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Buchtipp: „Till Türmer und die Angst vor dem Tod“ – Ein Roman von Andreas Klaene

Kennen Sie das Gefühl? Dass Sie ihn verschlingen könnten? Einen Roman. Sie können ein Buch, bevor Sie es nicht durchgelesen haben, tatsächlich nur kurz und schweren Herzens weglegen. Erst irgendwann mitten in der Nacht, aus Vernunftgründen, weil endgültig Schlafenszeit ist! Doch am nächsten Morgen wachen Sie auf und haben schon wieder diesen fiebrig-süchtigen Blick Richtung Lektüre.
Geht es Ihnen auch so? Ich finde es immer bewundernswert, wenn einem Autor genau dieses Gefühl auszulösen gelingt! Genial!

Till Türmer und die Angst vor dem Tod ist für mich so ein Roman. Und was Sie vielleicht überrascht, ist, dass dies der Fall ist, obwohl es darin um das auf den ersten Blick wenig attraktive Thema Sterben geht und vielleicht gerade weil der Tod auf eine bestimmte Art und Weise eine zentrale Rolle spielt! Um es ganz deutlich zu formulieren: Es ist keineswegs bedauerlich, dass es sich nicht um einen Krimi handelt!
Ich habe bereits versucht, den Reiz dieses Romans andernorts in einer Rezension zu vermitteln, lassen Sie mich hier im Blog einiges davon aufgreifen:

Kann man eigentlich über das Sterben höchst lebendig schreiben? Über Gedanken zum Tod? Über die Endlichkeit des Lebens? Stellt dies nicht einen absoluten Widerspruch dar?
Wie bringt man es fertig, dass nicht wie üblich allein die Ankündigung dieser Themen beim Gegenüber automatisch für ein reflexartiges Zurückzucken und Wegeilen sorgt?

Es ist erstaunlich, jedoch genau dieses Kunststück gelingt Autor und Journalist Andreas Klaene mit seinem Roman „Till Türmer und die Angst vor dem Tod“ gleich in mehrerlei Hinsicht bravourös. Er verbindet auf 288 Seiten gekonnt das in der Gesellschaft immer noch mit einem Tabu behaftete Thema Sterben und Tod mit einer ganz persönlichen Geschichte. Der Geschichte seines Protagonisten Till Türmer, eines Journalisten, der dem ersten Anschein nach so gar nicht den Eindruck erweckt, als könnte ihn leicht etwas erschüttern.
Doch dieser Mann, dem es beruflich exzellent gelingt, Menschen Lösungen aufzuzeigen und ihnen einen Weg aus ihren ganz persönlichen Sackgassen vorzubereiten, der seinen privaten Kunden durch seine Menschenkenntnis, seine Erfahrung als Fragensteller, sein Talent zuzuhören und nicht zuletzt seinen Instinkt oft schreibend die letzte Rettung liefert, dieser Mann hat selbst ein ungelöstes Problem.
Ihn plagt eine Angst. Und zwar richtig! Seine Angst ist die Endlichkeit. Die Konfrontation mit dem eigenen Ende. Eine tief sitzende Furcht, von der er sich bisher nicht befreien konnte, weil in ihm stets ein äußerst zuverlässiges Frühwarnsystem aktiv wird, das Alarm schlägt, sobald sich Krankheit und Tod in seiner Umgebung blicken lassen. Meldet sich dieses System, geht Till auf Tauchstation.
Obwohl es ihn selbst stört, sogar belastet, dass er Ausreden parat hält und unwichtige Termine einschiebt, um Bekannte nicht im Krankhaus besuchen zu müssen oder um selbst Beerdigungen fernbleiben zu können, gibt es für ihn bisher keinen konkreten Anlass, diese Situation zu ändern.
Die Lage ändert sich erst, als er die ihm sehr sympathische Sarah Sternfeld kennenlernt. Alles könnte sich wunderbar entwickeln, denn die starke Anziehung beruht auf Gegenseitigkeit. Nur eine Entdeckung führt für Till zu einem massiven Schock: Das, was er als abscheulich, als unappetitlich, als abstoßend und als zum Fortlaufen empfindet, all das ist Sarahs Alltag. Sie hat beruflich mit Toten zu tun. Und das Schlimme (in seinen Augen) ist, sie spendet nicht etwa nur den Hinterbliebenen Trost, nein, sie fasst die Toten auch noch an!

Ein innerer Kampf, der Till einiges abverlangt. Doch an diesem Punkt muss er sich entscheiden!
Lässt er Sarah gehen und pflegt weiter seine Ängste oder akzeptiert er, dass er diese Frau nur mit dem Tod zusammen haben kann. Und falls er letzteres täte, wie könnte er seine Angst überwinden? Denn nur dann gäbe es die Chance auf eine gemeinsame Zukunft.
Till entschließt sich für Flucht, aber diesmal für die Flucht nach vorn. Er wagt mit Sarahs Hilfe einen für ihn neuen Weg.

Andreas Klaene gelingt es meisterhaft, den Leser an Tills, aber auch an Sarahs Seite zu ziehen. Tills Ängste und ihr Ursprung, die Entwicklung der Beziehung zu Sarah, ebenso der Einfluss seiner Kundenkontakte und der damit verbundenen Arbeit auf Till, Sarahs Vergangenheit, all das sind sorgsam gesponnene (gut recherchierte) Fäden, die sich langsam zu einem fein gewebten Netz zusammenfinden und verknüpfen.

Der Schreibstil ist äußerst angenehm. Flüssig, lebendig, wo es passt überaus humorvoll, eloquent, jedoch nie überkandidelt und gekünstelt. Dazu bildhaft (manche Metapher oder Beschreibungen muss man gleich mehrfach lesen, so schön sind sie!) und atmosphärisch sehr dicht. Klaene beherrscht die Kunst, wirklich alle Sinne anzusprechen. Bei ihm riecht, sieht, hört und fühlt man.

Die Nordsee an der ostfriesischen Küste - Vogelschwärme über dem Dollart
Dass ein Mann wie Till Türmer die Nordsee aufgrund ihrer Unendlichkeit zum Wegschieben seiner Ängste und aus diesem Grund auch das weite, flache Ostfriesland mit seiner offenen Landschaft gegen dieses beklemmende Gefühl der Endlichkeit braucht, scheint nur zu klar. Den Leser mit an diesen Ort zu nehmen und an genau diesem Empfinden teilhaben zu lassen, gelingt Andreas Klaene genauso mühelos wie die Kunst, mit höchst genussvollen, fast erotischen Passagen aufzuwühlen – nur auf eine ganz eigene Art. Nämlich ohne dass konkrete Liebesszenen oder gar voyeuristische, pornografische Beschreibungen dafür nötig wären.

Mir widerstrebt es, zu viel der Geschichte vorab zu verraten, daher:
Wer wissen will, was Till geprägt hat, wer seinen Panzer aufbrechen sehen möchte, wen es danach drängt zu erfahren, welchen Weg er findet, um seine inneren Konflikte zu bewältigen und sich seinen Ängsten zu stellen, wen interessiert, ob von Toten nichts mehr ausgeht, ob Gedanken für die Ewigkeit sind und ob man Spuren auch durch das schafft, was man nicht tut, aber hätte tun sollen – der sollte unbedingt zu diesem Buch greifen!

Ostfriesland - Schafe auf dem Deich bei Midlum im Rheiderland

Till Türmer verlässt aus Liebe alteingetretene Pfade. Er hat neue für sich entdeckt.
Vielleicht lässt dieser Roman auch den ein oder anderen Leser, der das Thema Sterben und Tod oder auch einige theologische Gedanken bisher aus persönlichen Gründen weiträumig umgangen hat, einen Weg erkennen, der dem Tod seine Fratze und das lähmende Gefühl nimmt, die schwer zu greifende Angst vor einer dunklen Macht auf Stecknadelkopfgröße schrumpfen lässt oder der eigenen überaktiven, jedoch einseitigen Phantasie nach der Lektüre einen wohltuenden Dimmer einbaut. Und der wie Till lernt: Man begreift nur durch anfassen.

Dann lässt sich einer solchen Angst möglicherweise einfach von der Schippe springen …

Ein wirklich ansprechendes und nach meinem Empfinden sehr bereicherndes Buch, das bei mir den Wunsch auslöste, es heute hier vorzustellen.

Hinweis: Heute gibt es den Text auch als Audiodatei zum Hören:

Für Lese-Interessierte:
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Titel: Till Türmer und die Angst vor dem Tod
Roman, Neuerscheinung März 2016
Softcover: ISBN 978-3-7375-9194-2, Preis: 10,99 €
E-Book: ISBN 978-3-7380-6209-0, Preis: 4,99 €
Autor: Andreas Klaene
Website: http://www.andreasklaene.de/

 

Ostfriesland - Wind über den Wiesen (Pferde) ...
Da ich die Geschichte von Till Türmer nun ausgelesen und den Roman – vorerst! – zur Seite gelegt habe, komme ich vielleicht auch wieder zu ein paar anderen Dingen, wie z. B. zum Rausgehen und zum Fotografieren. Das erhöht beträchtlich die Aussichten, dass ich Ihnen demnächst wieder einmal etwas von unterwegs mitbringen kann.

Haben Sie einen schönen Sonntag!
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© by Michèle Legrand, März 2016
Michèle Legrand

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32 Kommentare

Ostfriesland – heel wat besünners! Heute: Windmühlen! (4)

Mehrere Holländer, Müller, kraftsparend, alte Säcke, rechter Flügel, Finale …
Stichworte, die Sie mir heute bitte nicht als in Richtung Fußball-Weltmeisterschaft gehend missdeuten! Ich spreche von Erd- und Galerieholländern, vom Müller als Berufsstand und von Flügeln, die sich im Wind drehen. Von einer Erfindung, die viele kraftzehrende Tätigkeiten erleichterte! Ich rede von Korn oder Mehl abfüllen in bereits leicht betagte Gewebebeutel. WM steht allerhöchstens als Abkürzung für Windmühlen! Mit anderen Worten:
Moin, leeve Lüüd!
Heute erscheint der letzte Part der Ostfriesland-Blogserie. Das Windmühlen-Finale!

Ostfriesland - Mühle Bagband von 1812

Ostfriesland – Mühle Bagband von 1812

Wenn ich einen Hauptgrund nennen sollte, aus dem ich ursprünglich nach Ostfriesland gereist bin, dann wäre es dieser: Wegen der Windmühlen! Sie sind schon eine beeindruckende Erfindung. Ein faszinierender Anblick obendrein! Ganz grundsätzlich – egal welchen Bautyp, welche Form oder Variante Sie nehmen. Einfach optisch und technisch gesehen. Sie haben etwas …
Vor Jahrhunderten erdacht, entwickelt, erbaut, weiterkonstruiert, optimiert, abgeändert, allmählich gealtert, repariert, beschädigt, veraltet, stillgelegt, vergessen, verkommen, wiederentdeckt, erneut restauriert … und so heute immer noch Teil von (in diesem Fall) Ostfriesland. Eine Besonderheit, die gepflegt wird und dadurch glücklicherweise weiterhin zu dem Bild gehört, das diese herrliche, weite Landschaft prägt.

Nur wo fängt man bei diesem schönen, aber weiten Thema Windmühlen bloß an, wo hört man auf?
Machen wir es doch so wie immer. Für das geballte technische und das gehäuft auftretend eher trockene Geschichtswissen googeln Sie selbst, das steht da alles schon hervorragend von Experten im Netz veröffentlicht. Lesen Sie es im Original von den Technikern und Kennern – nicht die ganzen Kopien der ewigen und unverbesserlichen Oberprofis im wortwörtlichen Abschreiben.
Wir hingegen picken uns wieder ein paar spezifische Dinge heraus und finden Mühlen ansonsten einfach auf andere Art entdeckens- und erwähnenswert.
Sagen Sie das Wort Windmühlen einmal ganz langsam. Lassen Sie es auf der Zunge zergehen, verlängern das „n“ in Wind, machen zusätzlich noch eine klitzekleine Pause nach diesem Wortteil.
In etwa so: Winnnd…müh-len.
Spüren Sie dann auch, dass eine Brise aufkommt und Flügel beginnen, sich langsam zu drehen …?
Und jetzt stellen Sie sich noch die Menschen der Region vor. Sprechen Sie bitte das Wort Friesen.
Nein, nein! Nicht so!
Rollen Sie das „r“! Ein langes „i“! Und lassen Sie das zweite „e“ fast weg. Das machen die Menschen dort auch so.
Frrrriiesn.
Geschafft? Das war Ihr Einstieg heute. Nun dürfen Sie mit auf Erkundung. ^^

Wenn Sie über Land fahren, sehen Sie manche Mühlen schon von Weitem. Zumindest die Enden ihrer Flügel, die sie stolz in die Höhe strecken. Gelegentlich handelt es sich dabei wirklich um besonders hohe Exemplare, doch darunter sind ebenfalls normalgroße Varianten, die jedoch sofort auffallen, weil sie relativ frei stehen. Mühlen mitten im Ort werden hingegen gern durch sie umgebende Gebäude oder den Kirchturm etwas verdeckt, erscheinen daher eher plötzlich, wenn Sie um die Ecke biegen. Dann haben Sie diesen auch sehr erfreulichen Huch!-Effekt.

Ostfriesland - Die Mühle von Ditzum

Ostfriesland – Die Mühle von Ditzum

In Norddeutschland und speziell im Ostfriesischen begegnen Ihnen die wirklich schönen Holländermühlen (Kappenwindmühlen). Wie der Name es verrät, wurden sie in Holland entwickelt, kamen aber erst mit etwa 200jähriger Verspätung hierher. Das bestätigt nicht dieses dösige Klischee, dass man dort eben für alles länger braucht, sondern es ist darin begründet, dass man dort andere, noch gut funktionierende Mühlen hatte und die neuen Typen erst nach und nach die bis dahin üblichen Bockwindmühlen ablösten. Der Vorteil der Holländermühle: Anstelle eines Bocks mit aufsitzendem, beweglichem (aber sperrigem und unhandlichem) Körper inklusive der Flügel, befand sich nun hier eine drehbare Kappe mit Flügeln auf einem feststehenden Unterbau. Diese Konstruktion war wesentlich stabiler. Dadurch konnte man höher hinaus, was bedeutete, dass längere, größere Flügel möglich waren, die ihrerseits für mehr Energieerzeugung sorgten. Anstelle der ganzen Mühle (auf dem Bock) musste nun lediglich noch die Kappe mit dem Flügelkreuz gedreht werden, um sie nach dem Wind auszurichten. Das war einfacher.

Wenn diese Mühlen ebenerdig gebaut wurden, d. h. ihr manchmal sechs-, oft achtkantiger Bau und das Holzgerüst direkt auf den Boden gesetzt wurden, heißen sie Erdholländer. Ein solches Exemplar ist beispielsweise die Wind- und Wasserschöpfmühle Wynhamster Kolk von 1804, die das gleichnamige Gebiet entwässert. Mit 2,50 m unter NN ist dieser Bereich einer der tiefstliegenden Punkte überhaupt, und es kam dadurch seinerzeit durch verschiedene Umstände (Deichbrüche, Sturmfluten etc.) häufig vor, dass die Wiesen unter Wasser standen – auch noch, nachdem der Deich repariert worden war. Es floss ja nichts ab! Die Mühle schaffte Abhilfe, ist heute allerdings nicht mehr nötig, da mittlerweile Schöpfwerke die Arbeit übernehmen. Dennoch ist sie nach einer sehr wechselvollen Geschichte heute wieder betriebsfähig.

Ostfriesland - Wind- und Wasserschöpfmühle am Wynhamster Kolk

Ostfriesland – Wind- und Wasserschöpfmühle am Wynhamster Kolk – Hier mussten Sie aufpassen, wenn die Mühle in Betrieb war. Die Flügel reichen sehr weit herunter ….

Die Gegend ist generell sehr schön dort. Sie können auch paddeln und bei einer der speziellen Paddel+Pedal Stationen das Boot abgeben, um ab dort weiter mit dem Fahrrad zu fahren …

Ostfriesland - Idylle nahe der Mühle Wynhamster Kolk

Ostfriesland – Idylle nahe der Mühle Wynhamster Kolk

Verfolgt man die Geschichte der Mühlen in dieser Region, dann wird deutlich, dass sie alle ihren ganz eigenen Mühlenlebenslauf haben, aber viele das aktive Leben im Grunde spätestens im Zuge des Mühlensterbens (1950er Jahre) vorerst beendeten. Manche wurden im kleinen Stil weiterbetrieben oder bereits in den 60er und 70er Jahren weiterverkauft und wieder betriebsfähig gemacht. Es gibt auch Beispiele, wo zweckentfremdet wurde. Es entstand Wohnraum, ein Museum, eine Verkaufskooperative oder ein Restaurant gliederte sich an. In dem Fall ist bis heute oft noch beides vorhanden – ein zumindest zeitweiliger Mühlenbetrieb mit daneben existierender Gastronomie.

Ostfriesland - Mühle Bagband mit dem Mühlenhof (Restaurant, Café)

Ostfriesland – Mühle Bagband mit dem Mühlenhof (Restaurant, Café) – s. auch das Foto ganz oben

Die Mühle von Bagband dient hierfür als ein gutes Beispiel. Nebenan befindet sich der Mühlenhof, der sehr urig und mit viel Holzanteil eingerichtet ist und in dem Sie sagenhafte Torten und einen Kuchen erhalten, dem Sie nicht widerstehen können. Ich konnte anfangs den Namen Bagband fürchterlich schlecht behalten. Nachdem es mit Packband als Eselsbrücke nicht klappen wollte, hilft nun der Begriff Bigband der Erinnerung flott auf die Sprünge.  Schwieriger ist es mit dem Namen der Mühle von Loga (Leer). Logabirum. Ich habe dafür immer die Römer und das Gallierdorf im Hinterkopf …

Ostfriesland - Windmühle Logabirum (Leer) - Bj. 1895

Ostfriesland – Windmühle Logabirum (Leer) – Bj. 1895

Ostfriesland - Windmühle Logabirum (Leer) -  Flügelkreuz, Flügelwelle und Kammrad sind in der Mühlenkappe, gut zu sehen Windrose sowie Bremsstock  (rechts  hinten abstehend)

Ostfriesland – Windmühle Logabirum (Leer) – Flügelkreuz, Flügelwelle und Kammrad sind in der Mühlenkappe, gut zu sehen Windrose sowie Bremsstock (rechts hinten abstehend)

Um es noch einmal deutlich zu sagen. Das Schöne und – wie ich finde – Bewundernswerte ist, dass die weitaus meisten Mühlen vielfach nur dank des Einsatzes von Einzelnen, jedoch vor allem durch diverse lokale Vereine und enorme regionale Unterstützung, erhalten wurden. Dieses Engagement war oft ausschlaggebend, dass überhaupt restauriert wurde, sich auch weiterhin um den Erhalt gekümmert und speziell Auswärtigen das alte Handwerk des Kornmahlens sowie die Mühlentechnik selbst nahegebracht wird. An den Wochenenden geht es oft hoch her in den Mühlen des Nordens.

Noch gibt es auch Menschen der Generation, die in diesen Mühlen gearbeitet haben, die viel zu erzählen haben.
In Jemgum erlaubte mir ein netter Herr, der nebenan seinen Zaun lasierte und eine Weile aus den Augenwinkeln beobachtet hatte, dass ich um die Mühle herumstrich, sie zu betreten, sie auch zu besteigen und mich dort überall umzusehen. Als ich später begeistert wieder heraustrat, kam Knut Hetzke hinzu. Er war 50 Jahre lang Müller der Jemgumer Mühle. Nun lebt er immer noch nebenan. Die Mühle ist funktionstüchtig und dient obendrein als Außenstelle des Standesamts. Sie können hier heiraten!

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum - ... und auch das kann man dort: Heiraten!

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – … und auch das kann man dort: Heiraten!

Kürzlich wurde der Mahlstein ausgewechselt. Dazu kam eine holländische Firma mit einem Flaschenzug, und in zwei Stunden war die ganze Sache erledigt. Das hat früher in den Zeiten, als die Mühle erbaut wurde, schon deutlich länger gedauert. Knutz Hetzke hat viele Stadien der Entwicklung und der Technik miterlebt.
„Sind Sie heil wieder heruntergekommen?“, fragt er mich zu Beginn.
„Aber sicher“, antworte ich und wundere mich kurz über die Frage, denn er sieht mich ja wohlbehalten auf dem Vorplatz stehen. Es war jedoch nur sein Einstieg zu einer weiteren Frage.
„Warum haben Sie denn nicht den Aufzug genommen?“, spricht er. Ernst und aufrichtig interessiert wirkt er dabei. Ich stutze. Den Aufzug? Es gibt einen schmalen Lastenaufzug für die schweren Kornsäcke, damit man sie zum Mahlwerk hochbekommt. Nach dem Mahlen rutscht das Mehl dann über die Mehlrutsche in darunter befindliche Säcke zwecks Abfüllung.
Gibt es noch einen weiteren Aufzug?
Nachträglich eingebaut, von mir übersehen?
Nein! Ich wurde soeben gnadenlos hereingelegt! Er verrät sich mittlerweile durch sein Grienen. Es gibt natürlich keinen Personenaufzug. Man veräppelt halt nur gern das etwas ahnungslose und tendenziell gutgläubige Stadtwesen.
Soso, das muss jetzt der ostfriesische Humor sein. Doch mit dieser Art kann ich sehr gut leben.
Überhaupt stelle ich fest, dass Ostfriesen – dem Klischee nicht entsprechend – wirklich nicht verschlossen oder wortkarg sind. Sie stürmen nicht auf einen zu, aber sehen alles. Sie warten. Sie sind schon neugierig, doch der Zeitpunkt muss stimmen. Der ist dann gekommen, wenn Sie, als Besucher, den Einheimischen freundlich selbst ansprechen oder zumindest ein unverbindliches „Moin!“ hinüberrufen. Damit heben Sie eine unsichtbare Schranke. Und zwar komplett!
Schon sind Sie im Gespräch, haben allerdings auch Rede und Antwort zu stehen – oder bekommen Antworten auf Ihre Fragen. Das ist ein Wechselspiel.

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum von 1756

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum von 1756

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum von 1756 - wunderschön restauriert  ...

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum von 1756 – wunderschön restauriert …

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum  - Auch bei anderen Mühlen von Zeit zu Zeit zu sehen: Verbindungsgänge zu den Nachbargebäuden ...

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – Auch bei anderen Mühlen von Zeit zu Zeit zu sehen: Verbindungsgänge zu den Nachbargebäuden …

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum - Mühlentechnik: Zahnräder, Wellen ... und es funktioniert heute noch (bzw. wieder).

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – Mühlentechnik: Zahnräder, Wellen … und es funktioniert heute noch (bzw. wieder).

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum

Ostfriesland - Peldemühle Jemgum - ... unglaublich sauber und aufgeräumt!

Ostfriesland – Peldemühle Jemgum – … unglaublich sauber und aufgeräumt!

Wenn es im Norden draußen nächtens so richtig kracht und scheppert, Unwetter toben, ein Orkan um die Ecken pfeift und grelle Blitze den Himmel erhellen, entdeckt mancher Ostfriese am nächsten Morgen in seinem ordentlich angelegten und sorgsam gepflegten Gemüsegarten unvermutet etwas, was dort nicht hingehört. Es gibt auf einmal – wenn Sie so wollen – Flügelsalat.
Stürme richten leider immer wieder Schäden an den prächtigen, so liebevoll restaurierten Windmühlen an. Dann müssen Flügel dran glauben …
So erging es vor einigen Jahren dem Nachbarn, der ein Areal neben der Windmühle von Jemgum beackert und kultiviert. Vielleicht spannen Sie ein Fangnetz über Ihren Garten, falls Sie irgendwann neben eine Mühle ziehen.

Ostfriesland - Kirche Jemgum  .... und der Gemüsegarten, in dem schon einmal ein Windmühlenflügel landete.

Ostfriesland – Kirche Jemgum …. und der Gemüsegarten, in dem schon einmal ein Windmühlenflügel landete.

Wir sprachen vorhin vom Flügel in den Wind drehen, vom Kappe nach dem Wind ausrichten. Wurden die Holländerwindmühlen höher gebaut, dann gab es grundsätzlich ein Problem: Man kam nicht mehr an den sogenannten Steert (plattdeutsch für Schwanz). Der Steert bestand aus langen Balken, die an ihrem oberen Ende mit der Kappe verbunden waren und bei denen sich am anderen Ende, unten, eine Drehwinde befand. Bei jeder Änderung der Windrichtung musste der Müller das Windenrad betätigen und die Kappe bzw. dadurch letztendlich die Stellung der Flügel neu ausrichten. Vom Boden aus war das bei den höheren Mühlen nun nicht mehr zu bewerkstelligen.

Hier ein Beispiel für eine Windmühle mit Steert: Die Mühle von Südgeorgsfehn

Ostfriesland - Mühle Südgeorgsfehn

Ostfriesland – Mühle Südgeorgsfehn

Ostfriesland - Mühle Südgeorgsfehn - Eine der wenigen Mühlen, die anstelle einer Windrose noch einen Steert hat

Ostfriesland – Mühle Südgeorgsfehn – Eine der wenigen Mühlen, die anstelle einer Windrose noch einen Steert hat

Also bekam die ganze Mühle diese – wie ich finde unheimlich schmückende – umlaufende Galerie. Entstanden war der Begriff: Galerieholländer. Auf die Art kam man sowohl an die Flügel als auch an den Steert. Es war ja nicht damit getan, dass Flügel einmal montiert wurden und danach musste in diesem Mühlenleben nie wieder jemand in ihre Nähe. Auf Segelgatterflügel wurden die Segel ständig auf- und abgespannt, Reparaturen fielen immer wieder an etc. – auch später bei der Weiterentwicklung, den Jalousieklappflügeln.
Sie merken, immer wieder hielt der technische Fortschritt Einzug, und die Mühle wurde entsprechend umgebaut, modernisiert, verbessert. Manchmal boten sich Änderungen bei sowieso anfallenden Reparaturen nach Sturmschäden an. Eine Neuerung, die den Müllern ihre Arbeit sehr erleichterte, war das Auswechseln des Steerts gegen eine Windrose, wie man sie heute noch an den meisten Mühlenkappen findet. Diese Windrose erfasste fortan automatisch jede Änderung der Windrichtung, und durch den Anschluss an mehrere Zahnradgetriebe war es möglich, dass sich nun Kappe plus Flügel selbständig in die optimale Stellung – nämlich in den Wind – drehten.

Ostfriesland - Mühle Holtland

Ostfriesland – Mühle Holtland

Ostfriesland - Mühle Holtland, wie man sieht mit Windrose

Ostfriesland – Mühle Holtland, wie man sieht mit Windrose

Genug davon für den Moment.
Windmühlen sind anziehend und faszinierend! Ich bin ein Fan der geflügelten Kameraden, ich gebe es zu. Es ist natürlich sehr schön, dass man Freilichtmuseen einrichtet (für bestimmte Epochen, Häusertypen, Handwerke und eben auch speziell für Mühlen), doch wenn ich ehrlich bin, dann ziehe ich das Entdecken von einzelnen, in die Landschaft wirklich hineingehörenden, dort an genau diesem Platz ursprünglich erbauten Mühlen jedem  noch so schön gestalteten Mühlenmuseumsdorf vor. Dort mag ja alles geballt zu sehen sein, dort lassen sich Mühlen sofort und kritisch direkt vergleichen. Bestimmt lässt sich bei Bedarf gleich ein Stapel schriftlicher Ausführungen oder sogar ein Bündel detaillierter Konstruktionspläne jeder vorhandenen Mühle ergattern. Schon toll …, doch ja …
Wissen Sie, es ist nur so ein bisschen wie in den Zoo gehen. Man wandelt vorbei, liest die Tafeln, freut sich über  Anblick und Vielfalt der Tiere – doch wenn Ihnen morgen unterwegs ein einzelner Biber am Ufer im Schilf oder ein Fuchs in freier Wildbahn begegnet, dann berührt Sie das viel mehr. Das zählt einfach doppelt. Dreifach. Ach, noch mehr!

Ostfriesland - am Wasser nahe der Mühle Wynhamster Kolk - Eine Bisamratte (ähnelt der Biberratte, Nutria)

Ostfriesland – am Wasser nahe der Mühle Wynhamster Kolk – Eine Bisamratte (ähnelt der Biberratte, Nutria)

Doch wir waren bei den Mühlen. Mühlen in freier Wildbahn.
Ich muss mich solch ehrwürdigen alten Mühlen einfach anders nähern. Nach und nach. Stück für Stück näher heranpirschen. Einzeln sehen. Von draußen. Rundherum. Dann betreten, Material befühlen, die Luft schnuppern, am Holz und Bauteilen riechen. Dastehen und mir den Hals verbiegen beim Hochsehen. Mit klopfendem Herzen entscheiden, alte schmale Stiegen, die ins Halbdunkle führen, zu erklimmen. Noch höher …
Ohne Erklärungen. Vorerst!
Ich bin immer sehr froh, wenn nicht absichtlich alles zu ordentlich, zu sauber, zu nachgestellt, zu organisiert, zu beschriftet, zu vorbereitet ist. Zu …ach, Sie wissen schon, was ich meine.
Es ist schön, ohne Gerede, ohne Vortrag zu entdecken. Es ist himmlisch, wenn nur die natürlichen Geräusche da sind. Sei es bei einer Mühle außer Betrieb das leichte Quietschen der Tür, das Knarren der Hölzer beim Besteigen der Stufen oder ein Kratzen, wenn die Katze des Müllers sich mit hineinschleicht. Und erst all die Geräusche, die entstehen, wenn die Flügel sich drehen, es irgendwo im Mühlenleib rumpelt! Dieser Wischlaut in der Luft, das sehr leichte Knarren gepaart mit dem leichten Klacken nach einer Runde der Flügel. Sie fühlen den Windzug und manchmal huscht ein Schatten vorbei ….

Manchmal brauchen doch die Gedanken diese Ruhe, brauchen eine Gelegenheit, sich zu spinnen, ehe der Mensch sich mit dem nächsten beschäftigen kann. Bilder im Kopf entwickeln und entfalten sich in dieser Stille – bis zu dem Moment, in dem die alte Zeit vor Ihrem inneren Auge auftaucht, Sie auch ein wenig erfasst. Mit einem Mal stecken Sie zumindest mit einem Bein im Früher. Erst das ist der Augenblick, in dem Ihre Fragen entstehen und in dem natürliche Neugier, Wissensdurst und plötzlicher Gesprächswille aufkommen.

Mir stellte sich zum Beispiel die Frage, woher die Bauern wussten, ob und wann gemahlen wurde, wann die Mühle in Betrieb war. Sie wollten doch sicher nicht umsonst mit ihrem Korn anreisen. Es gab keine Wetter-App auf dem Smartphone, die ihnen angekündigt hätte, dass der Wind morgen wohl günstig von Westen weht und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass Müller Jan loslegt.
Schrieb man sich? Per Post?
Das dauerte doch viel zu lange. Wenn Bauer Gerd am Montag die Anfrage absandte, erreichte sie Müller Jan vielleicht am Donnerstag. Antwortete der Müller ebenfalls auf dem Postweg mit der Information, dass am Freitag gemahlen wird und traf diese montags drauf ein – dann hatte  Bauer Gerd Pech gehabt. So konnte das nicht gehen …
Schickte der Bauer den Knecht durchs Dorf?
„Frerk, loop man tau un kiek, ob Möller Jan mohlen deit.“ (So, oder ähnlich – und vor allem richtig ostfriesisch platt …)
Oder versuchte er, einen Blick auf die Mühlenflügel zu erhaschen? Nur, wenn sie in dem Moment am Vormittag stillstanden, wusste er immer noch nicht, ob am Nachmittag nicht doch gemahlen wurde.
Nee, leeve Lüüd, das lief anders. Man hatte die Flügelsprache.
Je nachdem wie die Stellung der Flügel im Nichtbetrieb (im gebremsten Zustand) war und abhängig davon, ob sie bespannt oder unbespannt waren bzw. in welcher Position sich die Jalousienklappen befanden, konnte eine Botschaft abgelesen werden.
Es wurden  Trauerfälle und  freudige Ereignisse signalisiert, der Feierabend, Feuergefahr oder längere Ausfälle. Die konnte ein Kunde am senkrechten Flügelstand (unbespannt) erkennen. Es gab aber durchaus auch den Fall, dass der Müller auf Arbeit wartete. Konnten Kunden sofort vorbeikommen, standen die Flügel ebenfalls senkrecht, aber blieben bespannt.
Eine kleine Sache mussten die Menschen allerdings bedenken, wenn sie weit herumreisten und sich an ihre regionale Flügelsprache gewöhnt hatten: Woanders konnten die Signale durchaus etwas anderes bedeuten … Die Flügelsignalsprache war nicht einheitlich.

Die letzte Mühle, die ich Ihnen gern noch zeigen und von der ich Ihnen noch etwas erzählen möchte, ist die Mühle von Spetzerfehn. Dort hatte ich ebenfalls das Glück, dass der Müller erlaubte, ins Innere seiner Mühle vorzudringen, obwohl weder Wochenende war, noch ich vorab einen Termin vereinbart hatte.  Er entschuldigte sich sogar, dass er leider nicht saubergemacht, sprich gefegt hätte. Zu dem Zeitpunkt habe ich noch gedacht, was soll’s, darauf kommt es mir doch sowieso  nicht an.
Anfangs besah ich mir wie üblich die Mühle von außen, blieb auf respektvollem Abstand zu den beiden wachhabenden Gänsen, wurde von der Mühlenkatze, die schnurrend um meine Waden strich, begrüßt und wunderte mich, ob in der Mühle eine Aktion geplant war, denn es standen noch weitere Menschen wartend auf dem Gelände.  Also wartete ich ebenfalls – just bis zu dem Moment, als mir der vorbeikommende Müller Einlass gewährte.
Keiner sonst wollte hinein! Sehr merkwürdig.

Ostfriesland - Windmühle Steenblock in Spetzerfehn

Ostfriesland – Windmühle Steenblock in Spetzerfehn

Ostfriesland - Windmühle Steenblock in Spetzerfehn -  ... und hier zwei ostfriesische Mühlenwachgänse. ^^

Ostfriesland – Windmühle Steenblock in Spetzerfehn – … und hier zwei ostfriesische Mühlenwachgänse. ^^

Es war kühl und hatte geregnet an dem Tag, meine dunkle Hose, meine wärmende, schwarze Windjacke waren feucht geworden. Ich begann Stufen zu erklimmen. Das geht nur mit festhalten – an allem was sich bietet.

Ostfriesland - Windmühle Steenblock in Spetzerfehn - ... hier wird noch heftigst gemahlen!

Ostfriesland – Windmühle Steenblock in Spetzerfehn – … hier wird noch heftigst gemahlen!

Ostfriesland - Windmühle Steenblock in Spetzerfehn - Abfüllung ....

Ostfriesland – Windmühle Steenblock in Spetzerfehn – Abfüllung ….

Beim Abstieg gehen Sie aufgrund der schmalen, steilen Stufen meist genauso herunter, wie Sie hinaufgekommen sind. Halten sich mangels vernünftiger Geländer (oftmals sind nur Taue gespannt oder alles läuft freihändig ab) lieber direkt an den Holzstufen oder ihrem Holzrand fest.
Ach, da befand sich  also auch das nicht weggefegte Mehl. Und dort …
Mehlstaub setzt sich einfach überall ab, dringt in jede Ritze. Das pudrige Weiß fühlte sich magisch angezogen und bildete interessante Muster auf meiner Kleidung. Man könnte sagen, ich hatte schließlich frappierende Ähnlichkeit mit einer schwarz-weiß gescheckten Kuh. Wieder draußen angelangt,  fand die große Säuberungsaktion statt – und die anderen Leute warteten immer noch! Worauf nur?
Kurze Zeit später klärte sich alles auf. Ein Transporter erschien mit Lebendgeflügel. Hier wechselten gackernde Hühner und anderes Getier den Besitzer. Und ich sah Eintagsküken! Schauen Sie mal!

Ostfriesland - Der Nachwuchs - Küken, in dem Fall alles männliche ...

Ostfriesland – Der Nachwuchs – Küken, in dem Fall alles männliche …

Ostfriesland - Der Nachwuchs - Und hier die Mädels ... (weibliche Küken)

Ostfriesland – Der Nachwuchs – Und hier die Mädels … (weibliche Küken)

Kommen wir nun zum Schluss.
Ostfriesland hat – wie Sie selbstredend wissen – nicht nur die Flügelsignalsprache zur Kommunikation, sondern auch sein eigenes Ostfriesisches Platt, was von sehr vielen gesprochen wird. Es ist ein weiteres Kulturgut, das dieses Völkchen erhält und pflegt. Wie so vieles andere. Manches haben Sie in den letzten vier Posts kennengelernt.
Ich habe versucht, Ihnen die Region –  einen Teil Ostfrieslands! –  ein wenig näherzubringen, Ihnen vielleicht auch ein wenig Lust auf einen Besuch  zu machen. Es hat so viele schöne Ecken …

Ostfriesland - Blick auf die Lüttje Brügg und den Kirchturm von Ditzum, der in seiner Form an einen Leuchtturm erinnert.

Ostfriesland – Ditzum ist nicht allein wegen der Windmühle schön… Blick auf die Lüttje Brügg und den Kirchturm von Ditzum, der in seiner Form an einen Leuchtturm erinnert.

Ostfriesland - Der Hafen von Ditzum

Ostfriesland – Der Hafen von Ditzum – Hier gibt’s frischen Fisch und Krabben …

Ostfriesland - ... und immer wieder in den Dörfen und Gemeinden: Blütenpracht in den Gärten (hier: Ditzum)

Ostfriesland – … und immer wieder in den Dörfen und Gemeinden: Blütenpracht in den Gärten (hier: Ditzum)

Ostfriesland - Ditzum - ... sein ständiges Plätzchen in der Sonne direkt am Hafen vor der Schifferbörse

Ostfriesland – Ditzum – … sein ständiges Plätzchen in der Sonne direkt am Hafen vor der Schifferbörse

Als Fazit hinsichtlich der Klischees  kann man abschließend übrigens mit gutem Gewissen behaupten, die sind alle ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Erinnern Sie sich noch an den ersten Teil? Ostfriesland – platt und nix los?
Stimmt überhaupt nicht!
Es wirkt idyllisch, ruhig – und das ist es bis zu einem gewissen Grade auch. Wenn Sie also Erholung und Entspannung suchen, sind Sie hier durchaus goldrichtig. Doch da ist immer auch etwas anderes, etwas im Hintergrund. Eine leichte, anregende, positive Spannung.  Dinge sind oft  anders als erwartet.  Ostfriesland ist immer gut für eine Überraschung.
Ostfriesland ist eben heel wat besünners!

Sie brauchen es ja keinem weiter zu verraten, aber wenn ich Krimiautor wäre, dann würden meine Krimis definitiv in Ostfriesland spielen. Es gibt keine schöneren Schauplätze, keine beeindruckenderen Kulissen. Morde würden bei mir nur in Mühlen stattfinden. Die Leiche würde man im fahlen Morgendunst an einen sich langsam drehenden Windmühlenflügel gekettet finden. Sie wäre vom Mahlstein erschlagen oder abgefüllt im Sack mit dem gemahlenen Mehl. Der Mörder würde am Ende kläglich im Fehnkanal ertrinken oder alternativ im Moor versacken. Der Kommissar stammte von einem alten Häuptlingsgeschlecht ab, ein ganzer Ort wäre in einen Fall und seine Aufklärung involviert … Gedankenspinnerei. Vielleicht auch zwei Tote …?
Hören Sie lieber nicht hin. Fahren Sie einfach los! Ihnen passiert schon nichts!

Vielen Dank fürs Dabeisein! Ich schätze es sehr, dass Sie bei den langen Artikeln nicht schlapp gemacht haben und hoffe, die Serie hat Ihnen ein wenig Unterhaltung und  Anregung geboten.

Bis zum nächsten Mal mit neuem Thema!

©Juni 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - WordPress.com - Foto: Andreas Grav

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Ostfriesland – heel wat besünners! Heute: Jümme, Pünte, Waldfunde, enge Brücken, Tiefs und Getier (3)

Stellen Sie sich vor, Sie biegen im südlichen Ostfriesland von einer wenig befahrenen Straße auf dem Land nach rechts in eine noch schmalere, noch geringer frequentierte Straße ab, weil Sie neugierig auf eine Sache sind, die sich nur so erreichen lässt. Sie fahren fast vier Kilometer durch Wiesen und Felder, gelegentlich – ganz selten – taucht ein Haus auf. Ein landwirtschaftlicher Betrieb mit Viehzucht. Die Felder sind größtenteils Weideflächen.
Es erinnert Sie vielleicht hin und wieder an England, speziell an Cornwall oder Wales. Dieses kräftige Grün der Wiesen, der gelegentlich heckenartige Bewuchs zu beiden Seiten. Zwischendurch folgt immer wieder ein längerer Abschnitt mit viel freier Sicht auf weites Land. Und diese Straße, die Ihnen das Gefühl gibt, sie wäre eine Einbahnstraße. Garantiert. Dieser schmale Schlauch. So viel Platz drum herum, und dann so eng gehalten. Was Sie in Ihrem Glauben weiter zu bestätigen scheint: Ihnen kommt die ganze Zeit nicht ein Fahrzeug entgegen!
Es zieht sich hin. In dem Moment, in dem Sie fast schon der Überzeugung sind, Sie hätten sich wohl verfahren, taucht ein Schild am rechten Fahrbahnrand auf. Der Hinweis, auf den Sie warteten. Dort muss es irgendwo gleich sein. Aha, jetzt nach links.
Voilà!
Nanu!? Sie bremsen. Eine Ampel? Hier? Eine rote Ampel? Nichts los, kein Verkehr, keiner in Sicht, seit Kilometern kaum noch ein Verkehrsschild, und jetzt stoppt Sie eine rote Ampel? Mitten in der ostfriesischen Natur?

Ostfriesland - Die Leda-Brücke (schmalste Autobrücke Deutschlands) als Verkehrsverbindung zwischen Amdorf und z. B. Leer

Ostfriesland – Die Leda-Brücke (schmalste Autobrücke Deutschlands) als Verkehrsverbindung zwischen Amdorf und z. B. Leer

Doch dann erinnern Sie sich, dass Sie die schmalste Autobrücke Deutschlands bei Amdorf (Detern) ansteuerten und Sie auch gern überqueren wollen. Und wenn eine Brücke so schmal ist, dass immer nur ein Auto aus einer Richtung zurzeit unbeschadet diesen Weg übers Wasser, in diesem Fall den Fluss Leda, nehmen kann, dann brauchen Sie zur Regelung des Verkehrs und zur Vermeidung von Karambolagen eine Ampel. Kaum haben Sie angehalten, kommt auf Ihrer Flussseite von irgendwoher ein zweites Auto. Auf einmal! Hält dicht hinter Ihnen. Beschnuppert die Stoßstange. Das wird doch hier jetzt keinen Stau geben? Der Blick geht nach vorn. Richtung Brücke.
Oho! Die ist aber … sehr zierlich. Schmaler als gedacht. Arg schmal!
Sie haben jetzt zwar noch die Chance, sich Ihren Plan mit der Überquerung zu überlegen. Sollten Sie einen sehr großen PKW besitzen, müssen Sie eh prüfen, ob er nicht Überbreite hat. Der Wagen darf quer nicht mehr als 1,80 m max. 1,85 m messen! Das ist das äußerste, was die Fahrspur an Weite hergibt. Sonst bleiben Sie stecken.
Also nicht Sie persönlich! Ich rede vom Auto!
Wenn Sie feststellen, dass Ihr Wagen durchaus könnte, Sie aber nicht, weil Ihnen nämlich jetzt mulmig wird, dann müssten Sie zurücksetzen. Theoretisch. Nur das geht nun nicht mehr, da sich mittlerweile dieser Ministau entwickelt hat …
Der Gegenverkehr taucht am Horizont auf. Überquert die inklusive der Auffahrten 150 m lange Leda-Brücke in schwindelerregender Höhe von 2,44 Metern. Der Wagen rollt an Ihnen vorbei. Na, wenn der das geschafft hat! Das eigentliche Brückenteil der Stahlbogenbrücke misst ja auch nur 50 Meter … Sie fassen neuen Mut, die Ampel springt auf Grün. Auch der Hintermann hat schon dieses erwartungsvolle Leuchten in den Augen.
Auf geht’s! Goliath auf dem Schwebebalken. Drauf, rüber, zack!

Ostfriesland - Leda-Brück bei Amdorf -  Sie sollten kein zu breites Auto haben!  Und von hier sehen Sie auch noch gar nicht, wie es eigentlich weitergeht ...

Ostfriesland – Leda-Brück bei Amdorf – Sie sollten kein zu breites Auto haben! Und von hier sehen Sie auch noch gar nicht, wie es eigentlich weitergeht …

Geschafft! Wenn Sie dort heil hinübergekommen sind, dann könnten Sie auch gleich noch ein anderes kleines Abenteuer in Angriff nehmen. Eine Besonderheit kennenlernen.
Wie kann man einen Fluss noch überqueren?
Bitte? Schwimmend?
Ja, und Ihr Auto …? Amphibienfahrzeug? Serienmäßig? Nicht? Ach, was …

Das südliche Ostfriesland und speziell die Gegend um Leer herum sind von einigen Wasserläufen durchzogen. Die Ems fließt dort Richtung Nordsee, die Leda stößt hinzu, mündet ihrerseits wiederum bei Leerort in die Ems und schließlich wäre da noch die Jümme, ein Nebenfluss der Leda, der in diese mündet. In dem Bereich, in dem Leda und Jümme sich befinden, spricht man auch vom Zweistromgebiet.
Ganz früher, als hier noch Reise- und Postkutschen fuhren, gab es überhaupt keine Brücken über die Flüsse. Sicher konnten Personen vereinzelt in kleinen Booten übersetzen, doch was machte man mit Fuhrwerken?
Auf einem der Haupthandels- und Reisewege von Westfalen nach Ostfriesland?
Da stand nicht Ochs vom Berg, sondern Pferd vorm Fluss.
So erschuf man vor gut 450 Jahren eine Fährverbindung und erbaute um das Jahr 1562 herum die Pünte, eine handgezogene Wagenfähre, die am Zweistrom von Leda und Jümme bei Amdorf und Wiltshausen am sog. Lüdeweg die Jümme überquert. Auf diese Art waren seitdem die Gebiete diesseits und jenseits der Flüsse verbunden – vorausgesetzt, die Witterungseinflüsse ließen es zu. Im Winter wurde der Fahrbetrieb eingestellt.
Heute ist die Treidelpünte, als eine am Seil geführte Fährprahm (= flache Fähre) für Touristen eine Attraktion, die jedes Jahr von Anfang Mai bis Ende September genutzt werden kann. Drei Fahrzeuge passen maximal auf die Fläche. Zusätzlich ist Platz für ca. 30 Personen, gegebenenfalls auch Fahrräder.

Ostfriesland - Ein Ticket fürs Autoübersetzen per Pünte über die Jümme. Auto plus Fahrer 4,- Euro. Jeder weiterer  Mitfahrer oder Fußgänger 1,- Euro.

Ostfriesland – Ein Ticket fürs Autoübersetzen per Pünte über die Jümme. Auto plus Fahrer 4,- Euro. Jeder weiterer Mitfahrer oder Fußgänger 1,- Euro. Mit Fahrrad 1,50 Euro.

An dem Tag, an dem ich die Stelle an der Jümme ansteuerte, regnete es. Die Pünte lag am anderen Ufer, und es wirkte anfangs alles ein bisschen verlassen.
Aber fahren Sie nicht wieder weg!
Bereits eine Minute nach dem Eintreffen tat sich etwas. Zwei junge Männer erschienen, brachten die Fähre herüber und setzten die Kundschaft samt Auto wenig später wohlbehalten wieder auf der anderen Seite ab.
Wäre also auch die Fährfahrt unbeschadet und fröhlich gelungen …!

Ostfriesland - Die Pünte - Seit über 450 Jahren überquert die handgezogene Fähre (Treidelpünte) am Zweistrom von Leda und Jümme in Wiltshausen die Jümme

Ostfriesland – Die Pünte – Seit über 450 Jahren überquert die handgezogene Fähre (Treidelpünte) am Zweistrom von Leda und Jümme in Wiltshausen die Jümme …

Ostfriesland - Die Pünte über die Jümme - Deutschlands einzige handgezogene Wagenfähre ...

Ostfriesland – Die Pünte über die Jümme – Deutschlands einzige handgezogene Wagenfähre …

Es geht noch ein wenig weiter über Land, wenn Sie Lust haben.
Gelegentlich wird von Leuten – gern von welchen, die noch gar nicht dort waren – behauptet, alles sei so eintönig. Im Brustton der Überzeugung erzählen Ihnen Fremde, der Gegend Unkundige, dass Ostfriesland nur weites, flaches, völlig unterschiedsloses Land sei. Hätten sie gehört …
Das ist falsch!
Nehmen wir doch wieder die Region des südlichen Ostfrieslands als Beispiel. Hier gibt es neben den Flüssen Ems, Leda und Jümme eine Vielzahl kleinerer Gewässerläufe, die das gesamte Gebiet durchziehen. Der Boden ist höchst unterschiedlich, entsprechend auch der Bewuchs, seine Nutzung, die Fähigkeit Feuchtigkeit zu halten, seine tierischen Bewohner etc.
Es ist sandig oder auch lehmig im Bereich der Ausläufer des ostfriesischen Geestrückens. Dort wo die Ems und Leda unmittelbar Einfluss nehmen, gibt es wiederum die Flussmarschen. Direkt an den Flüssen finden Sie überschlickte Randmoore und in vielen Teilen (z. B. Rheiderland westlich von Leer Richtung Dollart oder auch großflächig im Nordosten von Leer) tatsächlich regelrechte Moorböden.
Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Ja, und wie erkenne ich das?
Passen Sie auf:
Die Marsch wird intensiv für die Landwirtschaft genutzt. Hat geringen Baumbestand, genügend bis reichlich Bodenfeuchte, wirkt grün, ist aber durch dieses intensive Bewirtschaften – was wildlebende Tiere angeht – nicht sehr artenreich.
Hier entdecken Sie allerdings die meisten Maulwurfshügel!
Die Geest wird etwas anders genutzt. Zwar auch für Äcker und Grünflächen, doch die Flächen sind anders angelegt, was das Gebiet für viele Pflanzen und besonders auch Tiere interessanter macht und ihnen Lebensraum bietet. Wesentlich mehr Kleinvogelarten leben dort – was man sofort hört!
Woran das liegt?
An den sogenannten Wallhecken! Ein landschaftsprägendes Kulturgut dieser Region!

Ostfriesland - ... die unter Schutz stehenden Wallhecken zur Einfriedung der Felder (s. Text)

Ostfriesland – … die unter Schutz stehenden Wallhecken zur Einfriedung der Felder (s. Text)

In Schleswig-Holstein und den ländlichen Regionen anderer Bundesländer würde man sie vielleicht am ehesten mit Knicks vergleichen. Es sind mit Bäumen und diversen Sträuchern bewachsene Erdwälle, die ursprünglich der natürlichen Einfriedung von Acker- und speziell Weideflächen dienten. Sie verhinderten, dass das Vieh weiter als gewünscht herumwanderte, denn der einzige Zugang zum Feld wurde vom Bauern immer mit einem Gatter verschlossen.

Ostfriesland - Wallhecken zur Einfriedung von Feldern und Weideland. Die Zufahrt ist meist mit einem Gatter abgesichert.

Ostfriesland – Wallhecken zur Einfriedung von Feldern und Weideland. Die Zufahrt ist meist mit einem Gatter abgesichert.

Sie erfüllten und erfüllen jedoch noch weitere Zwecke, weswegen sie heute auch unter Schutz gestellt sind und nicht verändert, geschweige denn abgeholzt werden dürfen. Sie sind ein Schutz vor Erosion und Witterung, liefern Holz (wenn doch einmal ein Baum aus Sicherheitsgründen gefällt werden muss bzw. durch Strauchschnitt), sie sind ein Grenzzeichen und in dem Buschwerk, das sich zwischen den Bäumen auf dem Wall befindet, siedeln sich zahlreich besagte Tier- und Pflanzenarten an.
Auf kleineren Parzellen wird eher Vieh gehalten, auf größeren überwiegt der Pflanzenanbau. Überall dort, wo durch die Größe ein Einsatz von Maschinen lohnenswert scheint – und genau aus diesem Grund gibt es auch Kritiker der Wallhecken, die, weil sie lieber einen einfacheren Zugang zu den Feldern hätten oder  mehrere miteinander verbinden möchten,  gern störende (Grenz-)Wälle entfernen würden.
Sie murren vergebens …

Und das Moorgebiet?
Nun, dort gibt es nicht so viel Getier. Vielleicht begegnet Ihnen ein Moorfrosch oder eine Eidechse. Oder ein Birkhuhn! Nur das allein als Erkennungszeichen wäre etwas wenig und riskant. Womöglich warten Sie vier Wochen, bis ein Frosch vorbeigehüpft kommt. Falls Sie überhaupt im Moor sind – was Sie bis dahin ja erst herausfinden möchten.
Nein, machen Sie es sich einfacher.
Wenn Sie Ihren Blick über das Land gleiten lassen, über Wiesen, Weiden, Felder … dann fällt Ihnen in einigen Regionen auf, dass sie verstärkt von Wassergräben durchzogen sind. Und hinzu kommt: Sie entdecken sehr gerade verlaufende Kanäle und Orte, deren Häuser entlang dieser Kanäle aufgebaut sind. Aufgereiht wie die Perlen einer Kette. Ein schnurgerader und auch ungewöhnlich lang gestreckter Verlauf. Ihnen begegnen Ortsnamen, in denen der Begriff –fehn auftaucht (Großefehn, Rhauderfehn, Ostrhauderfehn …).
In dem Fall sollte es bei Ihnen klingeln.
Fehn?
Sobald dieses Wort auftaucht ist klar, dass die Stelle, an der Sie sich befinden, zumindest ursprünglich eine morastig-sumpfige Niederung oder ein Moor war.
In früheren Zeiten, als der Torfabbau aufgenommen wurde, trieb man zu Beginn einen – früher auch schiffbaren – Kanal ins Moor, der sowohl zur Entwässerung des Moores als auch zum Abtransport des gestochenen Torfes diente. Auf ihm schaffte man mittels getreidelter (gezogener) Schiffe notwendiges Baumaterial etc. heran. In dieser Region war ein derartiger Kanal lange Zeit auch ganz generell ein Verkehrsweg.
Als damals im Zuge des Torfabbaus die Reihensiedlungen (Fehnsiedlungen) entlang der Kanäle entstanden, führten hier die Fehntjer anfangs unter primitivsten Umständen ein Leben in ziemlicher Not. Erst später gab es einen Aufschwung und erst für nachfolgende Generationen verbesserte sich die Lage. Aus dieser Zeit stammt der ostfriesische Spruch:
„Den Ersten sien Doad, den Tweten sien Not, den Dridden sien Broad.“

Überhaupt sind die Ostfriesen sehr gewieft, was die Entwässerung des Bodens angeht. Hatte man in früheren Zeiten immer durch die Nähe zur Nordsee, die Flüsse und den Einfluss der Gezeiten Überschwemmungen zu ertragen, begann man als Gegenmaßnahme als erstes mit der Eindeichung der Flüsse. Das geschah bereits im Mittelalter!

Ostfriesland - Ohne Schafe undenkbar ... Auf dem Deich bei Midlum im Rheiderland

Ostfriesland – Ohne Schafe undenkbar … Auf dem Deich bei Midlum im Rheiderland

Doch Sturmfluten, die Anhebung des Meeresspiegels und auch die Erhöhung des Grundwasserspiegels sorgten weiter für Überflutungen. Da musste mehr passieren …
Nach einem ausgeklügelten System wurde und wird die Entwässerung des Binnenlandes und der Felder, speziell auch im landwirtschaftlich stark genutzten Marschgebiet, vorgenommen. Dazu braucht und unterscheidet ein Ostfriese folgende Dinge.
Siel – Es handelt sich bei einem Siel um einen verschließbaren Gewässerdurchfluss, der sich in einem Deich befindet.
Tief – Das Tief ist ein größerer Wasserlauf, durch den Binnenwasser durch ein Siel ins Meer abfließen kann
Schloot – Ein Schloot wird als Wassergraben künstlich angelegt oder ein (meist fließendes) Gewässer wird ausgebaut
Die Entwässerung läuft folglich immer nach dem Prinzip: Schloot – Tief – Siel – Meer.
Nur zur Vervollständigung:
Kanal – Ein Wasserlauf mit künstlich hergestelltem Gewässerbett

Ostfriesland - .... oft von Wassergräben (Tiefs, Kanälen) zur Entwässerung des Binnenlandes durchzogen.

Ostfriesland – …. oft von Wassergräben (Tiefs, Kanälen) zur Entwässerung des Binnenlandes durchzogen.

Bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts half auch dieses Prinzip der Entwässerung allein nicht immer aus. Seitdem gibt es zusätzlich die Schöpfwerke, die nicht abfließendes Wasser (Grundwasser oder auch Niederschlag) im Bedarfsfall aus den Kanälen und Sielen in die Flüsse pumpen.

Ostfriesland - Am Wymeerer Sieltief -   - sonst mehr die schwarz-weißen Kollegen, hier sehr friedlich und offenbar genießend die Braunen mit schwarzer Ergänzung

Ostfriesland – Am Wymeerer Sieltief (Rheiderland)  – … sonst mehr die schwarz-weißen Kollegen, hier sehr friedlich und offenbar entspannt genießend die Braunen mit schwarzer Ergänzung

Ostfriesland - Wind auf dem Land ... die Frisur sitzt.

Ostfriesland – Wind auf dem Land … die Frisur sitzt.

So, nun haben Sie sich auch ein bisschen Entspannung verdient!
Es geht in den Nationalpark Wattenmeer, an den Dollart, eine etwa 100 km² große Meeresbucht. Dort befindet sich im nördlichen Rheiderland bei Pogum eine Bohrinsel, vielmehr eine Plattform, die nach Abschluss der Bohrtätigkeiten dort blieb und nicht zurückgebaut wurde. Heute erkennt man nur noch eine Halbinsel, die in den Dollart hineinragt und hat einen schönen Blick aufs Meer. Mit seinen Vogelschwärmen …

Ostfriesland - Blick von der alten Bohrinsel an der Emsmündung auf den Dollart (Meeresbucht) mit Vogelschwärmen

Ostfriesland – Blick von der alten Bohrinsel an der Emsmündung auf den Dollart (Meeresbucht) mit Vogelschwärmen

Und da hin und wieder (Klischees!) gern auch behauptet wird, Ostfriesland hätte keine Wälder, hier ein Gegenbeispiel: den Wald bei Hesel, nordöstlich von Leer gelegen. Das ist nicht nur irgendein Wald! Dort finden Sie etwas Ungewöhnliches!
Vor langer Zeit (das ist schon ein paar Jahrhunderte her) gab es in diesem Waldstück den Nunnenbarg oder auch das Kloster Barthe, in dem Nonnen lebten. Damals war die Wüstung (Siedlung) noch nicht so völlig im Wald gelegen und eingewachsen wie heute! Im 12. Jahrhundert sah es dort noch ein wenig anders aus. Es gab viel Ödland drum herum, das mühsam kultiviert wurde. Aufgelöst hat sich der Konvent nach der Reformation und seither spross der Wald …
Von den Klostergemäuern ist heute nichts mehr vorhanden, doch man hat zwischen 1988 und 1992 Ausgrabungen vorgenommen und konnte so Rückschlüsse auf Ausmaße und Lage der Gebäude bzw. Räume ziehen. Damit der heutige Waldspaziergänger eine ungefähre Ahnung davon hat, wie es aussah, sich Größe und Anordnung vorstellen kann, wurden Hecken als Orientierungshilfe gezogen.

Ostfriesland - Klosterwüstung Barthe - Nunnenbarg - Blick auf die Ausmaße der ehemaligen Klosteranlage, die heute anhand der gepflanzten Hecken dargestellt wird.

Ostfriesland – Klosterwüstung Barthe – Nunnenbarg – Blick auf die Ausmaße der ehemaligen Klosteranlage, die heute anhand der gepflanzten Hecken dargestellt wird.

Wie Sie sehen, leidet der Kapitelsaal im 21. Jahrhundert unter Pilzbefall …

Ostfriesland - Klosterwüstung Barthe - Nunnenbarg - Der ehemalige Kapitelsaal leidet heutzutage sozusagen unter Pilzbefall ...

Ostfriesland – Klosterwüstung Barthe – Nunnenbarg – Der ehemalige Kapitelsaal leidet heutzutage sozusagen unter Pilzbefall …

Und nun, liebe Leser, da das Ende endgültig naht, bleibt lediglich eine kleine Aufgabe für Sie. Im Heseler Wald gab es ein dicht von Klee bedecktes Plätzchen. Sie können nun auf dem Foto nachschauen, ob nicht vielleicht ein glücksbringendes, vierblättriges Kleeblatt dabei ist …

Ostfriesland - Wald bei Hesel - Klee auf dem Weg zum Nunnenbarg (Kloster Barthe) - Sie können ja mal suchen, ob ein vierblättriges Blatt dabei ist ...

Ostfriesland – Wald bei Hesel – Klee auf dem Weg zum Nunnenbarg (Kloster Barthe)

… oder Sie lassen es und überbrücken die Zeit bis zum Erscheinen des vierten und letzten Teils der Serie, dem Windmühlen-Part, anderweitig. Sie sind da bestimmt sehr kreativ!

Schönes Wochenende Ihnen allen und bis demnächst!

©Juni 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand  ©Foto Andreas Grav (Ausschnitt)

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Ostfriesland und die Ostfriesen – heel wat besünners! Heute: Leerer gibt es nicht, der heimliche Hausbaum und ein ostfriesisches Känguru (2)

„Moin!“ Genau! Das sichere Erkennungszeichen! Ostfriesland ist erneut das Thema hier im Blog. Im heutigen zweiten Teil steht Leer auf dem Plan, die drittgrößte Stadt, das Tor Ostfrieslands. Er wird jedoch auch um die Umgebung gehen, um Mensch, Tier … ach, Sie werden es schon merken!
Wissen Sie noch?
Wir wollten bezüglich Ostfriesland mit den Klischees aufräumen bzw. zumindest prüfen, was an ihnen dran ist. Deshalb vorweg: Wenn Sie nur Fakten über die Region wollen, wenden Sie sich vertrauensvoll an Herrn Gugl oder seinen Sohn Wicky. Hier hingegen ist kein reines Lexikon, hier machen wir uns zusätzlich Gedanken, und es gibt einiges zu schauen.

Leer, Häuptlinge, Schlösser, Burgen
Mit Leer ist es im Grunde wie mit Essen. Der Stadt. Also rein vom Namen her – sonst eher nicht!
Die eine Stadt kann genauso gut voll sein, in der anderen gibt es nicht zwangläufig etwas zu futtern. Namen sind eindeutig irreführend, genauso wie Klischees. Die Bedeutung von Namen und Begriffen ist – prüft man die Ableitung – nicht selten komplett anders, als Sie und ich annehmen.
Also Vorsicht!
Leer ist nicht gleichbedeutend mit unbewohnt, nichts los etc. Wahrscheinlicher ist, dass sich der Name Leer von dem urgermanischen Wort „hlér“ ableitet, vom „Weideplatz“ – wobei wir doch irgendwie wieder bei futtern und Essen wären …
Und bitte auch aufpassen, wenn Sie von den Anwohnern dieses Städtchens sprechen. Fallen Sie nicht gleich am ersten Tag durch Ahnungslosigkeit auf, indem Sie die Bürger voller Überzeugung als Leerer bezeichnen.
Es sind Leeraner!
Verwegen, oder? Ob solch eine Schöpfung auch den Trierern einfiele? Trieraner? Es wäre wirklich klangvoller und brächte etwas mehr Farbe ins Sprachmuster, wenn alle in dieser Hinsicht kreativer wären. Sich andere Endungen zulegten. Korsikaner, Genferisten, Frankfurteriner, Kölnasten, Plönaden, Jenagisten, Bremeronis, Aachenenser, Emdendanden, Chemnitzeratzis …
Sollte Ihnen das Wort Leeraner aus irgendeinem Grund nicht flüssig über die Lippen kommen, schwenken Sie um zu Leerders, dem niederdeutschen Begriff. Ihr Insiderwissen wird mit Sicherheit wohlwollend honoriert. Warten Sie nur ab! Vielleicht werden Sie danach sogar zur Teezeremonie eingeladen (siehe Teil 1).
Was sagt uns nun die Art der Namenskreation über die Ostfriesen?
Sie sind längst nicht so einfallslos wie behauptet!
Ich könnte mir vorstellen (reine Vermutung, nageln Sie mich nicht darauf fest!), dass die Konstruktion Leeraner schon aus der Zeit der Häuptlinge stammt.
Doch, doch! Es gab sie in dieser Region!
Das war lange nach Germanen, Römern, Sachsen, Franken, der Zeit als friesisches Herrkönigtum usw.  und nachdem ab Mitte des 12. Jahrhunderts autonome Landesteile entstanden waren. Die ostfriesischen Häuptlinge gab es etwa ab Mitte des 14. Jahrhundert.
Sind Sie eigentlich immer noch klischeegeschädigt?
Das würde sich jetzt zeigen, wenn bei Ihnen das Stichwort Häuptling das Bild eines kantigen Kauzes im Ostfriesennerz,  mit Flechtzopf und einer Feder hervorriefe.
Kschsch! Weg damit!
Diese norddeutschen Häuptlinge (hovedlinge) waren die Oberhäupter einflussreicher Familien, die als solche Macht über nicht unbeträchtliche Gebiete gewannen. Sie waren es, die auf einmal für den Schutz und auch das Gericht zuständig waren, die natürlich untereinander obendrein ständig im Konkurrenzkampf standen.  Erst gab es die Lokal-, dann die Regionalhäuptlinge, und von dort war der Weg nicht weit zum Reichsgrafen. Diese Ära endete spätestens, als 1744 ein Fürstentum entstand und den Preußen das Sagen bescherte.
Glauben Sie so ein mit Sicherheit intelligenter, geschäftstüchtiger Ostfriesen-Clanchef, eine souveräne Häuptlingsherrlichkeit, wollte als  ein Leerer Häuptling bezeichnet werden? Missverständnisse sind da doch vorprogrammiert!   „Leeraner hovedling“ gibt wesentlich mehr her …

Wenn Sie heute über Land fahren oder die Städte besuchen, finden Sie über ganz Ostfriesland verteilt noch viele Wehr- und Prachtbauten, auch Gutshöfe der damaligen Häuptlings- und Adelsfamilien. In Leer allein vier dieser – je nach Art und Nutzungszweck – als Burgen respektive Schlösser bezeichneten Anwesen, ein Teil von ihnen in Privatbesitz, ein Teil in öffentlicher Hand. Die älteste ist die kurz nach 1450 entstandene Harderwykenburg.

Schloss Evenburg zu Loga (Leer) - Seit kurzem auch von innen zu besichtigen ...

Schloss Evenburg zu Loga (Leer) – Seit kurzem auch von innen zu besichtigen …

Schloss Evenburg zu Loga (Leer .... idyllisch von Wasser umgeben.

Schloss Evenburg zu Loga (Leer …. idyllisch von Wasser umgeben.

Parkanlage an der Evenburg zu Loga (zu Leer gehörend) - Wird seit 1998 vom Landkreis Leer in Stand gesetzt und das sog. Ensemble  Evenburg  restauriert

Parkanlage an der Evenburg zu Loga (zu Leer gehörend) – Wird seit 1998 vom Landkreis Leer in Stand gesetzt und das sog. Ensemble Evenburg restauriert

Ostfriesland - Baumalleen (hier nahe der Evenburg zu Loga) ... und es ist nicht die einzige!

Ostfriesland – Baumalleen (hier nahe der Evenburg zu Loga) … und es ist nicht die einzige!

Parkanlage an der Evenburg zu Loga (zu Leer gehörend)

Parkanlage an der Evenburg zu Loga (zu Leer gehörend)

 

Leer, Ostfriesland - Harderwykenburg (um 1450 entstanden)

Leer, Ostfriesland – Harderwykenburg (um 1450 entstanden)

Altstadt, Leer (Ostfriesland) - Die Haneburg, ein zweiflügeliges Wohnschloss aus rotem Backstein. Die Volkshochschule nutzt dort Räume für Seminare.

Altstadt, Leer (Ostfriesland) – Die Haneburg, ein zweiflügeliges Wohnschloss aus rotem Backstein. Die Volkshochschule nutzt dort Räume für Seminare.

Prägend für Ostfriesland und in meinen Augen positiv ist, dass der gesamte Landstrich keine schnell hochgezogenen, unpersönlichen Großstädte besitzt, sondern natürlich gewachsene Klein- und Mittelstädte. Von letzteren lediglich fünf Stück (Emden, Aurich, Leer, Norden und Wittmund). Viele Dörfer ergänzen das Bild und bestimmen so die Struktur dieser Region.

Gärten, Bäume, Rasen …
Bei Ostfrieslands Bewohnern fallen mir u. a. deren unheimlich gepflegte Gärten auf. Nicht nur der Ziergarten, auch der Nutzgarten ist picobello in Ordnung, könnte bei der nächsten Gartenausstellung als Vorzeigeobjekt dienen. Es wirkt überaus gepflegt, aber nicht steril! Es scheint mit einer gewissen Hingabe geschaffen und nun mit Herz betreut! Man ist mit Recht stolz darauf!
Wissen Sie, was für mich ganz erstaunlich ist?
Dass der recht breite öffentliche Randstreifen an der Straße vor dem Haus von jedem Grundstücksinhaber ohne zu überlegen wie der Garten selbst betreut wird. Dort ist Rasen gesät, der selbstverständlich immer komplett mitgemäht wird. So regelmäßig und ordentlich gestutzt, dass Sie Kricket spielen könnten! (Für Golf reicht der Platz nicht – und Sie werden dort auch vergeblich nach Löchern suchen.)
Da die Grundstücke mehrheitlich recht groß ausfallen – nicht nur in die Tiefe gehend, sondern auch in die Breite – (man hat ja viel Platz, die Region zählt als eher dünn besiedelt), ist die Grundstücksgrenze entlang der Straße entsprechend lang. Daher haben viele Ostfriesen für ihren bis dorthin reichenden grünen Teppich beträchtlichen Ausmaßes nicht nur einen schnöden Handrasenmäher, einen Elektromäher oder die brummende Variante mit dem Benzintank. Nein, in Ostfriesland dürfte der Anteil der Einwohner, die mit einem Aufsitzrasenmäher über ihr Anwesen kurven, überdurchschnittlich hoch ausfallen. Selbst etwas größere Kinder werden schon mit dem Mähen beauftragt und fahren bereits damit! Wahrscheinlich gehört es zu einer ordentlichen ostfriesischen Erziehung dazu.

(Ich hoffe, es entsteht jetzt kein neues Klischee! Achtung! Ostfriesenkinder müssen nicht alle Rasen mähen. Es gibt nicht nur Aufsitzrasenmäher … )

In sehr vielen Gärten gibt es allerdings relativ wenig Bäume. Außer man wohnt an einem Waldstück oder einer Wallhecke mit Baumbestand. Dann ist es Schicksal, dem man sich ergibt.
Vielleicht haben Ostfriesen tatsächlich etwas dagegen, dass so ein Monstrum mit herabfallenden Blättern, Blüten und womöglich Ästen ihr geharktes, sorgsam gehütetes Reich verschandelt. Man findet neben Rosen und einer ganz enormen Staudenblütenpracht sowie kleineren Ziersträuchern eher die weniger Dreck veranstaltenden Immergrüne, Thujahecken, Eiben – und verblüffenderweise die vermehrte Existenz eines besonderen, etwas bizarr anmutenden Baumes, dessen Anblick mich in dieser Region wirklich überrascht hat!

Leer, Ostfriesland - Ein in Ostfriesland erstaunlich häufig entdeckter Baum ... sieht aus wie eine Araucaria araucana (Chilenische Schmucktanne)

Leer, Ostfriesland – Ein in Ostfriesland erstaunlich häufig entdeckter Baum … sieht aus wie eine Araucaria araucana (Chilenische Schmucktanne)

Wenn ich es richtig erkenne, handelt es sich bei diesem Solitärgewächs um die Chilenische Schmucktanne (Araucaria araucana, Andentanne).
Aus den Bergregionen Südamerikas!
Da liegt die Baumgrenze bei etwa 3.000 Meter! Hier in Ostfriesland ist der höchste Punkt eine Düne auf Norderney (stolze 24,4 Meter über dem Meeresspiegel) bzw. auf dem Festland gibt es eine Wanderdüne in der Gemeinde Uplengen, die es auf sagenhafte ca. 18,5 Meter Höhe bringt. Nichtsdestotrotz ist der südamerikanische Einwanderer inzwischen wahrscheinlich der heimliche Hausbaumfavorit vieler Ostfriesen, ihre Chilaner Friesenschmucktanne.
Wieder ein Indiz dafür, dass der Ostfriese nicht nach dem Motto handelt Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich und Neues komplett ablehnt.
Nein, hier gibt es beides!
Wie schon anhand des Beispiels mit dem Handrasenmäher bzw. Turboaufsitzmäher ersichtlich, kann man es übertragen auch so sehen, dass hier unbekümmert und gleichberechtigt Altes und Modernes nebeneinander besteht bzw. zum Einsatz kommt.
Man findet  liebevoll restaurierte alte Windmühlen (in einem späteren Teil der Serie dazu mehr), betagte, jedoch sehr gepflegte und gut erhaltene Kirchen und Gemäuer, nach Originalplänen rekonstruierte Schlösser und Parkanlagen, eine sehenswerte Leeraner Altstadt, herkömmliche Landwirtschaft mit oftmals noch einem gehörigen Teil Handarbeit, Viehzucht, Fischfang und traditionelles Handwerk. Doch direkt daneben sind die modernen Dienstleistungsbetriebe, einige ebensolche Fabriken und neu errichtete Gebäude (anstelle alter Speicher) am Hafen mit weiteren Firmen oder aber begehrten Wohnungen (Penthouses mit Blick aufs Wasser).
Leer zählt übrigens zu den größten Reederei-Standorten in Deutschland und ist wichtigste Einkaufsstadt einer großen Region. Und natürlich spielt der Tourismus eine nicht unerhebliche Rolle!

Altstadt, Hafen, Kirchen und eine Uhr …

Leer, Ostfriesland - Dort wo früher alte Speicher standen, entstanden neue Firmengebäude, die  so klangvolle Städtenamen tragen wie Tallinn, Auckland oder New York

Leer, Ostfriesland – Dort wo früher alte Speicher standen, entstanden neue Firmengebäude, die so klangvolle Städtenamen tragen wie Tallinn, Auckland oder New York

Leer, Ostfriesland - Restaurant zur Waage am Hafen, rechts im Bild der Rathausturm

Leer, Ostfriesland – Restaurant zur Waage am Hafen, rechts im Bild der Rathausturm

Leer, Ostfriesland - Moderne Wohnungen in begehrter Lage am Hafen, Anleger gleich vor der Tür ...

Leer, Ostfriesland – Moderne Wohnungen in begehrter Lage am Hafen, Anleger gleich vor der Tür …

Altstadt Leer, Ostfriesland - Im Hintergrund der Turm der Großen Kirche zu Leer

Altstadt Leer, Ostfriesland – Im Hintergrund der Turm der Großen Kirche zu Leer

Leer, Ostfriesland - Giebelvielfalt ... und die Nähe zu den Niederlanden ist eindeutig erkennbar

Leer, Ostfriesland – Giebelvielfalt … und die Nähe zu den Niederlanden ist eindeutig erkennbar

Leer, Ostfriesland

Leer, Ostfriesland

Vielfalt hinsichtlich der Geschäfte in der Fußgängerzone von Leer, eine skatende Kuh und Käse, der Teufelskerl heißt.

Vielfalt hinsichtlich der Geschäfte in der Fußgängerzone von Leer, eine „skatende“ Kuh und Käse, der „Teufelskerl“ heißt.

Amtsgericht Leer, Ostfriesland

Amtsgericht Leer, Ostfriesland

Leer (City), Ostfriesland  - Fassadenkunst am Bauzaun

Leer (City), Ostfriesland – Fassadenkunst am Bauzaun

Altstadt Leer, Ostfriesland

Altstadt Leer, Ostfriesland

Leer, Ostfriesland - Lutherkirche

Leer, Ostfriesland – Lutherkirche

Was hier wie eine große Fläche aussieht, befindet sich am Seiteneingang der Lutherischen Kirche in Leer und ist in Wirklichkeit ein Lavendellabyrinth aus einzelnen Gängen ...

Was hier wie eine einzige große bepflanzte Fläche aussieht, befindet sich am Seiteneingang der Lutherischen Kirche in Leer und ist in Wirklichkeit ein Lavendellabyrinth aus einzelnen Gängen …

Leer, Ostfriesland ... das Lavendellabyrinth etwas näher betrachtet.

Leer, Ostfriesland … das Lavendellabyrinth etwas näher betrachtet.

In den zum Landkreis Leer gehörenden Gemeinden entstanden weitere Siedlungen. Es gibt Gewerbe- und Industrieflächen, und vereinzelt trifft man auf bekannte Großunternehmen, die hier in der Region vermehrt für Arbeitsplätze sorgen. Überall sonst: Wiesen, Felder … Natur!
Der Fachbereich Seefahrt/Windkraftanlagen der Hochschule Emden/Leer fühlte sich von Leer angezogen! Und – ganz klar – allerorten sind natürlich zeitgemäße Kommunikationsmittel im Einsatz.
Ein weiteres Klischee, das ausgeräumt werden muss, denn in Ostfriesland ist man nicht zurück in solchen Dingen. Im Gegenteil! Gerade dadurch, dass die Wege weiter sind, die persönliche Kommunikation hin und wieder erschwert oder die Beschaffung von Gütern direkt vor Ort nicht immer gegeben ist, wird der Einsatz moderner technischer Hilfsmittel im Alltag und bei der Arbeit begrüßt!
Häufig ist jedoch dieser Punkt  bei Städtern, die aufs Land reisen, aus Unwissenheit ein Grund für Horrorszenarien.
Himmel, hoffentlich haben die Internet! Lass sie bloß WLAN haben!
Undenkbar, dass nicht!

Die Netzabdeckung im ländlichen Bereich ist naturgemäß (bisher) nie komplett und flächendeckend so gut, wie dies in der Stadt der Fall ist, doch kein Mensch muss deshalb in Ostfriesland seine ständigen Begleiter Smartphone und Tablet in die Tonne werfen. Internet ist kein Fremdwort und WLAN vorhanden. Mancherorts ist es halt etwas langsamer.
Bedingt dadurch und durch generell mehr – wie soll man es bezeichnen – Überschaubarkeit, geht es für mein Empfinden überhaupt insgesamt ruhiger und gelassener zu.
Ist es das, was zu der Annahme verleitet, Ostfriesen wären generell nicht die Schnellsten? In jeder Hinsicht?
Welch Fehleinschätzung!
Es ist entspannter, aber nicht zwangsläufig weniger effektiv. Man erlebt in Ostfriesland kaum diese in Großstädten extrem verbreitete (unproduktive) Hektik, Rastlosigkeit, dieses dauernde Multitasking, das einem besonders bewusst wird, wenn es auf einmal wegfällt oder sich drastisch reduziert. Sie merken, Sie kommunizieren verstärkt persönlich, schauen besser hin, hören besser zu, sind verblüfft, wie gesprächig und vor allem hilfsbereit und entgegenkommend Ihr Gegenüber ist. Der angeblich doch so sonderliche, vermeintlich sprachfaule Ostfriese mit dem häufigen Hang zum Einsiedlertum.
Wortkarg, verschroben?
Vorurteil! Blödsinn! Auch dieses Klischee versenken wir im Moor oder der Nordsee, denn ein gutes Gegenbeispiel lieferte ein Leeraner.
Beim Spaziergang vorbei an der Großen Kirche, sah man deren Holztür zwar noch offen stehend, eine Hinweistafel am Zugangsweg verriet jedoch, dass die offizielle Öffnungszeit für diesen Tag fünf Minuten zuvor geendet hatte. Erster Gedanke: Schade! Ein Blick hinein wäre schön gewesen.

Große Kirche von Leer, Ostfriesland

Große Kirche von Leer, Ostfriesland

Ein älterer Herr verließ die Kirche, nahm den späten Besuch wahr. Man kam sofort zwanglos ins Gespräch, er hängte seinen Leinenbeutel ohne Zögern an die Klinke – und bat herein. In Hamburg hätte es geheißen: „Wir haben jetzt zu!“ Rummms!

Er gab freundlich Erklärungen zur Kirche ab. Erzählte über Stil, Funktion, wer, wann, wo und wieso … Er verkündete stolz, dass es ein Barockbau sei und die Ausstattung der reformierten Tradition entspricht, bei der auf Altar und Kreuz verzichtet wird. Es handele sich um eine reine – wie er es nennt – Predigtkirche, deren ältestes Teil das romanische Taufbecken in der Mitte des Raumes sei. Die Zugänge zu den Holzbänken sind alle mit Holztüren verschließbar, die Orgel solle in den kommenden Jahren restauriert werden.

Leer, Ostfriesland - Große Kirche - Türen vor dem Zugang zur Bank  (und das leider abgedeckte romanische Taufbecken)

Leer, Ostfriesland – Große Kirche – Türen vor dem Zugang zur Bank (und das leider abgedeckte romanische Taufbecken)

Mein Blick ging hinauf zu den Orgelpfeifen und blieb bereits vorher an etwas anderem haften.
An der Balustrade befindet sich eine Uhr!
Keine kleine, unscheinbare, sondern etwas, das es größenmäßig durchaus mit einer Bahnhofsuhr aufnehmen könnte. Uhren draußen am Kirchturm kennt jeder. Aber drinnen?
Der nette Ostfriese wusste auch hier Bescheid.
Es gab eine Regel, dass Pastoren nicht ewig reden und ihre Predigt nicht länger als eine Stunde halten sollten. Offenbar klappte das in der Praxis nicht so besonders. Es wurde dauernd überzogen, was wiederum zur Folge hatte, dass man den Predigern kurzerhand diese Uhr vor die Nase setzte.

Leer, Ostfriesland - Große Kirche - Orgel und die Uhr als Mahnung für den Pastor ...

Leer, Ostfriesland – Große Kirche – Orgel und die Uhr als Mahnung für den Pastor …

Ist es zu fassen?
Nun konnte ich die Kirche doch noch von innen betrachten – weil ein Ostfriese „untypisch“ war! Und – völlig unmöglich, so etwas! – mir begegneten noch weitere Exemplare, die sich einfach nicht klischeekonform verhalten wollten …!
Was sagt uns das?
Im Grunde ist er immer sinnlos, dieser Zuordnungsdrang. Dieses Menschen kategorisieren und in Schubladen packen wollen. Dieses Festlegen. Das ist nicht gut.  Ist schlecht. Grottenschlecht!
Es gibt doch nie DEN Franzosen, DEN Engländer, DEN Hamburger, DEN Ostfriesen … Zum Glück! Die Grundmentalität einer Völkergruppe, eines Volks oder eines Teil dieser Nation, mag eventuell durch den Einfluss von Kultur, Geschichte, Religion, Erziehung, Klima, Landschaft  u. v. m. von der einer anderen Gruppe etwas abweichen. Aber ansonsten sind in der Realität eher eindeutige, eklatante Unterschiede innerhalb einer Menschenengruppe wahrscheinlich, ist vielmehr der Unterschied von Mensch zu Mensch hervorzuheben, als dass es Sinn machte, alle die, die zufällig geballt irgendwo leben, über einen Kamm zu scheren.
Vorurteile schaffen Barrieren, selbst positive Vorurteile sind nicht automatisch harmlos!
Und Klischees? Sie sind unnütz wie ein Kropf!

Ich brauche auch eine Uhr in Sichtweite. Meine Zeit für die heutige „Predigt“ hier im Blog ist sicher schon längst um …

Sie haben diesmal ein wenig von Leer entdeckt, ein bisschen Geschichte erfahren, Sie wissen etwas über ostfriesische Gärten, wir nahmen uns der Klischees an. Sie ahnen mittlerweile, dass Ostfriesland und Ostfriesen vielleicht anders sind als bisher angenommen. Offener. Hilfsbereit. Vielseitig. Die Menschen und das Land!
Es ist kein eintöniges Gebiet! Es ist auch keine Region, in der absolut nichts passiert! Es tut sich einiges! Besonders in den Städten locken umfangreiche Angebote für jeden Geschmack.

Leer kulturell und überhaupt …
In Leer existieren z. B. der Kulturspeicher und ein spezieller Ort, ein Treffpunkt für Buchfreunde, der sich Tatort Taraxacum nennt. Dahinter verbergen sich (Krimi-)Buchhandlung und (Kultur-)Café inkl.  Restaurant in einem. Sie können fesselnde Bücher lesen, während sie z. B. hausgebackenen Kuchen und Kaffee aus Bioanbau serviert bekommen. Sie können aber auch an Bord der ‚Koralle‚ eine kriminelle Hafenrundfahrt erleben! Es finden überall zahlreiche Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art statt. Das Teemuseum (aus Teil 1) wäre ein Ziel. Oder Sie schauen, wo Sie boßeln könnten …
Ostfriesland ist die Hochburg dieses Sports!

Taraxacum in Leer, Ostfriesland

Taraxacum in Leer, Ostfriesland

Leer, Ostfriesland - Stilecht auch die Tischdeko im Taraxacum  ....

Leer, Ostfriesland – Stilecht auch die Tischdeko im Taraxacum ….

Leer, Ostfriesland - Tatort Taraxacum  -  Die Örtchen sind selbstverständlich Tatörtchen!

Leer, Ostfriesland – Tatort Taraxacum – Die Örtchen sind selbstverständlich Tatörtchen!

Altstadt Leer, Ostfriesland, Haus Samson / Weinhandlung Wollf mit Privatmuseum! Zeigt die Wohnkultur in Ostfriesland im 18. und 19. Jahrhundert! Sehr sehenswert!

Altstadt Leer, Ostfriesland, Haus Samson / Weinhandlung Wolff mit Privatmuseum! Zeigt die Wohnkultur in Ostfriesland im 18. und 19. Jahrhundert. Sehr sehenswert!

Weitere Skulpturen des Künstlers Karl-Ludwig Böke (Sie erinnern die Teelke aus Teil 1_) befinden sich am Hafen (wie auch das Böke-Museum). Hier seine Meerwiefke ...

Weitere Skulpturen des Künstlers Karl-Ludwig Böke (Sie erinnern die Teelke aus Teil 1?) befinden sich am Hafen (wie auch das Böke-Museum). Hier seine „Meerwiefke“ …

Als Radtourist ist die Region Ihr El Dorado, denn Sie haben Anschluss an gleich mehrere Radfernwege (Dortmund-Ems-Kanal-Route, Deutsche Fehnroute, EmsRadweg).
Wer sich für Malerei, Kunsthandwerk, Lesungen etc. interessiert, kommt auch hier auf seine Kosten. Gastspiele von Theatern wären auch noch zu erwähnen.
Und ich spreche jetzt nur von Leer und Umgebung!
Wenn Sie Ihren Radius erweitern, haben Sie schier unbegrenzte Möglichkeiten. Ich selbst habe lediglich festgestellt, es gibt lokal bereits so viel Interessantes, dass ich längere Touren in andere Städte vorerst gar nicht unternommen habe. Die Gegend um Leer herum hatte für einen Neuankömmling unheimlich viel parat.
Bei der Fahrt durch die Natur, über die Dörfer, über Land finden sich so einiges. Überraschendes! Wissen Sie, es gab eine Ampel mitten in der Einsamkeit …

Aber davon werde ich Ihnen das nächste Mal erzählen. Und es stehen immer noch die Windmühlen aus! Ein Thema für sich, auf das ich mich sehr freue.

Zum Schluss …
Nur eines schnell noch: Es gibt in Ostfriesland Kängurus! Jedenfalls nach der ersten Eingebung einer Dame, die auch in meinem Hotel wohnte. Beim Essen hüpfte es an der großen Fensterfront vorbei. Lange Hinterbeine, hohe, weite Sprünge, graubraunes Fell, sehr quirlig und außergewöhnlich lange Ohren. Für ein Känguru. Eine ostfriesische Unterart?
Wir einigten uns schließlich darauf, dass der ostfriesische Springer beutellos war und es sich um einen besonders großen Feldhasen gehandelt hatte. Er kam ein weiteres Mal am nächsten Abend.
Bei Regen!
Und hier räumen wir mit einem weiteren Klischee auf (das hat jetzt mit dem Hasen nichts mehr zu tun):
Ich habe während meines Aufenthalts keinen einzigen Ostfriesen gesehen, der einen Ostfriesennerz oder einen Südwester getragen hätte!
Man munkelt, dass solche Kleidung vermehrt an der Küste üblich sei.
Bei Touristen.

(Fortsetzung Teil 3 – wenn Sie mögen … )

©Juni 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand ©Foto Andreas Grav (Ausschnitt)

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Lebenszeichen – und ein mordsmäßig wichtiger Test!

Grüemoi! Mein heutiger Gruß an Sie. Sie wissen aus dem letzten Ostfriesland-Blogpost, ich musste kurz noch ein weiteres Mal reisen. Nun, da bin ich wieder.
Falls Sie inzwischen auf die Fortsetzung der Serie über die sympathischen Ostfriesen und das nicht nur platte Land warten, so gibt es heute für Sie vorab eine kleine Hürde zu wuppen. Nach dem Koffer auspacken und Luft holen habe ich nämlich spontan beschlossen, Sie erhalten heute von mir:
a) ein Lebenszeichen und
b) einen – wie ich denke – lösbaren Test
Die Sache ist nämlich die: Nach Teil 1 muss im Grunde geprüft werden, wie fit Sie mittlerweile überhaupt sind. Wie fortgeschritten Ihr Kenntnisstand über Ostfriesland ist. Ob Sie im ersten Teil aufgepasst haben.
Sonst können Sie leider nicht für Teil 2 zugelassen werden!
(Glauben Sie nicht alles …! ^^)
Um Ihr Wissen zu überprüfen, schauen Sie sich bitte die folgenden Fotos an und entscheiden bei den jeweils zwei Auswahlmöglichkeiten, welche Sie für die richtige Aussage halten. Bei mehr als zwei falschen Antworten sind Sie leider durchgefallen …

Die Aufnahmen habe ich von meiner gerade beendeten Reise mitgebracht. Die Frage lautet:

Ostfriesland oder nicht?

Foto 1
a) Zentrallager der Bünting Teehandelsgesellschaft in Leer. Soeben ist eine neue Lieferung des Darjeeling Flugtees eingetroffen
b) Die Terminals des Hamburger Flughafens vom Rollfeld aus gesehen
Flughafen Hamburg - Blick vom Rollfeld auf die Terminals

Foto 2
a) Blick auf Leer und Nachbargemeinden. Vorne gut zu erkennen sind das Spielfeld des VfL Germania Leer und die Tennisplätze des TC Grün-Weiß von 1909, umsäumt von den berühmten „Wallhecken“.
b) Blick auf Hamburg mit seinem Fernsehturm (Heinrich-Hertz-Turm)
Anflug auf Hamburg - Blick auf die Stadt mit Fernsehturm (Heinrich-Hertz-Turm)

Foto 3
a) Airport Leer. Sämtliche Maschinen sind Zubringer zu den beliebten Ostfriesischen Inseln. Die Abkürzung SWISS steht für: Strand+Wellen im Sauseschritt … Das Weiß der Lackierung symbolisiert den hellen Sandstrand an der Küste.
b) Flughafen Zürich (früher Zürich-Kloten) mit Flugzeugen der Schweizer Gesellschaft SWISS
Flughafen Zürich - Rollfeld und Maschinen der Fluggesellschaft SWISS

Foto 4
a) Leeraner Flughafenmitarbeiter, der bei Sonnenschein stets den Ostfriesennerz mit den abknöpfbaren Ärmeln bevorzugt …
b) Angestellter des Bodenpersonals am Flughafen Zürich bei der Arbeit
Flughafen Zürich (früher Zürich-Kloten) - Auf dem Rollfeld

Foto 5
a) Blick auf die Ems, im Hintergrund die Dünen von Spiekeroog
b) Blick aus dem Flugzeug kurz nach dem Abheben in Zürich. Blick auf die schneebedeckten Alpen.
Aussicht aus dem Flugzeug nach Abflug aus Zürich  (schneebedeckte Alpen)

Ende des Tests.
Und? Ist es Ihnen sehr schwergefallen?
Falls Sie sich nicht völlig sicher sind, schauen Sie sich zum einen den ersten Ostfriesen-Blogpost noch einmal an und vergessen zum anderen bitte nicht, beim zweiten Teil wieder dabeizusein!
Ich werde mich jetzt ein wenig daheim akklimatisieren und erneut auf den Norden Deutschlands konzentrieren. Auf die Friesen. Nix mit Grüemoi! (Sie wissen jetzt bestimmt, wie sich das zusammensetzt.)
Nur „Moin!“ ist dann angesagt!

Frohe Pfingsten wünsche ich Ihnen allen!

©Juni 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.com

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Von wegen nur platt und nichts los! Ostfriesland – heel wat besünners! Heute: Typisch, Tee und Teelke (1)

Ich war im Süden. Vor mir aus gesehen zumindest. Für Sie ist das südliche Ostfriesland vielleicht der ganz hohe Norden, aber das ändert nichts am Ergebnis, das ich Ihnen vorweg verraten möchte: es ist obercool dort!
Ein paar (im Grunde zu wenige) Tage auf dem Land sind vorüber, und wem ich vorher verriet, wohin ich fahre, der zog leicht amüsiert eine Augenbraue hoch. Was mir völlig unverständlich ist! ^^ Doch ich ahne, woher der Anflug von Spott im Blick kommt.
Klischees, Herrschaften!
Die Inseln (Borkum, Juist, Norderney, Baltrum, Langeoog und Spiekeroog) werden ja noch akzeptiert. Die sind mittlerweile ein Synonym für feinen Sandstrand, Nordsee, Watt und gesunde Luft. Ein Urlaubsparadies.
Doch was taucht im Kopf auf, wenn Sie spontan Begriffe nennen sollten, die Sie mit Ostfriesland verbinden?
Ostfriesenwitze! Schafe! Plattes Land. Man sieht bereits am Donnerstag, wer am Sonntag zu Besuch kommt.
Haha!
Der Spruch ist so ausgenaddelt, den können Sie getrost in den Ordner „Todbringende Gähnanfälle“ abheften und diesen am besten danach gleich ganz entsorgen.
Welches Bild wird uns von dieser Region und seinen Menschen gern durch die Medien transportiert?
Ostfriesland. Unendliche Weiten. Ein gewisser Baummangel nebst Hügelnot, bewohnt von einem etwas anderen Menschenschlag. Ostfriesen sind danach kauzige Gesellen, die immer und überall entweder im Friesennerz oder im Fischerhemd erscheinen. Dauergummistiefelträger, die damit sogar zu Bett gehen. Sie sind tendenziell eher langsam – beim Bewegungsablauf, beim Denken, beim Antworten. Extrem skurrile Typen, die wortkarg am Tag hin und wieder immerhin ein „Moin!“ herausbekommen. In verschiedenen Stimmlagen, um es abwechslungsreicher zu gestalten.
Apropos „Moin!“.
Sie wissen schon, dass man das nur einmal sagt? Also durchaus mehrmals am Tag, aber immer nur ein einzelnes „Moin!“ pro Anwendung! Nicht „Moin, moin!“ Das ist doppelt gemoppelt. Da zieht der Ostfriese nicht nur eine Augenbraue hoch, sondern beide! Wie Gewitterwolken verdunkeln sie sein ostfriesisches Antlitz! Notieren Sie sich also bitte die Moin-Regel, und schreiben Sie gleich dazu, dass jeder jeden grüßt, auch ihm Fremde!

Was noch? Kennen wir Ostfriesen? So als Paradebeispiel?
Da wären der Hollywood-Regisseur Wolfgang Petersen (Das Boot, Troja etc.) oder Heiko Engelkes, der Journalist und ARD-Korrespondent. H. P. Baxxter, der Frontmann von Scooter ist gebürtiger Ostfriese. Karl Dall, Otto Waalkes
Otto Waalkes! Der Ostfriesenjung ist mir vor Jahren in Hamburg am U-Bahnausgang Jungfernstieg/Ballindamm förmlich in die Arme gehüpft. In seiner Freizeit bewegt er sich gelegentlich genauso wie auf der Bühne.
Ist das ein Ostfriesenmerkmal?
Wenn alle Ostfriesen so hibbelig herumhüpfen würden, hätte ich es mir noch einmal überlegt, ob ich nach Leer und Umgebung fahre, aber andererseits war der quirlige Elefantenrüsselzeichner damals ausgesprochen freundlich und harmlos, was wiederum für einen Besuch Ostfrieslands und seiner Menschen spricht.

Und sonst … ? Tee! Die Teegeschichten, die verbreitet werden, stimmen tatsächlich! Der echte Ostfriese ist ein Teetrinker vor dem Herrn! Er verkonsumiert im Jahr ca. 2,5 kg seines „Echten Ostfriesentees“. Man sagt, damit verbraucht er ungefähr das Zehnfache dessen, was ein Durchschnittsdeutscher an Tee zu sich nimmt. Wenn ich allerdings von meinem Teeverbrauch ausgehe, bin ich eine verkappte Ostfriesin, die lediglich die falsche Sorte Tee im Schrank lagert.
Ein bekannter ostfriesischer Teehersteller ist die Firma Bünting, die in Leer auch nebenher ein Teemuseum (mit angegliedertem großen Geschäft) betreibt.

Das Coloniale-Haus der Teehandelsgesellschaft Bünting in Leer (Ostfriesland)

Das Coloniale-Haus der Teehandelsgesellschaft Bünting in Leer (Ostfriesland)

Das Stammhaus der Firma Bünting mit Teemuseum - angrenzend an das Coloniale-Haus in der Brunnenstraße in Leer

Das Stammhaus der Firma Bünting mit Teemuseum – angrenzend an das Coloniale-Haus in der Brunnenstraße in Leer

Wenn Sie in Ostfriesland Tee bestellen – dort im Museum, im Café, Hotel etc. – bekommen Sie diesen sehr häufig in dem ganz speziellen Geschirr „Ostfriesenrose“ serviert. Ich muss gestehen, dass ich die Rose gar nicht auf Anhieb als solche erkannt habe. Es scheint irgendwie eine Mischung aus Blume und Hagebutte darzustellen. Oder was erkennen Sie daraus?

Das spezielle Teeporzellan mit dem Namen Ostfriesenrose ...

Das spezielle Teeporzellan mit dem Namen Ostfriesenrose …

Sie sehen, zur Teekanne auf dem Stövchen gibt es ein kleines Kännchen mit ganz besonderer Teesahne inkl. kleinem Schöpflöffel sowie ein Schälchen mit unregelmäßig geformten Kandisstücken, die man hier als Kluntjes bezeichnet. Tee trinken in Ostfriesland bedeutet nicht, achtlos Flüssigkeit herunterzustürzen, sondern zum Tee trinken gehört eine Zeremonie.
Sie beginnen mit dem Einfüllen der Kluntjes. Dann erst kommt der Tee.
Aber nicht zu voll gießen! Das tut man nicht!

Ostfriesland - Die Kluntjes (Kandis) zum Ostfriesentee ...

Ostfriesland – Die Kluntjes (Kandis) zum Ostfriesentee …

Achten Sie einmal darauf, der Kandis macht Geräusche, knistert, sobald die heiße Flüssigkeit mit ihm in Berührung kommt! Nun nehmen Sie mit der Miniaturkelle eine kleine Menge Sahne auf und geben sie in den Tee. Die meisten gießen sie vorsichtig gegen den Uhrzeigersinn hinein.
Warum?
Um die Zeit anzuhalten … So sind die Ostfriesen eben.
Die Sahne sinkt erst hinab, steigt dann langsam wieder auf und verteilt bzw. entfaltet sich zu sagenhaften Mustern! Zu Bildern. Kunstwerken! Die Sahnewölkchen, auch Wulkjes genannt, werden zu Seepferdchen, Häusern, Tintenklecksen, Quadraten mit Riffelmuster, Strahlen … Ihrer Phantasie sind bei der Deutung keine Grenzen gesetzt.

Kunstwerk Ostfriesentee ....

Kunstwerk Ostfriesentee ….

Sie trinken den Tee letztendlich auch schichtweise. Erst oben die Sahne, dann den kräftigen Tee und zum Schluss den Teil, der vom Kluntje ganz süß wurde.
Achten Sie stets darauf, wie Sie ihren Löffel platzieren! Daneben gelegt bedeutet es, Sie möchten noch mehr, in die Tasse gestellt signalisiert er, dass Sie nichts mehr nachgeschenkt haben möchten. Drei Tassen oder auch drei Koppkes Tee stehen Ihnen nach „Ostfriesenrecht“ zu …

Teelke mit der Tasse Tee ... Eine Skulptur von Karl-Ludwig Böke für das Teehandelshaus Bünting. Teelke befindet sich direkt gegenüber dem Coloniale-Hause in Leer

Teelke mit der Tasse Tee … Eine Skulptur von Karl-Ludwig Böke für das Teehandelshaus Bünting. Teelke, die Teebotschafterin, befindet sich direkt gegenüber dem Coloniale-Hause in Leer

Sie sehen, es geht stilvoll zu. Und es gibt sehr viel Überraschendes, Spannendes, Unerwartetes in Ostfriesland. Schöne Ortschaften, Städte wie z. B. Leer mit einem überaus sehenswerten alten Viertel und seinem Hafen.  Ostfriesland hat viel Wasser, viel Grün, viele Tiere – mit anderen Worten: viel Natur!

In den nächsten beiden Teilen der kleinen Ostfriesland-Blogserie wird es weiter um die Stadt Leer, die Umgebung mit Burgen, Wallhecken, Schafen etc., vor allem aber um Windmühlen gehen! Sie sind faszinierend, und es gibt viele hier! Wir werden auch in das Innere schauen und vielleicht bei dieser Gelegenheit gleich mehr über das Wesen der Ostfriesen erfahren. Die Klischeevorstellungen überprüfen.
Kommen Sie doch mit!
Sagen Sie nicht, Leer – pffft! Das Städtchen ist begehrt als Ziel! Nicht nur Fahrradtouristen machen hier halt. Nein, an dem Tag, als ich eintraf, statteten ihm keine Geringeren als König Willem-Alexander und Königin Máxima der Niederlande einen Besuch ab! Bei meiner Ankunft brachen sie allerdings gerade wieder auf, sodass ich bestenfalls noch die königlichen Limousinenrücklichter gesehen hätte – hätte ich mich wild entschlossen im Blitztempo durch den Ort zum Maritimen Kompetenzzentrum bewegt.
Ich wollte damit eigentlich auch nur sagen, wenn sogar die beiden vorbeischauen, dann müssen Sie schon eine sehr gute Ausrede haben, um sich hier auszuklinken. ^^

Ich lasse Ihnen auch Zeit bis zum Teil (2).  Das liegt allerdings mehr daran, dass ich leider ein weiteres Mal unterwegs bin und keine Gelegenheit zum früheren Schreiben haben werde.

Lesen wir uns? Ich wünsche Ihnen bis dahin eine angenehme Woche und werde Sie demnächst – so Sie denn erscheinen – mit einem „Moin!“ zur Fortsetzung begrüßen.

©Juni 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - WordPress.com -  Foto: Andreas Grav

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