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Edgar Bessen ist tot. Abschied von einem liebenswerten Menschen …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Foto am 07/02/2012
Morgen wird es in den Zeitungen stehen. Wieder ist ein Guter gegangen.
Sie werden ihn ehren, was er verdient hat. Sie werden an den Schauspieler erinnern, seine Rollen und Engagements, seine Preise erwähnen. Seine Karriere …
Ich möchte an den Menschen Edgar erinnern. Von ihm erzählen.
Im November vor einem Jahr, stieß ich hier im Blog einen Toast auf ihn aus. Mein sehr geschätzter, freundlicher, liebenswerter Stepptanzkollege Edgar feierte damals seinen 77. Geburtstag.
https://michelelegrand.wordpress.com/2010/11/10/herzlichen-gluckwunsch-edgar-%E2%80%93-einen-toast-auf-meinen-steppkollegen/
https://michelelegrand.wordpress.com/2010/11/11/kleiner-nachtrag-zu-edgar/
Heute gibt es leider nur den traurigen Anlass seines Todes, der mich dieses Mal zur Feder greifen lässt.
Edgar Bessen, ein Begleiter meiner Kindheit und meiner Jugend. Begleiter aus der Ferne, denn ich wuchs in der Zeit auf, als Edgar am Theater in Hamburg war, ein „Volksschauspieler“ – seinerzeit fest am Ohnsorg-Theater engagiert. Damals wurden die Aufführungen in größeren Abständen, dennoch regelmäßig, vom Norddeutschen Rundfunk im Fernsehen ausgestrahlt. Damit wurde ich groß. Es war ein Ereignis, wenn eine Aufzeichnung auf dem Programm stand!
Als Kind fand ich sie schön, diese harmlose, heile Welt auf der Bühne mit ihren teilweise herrlich verschrobenen Typen. Und ich mochte den Neffen von Henry Vahl: Edgar Bessen. Es hat leider nicht geklappt, ihn im Weihnachtsmärchen als Prinzen zu sehen, irgendwer machte mir damals einen Strich durch die Rechnung. Das hinderte mich jedoch nicht daran, seinen Weg weiter zu verfolgen, immer aus der Distanz.
Dann, plötzlich vor etwa vier Jahren, lernte ich ihn persönlich etwas näher kennen. Edgar, der früher ernsthaft Turniertanz betrieben hatte (mit seiner Frau), besaß ein Faible für Stepptanz.
Doch, auch noch in seinem Alter!
Es begeisterte mich! Jeden Donnerstag war er dabei, wenn unsere Riege sich traf. Selbst eine Hüftoperation, die, wenn ich mich richtig entsinne Ende 2009 notwendig war, konnte ihn nicht davon abhalten.
Nach der Reha spielte er seine Rolle im Musical „Ich war noch niemals in New York“ weiter, und er kam zurück zu uns zum Training.
Ein bisschen kürzer trat er, und Ende 2010 ging es ihm kurzzeitig nicht wirklich gut.. Wir freuten uns, als er bald darauf erholter wirkte, dennoch schien ihn im Laufe des Frühjahrs das Steppen mehr und mehr anzustrengen. Wir schoben es auf unser anziehendes Tempo sowie spezielles Training vor einem Auftritt. Da er Auftritte ohnehin nicht mitmachen wollte, ließ er diese Choreografien einfach aus.
Edgar setzte sich zwischendurch hinten in den Übungsraum auf dort bereitstehende Stühle, von denen aus er einen exzellenten Überblick hatte und übernahm – wie es sich für einen Schauspieler gehört – mehrere Rollen:
Er war Beobachter, Kritiker, Imitator, Mittänzer (im Sitzen auf seinem Stuhl klapperten oft die Füße im Rhythmus) und vor allem Kommentator. Es ist schwierig zu beschreiben für jemanden, der es nicht miterlebte.
Edgar schien im Grunde ein leiser Mensch zu sein. Ein stiller Charakter. Als reiner Privatmensch. Bis – ja, bis er anfing zu reden und dann wurde klar, warum er ein guter Schauspieler geworden war. Ihm gelang es zu überraschen, er gab seelenruhig die trockensten und am wenigsten erwarteten Kommentare von sich und zwar genau im richtigen Moment.
Pointe auf den Punkt!
Seine Gesten saßen und wirkten doch nicht gestellt. Seine Stimme passte sich mühelos der von ihm dargestellten Person an. Sein Zwinkern brachte mehr zum Lachen, als sogenannte bombensichere Witze manch sogenannter Komiker es vermögen. Sein Humor war ein feiner. Wenn er wen auf die Schippe nahm, dann vorrangig sich selbst.
Ich verglich ihn damals im Blog mit einem kleinen Vulkan, der plötzlich erumpiert. Kein Ätna, der Lavamassen spuckt, die alles unter sich begraben. Vielleicht war er doch mehr das fröhliche Tischfeuerwerk, vor dem keiner Angst haben brauchte, doch alle glänzende Augen bekamen, wenn wieder die Funken sprühten.
Irgendwann im Spätsommer meldete er sich nicht mehr für einen neuen Kurs an. Die Zeit des nur Zuschauens war angestiegen, die des Mitmachens entsprechend gesunken. Ganz trennen konnte er sich dennoch nicht. Er begleitete uns ins St. Pauli Theater, als dort Rasta Thomas und seine Bad Boys auftraten, hervorragende Stepptänzer aus den USA.
Edgar kam weiterhin in regelmäßigen Abständen zu Besuch – zum Gucken und Hallo sagen. Das letzte Mal sprach ich am 26. Januar 2012, eine Woche vor seinem Tod, mit ihm und nichts deutete darauf hin, dass es keine Wiederholung geben würde …
Im November 2008 anlässlich seines 75. Geburtstages, hatte uns ein Fotograf vom Hamburger Abendblatt besucht und die Redakteurin Nataly Bombeck berichtete über ihn. Ein Foto des Stepptänzers Edgar Bessen im Kreise seiner Mädels erschien in der Tageszeitung. In dem erwähnten Interview wurde er gefragt, warum er diesen Sport betreibe. Edgar erklärte ernsthaft:
„Ich muss mich doch fit halten! Ich will schließlich noch 80 werden und merke, dass man beim Tanzen neben dem Körper auch sein Gehirn enorm trainiert. Schließlich muss ich mir dabei so einige Schrittfolgen merken …“
Es hat nicht sollen sein. 78 Jahre alt ist er geworden und hinterlässt Frau, Tochter, Enkeltöchter … denen er sehr fehlen wird.
Auch wir werden ihn alle sehr vermissen. Jede(r) auf seine Art. Hart, ihn gehen lassen zu müssen, aber schön und beruhigend, dass es solche Menschen gibt auf dieser Welt.
Gegeben hat.
Ich habe mich noch nicht an die Vergangenheitsform gewöhnt …
Danke, Edgar Bessen!
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Nachtrag am 16. Februar 2012:
Wie heute verlautete, finden die Trauerfeier sowie die Beerdigung am Montag, den 20. Februar statt. -> 12.30 Uhr Fritz-Schumacher-Halle, Bestattungsforum Ohlsdorf)
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20. Februar 2012: Ein weiterer Nachtrag:
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Heute war die Trauerfeier und anschließende Beerdigung von Edgar Bessen. Der Anlass für eine solche „Feier“ verbietet es eigentlich, das Wort schön als Beschreibung zu wählen. Doch es gibt schöne Trauerfeiern, solche, die es schaffen es, persönlich und würdevoll zu sein. Sie vereinen Freude darüber, dass es den Menschen, der nun gegangen ist, gegeben hat mit der Trauer, dass er jetzt nicht mehr dabei sein wird. Sie bieten allen die Chance, sich zu erinnern, sich mit anderen ein wenig vereint zu wissen in dieser Situation, die den Verlust so deutlich zeigt, und sie geben die Gelegenheit, Edgar Bessen die letzte Ehre zu erweisen. Sich von ihm zu verabschieden. Zu verabschieden, wohlgemerkt, nicht ihn zu vergessen …
Gestern wurde an ihn erinnert. Mehrere Menschen berichteten über ihn, versuchten ein Bild von ihm zu zeichnen. Erzählten aus seinem Leben, beschrieben seine Laufbahn und Karriere als Schauspieler, ließen sogar teilhaben an privaten Erlebnissen der Familie. Es waren Weggefährten, die ihn vor mehr oder weniger langer Zeit begegnet waren – und sein Leben weiter verfolgten oder auch weite Strecken mit ihm zusammen zurücklegten. (Traueransprachen: Gerd Spiekermann, NDR und Christian Seeler, Intendant des Ohnsorg Theaters). Kollegen, die mit ihm zusammen gearbeitet hatten, sprachen für und von ihm. Andere kamen einfach als Trauergäste. Stimmungsvoll auch die ausgewählte Musik. Love Newkirk, eine Sängerin, mit der Edgar Bessen für Soul Sisters auf der Bühne des Altonaer Theaters stand, sang wunderschön Amazing Grace (später am Grab trug sie ein weiteres Lied vor), Jurek Jerzy Lamorski spielte auf dem Akkordeon eine Version von La Paloma, wie ich sie noch nie gehört habe! Und wie ich auch ein Akkordeon noch nie gehört habe! Einfach unglaublich … Ein Rilke-Gedicht (Die Blätter fallen, fallen weit…) wurde vorgetragen und Holger Löwenberg sang im letzten Teil Tears in Heaven von Eric Clapton (Ebenfalls wundervoll die Art, wie er es tat!).
Ich glaube, Edgar Bessen hätte es sehr gefallen. Alles. Besonders bestimmt auch das, was sein Schwiegersohn ihm versprach …
Manchmal sah ich Edgar direkt vor mir. Wenn ihm an irgendeiner Stelle zu viel Gedöns um die eigene Person gewesen wäre, hätte er sich vielleicht hingestellt oder aus der Ecke gebrummelt: Kinners, nu is Sluss …!
War es dann ja auch.
Er hat jetzt einen Platz neben Onkel Henry (Vahl). Es fiel die Bemerkung, dass Edgar nicht daran glaubte, in den Himmel zu kommen. Und auch fand: In der Hölle ist es interessanter! Doch dort wollte ihn die Familie denn doch nicht wissen. Sein Schwiegersohn sah ihn gern auf einer Art Zwischendeck sitzend. Jeder müsste an ihm vorbei, und er würde es genussvoll kommentieren.
Das brachte mich sehr zum Schmunzeln. Ich kann es mir außerordentlich gut vorstellen!
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Auf Wiedersehen, Edgar – irgendwann!
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©Februar 2012 by Michèle Legrand