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HafenCity / Hamburg: Wo ein Teppich kein Teppich und ein Pilz kein Pilz ist …

Falls Sie gerade Lust auf Elbluft verspüren und mitkommen möchten, würde ich Sie heute gern Richtung HafenCity Hamburg ziehen und Ihnen dort nebenbei etwas ganz speziell Herausgepicktes vorstellen.
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Hamburg - Hafen - Blick vom Baumwall Richtung Elbphilharmonie und Kehrwiederspitze

Hamburg – Hafen – Blick vom Baumwall Richtung Elbphilharmonie und Kehrwiederspitze

 

Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, bei HafenCity allein an den sich neu entwickelnden Hamburger Stadtteil
zu denken, der an vielen Stellen nicht nur modern wirkt, sondern einen überaus futuristischen Charakter hat. Die alten Speichergebäude an den Fleeten zählen verwaltungstechnisch ebenfalls zur HafenCity! Vielleicht erinnern Sie sich noch an einen früheren Beitrag, in dem es um die Kontraste ging, die dort besonders zutage treten, wo die markanten roten Backsteinbauten Hamburgs denkmalgeschützter Speicherstadt direkt an die modernen Häuser der neuen HafenCity angrenzen. Auf der einen Seite die alten Bauten, die alte Zeit – gegenüber die gläserne, die neue Welt.

Hamburg - HafenCity - Wilhelminenbrücke und Kehrwiederspitze

Hamburg – HafenCity – Wilhelminenbrücke und Kehrwiederspitze

 

Könnten Sie sich etwas vorstellen, was – diese besondere Situation berücksichtigend – einen Anknüpfungs-
punkt darstellen würde? Was einen Übergang oder ein optisches Bindeglied bildete, eine Art Brücke von Alt zu Neu? Bedenken Sie dabei, dass Hamburg ein überaus bedeutender Handelsumschlagsplatz für Orientteppiche ist. Nun?
Eine Brücke bilden … Teppichbrücke? Läufer? Etwas Begehbares? Ein begehbares Bindeglied?
Aus einer solchen Grundidee entstand ein Kunstwerk im öffentlichen Raum. Die Körber-Stiftung, die ihren Sitz
in der Hafencity am Kehrwiederfleet hat, beauftragte den Steinmetz und Bildhauer Frank Raendchen, einen Orientteppich mehr oder weniger vor ihrer Haustür zu erstellen. Er schmückt seit 2005 auf der einen Seite der Wilhelminenbrücke deren Fußgängerweg, und passenderweise verbindet genau diese Brücke das Alte (City) mit dem Neuen (HafenCity).
Wenn Ihr Läufer zu Hause aus Wolle geknüpft ist und respektable zwei oder gar drei Meter Länge vorweisen kann, so ist das Grundmaterial des Brückenteppichs Stein, und er besitzt „unwesentlich“ größere Ausmaße: Diese Brücke misst 27,5 m in der Länge, ist 2,45 m breit und ca. 5 cm hoch.

Hamburg - HafenCity - Steinerner Orientteppich auf der Wilhelminenbrücke

Hamburg – HafenCity – Steinerner Orientteppich auf der Wilhelminenbrücke

Seine typisch orientalischen Ornamente wurden mit Hilfe eines farbigen Natursteingranulats (Quarz, Granit
und Marmor) geformt, das von Frank Raendchen und zwölf Helfern in wochenlanger Arbeit „krümelgenau“ ausgebracht und zum Schluss mit einem Kunstharz versiegelt wurde. Selbst Teppichfransen wurden nicht vergessen!

Hamburg - HafenCity - ... auch Fransen besitzt der Steinerne Orientteppich

Hamburg – HafenCity – … auch Fransen besitzt der Steinerne Orientteppich

Diese besondere Herstellungsweise sollte Langlebigkeit und Resistenz gegen die üblichen Einflüsse von außen garantieren. Hitze, Kälte, raue Sohlen, spitze Absätze … Nur stand dem Teppich gleich nach dem „Auslegen“ eine besonders harte Belastungsprobe bevor, als während der Umzugsarbeiten des Hanseatic Trade Centres (2005/2006) reichlich Betrieb und Rangiererei auch auf der Brücke herrschte und dort sogar mit Genehmigung eine Entladezone eingerichtet wurde.
Infolgedessen bröselte es bereits ein halbes Jahr nach Fertigstellung und Teile des Teppichs platzten ab. Die ersten Notausbesserungen standen an. So blieb es, und die Jahre vergingen. Wenn Sie daheim ihren Teppich nie ausklopfen, säubern oder auf sonstige Art pflegen, wissen Sie, wie er nach einigen Jahren aussieht. Der Flor ist platt, ein paar Fransen hat es erwischt, die Farben verblassen.
Dem steinernen Teppich erging es nicht anders. Man nahm ihn dadurch zuletzt relativ spät wahr, nämlich erst, wenn man unmittelbar vor der Brücke und somit direkt vor seinem Anfang oder Ende stand. Ich hatte seine Existenz dadurch fast vergessen, zumal bei Besuchsanlässen wie z. B. dem Hafengeburtstag, exakt dort häufig Buden und Stände aufgebaut wurden, die die Sicht auf ihn versperrten.
Im letzten August (2016), also zehn Jahre nach den Ausbesserungen, wurde er komplett restauriert. Nun sieht er wieder sehr präsentabel aus, und das Muster tritt kräftig hervor.
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Steinerner Orientteppich nach der Restaurierung

Hamburg – HafenCity – Steinerner Orientteppich nach der Restaurierung

 

Wenn Sie bitte einmal Ihren Blick auf das folgende Foto richten, so bemerken Sie ein Gebäude aus dem Jahre 1910. Neoromanischer Stil. Ein wenig burgähnlich, oder?
Das ist die historische Polizeiwache, in der heute das Revier 22 der Wasserschutzpolizei seinen Sitz hat und in dem auch die Mannschaft des Feuerlöschboots „Brandmeister Repsold“ anzutreffen ist. Wenn Ihnen selbst als Auswärtiger das Gebäude irgendwie bekannt vorkommt, dann vielleicht durch eine Vorabendserie im Fernsehen. Für den „Notruf Hafenkante“ und sein Filmpolizeikommissariat 21 werden die Außenaufnahmen hier gedreht.
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Hamburg - HafenCity - Kehrwiederspitze mit der Historischen Polizeiwache ...

Hamburg – HafenCity – Kehrwiederspitze mit der Historischen Polizeiwache

 

Seitdem der westliche Teil der neuen HafenCity fertiggestellt ist, dort keine Baukräne mehr stehen, Bauzäune verschwanden, etwas Grün aufblitzt und vor allem Leben eingezogen ist, macht es Vergnügen, am Dalmannkai direkt entlang des Grasbrookhafens
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Hamburg - HafenCity - Dalmannkai am Grasbrookhafen, im Hintergrund das Unilever-Haus

Hamburg – HafenCity – Dalmannkai am Grasbrookhafen, im Hintergrund das Unilever-Haus

 

… vorbei am Vasco-da-Gama-Platz  Richtung Marco-Polo-Terrassen am Unilever-Haus und weiter zum Überseequartier oder zum Kreuzfahrtterminal zu spazieren.
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Hamburg - HafenCity - Vasco-da-Gama-Platz

Hamburg – HafenCity – Vasco-da-Gama-Platz

 

Inzwischen gibt es viele Möglichkeiten, direkt am Wasser einzukehren und dabei draußen zu sitzen oder aber, man lässt sich am Unilever Haus einfach auf den flach auslaufenden Marco-Polo-Terrassen neben einer Sumpfzypresse nieder und schaut über das Wasser.
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Hamburg - HafenCity - Blick von den Marco-Polo-Terrassen am Unilever-Haus zurück Richtung Elbphilharmonie

Hamburg – HafenCity – Blick von den Marco-Polo-Terrassen am Unilever-Haus zurück Richtung Elbphilharmonie

 

Hamburg - HafenCity - Gesundes Elbwasser? Auf jeden Fall treibt hier frisches Grün aus ....

Hamburg – HafenCity – Gesundes Elbwasser? Auf jeden Fall treibt hier frisches Grün aus ….

 

Hamburg - HafenCity - Zentrum "Überseeboulevard"

Hamburg – HafenCity – Zentrum „Überseeboulevard“

 

Dringen Sie östlicher vor, landen Sie unweigerlich irgendwann im Baustellenbereich. Für sich gesehen durchaus interessant, allerdings nicht unbedingt als hübsch zu bezeichnen. Ich habe jedoch etwas durch einen Metallgitterzaun hindurch in der Entfernung an der Spitze des Baakenhöfts erspäht, und das möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Sehen Sie das weiße, pilzähnliche Bauwerk etwas von der Mitte aus rechts?
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Hamburg - HafenCity - Das östliche Gebiet ist Baustellenbereich - Rechts zu erkennen der Wohnleuchtturm "Lighthouse Zero"

Hamburg – HafenCity – Das östliche Gebiet ist Baustellenbereich – Rechts zu erkennen der Wohnleuchtturm „Lighthouse Zero“

 

Das ist der Prototyp eines Wohnleuchtturms. Bauherr Arne Weber (vom Bauunternehmen HC HAGEMANN) entwickelte in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro BIWERMAU Architekten BDA sein „Lighthouse Zero“. Mitte letzten Jahres erfolgte der Baubeginn, für Dezember 2015 war die Einweihung avisiert.
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Hamburg - HafenCity - Baakenhöft - "Lighthouse Zero"

Hamburg – HafenCity – Baakenhöft – „Lighthouse Zero“

Was aus der Distanz etwas niedriger und eher verhalten imposant wirkt, ist in Wirklichkeit ein 20 m hoher Betonschaft, auf dem sich eine Plattform mit beachtlichen 230 qm Wohnfläche sowie darüber ein 150 qm
großer Dachgarten befinden.

Seit der Fertigstellung können Interessenten diesen ungewöhnlichen Wohnturm nun real begutachten, das Wohngefühl testen, und was die Suche nach geeigneten weiteren Standorten angeht, so kümmert man sich bereits von Unternehmerseite aus darum. Falls Sie sich fragen, wie Sie hinauf in Ihre Wohnung gelangen, so gibt es entweder die Möglichkeit, dass ein gläserner Aufzug Sie hochfährt oder – eher für den Typ sport-
licher Hausbesitzer, der auch keine ultraschweren Möbellieferungen oder Konzertflügel erwartet – die Treppenvariante, die sich dann in der Spannbetonröhre befindet.

Der Vorteil des Ganzen:
Sie benötigen extrem wenig Grundfläche, können Ihren robusten Pilzstiel unterpflanzen, haben oben ungestörten Ausblick in alle Himmelsrichtungen und ein lichtdurchflutetes Zuhause.
Der Nachteil:
Es wird teuer. Der Focus sprach in einem Artikel seinerzeit davon, dass die Errichtung eines Lighthouses
etwa zwei Millionen Euro kostet …

Sie können es sich ja noch ein bisschen überlegen. Sie sollten nur ein paar Euro Reserve einplanen, denn
a) ist das Grundstück wahrscheinlich noch nicht mit dabei und
b) wissen Sie, weißer Beton bleibt nicht weiß.
Der Witterung ausgesetzt, wirkt er bald schmuddelig – was dem Ganzen etwas Trostloses verleiht. Ich würde
mir also ebenfalls darüber Gedanken machen, wie Sie ihr neues Heim, speziell die Betonröhre, von außen persönlich gestalten und diesen „Used-Look“ vermeiden. Gönnen Sie Ihrem Leuchtturm doch die typischen, lebhaften rot-weißen Ringe, im Sockelbereich ergänzt durch einige Felsbrockenmotive und Wellengangszenen.

Was halten Sie denn von der Idee, die Sache mit dem optischen Bindeglied von vorhin auch hier aufzugreifen? Da Ihr zukünftiges Heim so überaus futuristisch daherkommt und massiv an Raumfahrt und Weltall erinnert, gäbe es einerseits die Möglichkeit, die Betonröhre vollkommen schwarz zu streichen. Schalteten Sie in diesem Fall abends oben rundherum in all den Räumen mit ihren Glasfronten großzügig Licht an, hätten Sie optisch anstelle einer Plattform plötzlich ein schwebendes Ufo. Das tragende Element schiene verschwunden …

Alternativ könnte der Schaft im ersten Drittel eine Startrampenillusion für Ihre fliegende Untertasse erhalten, während es nach oben hin überginge in eine Art Milchstraße. Sterne und leichte Andromedanebel auf dunklem Grund …
Als Trompelœil ließen sich natürlich genauso unechte Fenster und angebliche Durchblicke realisieren …
Oder etwas komplett anderes!
Eine aufgemalte Strickleiter! Ein sich öffnender Reißverschluss, ein Kettenkarussell! Wenn Sie sich spendabel zeigen, ließe sich sicher die Plattform gleich von vornherein als Drehbühne anlegen …

Wir sind ein wenig vom Thema HafenCity abgekommen, oder?  Der Part der Blogbezeichnung, der von Gedanken(sprüngen) handelt, macht seinem Namen heute wieder alle Ehre. Ein Gedankengehopse, als
wären Sprungfedern unter den Füßen … Lassen Sie uns zurückgehen. Es soll für heute auch reichen.

Ich verabschiede mich von Ihnen diesmal an der U-Bahn-Station Baumwall und lasse Sie mit Ihren ureigensten Assoziationen zu Steinteppichen, pilzähnlichen Leuchttürmen o. a. allein. Hecken Sie ruhig aus, wonach Ihnen der Sinn steht, und für gute Vorschläge habe ich natürlich ein weit geöffnetes Ohr!

Hamburg - U-Bahn-Station Baumwall am Hafen

Hamburg – U-Bahn-Station Baumwall am Hafen

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Machen Sie es gut und bis demnächst!

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© by Michèle Legrand, Oktober 2016
Michèle Legrand

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49 Kommentare

Hamburg: Kontraste! Wo Speicherstadt und Hafencity sich treffen …

Hätten Sie Lust auf einen Spaziergang im Hafenbereich? Mehr privates Herumstreifen mit persönlichen Eindrücken als einen strammen Gang der Stadtführer-hat’s-vorgeschlagen-wird-daher-jetzt-pflichtgemäß-besucht-abgehakt-und-eingetrichtert-Sorte.
Es geht um die historische Speicherstadt sowie die Hafencity und dort um das Gebiet, in dem alt und neu direkt aufeinandertreffen.
Mir war die zunächst geplante und sich später (bis heute) entwickelnde Hafencity in Hamburg lange Zeit nicht ganz geheuer. Vielleicht, weil ich immer ein bisschen in Sorge war, dass man Bestehendes nicht würdigen und die schöne, alte Speicherstadt dabei verhunzen würde.
Vielleicht schauen Sie heute selbst einmal, was Sie von der Entwicklung halten. Alt und neu. Seite an Seite.
Daumen hoch? Daumen runter? Unschlüssig?
Ich möchte Ihnen gar nicht seitenlang lexikaähnlich Details herunterbeten. Sie wissen selbst, wo Sie Informationen dieser Sorte finden können. Nur damit alle – und speziell die Nicht-Hamburger – etwas informiert sind, erzähle ich Ihnen während des Ansehens ein paar Stichworte zu beidem.

Auf der einen Seite existiert im Hamburger Hafen die altehrwürdige Speicherstadt
Besticht durch rote Backsteingotik aus der Gründerzeit, große und schön anzusehende Lagerhausbauten mit zahlreichen Türmchen sowie teilweise ungewöhnlich anmutenden Giebeln. Seltsam, jedoch dabei enorm reizvoll! Und sie besticht auch in ihren Ausmaßen, ihrem Aufbau, der Harmonie.

Hamburg - Speicherstadt - An den Giebeln oben jeweils deutlich zu erkennen die Vorrichtung, um Lasten an den Haken zu nehmen. Nur ist der Haken heute nicht mehr überall vorhanden.

Hamburg – Speicherstadt – An den Giebeln oben jeweils deutlich zu erkennen die Vorrichtung, um Lasten an den Haken zu nehmen. Nur ist der Haken heute nicht mehr überall vorhanden.

Hamburg - Speicherstadt -  Vielfalt  und Fantasie bei Giebeln, Türmchen und Fassade.

Hamburg – Speicherstadt – Vielfalt und Fantasie bei Giebeln, Türmchen und Fassade.

Der Bau startete 1883, noch bevor das Gebiet, in dem sie entstand, zum Freihafen erklärt wurde (1888).
Der ganze Komplex ist zwischen Deichtorhallen und Baumwall gelegen, die Häuser befinden sich direkt an den Fleeten, die das Gebiet durchziehen und welche – je nach Gezeitenstand (Flutung) – auch heute noch mit Barkassen befahren werden können. In diesen Zeiten werden jedoch fast ausschließlich Touristen befördert, früher hingegen wurden Waren hauptsächlich auf dem Wasserweg in einer Schute bis direkt an die betreffenden Speicher gebracht. Die Speicher waren (und sind) jedoch auf der anderen Hausseite ebenfalls über die Straße zu erreichen. Praktischerweise besaß das Lagerhaus daher nicht nur Luken zum Fleet hin, sondern auch zur rückwärtigen Straßenseite. So konnte ebenfalls per Fuhrwerk angeliefert werden.
Zu den höher gelegenen Lagerböden gelangten die Lieferungen mittels einer hydraulischen Windenmaschine (heute, wenn sie noch existiert, elektrisch betrieben), die die Waren außen am Speicher emporhievte.

Hamburg - Speicherstadt - Hier lässt sich noch der Haken erkennen, mit dem Waren zu den höher gelegenen Lagerböden gezogen wurden (mittels hydraulischer Windenmaschine)

Hamburg – Speicherstadt – Hier lässt sich noch der Haken erkennen, mit dem Waren zu den höher gelegenen Lagerböden gezogen wurden (mittels hydraulischer Windenmaschine)

Seit nunmehr 23 Jahren stehen die Gebäude der Speicherstadt unter Denkmalschutz. Sie werden auch in unseren Tagen als Lagerstätten und Firmensitze genutzt. Wie in Zeiten des Freihafens, der zum 01. Januar 2013 aufgelöst wurde, ist die Speicherstadt weiterhin einer der größten Handelsplätze für Teppiche. Gastronomie und Kreative fühlen sich ebenfalls wohl in diesem Areal. Manche jetzt ansässigen Kaufleute unterschiedlichster Branchen nehmen in ihrer Firmenbezeichnung das Wort „Speicher“ mit auf. Selbst das kleine Fleetschlösschen am Holländischbrookfleet, das u. a. Kaffeegetränke anbietet, bezeichnet sich auf einem Schild folgerichtig als „Koffeinspeicher“.

Hamburg - Speicherstadt - Am Sankt Annenfleet. Zwischen den Häusern im Hintergrund der Turm der Hauptkirche St. Katharinen

Hamburg – Speicherstadt – Am Sankt Annenfleet. Zwischen den Häusern im Hintergrund der Turm der Hauptkirche St. Katharinen

 Die Speicherstadt strahlt Ruhe aus, und ruhig und glatt ist auch meist die Wasseroberfläche der Fleete. So entstehen bei günstigen Lichtverhältnissen immer wieder sehr schöne Spiegelungen. Am Abend kommt die stimmungsvolle Beleuchtung von unzähligen Scheinwerfern hinzu, die die Fassaden der alten Speichergebäude illuminieren. Oder auch die Stahlbrücken mit ihren Verstrebungen!
Es verführt immer, eine der kleinen Fleetbrücken zu betreten und mit den Augen dem Verlauf des Kanals zu folgen. Die Symmetrie zu verfolgen, markante Gebäude in der Ferne auszumachen, kleinste Wellenbewegungen zu registrieren, Wasservögel zu entdecken.

Hamburg - Speicherstadt - Ein Blick von der Wandbereiter-Brücke in den Wandrahmsfleet ...

Hamburg – Speicherstadt – Ein Blick von der Wandbereiter-Brücke in den Wandrahmsfleet …

Hamburg - Speicherstadt - Ständige Besucher der Speicherstadt und der Fleete ... die Möwen.

Hamburg – Speicherstadt – Ständige Besucher der Speicherstadt und der Fleete … die Möwen.

Auswärtige Besucher – genauso wie die Hamburger selbst – steuern zudem sehr gern das Miniaturwunderland, das Hamburg Dungeon, das Spicy’s Gewürzmuseum, das Speicherstadt– und das Deutsche Zollmuseum oder aber auch Dialog im Dunkeln an, die alle ihren Sitz in diesem Viertel haben.
Wenn ich das Zollmuseum erspähe, sehe ich sofort meinen alten, leider vor zwei Jahren verstorbenen und von mir vermissten Stepptanzkollegen Edgar Bessen vor mir. In den 80er und 90er Jahren wurde in Hamburg für die ARD eine Serie produziert, die sich Schwarz Rot Gold nannte. Es ging um Wirtschaftskriminalität und spannende Fälle, die die Hamburger Zollfahndung löste. Edgar Bessen spielte darin den Teamkollegen Globig, der unter Chefzollfahnder Zaluskowski (Uwe Friedrichsen) arbeitete. Gedreht wurde im Zollamt Kornhausbrücke, in dem sich seit 1992 das Deutsche Zollmuseum, was Sie auf dem Foto erkennen können, befindet.

Hamburg - Speicherstadt - Das Deutsche Zollmuseum

Hamburg – Speicherstadt – Das Deutsche Zollmuseum

Heute, nachdem der Freihafen als zollfreies Gebiet innerhalb Hamburgs nicht mehr existiert, finden keine Kontrollen an den diversen Übergängen mehr statt, doch damals saßen hier Posten und beobachteten das Kommen und Gehen.

Hamburg - Speicherstadt - Eines des ehemaligen Zollposten-Häuschen an der Straße St. Annen.  Heute nur noch mit Puppen besetzt ...

Hamburg – Speicherstadt – Eines des ehemaligen Zollposten-Häuschen an der Straße St. Annen. Heute nur noch mit Puppen besetzt …

Hamburg - Speicherstadt - Blick in den Zollkanal Richtung Ericusspitze  und Deichtorhallen (rechts das neue Verlagsgebäude des SPIEGELS)

Hamburg – Speicherstadt – Blick in den Zollkanal Richtung Ericusspitze und Deichtorhallen (rechts das neue Verlagsgebäude des SPIEGELS)

Hamburg - Speicherstadt - Die Brooktorkai-Brücke und der Blick Richtung Osten ...

Hamburg – Speicherstadt – Die Brooktorkai-Brücke und der Blick Richtung Osten …

Und dann gibt es da noch die neue Hafencity
Sie ist seit Anfang dieses Jahrtausends (Spatenstich 2001) in der Entstehung. Von West nach Ost und von Nord nach Süd nahm und nimmt sie Gestalt an. Was Ihnen ohne weitere Hinweise aus dem Internet – einfach so als Spaziergänger – auffällt: Das Cruise Center (Kreuzfahrtterminal) steht. Schiffsliebhaber oder Kreuzfahrtinteressierte schauen hier gern vorbei. Das Unilever-Haus mit futuristisch anmutender Fassade ist ein Hingucker, unübersehbar auch der hohe Marco-Polo-Tower mit seinen Terrassen zu Füßen. Man hat eine U-Bahn-Linie (U4) als direkte Anbindung von der Innenstadt in die neue Hafencity bzw. umgekehrt geschaffen. Wichtig für Anwohner, Geschäftsleute, die neue Hafencity-Universität, die Hotels, die dort für Gäste aus aller Welt eröffnet haben, wichtig für die Entwicklung ganz allgemein!
Es gibt das Internationale Maritime Museum, für Besucher bereits seit 2008 zugänglich. Neu als Museum, jedoch eindeutig nicht in einem modernen Gebäude, sondern untergebracht im speziell für diesen Nutzungszweck umgestalteten ehemaligen Kaispeicher B. Vor Kurzem wurde endlich der Vorplatz fertig.

Hamburg - Hafencity - Das Internationale Maritime Museum am Brooktorhafen

Hamburg – Hafencity – Das Internationale Maritime Museum am Brooktorhafen

Und es entstanden in unterschiedlichen Bereichen (Quartieren) bereits unzählige sonstige Neubauten. Mehr als die Hälfte der geplanten Projekte in der Hafencity ist bereits fertiggestellt, doch überall sind weiterhin Baustellen und Baukräne zu sehen. Das Überseequartier wartet auf seine Vollendung, und die bekannteste Dauerbaustelle im Bereich der Hafencity dürfte die Elbphilharmonie sein.
Der Wohnungsbau nahm und nimmt weiterhin Formen an, die ersten Mieter zogen schon im Jahr 2006 ein. Die Nachfrage war rege, obwohl die Infrastruktur noch sehr zu wünschen übrig ließ. Auch heutzutage ist die Hafencity gefragt, die finanziellen Aufwendungen für Eigentum oder Mieten sind daher unverändert als auf der hohen Seite angesiedelt zu bezeichnen – wenn auch jetzt gerade festgestellt wurde, dass sich in dieser Hinsicht im Vergleich zum Vorjahr etwas getan hat. Erwerbswillige können sich über einen Rückgang freuen. Der Quadratmeterpreis sank um 12,2 % („nur“ noch € 6.465,–/m², Quelle: Hamburger Abendblatt).

Hamburg - Hafencity - Häuserfront am Sandtorkai. In der Lücke sehen Sie auf die Straße (Grenze) und erkennen direkt dahinter ein Gebäude der Speicherstadt ....

Hamburg – Hafencity – Häuserfront am Sandtorkai. In der Lücke sehen Sie hindurch zur Straße („Grenze“) und erkennen direkt dahinter ein Gebäude der Speicherstadt ….

Hamburg - Hafencity - Man merkt schon, dass die Bewohner einen Bezug zum Wasser und der Schifffahrt haben. Ein Segelboot im Fenster ...

Hamburg – Hafencity – Man merkt schon, dass die Bewohner einen Bezug zum Wasser und der Schifffahrt haben. Ein Segelboot im Fenster …

Hier fallen viele Solitärformen auf, doch herrscht generell das Kantige vor, teilweise auch aneinandergereiht die Würfelform, in dem Fall jedoch in zahlreichen Material- und Ausgestaltungsvarianten, mit aufgebrochenen Fassaden oder leicht versetzten Geschossen. Am Wasser wird gern auf Stelzen gebaut, sodass Gebäudeteile auch frei weit Richtung Wasser hinausragen können.
Sie werden vergeblich nach rotem Backstein suchen, an seine Stelle tritt viel Glas, Metall, Beton und Stein, teilweise sehr gekonnt kombiniert. Dazwischen heben sich immer wieder einzelne Bauwerke von der üblichen, sie umgebenden Bauform ab. Größenmäßig und hinsichtlich ihres Stils. In der Hafencity unterwegs, helfen diese markanten Gebäude einem Besucher als Orientierungspunkte sehr.

Hamburg - Hafencity - Am Sandtorpark (Großer Grasbrook) gegenüber den Magellan-Terrassen ...

Hamburg – Hafencity – Am Sandtorpark (Großer Grasbrook) gegenüber den Magellan-Terrassen …

Hamburg - Hafencity in der Nähe des Überseeboulevards. Am Sandtorpark/Ecke Tokiostraße entsteht ein neues Gebäude (Sumatrakontor). Auch die Stadtrundfahrt führt bereits durch die Hafencity ...

Hamburg – Hafencity in der Nähe des Überseeboulevards. Am Sandtorpark/Ecke Tokiostraße entsteht ein neues Gebäude (Sumatrakontor). Auch die Stadtrundfahrt führt bereits durch die Hafencity …

Hamburg - Hafencity - An den Magellan-Terrassen.  In der Mitte der Elbphilharmonie-Pavillon mit Informationen zum Bau  derselben ...

Hamburg – Hafencity – An den Magellan-Terrassen. In der Mitte der Elbphilharmonie-Pavillon mit Informationen zum Bau derselben …

In der Hafencity erleben Sie allerdings – von der Speicherstadt eintreffend – eine komplett andere Atmosphäre. Sie ist geschäftiger, aber auch kühler. Die gewählten Farben, die riesigen Glasverkleidungen, die Wucht eines Würfels – all das verursacht ein Gefühl von Distanziertheit. Coole Architektur, aber cool im doppelten Sinn. Faszinierend und doch nicht immer automatisch anziehend. Gelegentlich verlockend von Weitem, doch aus der Nähe beinahe erschlagend.
Was jedoch positiv auffällt, ist eine gewisse Großzügigkeit und Weitläufigkeit in der Gesamtanlage. Große Steinterrassen zum Verweilen, schöne Sichtachsen, breit angelegte, geschwungene Holzstege als Anleger direkt im Sandtorhafen, wo sich gleichzeitig der Traditionsschiffhafen befindet.
Der Ausblick aus den vielen Fenstern rechts und links direkt auf den Fleet und hinüber zur Elbe muss wirklich schön sein …

Hamburg - Hafencity - Sandtorhafen (Tradionsschiffhafen) - links Kaiserkai, rechts Sandtorkai

Hamburg – Hafencity – Sandtorhafen (Tradionsschiffhafen) – links Kaiserkai, rechts Sandtorkai

Als man die ersten Pläne für den Bau einer Hafencity machte, hinüberschielte nach London, wo die Docklands inspirierten und ein Vorbild lieferten, war neben der Euphorie auch viel Skepsis zu spüren. Wie sollte das zusammenpassen mit der alten Speicherstadt? Würde man dort gar irgendetwas verändern, abreißen oder Hypermodernes zwischen Altes setzen?
So etwas war zum Glück gar nicht möglich. Sie erinnern sich? Der Denkmalschutz

Was mich bei Spaziergängen in dieser Gegend, diesem neuen Stadtteil,  heute fasziniert, ist der Kontrast, der entstand.
An den Straßen Am Sandtorkai und Brooktorkai ist dies besonders stark spürbar. Dort verläuft die unsichtbare Grenze zwischen der alten Speicherstadt und dem neuen Hafencity-Areal. Auf der einen Seite das Altehrwürdige vom Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts. Direkt gegenüber nun die Neukonstruktionen des 21. Jahrhunderts. Nur eine Straßenbreite zwischen ihnen und doch scheint sie Welten zu trennen.
Ich stelle mir manchmal vor, wie es wäre, sich mitten auf die Straße zu stellen, die Arme auszubreiten und sich mit der einen Körperhälfte inkl. seiner Sinnesorgane im Früher und mit der anderen im Heute zu befinden. Ein Ohr hörte die Geräusche aus alten Zeiten, das andere die aktuellen. Das eine Auge blickte um 100 bis 130 Jahre zurück, das andere schaute in die Moderne …
Hier (auf der alten Seite) Pferdefuhrwerke, Äpfel auf der Straße, die knarrenden Laute eines Leiterwagens, der um die Ecke biegt – dort das Surren eines modernen SUV, ein parkender Sprinter, ein Lastwagen mit Hebebühne.
Die Straße! Hier altes Pflaster – dort moderner Asphalt.
Hier jemand, der hinter einer kleinen, leicht milchigen Scheibe auf einem Holzstuhl sitzt und angestrengt auf die Tastatur einer der gerade wenige Jahre zuvor erst erfundenen Schreibmaschinen einhämmert – dort in dem Würfelbau hinter einer großen Glasfront ein Neuzeitler, der mit dem Finger über das Display seines Smartphones wischt und Mails verschickt …
Hier Lodenstoff bei schlechtem Wetter, der Herr mit steifem Kragen, der Buchhalter mit Ärmelschonern, die Farben der Kleidung stets zurückhaltend. Die Dame mit Hut, ihr langes Kleid rüschenbesetzt, das Korsett ist immer noch angesagt. Im neuen Teil erspäht das Auge die Menschen bunt gekleidet, keinem bestimmten Stil folgend, statt Loden hält ein Hightech-Stoff die Haut trocken, die Materialien sind weich, der Kragen ist oben offen, kaum einer trägt noch Krawatte. Die Damen bevorzugen lange Hosen. Nur ihre Blusen haben auch heute wieder Rüschen …
Der für die hydraulische Windenmaschine zuständige Lagerhausmitarbeiter wickelt seine Stulle aus dem Pergamentpapier, der Controller der heutigen Generation öffnet die Plastikschachtel mit seinem Sushi to go.
Die Kontraste könnten nicht größer sein.

Hamburg -  Mehr aus Richtung Baumwall aus gesehen, nämlich von der Wilhelminenbrücke am Kehrwiederfleet ein Blick zur Kehrwiederspitze mit Hanseatic Trade Centre, dahinter die Elbphilharmonie.

Hamburg – Mehr aus Richtung Baumwall aus gesehen, nämlich von der Wilhelminenbrücke am Kehrwiederfleet ein Blick zur Kehrwiederspitze mit Hanseatic Trade Centre, dahinter die Elbphilharmonie.

Was sagen Sie?
Speicherstadt und Hafencity. Passt beides zusammen? Oder einzeln betrachtet: Was reizt mehr? Was ist „schöner“?
Schwer zu sagen, oder?

Ich weiß nur, dass mir eines in der Hafencity gewaltig fehlt. Bis zum heutigen Zeitpunkt jedenfalls. Mir fehlt das Grün. Bäume, Grünanlagen, Natürliches ganz generell.
Sie werden anmerken wollen: Aber das gab und gibt es doch in der alten Speicherstadt auch nicht! Stimmt, doch dort wohnten die Menschen auch nicht mit ihren Familien. Es war ein Arbeitsbereich, der nicht unbedingt gleichzeitig Erholungs- und Entspannungswert haben musste. Und doch hatte er es in gewisser Weise, denn der Baustil selbst strahlte eine gewisse Ruhe aus. Die warmen Farben des Mauerwerks, die Wiederholung der Formen, Sprossenfenster, farbig abgesetzte Türen und Luken an vielen Gebäuden etc. unterstützten diesen Effekt.

Es gibt in der Hafencity innerhalb bestimmter Wohnquartiere mittlerweile als „Parks“ bezeichnete Grünflächen (bisher zwei, soviel ich weiß), doch das sind keine Parks in meinen Augen. Wenn ich es ein wenig böse formulieren dürfte, dann würde ich sagen, das ist ein bisschen Pseudogrün, damit man auch diesen Punkt von der Liste abhaken kann.

Hamburg - Hafencity mit Blick Richtung Sandtorhafen und Magellan-Terrassen. Hinten links die Elbphilharmonie, vorne rechts einer der sog.  "Parks".  Und ein Stadtrundfahrtbus nach dem anderen ...

Hamburg – Hafencity mit Blick Richtung Sandtorhafen und Magellan-Terrassen. Hinten links die Elbphilharmonie, vorne rechts einer der sog. „Parks“. Und ein Stadtrundfahrtbus nach dem anderen …

Doch weiter.
Die Hafencity ist hell, was ihr steht und daher positiv auffällt. Sie ist gestylt und genau dadurch wirkt sie an einigen Stellen hochinteressant, zieht den Blick auf sich, erscheint jedoch eigenartigerweise im allernächsten Moment ganz plötzlich künstlich. Unpersönlich. Das Wasser wiederum macht vieles wett, mildert allzu loderndes Baufieber und verhindert ein wenig das Untergehgefühl, das einen auf einmal beschleicht.
Wie bei vielen anderen Dingen, empfindet es jeder unterschiedlich. Für mich ist Arbeiten und Flanieren in der Hafencity sehr gut vorstellbar, Wohnen nicht.
Allerdings ist sie noch nicht fertig! Der Gesamteindruck ist nicht gegeben.
Wenn überall die Bindeglieder fehlen, Baulücken das Bild zerreißen, Bäume noch wachsen müssen, noch gar nicht alles bezogen und belebt ist, lässt sich kein wirkliches Urteil bilden.

Wissen Sie was?
Wenn es heute nicht möglich ist zu entscheiden, was schöner ist und ob alt und neu zueinander passen und überhaupt …, dann kommen wir halt in ein paar Monaten oder Jahren wieder hierher und schauen uns gemeinsam die Fortschritte an. Beurteilen dann!
Spätestens, wenn dieses enorme Stadtentwicklungsprojekt abgewickelt ist und alle zehn Quartiere des neuen Stadtteils stehen.
Halten Sie sich das bitte gleich in ihrem Terminkalender fest! Nicht, dass Sie später keine Zeit haben. Ich habe es rechtzeitig angekündigt!

Für heute entlasse ich Sie und wünsche Ihnen auch diesmal wieder ein recht entspanntes Wochenende.

©April 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - ©Andreas Grav

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