützten Aluminium-Fassade an gleicher Stelle wieder in das Gebäude integriert wird (Parkhaus).
Etwas anderes möchte ich auch gern noch herauspicken: Die Alte Handelsbörse am Naschmarkt (beim Alten Rathaus). Dort, wo ich im Festsaal im ersten Stock zur Lesung mit Peter Fricke eingeladen war.
Bekannt und berühmt ist die vor der Börse stehende Goethe-Statue. Es heißt, das Denkmal von 1903 erinnert an den jungen Goethe, der 1765-68 in Leipzig Jura studierte. Jung ist gut. Johann Wolfgang war 1765 erst 16 Jahre alt! Das Standbild wirkt aber nicht wie das Abbild eines schlaksigen Teens, sondern eher wie das eines gestandenen Mannsbilds. Oder war Jung-Goethe so extrem weit entwickelt? Was lese ich dazu in der „Freien Presse“? Ein 26-jähriger Sportlehrer hat damals für den Bildhauer Seffner Modell gestanden! … Alles klar.

Leipzig – Alte Handelsbörse – Zwei geflügelte Knaben (einer mit einem Merkurstab) halten ein prunkvolles Leipziger Stadtwappen
Einen Halt würde ich auch bei der so geschichtsträchtigen Nikolaikirche empfehlen. Mehr Information zur Kirche im Anschluss an den Artikel bei den Link-Empfehlungen.

Blick auf die Nikolaikirche von der Ecke Nikolaistraße/Grimmaische Straße. Vorne im Bild der Fürstenerker.

Nikolaikirchhof mit Gedenksäule (Nachbildung einer Dauthe’schen Säule des Künstlers Andreas Stötzner)
Diese Steine entdeckte ich abends. Sie sind auf dem Kirchhof der Nikolaikirche eingelassen und ersetzen an vielen Stellen die Pflastersteine. Erst leuchteten sie nur vereinzelt bei gerader einsetzender Dunkelheit, wurden dann mehr und mehr. Insgesamt sind es ca. 150 Leuchtsteine (Die Zahlenangaben variieren). Es ist eine Lichtinstallation, die nach folgendem Prinzip funktioniert: Im Abstand von einer Minute wird in der Dämmerung jeweils ein Lichtstein dazugeschaltet. Nach zweieinhalb Stunden leuchten alle auf. Grün, blau, pink-rötlich. Diese Installation soll das langsame Aufbauen friedlicher Versammlungen demonstrieren.
Immer wieder schön: die Malereien im Specks Hof. Und – man höre und staune – ich habe es diesmal geschafft, den Klangbrunnen, der in dieser Passage steht, zum Tönen und das Wasser zum Kräuseln zu bringen!
Kleinigkeiten am Rande

Der mit der langen Nase (man sieht noch den Finger eines kleinen, sehr beeindruckten Kindes, das stehenblieb und staunte)
und noch so viel mehr ….
Ein langer Tag, ein langer Marsch. Die Beine möchten ausgestreckt werden, das Hotel wird angesteuert. Wieder das Spielchen mit der Karte an der Tür und der Strominbetriebnahme. Was mich fürchterlich irritierte: am ersten Tag begann es im Zimmer daraufhin zu knacken und zu knistern!
Ein Service des Hotels. Ich habe einen Flachbildschirm an der Wand, der mir Kaminfeuer simuliert. Sobald ich meine Karte zwecks Stromaktivierung in die Apparatur stecke, geht nicht nur Licht an, sondern auch ungefragt der Fernseher. Mit Ton. Lagerfeuer mitten in Leipzig. Kaum habe ich mich daran gewöhnt, narren sie mich heute mit etwas Neuem. Es passiert erst einmal gar nichts. Das Fernsehbild baut sich langsam auf. Oh, Abwechslung! Heute schaue ich in ein Aquarium. Nichts knackt und knistert, also lasse ich es an. Nach ein paar Minuten, als ich selbstvergessen in einem Buch lese, beginnen klagende Laute, die mich zusammenfahren lassen. Etwas schräge Unterwassermusik ist angesagt, so lästig, dass ich nur noch auf AUS drücke. Anscheinend muss hier immer etwas laufen …
Ich beende den Tag in Leipzig – und auch den mit Ihnen/euch. Ich hoffe, die Bilder gaben einen kleinen Eindruck von dieser sich rasant fortentwickelnden Stadt, die trotzdem versucht, die Tradition zu erhalten.
Der nächste Teil (Teil 6 und sicher nicht ganz so lang) wird sich mit einer vermeintlichen Demo befassen, die sich bald als Festakt anlässlich des 800-jährigen Bestehens des Thomanerchors entpuppte.
Vielleicht ist auch dann wieder einer mit dabei, wenn es heißt:
„Gugge mal, der Bräsident kommt nach Leibzsch!“
Abschließend Links zu den genannten Sehenswürdigkeiten und Orten, die ich in zwei Fällen auch als Quelle herangezogen habe:
Generell vielseitige Informationen:
http://www.schoenes-leipzig.de/
Die Alte Handelsbörse
http://www.leipzig-info.net/Info/Handelsboerse.html
Das Krochhochhaus
http://www.gko.uni-leipzig.de/aegyptisches-museum/ueber-das-museum/krochhochhaus.html
Die Moritzbastei
http://www.leipzig-info.net/Info/Moritzbastei.html
Informationen zum Unibau, der alten Paulinerkirche und dem Paulinum
http://de.wikipedia.org/wiki/Paulinerkirche_%28Leipzig%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Paulinum_%28Universit%C3%A4t_Leipzig%29
Kaffehaus Riquet
http://www.riquethaus.de/kaffeehaus.php
Nikolaikirche
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaikirche_%28Leipzig%29
Auch hier generell sehr interessante Berichte:
http://www.lebendige-stadt.de/
©März 2012 by Michèle Legrand
Leipziger Allerlei – Teil 4: Ein kleiner Eindruck von der Buchmesse auch für Nicht-Fachbesucher …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 25/03/2012
Ich bin einer von 346.000 täglich. Steht da. Ich lese es auf einem von 790 Monitoren. So viele gibt es. Das steht da auch. Ich habe jetzt allerdings nur einen einzigen vor mir. Die restlichen 789 sind sonstwo. Das Bild wechselt. Jetzt könnte ich einen Handwerkskurs für Frauen belegen. Schlagen sie mir vor. Mir und eben täglich insgesamt 345.999 anderen Fahrgästen. An diesem Morgen und hier sind es die, die in Leipzig mit der Straßenbahn vom Zentrum aus in Richtung Norden fahren. Unser gemeinsames Ziel: die Buchmesse. Es ist Sonntag, der 18. März 2012, und natürlich gibt es auch einzelne Fahrgäste, die schon am alten Stadtbad oder gleich dahinter beim Gasometer aussteigen möchten. Etwas später, beim Baumarkt Hornbacher, der eine eigene Haltestelle hat, will überhaupt keiner raus. Yippie-ya-ya, yippie-yippie-yay hat sonntags nämlich zu.
Die Straßenbahn ist proppevoll. Beim Einsteigen irgendwo in der Mitte des Zuges, ergatterte ich noch einen Platz direkt an der Tür. Mir war nicht ganz klar, ob es ein ziemlich klein geratener Zweisitzer sein sollte oder ein breit geratener Einzelplatz, doch die schmale Frau, die schon dort saß, rückte sofort ganz an das Fenster und ließ mich neben sich sitzen.
Nun hocke ich auf der Kante und direkt vor mir ist das, was wie eine Drehscheibe aussieht. Der Bereich , in dem zwei Wagen durch beachtlichen seitlichen Faltenwurf miteinander verbunden sind und somit jede Kurve schaffen. Oder etwas technischer ausgedrückt: vor und wohl auch unter mir scheint sich das Drehgelenk des modernen Gelenktriebwagens zu befinden. Und das schabt, knirscht und rubbelt gewaltig. So gewaltig, dass der Po brummt. Und für das Gesäßbrummen möchte ich fast folgenden Vergleich heranziehen: ich glaube, so ist es, wenn man auf einer schleudernden Waschmaschine sitzt …
Ich habe noch ein bisschen Fahrzeit vor mir und meine Gedanken wandern zum Vorabend zurück. Ich war eingeladen, Gast einer musikalischen Lesung in der Alten Handelsbörse in Leipzig zu sein. Titel der Veranstaltung: „Oscar Wilde und William Shakespeare“, Veranstalter: Monarda Publishing House Ltd. (Ronny Krause), Ich hatte zugesagt, weil ich ein Wilde-Fan bin. Insgeheim war ich allerdings mit einer gewissen Skepsis dort hingegangen. Auf dem Programm stand „Der glückliche Prinz“, eines der Wilde-Märchen und ich habe dieses und die anderen Märchen im Original hervorragend von Stephen Fry vorgetragen gehört. Meine Messlatte lag dementsprechend hoch. Konnte eine deutsche Übersetzung und – vor allem – konnte ein deutscher Leser, ein deutscher Interpret, irgendeine deutsche Stimme mich zufriedenstellen?
Dieser Abend barg eine große Überraschung für mich, denn obwohl ich vorher gelesen hatte, dass der Vortragende ein Peter Fricke sei, habe ich überhaupt nicht geschaltet. Der Name ist nicht so selten, dass ich ihn automatisch mit jemand ganz Speziellem verbunden habe. Bis gestern.

Der ausliegende Flyer (und mit freundlicher Genehmigung) von „Monarda Publishing House“ – DER Peter Fricke liest
Beim Eintreffen in der Alten Handelsbörse befanden sich auf den Stühlen Flyer, auf denen ein Foto des Künstlers zu sehen war. DER Peter Fricke! Ich war völlig verblüfft! Vor vielen, vielen Jahren hatte ich ihn getroffen. Ich meine, es war am Flughafen, und irgendwo habe ich ein Autogramm von ihm mit einem fast identischen Foto. Identisch was die Haltung, den Gesichtsausdruck, das leicht angedeutete Lächeln, etc. angeht. Es hat halt ein paar völlig unwesentliche Fältchen mehr …
Ich war damals etwa 20 Jahre und mochte ihn als Schauspieler, aber auch und besonders aufgrund seiner Stimme. Er spielte viel Theater, aber selten in Hamburg. Er hatte zahlreiche Fernsehrollen. Ich habe aber nie viel Fernsehen geschaut, so dass ich seinen weiteren Weg leider nicht konsequent „begleitet“ habe. Hin und wieder horchte ich auf, wenn irgendwo im Hörfunk etwas von ihm gesendet wurde. Oder eine BBC-Dokumentation lief. Denn auch dort war er zu finden. Und dieser Peter Fricke sollte Oscar Wilde präsentieren! Vorfreude pur!
Die Lesung war klasse. Richtig, richtig gut! Peter Fricke hat mich völlig überzeugt. Allerdings hat mich die zu dem Oscar Wilde Text hin und wieder vom Band eingespielte Musik an manchen Stellen etwas irritiert.

LBM 2012 – Leipzig liest. Lesung mit Peter Fricke am 17.03.2012 in der Alten Handelsbörse. Veranstalter: Monarda Publishing House
Im zweiten Teil der Programms wurden Ausschnitte aus Shakespeares Werken vorgetragen, und dieser Teil der Lesung wurde hervorragend ergänzt durch das gemischte Vokalensemble Chordae Felicae, das zeitgenössische Lieder zum Besten gab. Einmalig schöne, perfekt aufeinander abgestimmte Stimmen, gelungenes Arrangement und dazwischen immer wieder die angenehme und ausdrucksstarke Stimme von Peter Fricke, der sich Shakespeares Worten annahm. Ich habe nachträglich irgendwo ein Zitat von Herr Fricke gelesen, das ich hier wiedergeben möchte:
„Wenn Gedanken allein aus der Sprache körperliche Kontur erhalten, wenn Charaktere sichtbar werden, ohne dass man sie sieht, ist die Kunst der Interpretation erreicht.“ (Peter Fricke)
Ich glaube, das war es. Es hat mir sehr viel Vergnügen bereitet und der Grund, dass ich jetzt in der Straßenbahn daran denken muss, ist der, dass ich ihn heute noch einmal sehen werde. Am Vorabend hatte Ronny Krause seinen Messebesuch für Sonntag am Stand von Monarda Publishing House angekündigt.
Das Ziel Messegelände ist fast erreicht. Warum soll man eigentlich noch etwas über die Leipziger Messe berichten? Interessiert das jemanden? Außerdem ist sie doch längst vorbei!
Und wir wissen bereits, dass 2.070 Verlage aus 44 Ländern dort vertreten waren und dass sich mehr als 165.000 Besucher dort auf rund 69.000 m² tummelten (etwa Vorjahresniveau). Wir wissen, wer die Preise gewonnen hat, welche Neuerscheinungen besonders beachtet wurden, welche fast ignoriert. Warum jetzt also noch mehr zu diesem Thema?
1)
Es gab nicht nur die Messe, sondern zusätzlich luden 2.780 Autoren und andere Mitwirkende zu ca. 2.600 Veranstaltungen an rund 350 verschiedenen Orten in und um Leipzig ein, an denen gelesen, gelauscht, sich getroffen und genossen wurde. Letzteres ist die Vergangenheitsform von genießen, nicht von niesen. Es hieß auch Leipzig liest und nicht Leipzig niest. (Diesen Punkt „Veranstaltungen“ erwähnte ich thematisch gerade schon)
2)
Es gab nicht nur die typischen Messebesucher, sondern auch erwähnenswerte, recht exotische Wesen.
3)
Es gab bisher keine zufriedenstellende Information darüber, ob für die Leipziger Buchmesse eine Art Kleiderordnung existiert.
4)
Außerdem war ich dort. Und die Messe war gut. Warum soll ich mich komplett in Schweigen hüllen? Ich habe auch Fotos. Soll ich die ganz alleine angucken? Nicht? Na, also.
Mir scheint, wir haben ausreichend Gründe gefunden …
Beim Eintreffen des Triebwagens der Linie 16 an deren Endstation, bot sich ein schönes Bild. Die Sonne hatte es geschafft durchzubrechen, die Besucher strömten den Hallen entgegen und im Herannahen glitzerte die Oberfläche des rechteckig angelegten, großen Wasserbeckens. Ein veritabler See breitet sich vor dem Besucher aus. Die gläsernen Hallen wirkten in dem hellen Licht ebenfalls leicht und luftig, was mich veranlasste, ein Weilchen stehenzubleiben, um alles zu genießen. Der Fotoapparat musste heraus. Während ich in dazu in die Hocke ging, um in der Tasche einiges umzupacken, schaute ich in dieser tiefen Haltung direkt über die Wasseroberfläche und entdeckte ein erstaunliches Phänomen. Menschen liefen durch das Wasser! Quer von links nach rechts! Man konnte sie ab Hüfthöhe aus dem Wasser ragen sehen. Das konnte doch nicht sein …

Kleiner Junge (verdeckt) mit seinem Opa beim Boot fahren lassen – Am Ufer Teilnehmer des European Cosplay Gathering
Etwas näher offenbarte sich dann der kleine Trick. Ein tiefer gelegter Gang verbindet beide Uferseiten und teilt den See in zwei Hälften. Nur der leicht verlängerte Oberkörper einer Person war jeweils zu erkennen. Kaum hatte ich das geklärt, fielen mir junge Menschen auf, die anders gekleidet waren, als ich mir Buchmessenbesucher vorgestellt hatte. Sie waren sehr phantasievoll und höchst unkonventionell angezogen. Sie trugen farbenfrohe Verkleidungen und häufig Perücken, waren sorgfältig geschminkt, posierten, ließen sich fotografieren. Teilweise von Freunden, teilweise von völlig Fremden.
Erst später lernte ich, dass sie sich hier bei der LBM 2012 erneut treffen, weil gleichzeitig der europaweite Wettbewerb „European Cosplay Gathering“ stattfindet, bei dem Verkleidungskünstler versuchen, sich für die nächste Runde auf der JapanExpo in Paris zu qualifizieren. Sie stellen Figuren aus Comics da, sind Manga-inspiriert, in diesem Jahr wohl zusätzlich auch von Musicals. Auf der LBM selbst ist natürlich auch das Thema Comics relativ umfangreich in einer Halle vertreten, der Bezug mit oder zu einer Buchmesse ist demnach gegeben. Sie bewegen sich überall inmitten der Menschenmassen und fallen einfach auf.
Interessant zu lesen, dass es ganz strenge Regularien hinsichtlich der Gestaltung der Kostüme gibt. Sie dürfen nicht anstößig sein (zu freizügig, thematisch, etc.), sie dürfen die Sicherheit nicht gefährden (Höchstbreite bei ausladenden Kostümen, damit man noch durch die Gänge kommt), es gibt Regeln bezüglich Accessoires, u. v. m.
Das alles wirkte auf mich ein, bevor ich überhaupt mit der Eintrittskarte durch die Kontrolle gekommen war und meinen eigentlichen ‚normalen’ Messerundgang starten konnte.

LBM 2012 – Leipzig – Diorama des neuen Messegeländes in der Eingangshalle. Start des eigentlichen Messerundgangs.
Ich erwähnte, es gab bereits genügend Informationen für „Menschen vom Fach“. Natürlich bin auch ich wegen der Bücher, wegen Lesungen, wegen Besuchen auf Ständen und zwecks Treffen mit mir schon vom Internet bekannten Gesichtern gekommen. Ich habe mir einige Interviews angehört, habe anregende Gespräche geführt und noch weitaus mehr Unterhaltungen zugehört, habe interessante Neuveröffentlichungen entdeckt, und verfolgte Lesungen, die ich mir fest im Terminkalender notiert hatte. Jede Halle habe ich durchwandert, bin nach den Lesungen in Halle 5 häufig zur Halle 4, der internationalen Halle, zurückgekehrt. Einmal allein deshalb, weil es urgemütlich gewesen war, dem Gespräch (Interview) zweier völlig entspannter Österreicher zu lauschen. Entschleunigung pur. Kaffeehausatmosphäre. Küss die Hand, gnä’ Frau …
Ansonsten. Was ist mir aufgefallen?
Es gibt Besucher, die sichtlich gelangweilt durch die Gänge schlurfen. Es sind nicht viele, aber sie fallen auf. Die Frage ist, warum sie überhaupt zur Messe gehen, wenn es sie nicht interessiert. Vielleicht ist es auch nur ein immens kurzes Durchhaltevermögen. Eine reduzierte Aufmerksamkeitsspanne. Es gibt natürlich das genaue Gegenteil. Menschen, mit roten Bäckchen von Stand zu Stand huschend, und beinahe jedes Buch vom Regal nehmend. Stundenlang voller Elan, als hätten sie im Rücken einen Schlüssel stecken, an dem von Zeit zu Zeit gedreht, mit dessen Hilfe sie hin und wieder neu aufgezogen werden, um fortan munter weiter zu schnurren. Das sind offen gestanden jedoch auch nicht viele.
Dann gibt es das Gros, das morgens recht vital antritt, aber im Laufe der Zeit Erschlaffungserscheinungen zeigt. Die ohne Schlüssel hinten. Schleichende Ermüdung. Ein ganz natürlicher Vorgang. Der Steinboden der Hallen, die immer abgestandenere Luft, das Kunstlicht, der Geräuschpegel – als das strengt kolossal an. Auch ich brauchte von Zeit zu Zeit Frischluft und ab und zu einen Stuhl zum Setzen. Die Cafeteria auf der Messe ist nicht gerade billig, deshalb denke ich insgeheim, ein Teil der Lesungen war nur deshalb gut besucht, weil es dort Stühle gab und die Leute einfach sitzen wollten. Viele sanken förmlich in sich zusammen, klappten die Ohren zu und pausierten. Oder – etwas unpassend: sie fingen an, sich zu unterhalten. Während der Lesung …
Andere Veranstaltungen, die mehr Publikum verdient hätten, lagen an strategisch ungünstigen Orten. Am Rand, am Ende einer Halle mit wenig anziehenden Standflächen um sie herum.
Obwohl die Stände sich auf einer Messe vom Aufbau her gleichen, ist es sehr unterschiedlich, was der einzelne Standinhaber daraus macht. Welche Farbtupfer er hineinbringt, wie es ihm gelingt sich abzuheben. Was er noch hervorzaubern kann auf Anfrage. Ob er sein Unternehmen präsentieren kann, ob er sich präsentieren kann. Ob er überhaupt präsent ist! Es macht keinen guten Eindruck, wenn der Stand nur sporadisch besetzt ist oder der Anwesende nur versunken in irgendwelchen Unterlagen stöbert und von herannahenden Interessenten überhaupt nicht Notiz nimmt.
Vielleicht liegt auch alles nur daran, dass es der vierte und letzte lange Messetag ist. Die Energiereserven sind etwas erschöpft. Oder es ist der zu enge Kragen. Damit wären wir zum Thema Kleidung gelangt.
Gibt es hier eine Kleiderordnung?
Von meinen eigenen Messetätigkeiten weiß ich nur, dass ich als Standpersonal immer Kleidung bekam, die ich tragen musste, ob ich wollte oder nicht. Hier gibt es offizielles Personal auch, z. B. bei den Lesebühnen. Sie tragen tatsächlich einheitliche, seriöse und erkennbare Kleidung (Aha, Messepersonal!) Ansonsten wirkt es auf mich folgendermaßen:
Man gibt sich lässig-volksnah. Zumindest unter den alten Hasen der LBM. Viel Strick. Farblich durchaus wagemutig. Es wird konservativ-ordentlicher im Bereich Technik, ebenso in dem Bereich der Fernsehsender. Dort ist es aber zweigeteilt. Die, die damit rechnen müssen, ins Bild zu kommen, peppen sich auf, die, die hinter der Kamera sind, laufen im Pulli oder T-Shirt und löchrigen Jeans. Konservativ bedeutet aber noch lange nicht Anzug oder Kostüm. Ganz wenige lassen sich dazu hinreißen. Hose und andersfarbiges Sakko eventuell beim Herrn, auf jeden Fall ohne Schlips. Bluse statt Shirt bei der Dame, Kette oder Halstuch wird gern gezeigt.
Doch dann entdecke ich sie plötzlich doch: die Anzugmenschen. Größtenteils an kleinen Ständen. Einzelkämpfer. Recht engagiert, zugänglich, gesprächsfreudig. Wie kommt das? Das gängige Klischee lautet doch, die Anzugträger sind die langweiligen, etwas arroganten, auf Distanz bedachten Vertreter. Die feinen Schnösel. Die, die die Nase gern mal ein bisschen Richtung Himmel strecken. Alles Unsinn! Hier fallen sie durchweg positiv auf.
Bei den ersten zwei Ständen entnehme ich der laufenden Konversation, dass die Herrschaften das erste Mal auf der Messe vertreten sind. Es fehlten also Vergleichsmöglichkeiten, es mangelte an Erfahrung, was die anderen so tragen. Leipziger Buchmesse klingt groß. Klingt wichtig. Als Neuling verspricht man sich besonders viel von einem eigenen Standauftritt, möchte Eindruck hinterlassen, möchte seriös wirken – der Anzug muss mit.
An den nächsten drei Ständen dieser Art hat es mich gepackt. Ich möchte wissen, ob es auch neueinsteigende Anzugträger bzw. Kostümdamen sind. Ich mag nur nicht so direkt fragen. Also geht mein Interview mehr in die Richtung: „Sagen Sie, wo standen Sie denn letztes Jahr?“ – „Wir sind neu hier auf der Messe …“ – Bingo!
Oder: „Kann es sein, dass ich Sie schon einmal in Halle 4 gesehen habe?“ – „Nein, wir sind das erste Mal hier.“ „Ach, tatsächlich …?“ – Bingo!
Es gibt also eine und doch keine Kleiderordnung. Jeder kann, wie er will, aber manche können nicht wollen, weil sie meinen zu müssen. Oder sie wollen können, müssen aber nicht.
Wie kamen wir darauf? Stimmt, zu enger Kragen und erschöpft sein.
Wer nicht erschöpft ist, sind diejenigen, die auf der Messe sammeln gehen. Mit Riesentüten (auch auf der Messe ergattert) stauben sie Gratisartikel ab, teilweise dreist gleich mehrfach. Als ich am Ende die Messe verließ, wollte mir einer etwas von seiner Beute verkaufen. Nein, sehr freundlich, ich brauche nichts … Ich vermute, dass auch der Herr, der am Stand von Monarda Publishing House gleich ungefähr zehn Autogramme von Herrn Fricke wollte, daheim einen regen Verkauf oder Handel damit betreibt.
Peter Fricke. Um 14.00 Uhr war es soweit. Ich hatte mich mit Christian Scheinhardt am Stand verabredet. Er war auch auf der Veranstaltung vom Vorabend gewesen, und wir haben beide vor, die Gelegenheit zu nutzen, um Herrn Fricke mitzuteilen, wie gut es uns gefallen hat. Aus diesem kurzen Statement wird eine längere Unterhaltung, bei der es um Sprache, das Übersetzen und Interpretieren geht, um Luftholen bzw. die unterschiedliche Atemtechnik, die Probleme mit sich bringen kann. Englisch und Deutsch gleichen sich in dieser Hinsicht noch, aber Deutsch und Französisch … Mon Dieu! Es entpuppt sich, dass Peter Fricke nicht nur ein hervorragender Vortragender/Schauspieler/Künstler/Synchronsprecher/Preisträger, etc. ist, sondern zudem ein höchst angenehmer und freundlicher Mensch und Gesprächspartner. Es war mir ein enormes Vergnügen, ihn quasi wiederzusehen (nach Jahrzehnten) und diesmal etwas mehr von ihm wahrzunehmen.

Mit Peter Fricke am Stand von Monarda Publishing House (Foto mit freundlicher Genehmigung von Monarda Publishing)
Der Restnachmittag verging wie im Flug. Am Morgen hatte ich u. a. schon eine Lesung von Paul-Henri Campbell (las aus „Space Race“) besucht.
Dazwischen Darbietungen mir vorher nicht persönlich bekannter Autoren. Zum Abschluss hörte ich Christian Scheinhardt, der aus seinem starken Debüt-Roman „Lea geht“ vortrug. Stark? Aber wie! Ich kann es beurteilen, denn ich habe ihn schon ganz gelesen!
Der Tag war um, und die Messe fast vorbei. Nun noch zurück in die Stadt. Der Rückweg ging schneller als gedacht, denn es fuhr direkt vor der Halle ein Bus mit Ziel Hauptbahnhof ab, der unzählige müde Messebesucher in kürzester Zeit an Ort und Stelle brachte.
Ein rundherum schöner Tag, höchst interessant und kurzweilig. Die schmerzenden, müden Füße werden klaglos hingenommen. Sie waren es definitiv wert.
Bis zum nächsten Tag hatte ich mich gut erholt und erkundete weiter die Stadt. In Teil 5 des Leipziger Allerleis befasse ich mich daher wieder mehr mit Leipzigs City und freue mich, wenn Sie wieder dabei sind bzw. wenn ihr wieder im Blog vorbeischaut!
©März 2012 by Michèle Legrand
Leipziger Allerlei – Die Neuauflage – Frühjahr 2012 Die Einführung
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto am 21/03/2012
Sie huschen wieder an mir vorbei. Die Birken und Kiefern. Wie vor ein paar Tagen auf dem Weg nach Leipzig. Irgendwann – etwa nach einer knappen Stunde ICE-Fahrt hinter Hamburg fällt es auf, wie sich der Baumbestand verändert hat und die auffälligen weiß-schwarzen Stämme der Birken das Bild prägen, ergänzt oder unterbrochen von den grünen Nadelpuscheln der Kiefern dazwischen.
Nun wieder Heimfahrt. Eben hat der Zug Wittenberg verlassen, den ersten Halt nach Leipzig in Richtung Norden. Mir bleiben die Bäume demnach noch eine ganze Weile erhalten. Ich überlege immer, wie das Wetter wohl ist …
Doch, natürlich, der Zug hat Fenster, allerdings so blind und durchzogen von schmierigen Rinnsalen, dass unwillkürlich eine andere Szene vor meinem inneren Auge entsteht. Eine durchzechte Nacht, eine heruntergekommene Frau, deren verschmiertes Make Up und zerlaufene Mascara-Spuren neue, etwas trostlose Bilder auf ihre müde Haut zeichnen. Der Zug sieht von außen insgesamt so aus – es sind nicht nur die Scheiben. Er befand sich in Leipzig schon auf dem Abfahrtgleis, als ich eintraf. Ich nahm an, es sei fahrplanmäßig der Vorgängerzug, denn es war noch eine Viertelstunde vor meinem Termin. Eine angekoppelte, rote Lok stand am Kopfende des Bahnhofs. ICE-untypisch. Die Waggons? Sie waren aufgrund des Drecks kaum als ICE-Wagen zu erkennen.
Doch, es sei der Zug nach Hamburg, erklärte mir das Bahnpersonal auf Anfrage, nur der Wagen 3 fehle heute. Ich hatte glücklicherweise eine Platzreservierung in Waggon 5. Als ich ihn betrat, fühlte ich mich sofort zeitlich zurückversetzt. Vorherrschend braune Farbtöne. Sitze mit buchefarbenen Holzlehnen, eine farblich ähnliche Deckenverkleidung, die auf den ersten Blick wie eine recht grobmustrige Textilverspannung aussah, sich aber danach als eher filigrane Metallverkleidung entpuppte. Hölzerne Ablageflächen wie die Roste in einer Sauna und für mich zuerst gänzlich unauffindbar: die Sitznummern. Die Reservierungsschildchen werden in an den Scheiben befindliche Plexiglashalterungen eingesteckt, aber dort sind keine Sitznummern. Nach längerem Suchen entdeckte ich sie in dezentem Schwarz auf ein Aluminium-Abschlussrohr der Gepäckablage geklebt. Nun, dann ist wohl alles okay…
Die schwarzen (Kunst-)Ledersitze sind sogar recht bequem. Wenige Fahrgäste sind unterwegs an diesem Mittwochmorgen, ich kann mich ausbreiten. Nach ein paar Minuten der Fahrt, gelingt es mir sogar mir vorzustellen, dass der Zug irgendwann ICE Geschwindigkeit erreicht. Und tatsächlich: das Aussehen täuschte. Allerdings erspare mir diesmal das weitere Hinausschauen. Wie gesagt, es wirkt immer gleichbleibend stark bewölkt und leicht regnerisch und komischerweise setzte dieser „Wetterwechsel“ abrupt im Zug ein! Am Leipziger Hauptbahnhof schien jedenfalls strahlend die Sonne.
Als ich meinen Koffer noch einmal von der Ablage nehme, um den Laptop herauszuholen, stehen sie auf einmal hinter mir. Drei große Typen, ganz in schwarze Overalls gekleidet. Waffen dabei. Zum Glück dreht sich der eine, erst dann entdecke ich den Aufdruck POLIZEI auf seinem Rücken. Angeschlichen sind sie, erschreckt haben sie mich, wollen aber offenbar nichts von mir. Lediglich ein ernster, prüfender Blick. Gerade hatte ich überlegt, ob ich einen gehetzten Eindruck aufsetzen und ein entmutigtes: „Ja, ich gebe alles zu!“ stöhnen sollte, die Hände wie zum Handschellen anlegen nach vorne gestreckt. Doch nachher nimmt man mich noch ernst … Sie trollen sich und inspizieren sorgfältig den gesamten Zug.
Es scheint heute insgesamt eine interessante, weil etwas andere Bahnfahrt zu werden. Doch die ganzen Tage, die ich unterwegs war, waren schon interessant gewesen …
Die Fahrt am Sonnabend ging zügig und ließ mich kurz vor Leipzig über die Tasche von Gayle Tufts stolpern. Die Entertainerin stieg auch dort aus, und wir wechselten ein paar Worte. Wir saßen wahrscheinlich schon ab Hamburg im Waggon 21 Rücken an Rücken. Irgendwann hatte ich bei der Stimme hinter mir aufgehorcht, und es hatte sich zu dem deutsch-amerikanischen Kauderwelsch ihr Gesicht geformt. Ich stand jedoch nicht auf, um es zu prüfen. In dem Moment, als ich am Zielbahnhof Leipzig mit meinem Trolley an ihr vorbei Richtung Ausgang wollte, rückte sie ihr Gepäck Richtung Gang, um sich ebenfalls zu richten. Karambolage, Verhakeln und Erkennen. Ich sie. Nicht sie mich. Woher auch … Ich hatte sie aus dem Fernsehen als größer, auffälliger, bunter, lauter in Erinnerung. Doch sie ist eher klein, war relativ ruhig, auch ihre Bewegungen. Unauffällig konservativ gekleidet, flache Schuhe, kaum Make Up. Nur ihre Lippen zog sie noch schnell mit einem kirschroten Lippenstift frisch nach. Sie reiste für eine Show in Leipzig an, war in Begleitung eines jüngeren Mannes, der offenbar dabei mitwirkte, denn er erzählte von seinem weißen (Bühnen-)Anzug. Sie war außerordentlich freundlich und ausgeglichen. Gayle Tufts ist offenbar auch so ein Mensch, der auf der Bühne einen inneren Schalter umlegt und für die Zeit dort zur Entertainerin, zur Person Gayle Tufts Nr. 2 wird.
Ich lief im Laufe der Tage noch mehr Menschen über den Weg, die ich wirklich nicht erwartet hatte und kam mit manchen von ihnen ins Gespräch.
Diesmal ging ich noch mehr unter die Leipziger, und ich fürchte, noch ein oder zwei Tage länger und ich hätte dauerhaft einen sächsischen Einschlag beim Sprechen behalten. Es wurde also höchste Zeit, wieder in den Norden zurückzukehren.
Ach, mein Hamburg, ein bisschen habe ich dich tatsächlich schon vermisst …
Ich habe dies die Einführung genannt. Die Einführung zur Neuauflage des Leipziger Allerleis, das ich im letzten Jahr bei meinem mittlerweile dritten Besuch im September startete. Diesen Begriff „Leipziger Allerlei“ ins Suchfeld des Blogs eingegeben, führt Interessierte zu den Teilen 1-3 aus jener Zeit.
Worum wird es diesmal gehen? Die Planung sieht in etwa so aus:
Leipziger Allerlei:
Teil 4 –
Ein Eindruck von der Leipziger Buchmesse, eine abendliche Lesung und ein alter Bekannter
Teil 5 –
Leipzigs schöne Ecken (Kirchen, Plätze, Cafés, Gebäude, Besonderheiten schlechthin, die ich in den vorherigen Artikeln noch nicht so ausführlich besprach)
Teil 6 –
Hineingeraten – Festakt 800 Jahre Thomaner – … und ich dachte, ich gerate in eine Demo!
Teil 7 –
Leipzigs grüne Ecken (Rosental, Zooschaufenster, Johanna-Parka, Clara-Zetkin-Park, Elster). Wo man weniger Touristen und mehr die echten Leipziger antrifft.
(Änderungen vorbehalten)
Viele Fotos werden das zu Berichtende begleiten – wer also Lust hat, dabei zu sein, der achte in den kommenden Tagen/Wochen bitte auf den Hinweis „Blog“ und „Leipziger Allerlei“.
Es wird Fragen zu klären geben wie z. B.:
– Wer kleidet sich wie auf der Leipziger Buchmesse? Gibt es da ein Muster, eine Regel?
– Was kann einen im Hotel vom Schlaf abhalten, wenn es nicht das Bett ist?
– Wie ist das, nach fast 30 Jahren unvermutet einem Menschen wieder gegenüber zu stehen? – Was macht man, wenn man in eine Polizeiabsperrung gerät? Ist Herr Gauck eigentlich so groß wie im Fernsehen?
– Warum das Zooschaufenster jetzt Breitwandformat hat. Hat Leipzig auch Neozoen?
– Was ist eigentlich superspezifisch für Leipzig?
Und mehr …
Ich freue mich wieder auf zahlreiche Gäste und heiße alle recht herzlich willkommen!
©März 2012 by Michèle Legrand
Leipziger Allerlei – Teil 3: Wildnis und Regenwald sind viel näher als gedacht…
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten am 06/10/2011
Leipzig hat enorm viel zu bieten. Teil 1 und 2 der kleinen Blogserie beschäftigten sich mit dem Wesen der Stadt, ihren vielen Vorzügen und Besonderheiten. Nun sind wir im Grünen. Im letzten Teil vom Leipziger Allerlei führt der Weg zuerst in den Wildpark und danach ins Gondwanaland. Viel Vergnügen!
Die Wildnis ruft…
Nun schau sich einer diese junge Dame an! Man kommt gar nicht umhin zu gucken. Mit einem breiten Schmunzeln. Während Manfred und Klaus am Eingang lediglich ruhig herumgestanden hatten, eher bedächtig wirkten und beim Herumlungern nur mit unbeweglichem Blick sparsam kauende Bewegungen machten, ist Erika ein ganz anderes Kaliber. Sie streift umher, sucht Unterhaltung und hat sich eben leicht erschossen hingesetzt. Eigentlich ist sie mehr in sich eingesackt und scheint nun zudem aus dem Gleichgewicht zu kommen. Ihr Körper driftet nach links. Ganz offensichtlich ist es aber gewollt und nur die Einleitung, denn jetzt wird Schwung geholt und… sich auf die Seite geschmissen. Es staubt ein wenig. Ihre schlanken Beine klappen leicht nach oben. Eine attraktive linke Bauchseite bietet sich der Sonne zum Bescheinen dar. Zum Bräunen eher nicht, Erika hat starken Haarwuchs… Es ist eine friedliche Szene und die einzigen, die wohl unmutig aufstöhnen, sind der Klee, der unter der Wucht des Aufpralls aufs Heftigste plattgedrückt wird und die unter Garantie darunter lebenden Ameisen, die nun ein Erdbeben meistern müssen. Erika schubbert sich genüsslich.
Ich mag Trampeltiere. Sie kommen gar nicht so selten vor. Nicht immer ist es sofort eindeutig, dass sie zu dieser Gattung gehören. Es wird beispielsweise auf menschlicher Seite gern kaschiert, bis es nicht mehr zu verbergen ist. Erika ist jedoch ein echtes, tierisches Trampeltier. Mit zwei Höckern. Ein junges Tier, das in seinem Tierpass – neben Erika als Namen – den Wohnort Leipzig stehen hat. Manfred und Klaus ebenso, nur sind sie ausgewachsene Kamele…
Im Süden der Stadt gibt es ein großes Waldgebiet (Leipziger Ratsholz, Auenwald), ein wunderschön gelegenes Naherholungsgebiet und innerhalb dieses Gebiets einen weitläufigen und für die Öffentlichkeit frei und kostenlos zugänglichen Wildpark. Des Weiteren findet man dort unweit des Eingangs seit Weihnachten 1997 eine Haustierfarm. Auf 13.000 Quadratmetern leben mittlerweile 21 Tierarten, 44 Rassen und insgesamt 150 Tiere. Erika ist eines von ihnen. Warum sie als Haustier zählt? So etwas fragt man nicht! In Leipzig ist das halt so! Außerdem steht auch nirgends dran, dass es deutsche oder in Deutschland übliche und wohlbekannte Haustierarten sein müssen.
Die Haustierfarm besteht aus einer Mischung von Stallungen, Volieren, Wiesen und Weiden, Kleintier-Freianlagen und einem Platz, auf dem pferdebegeisterte Kinder (meist Mädchen) auf den Ponys ihre Runden drehen können. Was leider – abgesehen von dem Eintritt, den die Farm ohnehin verlangt – noch einmal 2 € für zwei Runden kostet. Und die Runden haben einen sehr, sehr kleinen Durchmesser…
Erika kann es egal sein. Sie hat Auslauf auf einer großen Wiese, als Nachbarn am Wegesrand hausen Kaninchen (eine Rasse hat unglaublich lange Ohren!), und direkt auf der Weide mit ihr, lebt als Kumpel und Spielgefährte ein Pony. Beide haben ungefähr die gleiche Größe, denn Erika ist noch relativ jung. Betrachtet man sie von der Seite, wenn sie nebeneinander stehen, verdeckt das Pony das Trampeltier. Bis auf die Höcker. Die ragen dahinter wie kleine Türme hervor.
Es ist eine Wonne, Erika zu beobachten, auch wenn sie den Besucher völlig ignoriert. Nichts mit herankommen oder Kontakt aufnehmen. Für sie sind andere Dinge viel, viel wichtiger – z. B. sich erneut hinzusetzen, Schwung zu holen, und das alles, um sich nun auf die andere Seite zu schmeißen…
Gut, ich habe mich also in ein Trampeltier verguckt. Warum denn auch nicht! Am Eingangsschild hatte zuvor etwas von Dromedaren gestanden, doch scheint dies nicht zu stimmen, denn die Bewohner hier haben zwei, nicht einen Höcker. Vielleicht gab es vor den Kamelen (Trampeltieren) einmal welche, und das Schild stammt aus der Zeit.
Heute bin ich mit Christian unterwegs, meinem in Leipzig wohnhaften, guten Twitterfreund (@ChScheinhardt). Er hat sich anderweitig auch ein wenig verguckt. In einen lustigen kleinen, schokobraunen Kerl mit Ponyfrisur. Einen Esel mit Ponyfransen! Genau das Richtige für meinen Begleiter, den Wortfigaro, den Wortspielakrobaten und Buchstabenjongleur. Der knuffige Kerl schien ihn auch zu mögen, jedenfalls kam er neugierig bis ans Gatter.
Wir verabschieden uns nach einer Weile von der Farm und durchstreifen den Wildpark. Ein großes Gebiet mit breiten Wegen und vielen Abzweigungen, die zu zahlreichen Gehegen führen. Es ist Wochenende, viele sind unterwegs. Zu Fuß, mit dem Fahrrad, allein, als Familie oder in Gruppen. Ein Spielplatz mit Seilbahn ist gut besucht. Ich bin immer noch ganz erstaunt, dass hier kein Eintritt zu zahlen ist. Ein vergleichbarer Park in Hamburgs Süden, der Wildpark Schwarze Berge, verlangt ihn und finanziert damit die Hege und Pflege. Wie macht man das hier? Leipzig muss es selbst fördern und zu einem großen Teil unterhalten. Es fällt nur auf, dass es zudem offensichtlich unheimlich viele private Sponsoren gibt. In Form von Tierpatenschaften übernehmen Einzelpersonen und auch Firmen hier einen wichtigen Part. Hin und wieder sieht man aufgestellte Tafeln mit den Namen der Spender. Eine feine Sache, dass sich Ortansässige mit ihrem Wildpark verbunden fühlen und ihn auf diese Art unterstützen.
Wir sind zufällig in dem Moment an einer Voliere mit zwei großen Krähenvögeln, als eine Tierpflegerin mit einem kleinen Wagen auftaucht. Große Aufregung im Käfig. Es gibt wohl Futter. Wildes Hin- und Hergeflattere, wobei nie beide Krähen auf dem gleichen Ast landen. Ein ständiger Wechsel des Sitzplatzes, während die Parkangestellte vorerst den Boden im Krähenheim fegt. Die Vorfreude der Vögel scheint zu steigen, mit ihr die Ungeduld. Ihren Kehlen entringen merkwürdige und fremde Laute, solche, die ich diesen Vögeln nie zugeordnet hätte. Manchmal klingt es wie künstlich am Synthesizer hergestellt, manchmal ist es ein Schnalzen oder auch ein Geräusch, das entfernt an einen sich lösenden Sektkorken erinnert. Irgendwann ist es soweit: Futter! Ich, in meiner Einfalt, hatte gedacht, in der kleinen, orangefarbenen Plastikschüssel befänden sich Körner. Weit gefehlt. Es sind zwei tote Mäuse… Wir gehen.
Die Lauferei macht etwas müde, auf jeden Fall aber durstig und so ein kleines Hungergelüst wäre da auch… Erst ein Halt beim Russenblockhaus, doch die Kellnerin dort scheint schon unser Hereingucken als Zumutung zu empfinden. Wir stehen ihr offensichtlich im Weg. Die Tische sind nicht abgeräumt, es riecht nicht besonders und an dem Platz, wo wir kurzzeitig stoppten, zieht es unangenehm kühl. Wir gehen wieder. Es erweist sich als gut, denn wir erinnern uns, auf unserem Weg ein Hinweisschild zu einem Lokal am See gesehen zu haben. Wiedergefunden, hinspaziert und sehr genossen. Das Lokal heißt Waldgaststätte, liegt sehr schön mit Blick aufs Wasser, hat eine gemütlichen Sonnenterrasse, eine nette Bedienung und richtig gutes Essen. Erst wollten wir nur etwas trinken. Eine Tafel wies jedoch auf Kürbiscremesuppe hin. Auch nicht schlecht… Im Grunde könnte man zumindest einmal einen Blick auf die Karte werfen. Aha, ab 14.00 Uhr gibt es diverse Toasts. Zeitlich kommt es hin. Widerstehen fällt schwer und letztendlich ist das Schwachwerden die richtige Entscheidung. Für 7,50 € gibt es ein vollwertiges, warmes Mahl! Während Christian sich für Rührei mit Pfifferlingen auf Toast erwärmt, habe ich Graubrot mit Hirschbraten und Pilzrahmsoße. Superlecker!! Wirklich empfehlenswert!
Frisch gestärkt kommt der Rückmarsch einem gleich viel kürzer vor. Mit der Straßenbahn geht es in nicht einmal 20 min. zurück Richtung Zentrum, und ich bin wieder einmal begeistert, wie viele schöne Ecken Leipzig doch hat. Heute war es ein wenig die Wildnis. Was mir jetzt noch fehlt ist der Regenwald…
… dem nächsten Ruf gefolgt: Gondwana!
Mein Aufenthalt vor einem Jahr in dieser Stadt fand bei Dauerregen statt. Wäre ich damals zum Leipziger Ratsholz gefahren, hätte ich auf eine Art auch Regenwald gehabt. So einen wollte ich nur nicht. Auf den anderen musste ich allerdings noch ein wenig warten, denn erst seit Juli 2011 hat Leipzig seinen richtigen Urwald, hat Gondwana. Diese Nachempfindung des Urkontinents, bei dem davon ausgegangen wird, das Südamerika, Afrika und das südlichen Asien einmal miteinander verbunden waren.
Die große, gläsern wirkende Halle auf dem Gebiet des Leipziger Zoos ist beeindruckend. Wer sich zum Bau, zur Technik, den Kosten etc. Einzelheiten beschaffen möchte, den verweise ich auf den umfangreichen Wikipedia Eintrag, die Homepage des Zoos und die Seite des MDR, der viel darüber berichtete. Ich erwähne hier nur einige Daten, die ich beachtlich finde, die bei mir hängenblieben oder schräge Gedanken auslösten.
Ich weiß nicht, wie es euch geht. Irgendwo neues zu entdecken ist auf mehrere Arten möglich. Man kann völlig unbeleckt und unvorbereitet losziehen und sich einfach überraschen lassen. Oder das krasse Gegenteil: super präpariert, vorher im Detail alles geplant, Zeitplan in der Hosentasche und Stoppuhr parat.
Ich bin für die Möglichkeit dazwischen. Ich finde es schön, bereits etwas darüber gelesen oder erzählt bekommen zu haben. Ich mag Fotos davon vor dem Besuch ansehen, auf das ein oder andere hingewiesen werden. Für mich sind es neugierig machende Appetizer, Appetitanreger. Es geht mir auch bei mir noch unbekannten Filmen so. Während viele es als Spiel- und Spaßverderben betrachten, wenn ihnen jemand Szenen vorab beschreibt oder Details verrät, macht es mir Freude, später genau darauf zu achten. Ich kann es ruhiger genießen. Die Menschen sind eben verschieden.
Ich möchte kein 300seitiges Lehrbuch studieren oder wissen, wie viele Fensterscheiben (bzw. Folienpolster) die Halle hat, deshalb ist die Vorbereitung gemäßigt. Andererseits habe ich begierig gelesen und angeschaut, was mir ein netter Follower (@blattella) auf Twitter zukommen ließ. Er nannte mir Links zu Filmen, die der MDR in der Bauphase gedreht hatte. Er war bereits relativ kurz nach der Eröffnung dort und kehrte begeistert und mit einer Menge Fotos zurück. Hängebrücken konnte ich sehen, exotische Pflanzen, über deren mögliche Namen wir dann debattierten. Es bestärkte mich in meinen Entschluss, bald selbst Gondwana zu besuchen.
Was ich empfand, möchte ich als einen Eindruck für Sie hier hinterlassen und Sie können gewiss sein, dass Sie es trotzdem als ganz eigene Erfahrung und völlig neu erleben werden, wenn Sie dort selbst hinreisen sollten. Man kann viel erzählen, doch die Wirkung eines Erlebnisses auf jeden ist immer einzigartig.
Ich wusste, die Halle ist groß. Doch groß ist relativ. Ich hatte gelesen, ihre Grundfläche beträgt 16.500 qm. Darunter kann ich mir ungefähr etwas vorstellen. Jedenfalls mehr als unter der Angabe Bruttoregistertonnen bei Schiffen. 16,5 ha sind in etwa so viel wie zwei Fußballfelder. Als Halle! Meine Herren! Sie ist von der Form her wie ein abgerundetes Dreieck gebaut, mit zur Mitte hin ansteigender Höhe. An den Seiten/Ecken nur 10,1 m hoch, damit sie sich an die Umgebung noch anpasst. In der Mitte der Halle ist die Firsthöhe allerdings 36 m (lichte Höhe ca. 34 m), d. h. man könnte etwa 19 Menschen durchschnittlicher Größe aufeinanderstapeln, bis sich der oberste den Kopf stieße. Diese Zahlen sind bestimmt wieder etwas für die Statistiker. Wahrscheinlich wird jetzt gleich umgerechnet in Fläche pro Person oder Lebewesen. Klappt aber nicht. Wir können es zur Demonstration des Unmöglichen trotzdem tun.
16.500 qm Grundfläche für maximal 3.000 Besucher, die gleichzeitig hereingelassen werden. Für 300 Tiere (aus 40 Arten). Für 17.000 Pflanzen (aus 500 Arten). Alles, was als Lebewesen zählt wird addiert und die Summe durch die Grundfläche dividiert. Macht etwa 0,8 qm pro Nase (und Pflanzenstiel). Theoretisch richtig, praktisch grundfalsch. Denn die Halle bietet mehr als die bloße Grundfläche. Es führt ein auf- und absteigender Rundgang hindurch, es gibt einen Vulkanstollen, der unterirdischen Charakter hat. Es gibt zur Sicht von oben auf den Regenwald den sogenannten Baumwipfelpfad. Zwei Hängebrücken verbinden Teile des Rundwegs mit riesigen künstlichen Bäumen in der Mitte der Halle. Wir haben also zusätzliche Fläche, müssen aber unterteilen in Fläche für die Tiere und Fläche für den Menschen. Wie berechnen wir zudem die Fläche des Flusslaufs? Wem schlagen wir die zu? Hm? Liebe Statistiker, es wird nichts. Es lässt sich kein Allgemeinwert errechnen. Stattdessen konzentrieren wir uns lieber auf das Regenwalderlebnis.
Wer Gondwana betritt, durchquert einen Stollen dessen Boden ein wenig wabbert und feurig aufleuchtet. Nicht die Gesamtfläche. Für Menschen, denen es nicht geheuer ist, besteht immer die Möglichkeit, außen herum zu gehen. Ich stand unerwartet auf dem brodelnden Bereich, und plötzlich wackelte es unter meinen Füßen. Schreck! Brodelnder Pudding! Teufelsmoor! Treibsand! …Auch wenn es sonst nicht meine Art ist, Männer zu begrabschen, in diesem Fall musste Christian, der sich auch heute beim Zoobesuch anschloss, dran glauben. Ich packte seinen Arm, es war zu überraschend gekommen. Wenn er sich auch erschrocken hat, so ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken, sondern griente nur über meine Reaktion. Ja, Männer sind eben die Helden! ;)
Die Augen können sich in dem, wie in den Fels geklopften, Stollen allmählich an die Dunkelheit gewöhnen, und wir befinden uns nun in dem Bereich der nachtaktiven Tiere, die hier meist hinter Glas leben. Für die Besucher wurde der Tag- und Nachtrhythmus der Bewohner quasi um 12 Stunden verschoben, damit sie nun wach sind und ein bisschen aus ihren Höhlen hervorkommen. An manchen Gehegen wollen sie sich definitiv nicht zeigen, oder unsere Menschenaugen sind zu schwach, um ein unbewegliches Tier auszumachen. Im Opossum-Bereich scheint etwas herumzuwuseln, doch bei genauem Hingucken kann es nicht Heidi sein. An einem der nächsten Tage erfährt man aus der Presse, dass es ihr sehr schlecht ging und sie eingeschläfert wurde.
Wir schauen uns noch Becken mit Fischen und schwimmenden Schildkröten an, und ich wundere mich über die Tatsache, dass Piranhas so harmlos aussehen.
Es wird heller. Der Ausgang direkt in die gläserne Halle liegt vor uns. Gleich zu Beginn wird für das leibliche Wohl gesorgt, gibt es einen Shop, und der Weg leitet den Besucher sowohl zu den Booten, die hier den Gamanil-Fluß befahren, als auch zum eigentlichen Rundgang. Den Gamanil gab es nie wirklich. Sein Name ist erdacht und eine Zusammensetzung aus den Namen der Flüsse Ganges, Amazonas und Nil. Das Bootsvergnügen kostet extra, erfolgt bei der schwindelerregenden Geschwindigkeit von 5 km/h und ist… fahrerlos! Ein seltsamer Anblick und natürlich interessiert es mich, woher das Boot denn weiß, wohin es zu fahren hat. Es laufen Ketten oder Stahlseile im Wasser, man sieht beim Blick von oben, dass sich im Wasser auch Winden befinden, um die die Ketten geführt werden. Einzelne Holzbalken markieren Punkte, an denen das Boot in den Kurven entlang geleitet wird. Scheint zu funktionieren, zumindest gibt es keine Zusammenstöße, Strandungen oder Auffahrunfälle während meines Aufenthaltes.
Wir beginnen den Rundgang zuerst falsch. Das erste Hinweisschild war nicht so eindeutig. Wir erwischen den Weg zum Notausgang und bemerken es nach einigen Metern, denn auf einmal geht keiner mehr mit uns. Komisch, die Halle war doch eben noch voll… Wir sind schnell zurück auf dem richtigen Pfad und tauchen ein in die Welt des Regenwaldes. Temperaturen von 24-26° C bei einer Luftfeuchtigkeit von 65-100% reichen aus, schnell auch die letzte dünne Stoffjacke von sich zu werfen. Ich lege meine über die Umhängetasche und achte hin und wieder darauf, ob sie noch an ihrem Platz ist. Je weiter man dem Rundgang folgt, desto interessanter wird es. Die Pflanzen kesseln einen ein, ragen mit ihren Blättern bis in den Weg hinein. Aus versteckten Lautsprechern ertönen Geräusche. Ein Mix aus Vogelgezwitscher, Regengeprassel, Lauten anderer Tiere. An einigen Stellen sind im Hintergrund Luftbefeuchter platziert, die zwischendurch immer wieder eine Wolke feinsten Regenstaubs herauspusten. Exotische Blüten und großblättrige Pflanzen wechseln sich ab mit speziell gestalteten Zonen, in denen Regenwaldtiere ihr Reich haben. Sehr schön, artgerecht und vielseitig angelegt. Wir entdecken Riesenotter, Fischkatzen, Ozelot und Serval, Schabrackentapire, Zwergotter, einen
Komodowaran, Leguane, Schildkröten, Hornvögel mit bunten Schnäbeln und mehr. Manchmal wippen wie verrückt Äste der Bäume, die sich auf der Insel mitten im Fluss befindet. Dort haben die Totenkopfäffchen ihr Areal und scheinen kontinuierlich Sport zu betreiben. Possierlich, agil und, wie man mir vorher erzählte, manchmal auch etwas aufdringlich. Da sie die Geländer dort als ihr Terrain betrachten, auf dem sie hin- und herflitzen wollen, behagt es ihnen absolut nicht, dass Besucher ihre Hände dort ablegen. Es kam anfangs sogar zu kleinen Beißattacken. Daraufhin überlegten die Zoomitarbeiter sich als Lösung des Problems, weiter oben eine Art zusätzlichen Geländerlauf zu ziehen – ausschließlich für die Affen. Seitdem sie diese Affenrennpiste haben, soll sich die Lage entspannt haben.
Mich beeindruckt jedoch auch die Flora sehr. Darüber hatte ich vorab mehr gelesen. Wie schon kurz erwähnt, sind 17.000 Pflanzen in unzähligen LKW-Ladungen herbeigeschafft worden. Bäume wurden importiert und über Rotterdam verschifft, wo sie zuerst an europäische Lichtverhältnisse gewöhnt wurden. Die Pflanzen mussten eine Quarantäne durchlaufen, um zu vermeiden, dass Schädlinge eingeschleppt wurden. Diese Pflanzen stammen aus ca. 500 unterschiedlichen Arten. 120 Gewächse sind zwischen sechs und 12 Metern groß, 415 Bäume und Pflanzen mittelgroß, d. h. zwischen drei und fünf Metern. Vielleicht kann man sich anhand dieser Höhenangaben vorstellen, wie vielfältig es dort aussieht. Die riesigen Kunstbaumstämme, die in der Mitte der Halle die Anlaufstelle für die Hängebrücken darstellen, haben noch eine ganz andere Funktion. Sie beherbergen ‚hässliche’ Technik. Der Zoo ist recht stolz darauf, dass er, wo immer es geht, natürliche Ressourcen wie die Sonneneinstrahlung, Regenwasser, Wärmerückgewinnung und Wärmespeicher nutzt.
Die Lüftungsanlagen beispielsweise verfügen über eine Wärmerückgewinnung, und dazu werden diese als Baumriesen getarnten Säulen genutzt. Sie saugen die heiße Luft unter der Hallendecke ab und speisen sie über eine Wärmepumpe in einen 100 Kubikmeter großen Erdwärmespeicher. Meine Bewunderung steigt. Für das Konzept, die Umsetzung und letztendlich für das Regenwaldfeeling, dass tatsächlich (zumindest an vielen Stellen des Rundgangs) erzeugt wird. Besonders schön gelungen ist der Wasserfall. Schon zu Beginn des Rundgangs entdeckt man ihn am anderen Ende des Regenwaldes, wo er in großer Höhe über eine Felskante stürzt und einen Regenvorhang bildet. Hinter diesem Vorhang – mehr erahnt, als wirklich gesehen, verbirgt sich ein Loch in der Felswand, welches später seinen großen Auftritt hat. Auf dem weiteren Weg wird der Besucher in den Felsen, hinter den Wasservorhang geführt und kann ihn nun von innen heraus betrachten. Wunderschön! Das Prasseln des Wassers, Vogelstimmen, Lichtreflexe. Auch ein kleiner Knirps, der dort mit seinen Eltern entlang kam, fand es faszinierend. Er wurde vom Wasser magisch angezogen, zuckte aber bei jedem Spritzer, der ihn erhaschte, zusammen – um drei Sekunden später zu lachen.
Gondwanaland. Es ist wirklich mit Liebe gemacht. Selbst die Toiletten sind stilgerecht! Die Türen der einzelnen Kabinen sehen aus, als wären sie aus Bambusrohr.
Es funktioniert alles ohne Stau und Dramen, aufgrund des limitierten Einlasses und weil sich jeder an den Rundgang zu halten hat. Es gibt keinen Gegenverkehr, kein Umdrehen. Es fällt kaum auf, dass sich Gondwana-Mitarbeiter um alles kümmern, nur im Fall der Fälle sind sie sofort da. Ich hatte bemerkt, dass meine Jacke verschwunden war, konnte sie aber wirklich gerade erst verloren haben. Demnach auf dem Weg über die Hängebrücken. Während Christian wartete und ggf. Personal ansprechen wollte, lief ich erneut über die Hängebrücke. Ich stand in der Mitte der zum Baumriesen hinführenden Brücke, als ich auf der gegenüberliegenden, wegführenden, eine junge Frau entdeckte, die meine rote T-Shirt-Jacke in der Hand hielt. Erster Reflex: umdrehen, um sie beim Verlassen der Brücke abzupassen. Nix da! Eine junge Dame von Gondwana hielt mich sofort davon ab, irgendwelchen Heckmeck auf dem schwankenden Weg zu veranstalten. Ich huschte also eilig hinter der Finderin her, die aber die Brücke bereits verlassen hatte, als ich dort ankam. Christian hatte sie wohl gesehen, war aber nicht sicher gewesen, dass sie nicht ihre eigene Jacke in der Hand hatte. Weiter hinterher. Sie konnte ja nur in eine Richtung gelaufen sein. Da vorne stand sie! Erwischt, bedankt, Jacke ans Herz gedrückt. Glück gehabt und ja, die Organisation in Gondwana ist tipptopp.
Die Zeit vergeht schnell dort. Zwei oder drei Stunden sind gar nichts. Es war den Besuch allemal wert, nur wir wollen den Restzoo ja auch noch ansehen…. Also hinaus!
….Zoo Leipzig
Da der dritte Teil des Leipziger Allerleis schon sehr umfangreich ist, soll es hier nur um ein paar Fotoimpressionen gehen. Jedem allerdings die Empfehlung, sich diesen Tierpark (inkl. Gondwana) unbedingt einmal anzusehen. Eine schöne Mischung aus alt und neu. Tolle, großzügige Gehege und Landschaften (Themenwelten, z. B. das Pongoland der Affen). Insgesamt auch hier eine große Vielfalt und sehr interessant das Aquarium in der Nähe des Eingangs. Es hat im oberen Geschoss ein durchgehendes Rund- oder Ringbecken. Der Besucher steht in der Mitte, und wird von z. B. Haien kontinuierlich umrundet. Wer viel Action erleben und mehr Information beim Rundgang möchte, sollte sich vorher nach den Zeiten erkundigen, in denen Tierpfleger kommentieren oder Fütterungen bei den Tieren abhalten.
Und nun nichts wie hin!
Für mich war es der vorerst letzte Tag meines Aufenthalts in Leipzig. Leider. Inzwischen habe ich vieles gesehen. Es gibt jedoch mittlerweile Orte, die ich wiedersehen möchte. Es gibt Jahreszeiten, zu denen ich noch nicht dort war, Veranstaltungen, die ich noch nicht besucht habe und immer auch – ganz wichtig – Menschen, die ich wiedersehen möchte! Es wird demnach auch dieses Mal nicht das letzte Mal gewesen sein. Leipziger, macht euch darauf gefasst, dass ich wiederkomme! ;)
Ich danke Ihnen herzlich für die bisher so zahlreichen Besuche im Blog, das Retweeten auf Twitter, Verbreiten via Facebook, Abonnieren des Blogs und – nicht zu vergessen – die Kommentare!
Zoo Leipzig – Impressionen
Ende – Fin – The End
…. vorerst ;-)
Leipziger Allerlei – Teil 1: Städte – Ein seltsames Phänomen
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Auf Entdeckung ... in Leipzig, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten am 01/10/2011
„Ach, du willst nach Leipzig?“ Das schon wieder mit Fragezeichen dahinter bleibt diesmal unausgesprochen.
„Was willst du denn dort?“ Betonung auf dort.
Ich erinnere mich noch an den ungläubigen Ton in der Stimme, als ich das erste Mal fuhr und meine Pläne verriet. Halb interessiertes Zuhören, und dann der verständnislose Kommentar: „Aha!“
Beim zweiten Mal weniger Überraschung im Tonfall, jedoch dafür eine gehörige Portion Ungläubigkeit im Blick und die Frage:
„Magst du die Stadt (etwa)?“
Aber klar!! Nun, nachdem ich begeistert vom dritten Besuch heimkehre, ist die Neugier offenbar so groß, dass ich diesmal mehr erzählen soll. Über die Stadt im Osten.
„Ich dachte immer, du magst die Stadt nicht? Du wolltest da doch nie hin!“
Die Frage überrascht mich ungemein. Wie kommt sie denn auf diese Idee?
„Na, ich weiß noch, dass du dich geweigert hast, zur Leipziger Frühjahrsmesse zu fahren!“
Huch! Da werden jetzt aber ganz alte Kamellen hervorgeholt, und es ist wohl auch dringend nötig, einen kleinen Irrtum aufzuklären: Es hatte nämlich absolut nichts mit Leipzig zu tun!
Ich arbeitete in den 80er Jahren in einer Firma, die mit einigen ostdeutschen Kombinaten in geschäftlichem Kontakt stand. Der Besuch der alljährlichen Frühjahrsmesse war inzwischen ein Ritual. Kontaktaufnahme, Kontaktpflege, Vertragsabschlüsse. Jedes Jahr fuhr derselbe Prokurist, gleichzeitig auch Mitglied der Geschäftsleitung, dorthin und hatte die Angewohnheit, eine Sekretärin/Sachbearbeiterin/Kollegin mitzunehmen. O, wie fortschrittlich! kommt jetzt vielleicht. Die Sache hatte jedoch einen mächtigen Haken: Er brauchte sie definitiv nicht für die Büroarbeit! Es sprach sich herum. Die letzte Mitreisende hatte es für ernste Zuneigung gehalten, wurde nach der Rückkehr in ihre Schranken verwiesen, irgendwo auch zum Gespött der Kollegen und hatte letztendlich gekündigt. Wer es früher erst vor Ort in Leipzig verstand und dann rebellierte, brauchte nicht zu kündigen. Er bzw. natürlich sie wurde gekündigt. So sah es aus, als auf einmal die Frage an mich gestellt wurde:
„Möchten Sie dieses Jahr nicht mit auf die, ähem, Messe fahren?“
Ich habe mich herausgewunden. Mit meinem französischen Vor- und Nachnamen. Es gäbe mit meiner Nationalität immer Schwierigkeiten an der Grenze. Auch, weil sie glauben, ich müsste ein Mann sein…. Banges Herz, ausdrucksloser Blick. Schluckt er’s? ER hat’s geglaubt. Ich fuhr nicht.
Unser Prokurist konnte damit leben, ich hatte meine Ruhe, war happy, und – wie man sieht – hatte das alles mit Leipzig selbst, als Stadt, überhaupt nichts zu tun.
Ich kläre sie entsprechend auf.
„Ach! Ja, wenn das so ist… Also, ich war ja noch nicht da, aber was man früher so hörte… So toll kann das doch nicht sein! Kannst du mir mal verraten, was du da so magst?“
Was ich mag? Ich nenne ein paar greifbare Dinge, bin in Gedanken aber woanders, denn plötzlich fällt es mir ein wenig wie Schuppen vor den Augen. Ein kleiner Film läuft ab, und wer sich nur rein für das Thema Leipzig interessiert, kann jetzt ein großes Stück des Textes überspringen (Würde ich an eurer Stelle aber nicht machen… ;)
Momentan geht es um ein generelles, zugleich jedoch sehr bemerkenswertes Phänomen. Mit dem Mögen oder nicht Mögen ist das nämlich so eine Sache. Unter Menschen und Tieren sowieso. Doch es gibt auch eine Zu- oder Abneigung zu Städten.
Hör mal, da fahre ich doch nie wieder hin!
Einen solchen Satz hat schon mancher mit Inbrunst von sich gegeben. Nur hätte nicht jeder auch sofort differenziert beschreiben können, was genau ihm da nicht gefallen hat. War es wirklich die Stadt, d. h. waren es Bauwerke, Anlagen, Infrastruktur, Aufteilung/Gestaltung, Farbgebung, die missfielen?
Es ist sehr unnatürlich und unwahrscheinlich, dass eine Stadt von Ost nach West, von Nord nach Süd, in ihrer gesamten Ausdehnung gleich erscheint. Meist gibt es einen alten Kern, das Zentrum, das Herz einer Stadt. Darum herum und darauf folgend die Erweiterung, die mit fortschreitender Zeit, zunehmender Bevölkerungsdichte und vorangetriebener Industrialisierung nötig wurde. Immer neue Stadtteile, die sich jeweils in einer anderen Epoche entwickelten.Veränderte wirtschaftliche Voraussetzungen, andere Auffassungen, die Gültigkeit bekamen, andere Prioritäten, die gesetzt wurden. Plötzlich ein ganz anderer Stil in unmittelbarer Nachbarschaft, und irgendwann existieren auch Bereiche, in denen fast ausschließlich Industrie und Fabrikation anzufinden sind oder einen Großteil ausmachen. Ein Viertel verkommt, Menschen ziehen weg, ein anderes wird zum heimlichen Mittelpunkt oder Szenetreff. Kontraste. Dieser Teil gefällt, jener sagt einem nichts, einer ist sogar eher zum Weglaufen, wieder ein anderer wirkt einladend.
So gesehen, müssten wir in jeder Ortschaft, Stadt, Metropole etwas finden, mit dem wir klarkommen können. Etwas, das wir als schön empfinden. Etwas, das wir mögen. Doch ganz offenbar gibt es für jeden Menschen Plätze, an die er nie oder aber – im Gegensatz dazu – immer wieder zurückkehrt. Was lenkt uns, was schreckt uns? Was ist es, was uns abstößt oder anzieht? Wenn wir die Vielfalt einer Stadt erkennen, differenzieren, dann fällt doch für jeden etwas dabei ab. Gehe ich halt nicht nach Brimselburg-West sondern nach Brimselburg-Ost! Scheinbar klappt das Verfahren der Differenzierung jedoch nicht sonderlich. Was könnte der Grund dafür sein? Der Mensch tickt anders. Der Mensch verallgemeinert leicht. Der Mensch registriert unbewusst und wertet im Grunde irrational.
Nach meinem Empfinden sind es Emotionen, die wir (unser Gehirn) mit Örtlichkeiten verknüpfen und verbinden.
Rita flog das erste Mal mit dem Flugzeug. Ihr Ziel: Edinburgh. Ihre Maschine geriet in eine Unwetterzone mit heftigen Turbulenzen, so dass sie kurzzeitig um ihr Leben bangte. Sicher wieder auf dem Boden, schwor sie sich zuerst: nie wieder per Flugzeug, und nie wieder Edinburgh! Das Band des Schwurs leierte aus, das Flugzeug wurde freigesprochen und zurück blieb: nie wieder Edinburgh. War es nicht auch mehr das Wetter gewesen? Schottland. Regen! Na, bitte… Also, wenn die Stadt derart ungünstig liegt, dann ist sie doof. Gestrichen. Rita will dort nie wieder hin.
Richard kam am Hauptbahnhof in Bremen an. Schon im Zug hatte er sich über seinen Sitznachbarn aufgeregt. Der hatte sich breitgemacht, als gehörte ihm Richards Platz mit! Die Klimaanlage hatte nicht richtig funktioniert. Er fühlte sich verschwitzt, die Fahrt war ihm ewig vorgekommen, und nun suchte er verzweifelt ein Taxi. Gähnende Leere am Taxistand. Er stand sich gefühlt Stunden die Beine in den Bauch, obwohl es bestimmt nicht mehr als fünf Minuten gewesen waren. Als er endlich eines fand, muffelte ihn der Fahrer unfreundlich an und half nicht beim Gepäck. Bei seiner Fahrweise anschließend wurde Richard schlecht und beschissen hatte der Kerl ihn auch. Er hatte viel mehr bezahlen müssen, als ihm ein Bekannter vorher prophezeit hatte. Klarer Fall: Bremen ist doof. Die Stadt liegt am Ende der Welt (bei der Anfahrt!) und nur unfreundliches Pack unterwegs. Gestrichen. Nie wieder!
Anne hatte endlich Urlaub. Eine Woche Pisa, Sonne, wandern, ausruhen. Es ging gleich lustig los. Ihr Zug blieb kurz vor ihrem Ziel auf der Strecke stehen. Aufgrund eines Erdrutsches. Nach zu viel Regen. Der übrigens die ganze Woche anhielt, die sie dort verbrachte. Sie fror die ganze Zeit, kehrte mit einer veritablen Erkältung zurück und fühlte sich hundeelend. Geh mir weg mit Pisa! Nie wieder!
Wir sehen, es gibt Umstände, die einem den Aufenthalt in einer Stadt vermiesen. Die die Sicht auf die Stadt vernebeln. Die unseren Blick trüben und uns denken lassen: klar, liegt eindeutig an der Stadt! Eigenartiger Lärm, komischer Geruch, unfreundliche Gesellen, schlechtes Wetter, Sturz, herausgefallene Krone mit anschließendem Zahnarztbesuch, verpasste Bahn, ewig etwas gesucht, sich verlaufen, Pech gehabt, sich geschnitten, Zoff mit dem Partner, bei einer Prüfung durchgefallen – etwas in der Art reicht völlig aus.
Mann, in so eine Stadt fahre ich doch nicht noch einmal!
Umgekehrt funktioniert es natürlich genauso.
Patrick hatte ein Seminar in Ettlingen und kam mit dem Flieger nach Karlsruhe/Baden-Baden. Der Pilot hatte eine weiche Landung hingelegt, die Sonne schien, sein Gepäck war im Nu parat, ein Taxi stand direkt vor der Tür, und der freundliche Fahrer erkundigte sich, ob er einen angenehmen Flug gehabt hätte. Er fuhr gleichmäßig-zügig, der Wagen war wohltemperiert, und am Ende wünschte ihm sein Chauffeur sogar noch einen schönen Aufenthalt. Patrick war begeistert. Also nach Baden-Baden würde er wieder kommen. Tolle Stadt! Er weitete es gleich auf Ettlingen mit aus, obwohl er noch keinen Schritt dort getan hatte. (Eigentlich war es nur alles stressfrei gelaufen, das Wetter spielte mit, und er war auf einen netten Mitmenschen gestoßen)
Hätte sich Richard damals im halbleeren Zug einfach auf einen der freien Plätze verzogen und wäre er in Bremen nicht so eilig losgehastet, wäre er fünf Minuten später am Taxistand eingetroffen. Es wäre vieles anders gelaufen. Er hätte z. B. gleich ein Taxi gefunden. Er hätte unter Umständen Konstanze als Fahrerin gehabt, die alle mit ihrem Charme becirct. Sie ist Studentin, einfach immer gut drauf und fährt Taxi nur nebenbei. Richard hätte ihr Lachen bezaubernd gefunden, hätte ein wenig mit ihr geflirtet, wäre dann beschwingt aus dem Wagen gestiegen und hätte jedem erzählt: Also Bremen ist toll, da fahre ich bald wieder hin!
Wir merken, wir tendieren auch hier wieder dazu, unsere kleinen Puzzleteilchen, die wir erspähen, in Schubladen zu packen, denn Ordnung muss sein. Unser banaler Einstufungstest leistet doch gute Dienste! Nur während ein Puzzle sich aus sehr vielen Teilen zusammensetzt, reicht uns bei der Stadtbeurteilung (und auch bei anderen Dingen) oft ein einzelnes, kleines, im Grunde völlig unwichtiges Mittelteil, um uns ein Gesamtbild vorzugaukeln. Wie schön, auf diese Weise braucht unsere Kommode auch nur wenige Schubladen. Im Grunde nur zwei.
Ein einzelnes positives Erlebnis erzeugt das Bild der tollen Stadt = Schublade eins.
Ein mickriges, kleines, unbedeutendes, lästiges Vorkommnis: Na, die können mal ohne mich …! = Schublade zwei
Sobald nach der Ankunft auf diese Art und Weise das Urteil gefällt wurde, wird auch die weitere Wahrnehmung höchst einseitig. Der eigensinnige Kopf sucht nur noch nach Bestätigung der schon vorhandenen Meinung, für alles andere sind die Ohren auf Durchzug gestellt, die Augen blind.
Siehst du, habe ich doch gesagt! Der Kaffee ist auch kalt…
Hast du gemerkt? Der hat auch wieder so komisch geguckt….
Hier! HIER! Ich habe einen Kratzer am Auto! War ja klar! Hätte ich dir vorher sagen können! Typisch Bielefeld/Hamburg/Frankfurt/Mannheim/Hintertupfingen (beliebig).
Selbstverständlich funktioniert es auch wieder umgekehrt:
Lass uns doch ein Taxi nehmen, die Fahrer kennen sich alle aus, sind grundehrlich, höflich und stets hilfsbereit. Habe ich selbst erlebt. (Der Enthusiasmus nach einer (!) geglückten Fahrt)
Du, die haben die ganze Stadt renoviert. Hier ist einfach alles tipptopp und einmalig organisiert. (Ein neues Einkaufszentrum gesehen und wider Erwarten gleich einen Parkplatz mit funktionstüchtiger Parkuhr gefunden).
Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren einwandfrei, sind superpünktlich und so was von sauber! Tolle Stadt! (Einmal zwei Stationen direkt ab Anfangshaltestelle mit einem Bus gefahren, der aus der Waschanlage kam)
Alle sind hier so hilfsbereit! (Es hat einmal jemand den Weg erklärt).
Soweit mein kleiner Film im Kopfkino, der hier für den generellen Einschub sorgte.
Nehme ich mir nun wieder Leipzig vor, stelle ich fest, es ist eine Stadt, die in die Kategorie: Toll, da muss ich wieder hin! fällt. Eine Erst-weg-und-hin-und-jetzt-hin-und-weg-Stadt.
Ich konnte nicht auf Anhieb konkret sagen, was genau diese absolute Gewissheit begründete, was genau dieses Gefühl ausgelöst hatte. Ich war mir sicher, dass dies nicht allein die Existenz eines toll aussehenden Bauwerks, ein zentral gelegenes Pensionszimmer oder das Feststellen eines günstigeren Preisniveaus, als ich es in Hamburg kenne, ausgelöst haben konnte.
Was ist es also dann? Was macht Leipzig so unwiderstehlich? Was lässt einen und speziell mich ins Schwärmen geraten, was zieht so an und verleitet zum Wiederkommen? Ist etwas dran an meiner persönlichen Emotionen-Theorie?
Ich werde im 2. Teil des Leipziger Allerleis versuchen, dieses Geheimnis zu lüften und die Stadt näher zu bringen. Ich beabsichtige, Besonderheiten und Auffälligkeiten vorzustellen. Dinge, die mir aufgefallen sind, nicht unbedingt Dinge, die der Reiseführer erwähnt. Heimliche Lieben und Schwärmereien preiszugeben. Das eine oder andere Bild zu posten. Bleibt doch dabei, wenn es heißt:
Leipziger Allerlei – Teil 2: Die Stadt Leipzig – Verfallen. Ihr. Nicht sie…