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Orchestrale Blätterfallsucht
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Foto, Garten (und Natur allgemein), Geschichten / Menschliches Verhalten am 28/11/2013
Die Zeit fliegt. Einerseits gefällt sie mir, diese Tatsache. Auf diese Art und Weise gehört der triste November bald der Vergangenheit an. Andererseits möchte ich sie stoppen, da mir arbeitsmäßig und erledigungstechnisch gerade Stunden fehlen.
Mein Gefühl verkündet mir obendrein, der Blog käme zu kurz. Gut eine Woche ist es schon wieder her, dass hier der Kronleuchter herunterrauschte. Hier im Blog, nicht bei mir zu Hause.
Ich habe festgestellt, Bloggen entspannt. Komme ich nicht dazu, fehlt es mir, und ich hege die starke Vermutung, dass mir nicht etwa die Veröffentlichung der Beiträge das größte Behagen bereitet, sondern vielmehr die Entspannung, die sich beim Ersinnen und Schreiben einstellt.
Seit dem letzten Blogpost habe ich viel am Laptop gesessen. Auch schreibend, jedoch arbeitend schreibend. Recherchierend.
Dabei fällt hin und wieder der Blick aus dem Fenster in den Garten. Bewusst die Augen entspannen. Es heißt immer, man soll das Zwinkern vor dem Bildschirm nicht vergessen.
Was nicht bedeutet, dass Sie mit ihrem PC herumschäkern sollen!
Sie sollen lediglich daran denken zu blinzeln, denn der Lidschlag verteilt den Tränenfilm und befeuchtet die Hornhautoberfläche. Eigentlich geschieht dies ca. zehn bis fünfzehn Mal pro Minute, vor dem Monitor hingegen verringert es sich häufig auf nur noch ein oder zwei Mal. Was daraufhin entsteht, sind trockene, schmerzende Augen. Um so etwas zu vermeiden, ist das Hinausschauen und Ausruhen der Augen für mich inzwischen zu einem Automatismus geworden.
Sie haben es bei sich bestimmt auch wahrgenommen: Im Garten holt es langsam aber sicher die letzten Blätter von den Bäumen und Sträuchern und – sagen wir es ganz deutlich – es ist gerade Gammelphase!
In der letzten Woche gingen die Temperaturen nach unten, leichter Nachtfrost gehörte auf einmal zum Programm. Was den einen Tag noch anziehend, freundlich, farbenfroh und lebendig wirkte, war anderentags kaum mehr wiederzuerkennen. Die Kälte hatte unerbittlich zugeschlagen. Zur Blätterfallsucht kamen das Verfrieren, Umknicken und Absterben der überirdischen Triebe, das Matschwerden und das Krumpeln von kurz zuvor noch knackigen Beeren und Früchten.
Es ist jedes Jahr wieder verblüffend, die enorme Auswirkung von einer nur zwei oder drei Grad geringeren Temperatur zu beobachten. Wenn es denn gerade an dieser Schwelle zur Frostbildung ist …
In einer der Augenschonpausen habe ich mitgezählt. Sieben, acht … Acht Sekunden hat es gedauert! Achten Sie einmal drauf: das ist lang! Als Blattfallzeit, meine ich.
Ein Blatt des Haselnussstrauchs hatte sich weit oben gelöst und fiel gemächlich zu Boden. Der große gelbbraune Lappen schwebte zwischendurch wie eine kleine Schaukel, tänzelte, als könne er sich nicht dazu durchringen, auf dem kalten Boden zu landen.
Und während das Blatt noch in der Luft verharrt hatte, war ein Windstoß gekommen, hatte es erwischt und an ihm herumgezerrt. Den langen, dünnen Reisigzweigen der Birke war es ebenso ergangen. Sie wurden gepackt, durchgewirbelt und die Blätter sind in Massen gestoben. Ich finde das Wort gestoben übrigens schön! Google fragt allerdings immer ganz dröge, ob ich gestorben meine …
Was ich Ihnen in dem Zusammenhang jedoch eigentlich erzählen wollte, ist etwas anderes. Manchmal höre ich Blätter fallen. Es sind beileibe keine besonderen Blätter, die mit Ratazong auf die Erde rumsen! Sie sind nicht hart, und es geht nicht um den Aufprall!
Ich höre sie in der Luft …
Sie machen Musik, denn ich sehe Instrumente in ihnen. Schwere große Blätter werden zu Instrumenten mit mächtigen, wuchtigen und oftmals tiefen Tönen. Das Haselnussblatt hört sich dann an wie eine Pauke. Andere derartige Blätter klingen nach Kontrabass und Tuba. Die kleineren Blätter hingegen sind – größenabhängig – Violinen, Hörner, Trompeten, Flöten, Klarinetten bis hin zu Piccolo-Flöten und Glockenspielen! Wenn viele Blätter eines Baumes zusammen herunterrieseln, klingt es, als würde irgendwo sanft eine Harfe angeschlagen oder als ob in Windeseile Pianistenfinger über die schwarzen und weißen Tasten eines Flügels glitten. Ein Miniblättchen, wie das der Berberitze, löst einen Triangelschlag aus.
Wenn Sie sich im Herbst beim Anblick des fallenden Laubs einer solchen Vorstellung hingeben, dann vernehmen Sie plötzlich tolle Konzerte! Bei Windböen ist es so, als gäbe es keinen Dirigenten. Alles spielt wild durcheinander. Die Lautstärken sind unterschiedlich. Sagen wir diplomatisch, es seien moderne Stücke – oder Sie hören die allererste Probe eines Werks.
Doch sobald bei Kälte das Blätterrieseln einsetzt, diese schlichte, gleichmäßige Blätterfallsucht, ist der Mann mit dem Taktstock zur Stelle, und sein Orchester beginnt mit dem Konzert.
Oh, ein neues Haselnussblatt!
BONNNGGG!
Das war der Paukenschlag.
Orchestrale Blätterfallsucht …
Auch wenn es sich fast nach einer Krankheit anhört, ich liebe sie.
Planten un Blomen im Herbst – Farbenpracht und Blättermeer locken
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Foto, Garten- und Parkanlage "Planten un Blomen" (inkl. Besonderheiten im Tropenschauhaus!) am 14/10/2013
Hätten Sie Lust auf einen kleinen Streifzug? Ich würde Sie gern mitnehmen, um ein weiteres Mal durch die Parkanlage von Planten und Blomen in Hamburg zu spazieren. Ein bisschen pirschen, entdecken und beobachten …
Haben Sie es schon bemerkt?
Hier im Blog hat Planten un Blomen jetzt eine eigene Kategorie rechts auf der Startseite erhalten. Noch schneller sind die Artikel zu finden …
Warum erneut dorthin?
Sie waren als Stammgast des Blogs im Frühling, Früh- und Hochsommer und bei besonderen, weil seltenen Anlässen wie der mehrere Meter hoch aufragenden Agaven– oder der riesigen, nach Verwesung riechenden, nächtlichen Titanenwurzblüte dabei.
Sie haben die Wasserspiele – Fontänen bei Tag oder Konzert mit Wasserlichtorgel bei Nacht – erlebt, Sie kennen den Sommerflor der Staudenbeete. Sie saßen auf den Mittelmeerterrassen, liefen am alten Wallgraben, besuchten Kaskaden und Tropengewächshäuser. Auch den Narzissenhang, kleine Wege und geheime Winkel.
Was bleibt da noch für heute?
Heute sieht alles wieder ganz anders aus! Herbstpracht! Herbstzauber ist angesagt!
Diese Jahreszeit hat andere Farben und bringt eine andere Atmosphäre. Riecht anders! Klingt anders! Es ist ruhiger im Park. Das emsige Treiben, das sonst an warmen Sommernachmittagen herrschte, hat nachgelassen. Das Tempo hat sich verlangsamt.
Es hängt jetzt sehr häufig ein feiner Dunst in der Luft, Feuchtigkeit, die die Haare kräuseln lässt, für die jedoch das Aufspannen eines Schirms zu viel wäre. Manchmal mildert dieser Dunst ein wenig die Farbkontraste, wirft sich wie ein leichter Schleier über die jetzt noch blühenden Stauden, lässt das Bild etwas milchig und unscharf erscheinen, wie ein Gemälde von Monet.
Die Sonne schafft es häufig gar nicht, die Wolkendecke zu durchdringen und dennoch leuchtet es momentan im Park. Die Laubfärbung ist im vollen Gange und so scheint es, als hätten einige Bäume und Gehölze einen kleinen internen Lichtschalter angeknipst und damit für Beleuchtung gesorgt, die sie wirkungsvoll in Szene setzt. Unterschiedliche Glühbirnen verwenden sie obendrein – sämtliche Rot-, Orange- und Gelbtöne sind eingeschraubt.
Neulich habe ich von der IGS, der Internationalen Gartenschau, berichtet, die am zurückliegenden Sonntag (13.Okt.2013) zu Ende ging. Obwohl ich im Endeffekt positiv überrascht war (nach der vorausgegangenen, eher negativen Berichterstattung), blieb mir erstaunlich wenig haften oder berührte mich derart, dass der dringliche Wunsch entstand, wieder einmal dort vorbeizuschauen. Stattdessen stelle ich nach einem Besuch in Planten un Blomen aufs Neue fest, welche Pluspunkte diese Parkanlage hat und was im Umkehrschluss der IGS nach meinem Empfinden vielleicht gefehlt haben könnte.
Planten un Blomen erhielt mit dem Gartenarchitekten Karl Plomin einen Erschaffer, der nicht nur ein immenses Pflanzenwissen vorweisen konnte, sondern die Parkanlage bekam mit ihm gleichzeitig einen begnadeten Gärtner und Gestalter, welcher über eine führende, eine malende Hand verfügte, die ein Gesamtbild komponieren konnte. Eine Einheit, etwas Harmonisches.
Möglicherweise ist es das, was ich auf der IGS trotz vieler positiver Einzeleindrücke und der ein oder anderen schönen Stelle am Ende vermisste. Es wurde aus dem vielen Einzelnen im Endeffekt kein Ganzes, nichts Ineinandergreifendes und nichts Zusammengehöriges.
Um bei dem Beispiel mit dem Gemälde zu bleiben: Sie können zwanzig tollen Malern Pinsel und Farbtopf geben, ihnen freie Hand lassen bei der Auswahl ihrer Motive … alles gut. Sie werden tolle Ergebnisse haben! Aber nur so lange, wie Ihre Künstler Solisten bleiben und sie sie nicht zwingen, alle unabgesprochen auf derselben Leinwand zu malen.
Die Folge ist dann sehr häufig hier eine Prise Disharmonie (bis hin zum totalen Stilbruch), dort eine Unterbrechung, ein Stück daneben Überladung, etwas weiter der Farbschock für die Augen. Überforderung. Unterforderung. Reizüberflutung. Langeweile. Alles.
Planten un Blomen hingegen wirkt trotz Vielseitigkeit bei der Landschaftsgestaltung, trotz verschiedenster Wuchsformen und trotz Farbenvielfalt alles in allem miteinander verbunden. Alles ist fließend, geht ineinander über. Die Natur ist wohl geordnet, aber unauffällig. Nichts Oberakkurates.
Die Geräusche sind natürlich. Das Zwitschern der Vögel, das Murmeln und Plätschern des Wassers, der Wind in den Bäumen, nur sehr gedämpft der Lärm der Stadt. Menschlicher Lärm ist komischerweise kaum vorhanden. Entweder wird er geschluckt, ausgeblendet, oder es ist einfach so, dass sich die Ruhe, die der Park ausströmt, auf die Anwesenden überträgt. Wenn Sie richtig Radau brauchen sollten, dann müssen Sie schon zum Spielplatz gehen und dort mitmischen.
Ansonsten finden Sie hier Entspannung. Sie haben zwar unheimlich viel fürs Auge, doch es liegt an Ihnen, wie viel Sie wahrnehmen möchten. Sie werden nicht mit Reizen überladen, es gibt nichts, was Sie „schafft“, weil es sich Ihnen gnadenlos in den Weg stellt und ungefordert aufdrängt.
Es war eben ein Meister bei der Gestaltung am Werk – und sein Werk wird erhalten!
Farben, Formen und auch die Blühzeiten der Pflanzen waren für Karl Plomin im Park immer die Mittel des künstlerischen Ausdrucks. So wie Monet seine Gärten malte, so schuf er mit Gehölzen, Stauden, Sommerblühern oder Zwiebelpflanzen seine Werke, hatte dabei wie ein Maler ein Auge für Proportionen und Perspektive, für Linien, Sichtachsen etc. und besaß obendrein die Fähigkeit, wirklich ein artgerechtes und gleichzeitig optisch gefälliges Umfeld für bestimmte Pflanzenarten und -gruppen zu schaffen. Auch im Norden Deutschlands wirken diese Orte, so wie sie gestaltet wurden, völlig natürlich. Selbst ein Alpinum an einem kleinen Hang oder der japanische Garten wirken nicht deplatziert. Sie sind immer Teil mittendrin, nicht herausgepickt und mit der Pinzette irgendwo einzeln künstlich aufgesetzt. Der Übergang ist stets fließend.
Kommen Sie, lassen Sie uns ein bisschen über das Gelände streifen, mehr davon sehen und auch von der Herbstatmosphäre schnuppern. Denn die Erde riecht jetzt anders als noch vor einigen Wochen. Modriger, pilziger, erdiger …
Manche Bäume wirken von Weitem, als seien es Laubbäume. Beim Näherkommen erkennen Sie jedoch, dass es sich bei dem relativ hellgrünen „Behang“ um eine Benadelung handelt. Es sind Sumpfzypressen, die ursprünglich in den Sümpfen Floridas und Louisianas beheimatet sind, jedoch mit dem Klima hier und sogar den Verschmutzungen der Stadtluft recht gut zurechtkommen. Ruß, der sich auf den feinen Nadeln (man spricht eigentlich vom Blättern!) absetzt, behindert die Fotosynthese, denn weniger Licht kommt durch. Außerdem wird der Gasaustausch negativ beeinflusst, da die Spaltöffnungen blockiert werden. Doch bevor wirklich Schäden auftreten können und der Baum zu kränkeln beginnt, wirft er im Herbst einfach die kurzen benadelten Triebe ab. Die Sumpfzypressen befreien sich somit regelmäßig von schädlichen Umweltbelastungen. (Sie kennen das Nadeln abwerfen auch von den Lärchen)
Lassen Sie uns nachsehen, wer sich sonst noch im Park aufhält, dort lebt, sich ernährt, sich sonnt …
Gelegentlich haben SIe das Gefühl, Sie werden beobachtet. Und das Gefühl täuscht nicht.
Oder wenn Sie sich dem alten Wallgraben zuwenden …
Wen haben wir denn da …? Eine Ralle (Teichhuhn) gleitet – vor sich hin erzählend – durch eine bunte Blätterschicht.
Im Wallgraben leben außer den Rotwangen-Schildkröten noch Goldorfe, Goldfische, Brassen, Goldkarpfen und Rotfedern.
Und auch am See geht es sehr entspannt weiter. Die Vögel relaxen und strecken beim Putzen hingebungsvoll ihre „Ruder“ von sich.
Schön, oder? Falls Sie mittlerweile Lust bekommen und außerdem die Möglichkeit dazu haben, besuchen Sie den Park doch selbst noch einmal, bevor alles Laub zu Boden gefallen ist, bevor die Kälte Sie nicht mehr herauslocken kann, bevor die Blütenpracht ganz vorbei ist!
Es tut gut!
Bis Ende Oktober finden auch weiterhin die Wasserspiele und die abendlichen Konzerte statt, die momentan allerdings bereits um 21 Uhr beginnen.
Ich werde jetzt leider nach Hause müssen, daher verabschiede ich mich nun. Schön, dass Sie heute wieder als Begleitung dabeiwaren!
Oh, Moment …!
Wissen Sie, was ich mir just in diesem Moment überlegt habe?
Vielleicht – nein, setzten Sie sich lieber erst – vielleicht gehen wir auch noch einmal im Winter dorthin. In den Park. Bei Schnee und Eis.
So, jetzt wissen Sie’s! ^^
Herbst im Gehölz: Tanzendes Licht, tarntalentierte Pilze, tauchende Blätter …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Foto, Garten (und Natur allgemein), Hamburg, Wandsbek (Lokales) am 16/10/2012
Ich war am Wochenende spazieren …
Nein, fangen wir anders an!
Wie schaut es bei Ihnen aus?
Hätten Sie Lust, heute ein Stück mitzukommen? Ins Gehölz?
Ich bemerke gerade bei einem Bloggast die Andeutung von Querfalten auf der Stirn, und vielleicht stellt sich dieser Jemand die Frage:
Warum sagt sie nicht einfach Wald, wie jeder Mensch …?
Und dann kommen die Zweifel!
… oder ist Gehölz doch etwas anderes?
Liebe Blogleser, so viel anders ist es nicht. Ich meine ein überschaubares Laubwäldchen und entscheide mich nur deshalb für den Begriff Gehölz, was das sein richtiger, offizieller Name ist:
Das Wandsbeker Gehölz.
Es geht um insgesamt vier Waldstückchen, die sich im östlichen Hamburg befinden, am Wandsbeker Markt beginnen und sich ca. zwei Kilometer nach Osten erstrecken. Seit langem existierend, dementsprechend herrlich und alt ist der Baumbestand. Mehrheitlich wachsen dort Buchen und Eichen, aber auch Ahorn, einige Kastanien, weitere Laubbaumarten als Einzelgewächse und – wirklich die Ausnahme bildend – noch hin und wieder ein Nadelbaum.
Durch den Bau von Straßen und durch die Eisenbahnstrecke nach Lübeck wurde alles im Laufe der Jahrzehnte etwas zerteilt und zerklüftet, so dass es heute eben Gehölz I bis IV gibt – mit Unterbrechungen.
Genug der Erklärungen!
Es ist momentan trocken, sogar leicht sonnig und die Luft ist gut!
Schließen Sie sich mir an?
Ich habe von Menschen gehört, die seit ewiger Zeit nicht mehr in einem Wald oder waldähnlichem Gebiet spazieren waren. Die gar nicht mehr wissen, wie es dort ist!
Wie es riecht, wie es sich anhört, wie sich der Boden unter den Füßen anfühlt, welches Licht dort herrscht.
Mag sein, dass Sie kein Stadtmensch sind und der Wald sie täglich umgibt. Genau, Sie waren bestimmt im Wald, doch ich zerre Sie – wie alle anderen – heute trotzdem durchs Unterholz, damit Ihnen nichts entgeht. (Manchmal drücke ich es drastisch aus, doch in Wirklichkeit meine ich zerren im Sinne von hauchzart am Jackenärmel nehmen und Sie zu der ein oder anderen Auffälligkeit dirigieren, die Sie selbstverständlich auch völlig allein gefunden hätten …)
Auf dem Weg zum Gehölz:
Während es auf dem Weg durch das Wohngebiet sehr herbstlich aussieht, sich die Sträucher in den Gärten, einige Bäume am Straßenrand und Wilder Wein an Hauswänden bunt verfärbt haben, ist es im Gehölz auf den ersten Blick noch nicht so weit. Allein die kühle Temperatur weist auf den Herbst hin. Die kürzeren Tage mit weniger Licht sind den Buchen und Eichen offenbar noch nicht aufgefallen.
Woran könnte es liegen?
Hier ist es generell dunkler, die Bäume kommen auch im Sommer mit relativ wenig Licht aus. Für sie ist es ein Anzeichen von kürzeren Tagen, wenn auch ihre Krone weniger Licht erhält und darauf reagieren sie ganz gemächlich.
Zudem ist der Austrieb von Eichen und Buchen im Frühjahr generell später als bei anderen Laubbaumsorten, vielleicht halten sie dadurch auch länger durch.
Und sie verfärben sich nicht so auffällig hellgelb wie z. B. eine Linde oder manche Ahornsorte. Sie haben weniger und andere Farbpigmente. Verfärbung ist immer auch Sonnenschutz, und wenn bei uns das Wetter bewölkt oder der Baum durch Nachbarbäume geschützt ist, dann entfällt die Notwendigkeit der Blattfärbung. Der Farbwechsel existiert, doch wesentlich zurückhaltender. Die Farbe der Blätter geht langsam über in ein eher unscheinbares Braun, eine Farbe, die erst beim Absterben des Blattes auftritt und deren Ursache in der Oxidation von Gerbstoffen zu braunen Farbstoffen (Phlobaphene) zu finden ist.
Diese Bäume sind jetzt für uns nicht DER Hingucker. Aber sie sind Helfer, die durch ihren dunklen Kontrast erst die anderen Farbenkünstler richtig zur Geltung bringen.
Diese eher grünen Bäume vermögen uns ein wenig in die Irre zu leiten. Lassen Sie sich ausnahmsweise darauf ein, denn dieses Täuschungsmanöver im Gehölz bewirkt Interessantes:
Wenn Sie den Boden außer Acht lassen und nur recht flach atmen (also ihren Geruchssinn nahezu ausschalten), könnte noch Sommer sein. Die Vögel zwitschern unverdrossen, Sonnenlicht stiehlt sich am Mittag durch das Blätterdach, wird gefiltert und lässt den Baldachin über Ihnen leuchtendgrün schimmern. Ihnen ist lediglich ein wenig frisch …
Wenn Sie hingegen die Baumwipfel ignorieren und stattdessen den Boden betrachten, mit schlurfenden Schritten durch offenbar doch schon reichlich herabgefallenes Laub rascheln, hier und da auf einmal bunte Blätter wahrnehmen, Eichhörnchen mit dicken Backen über den Weg huschen sehen, weil sie wieder die Eicheln quer gebunkert haben und Sie jetzt tief einatmen – dann herrscht Herbst!
Etwas Klammes, was in den Wohnstraßen nicht so auffiel, liegt in der Luft und kräuselt die Haare, das Gras wirkt schlaff, an manchen Stellen grau, das Moos ist jetzt höher. An morschen Baumstümpfen und der Borke uralter, knorriger Bäume, sind stellenweise dicke, grüne, leicht schwammige Beläge. Mit Feuchtigkeit vollgesogen, nicht mehr abgetrocknet nach dem Regen, denn die wärmende Luft fehlte und der nächste Schauer kam zudem zu schnell.
Herbst!
Es riecht würzig, leicht modrig, nach Pilzen …
Mögen Sie den Geruch?
Dann kommen Sie mit ins Gebüsch, dort, wo das Laub nicht auf dem hartgetretenen Weg, sondern direkt auf lockerem Erdreich liegt und Bodenbewohner leichter über die Pflanzenreste, verwelkte Blätter und Früchte oder Beeren herfallen können. Dort wird mit Hilfe von Würmern, Schnecken, Spinnen, Ameisen und Käfern bester Kompost hergestellt. Während die Vorgenannten durch Verzehr und folgende Kotausscheidung dem Boden wieder wichtige Nährstoffe und Mineralien zurückgeben, helfen Pilze und Bakterien einigen Bäumen auf ihre Art. Manch Pilz lebt mit einem bestimmten Baum in Symbiose. Seine Pilzfäden erleichtern dem Baum die Wasseraufnahme und der wiederum gibt dem Pilz im Gegenzug Zucker.
… das nur nebenbei.
Wenn Sie hier mit der Hand oder auch mit einem Stock ein wenig das Laub lockern, dann steigt Ihnen der Herbst mit seinem ganz typischen Geruch direkt und unverfälscht in die Nase.
Schauen Sie einmal hier!
Ist das nicht wirklich perfekte Tarnung?
Anpassung an die Umgebung. Farben wie die des Laubs, der Erde oder heruntergefallener Aststücke.
Es gibt einen alten Spruch, der besagt: Unter Birken, Tannen, Buchen kannst du immer Pilze suchen; unter Eschen, Erlen, Linden, wirst Du nicht viel finden.
Ich habe nie nachgeprüft, ob es wirklich stimmt, doch hier unter den Buchen finden sich zahlreiche, ganz unterschiedliche Exemplare. Ich habe die Pilze nicht für ein Foto ausgegraben oder freigeschaufelt! Sie wachsen mittendrin und fallen kaum auf. Manche mit flachem Hut, andere haben etwas, was wie halb zugeklappte Sonnenschirme aussieht, wieder andere ähneln runden Knollen oder Korallen am Riff. Nur die helleren unter ihnen, stechen schneller ins Auge.
Haben Sie es bemerkt?
Die Pilze wachsen nicht nur am Boden!
Wenn Sie hinauf schauen, können Sie ganz weit oben in der Astgabel ebenfalls helle Pilze entdecken.
Und ist Ihnen aufgefallen, wie der Boden federt, wie Sie an manchen Stellen einsacken und es an anderen Plätzen unter Ihren Füßen knirscht und knackt?
Hier liegen leere, von den Eichhörnchen und anderen Tieren geplünderte Bucheckern herum, teilweise auch noch die nicht ganz verrotteten Kapseln vom Vorjahr.
Es befinden sich Eicheln mit ihren Hütchen auf dem Weg, auch einige Kastanien sowie Teile ihrer stacheligen Panzer liegen verstreut.
An manchen Tagen …
Moment, kurz ein Blick auf die Uhr … Oh, schon recht spät!
Bitte?
Ihnen läuft auch die Zeit weg? Sie müssen heim?
Wenn wir den Weg über die Brücke am Bachlauf nehmen, ist der Rückweg nicht weit …
Es ist still hier, ab und zu schafft es ein winziger Sonnenstrahl durch die Kronen hindurch hinab bis aufs Wasser zu zielen und es an einem Punkt zum Glitzern zu bringen.
Übrigens, falls Sie nicht sicher sind, in welche Richtung das Wasser fließt – die aufgestauten Blätterhaufen, die an Steinen oder Ästen im Wasser hängenblieben, verraten es Ihnen. Manchmal auch ein einzelnes schwimmendes Blatt, das mit der Strömung treibt.
Einige werden löchrig, beginnen auf sonst eine Art sich zu zersetzen oder nehmen Wasser auf. Ihre Schwere lässt sie sinken. Sie tauchen ab im klaren Bach, breiten sich auf dem Grund des flachen Rinnsals aus und hinterlassen dort bunte Farbkleckse.
Bis auch diese sich auflösen und verschwinden … oder der Winter kommt, mit ihm der Frost, der eine Eisdecke schafft und einiges bis zum Frühjahr konserviert.
Winter!
Der ist schneller da, als Sie denken!
Sollten Sie also noch etwas von der milden Herbststimmung erleben wollen, sollten Sie Lust auf Wald- oder Gehölzatmosphäre bekommen haben, sollten Sie das bunte Farbenspiel an Bäumen, Sträuchern, Stauden und Rankgewächsen rundherum selbst sehen möchten, die Bilder verinnerlichen, Gerüche genießen, Geräusche abspeichern …
dann nichts wie hinaus!
©Oktober 2012 by Michèle Legrand