Beiträge getaggt mit Gezeiten
Stilvolle Treppenhäuser, schöne Fassaden, eigenwilliges Interieur – der Charme Hamburger Kontorhäuser / Teil II – Der Laeiszhof samt Paternoster und „Watt“
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Auf Entdeckung - Unterwegs im In- und Ausland (s. dazu auch weitere Spezialkategorien), Foto, Hamburgs Kontorhäuser am 25/08/2012
Wochenende! Wie sieht es aus? Hätten Sie nicht gerade wieder ein bisschen Zeit übrig und vor allem Lust mitzukommen?
Sie erinnern sich? Wir wollten beim nächsten, nämlich diesem Treffen, Paternoster fahren!
Heute geht es zum Laeiszhof, einem an der Straße Trostbrücke gelegenem Kontorhaus nahe dem Mahnmal der Nikolaikirche.
Ein Backsteingebäude am Nikolaifleet aus den Jahren 1897/1898, dessen Auftraggeber die Firma Ferdinand Laeisz war.
Genau die, die es auch heute noch im Reederei-Geschäft gibt und deren Name Ihnen vielleicht zusätzlich im Zusammenhang mit einem weiteren Gebäude im Ohr ist: der Laeiszhalle (früher Musikhalle).
Ich wollte Sie zuerst etwas verwirren, Ihnen ein „Wattfoto“ zeigen, das Ihnen vorgaukelt, der Laeiszhof sei an der Nordsee. Und Hamburg selbstverständlich auch …
Dann dachte ich mir, lass es. Deine Blogbesucher sind eh viel zu schlau, um den Braten nicht zu riechen.
Allerdings kennen Sie mittlerweile meine Unberechenbarkeit. Ich erwähne das „Hamburger Watt“ nun doch, ganz ohne Irritationsabsichten, denn vielleicht interessiert Sie Folgendes:
Hamburgs Fleete kennt eigentlich jeder mit Wasser gefüllt.
Genau. Ständig trocken würde Sie auch keiner mehr Fleete nennen.
Es besteht allerdings die Möglichkeit, den Pegel dieser Wasserwege zu beeinflussen und zu regeln. Hamburg, als Stadt an der Elbe, die wiederum ein Zufluss zur Nordsee ist, merkt natürlich die Gezeiten. Um eine Überflutung der Stadt zu verhindern, gibt es ein Sperrwerk unter der Hohen Brücke, das geschlossen werden kann, wenn eine zu hohe Flut mit reißenden Wasserströmen in den Nikolaifleet einzubrechen droht. Ein weiteres Wehr zwischen diesem und dem Mönkedammfleet sorgt für die Abriegelung zu den übrigen Fleeten in der City.
Der (auch das) Nikolaifleet, ist dem Tidenhub ausgesetzt und bei diesem am Laeiszhof gelegenen Wasserweg ist es so, dass bei Ebbe das Wasser gelegentlich komplett abfließen kann.
.
.

Hamburgs Kontorhäuser – Laeiszhof – Bei Ebbe wird häufiger auch das Nikolaifleet trockengelegt. Die Linie zeigt, wo normalerweise das Wasser steht.
.
.
Wenn dies passiert, bildet sich eine Art „Stadtwatt“. Wenn Sie die Bilder betrachten, werden Sie merken, wie eigenartig und „unelegant“ es wirkt, sobald alles trockengelegt ist und die glitzernde, manchmal spiegelnde Wasseroberfläche fehlt. Und vielleicht erstaunt es Sie zu erkennen, dass Fleete nicht besonders tief sind.
Ich habe Ihnen auf dem Vergleichsfoto eine blaue Linie eingezeichnet, um es besser sichtbar zu machen. An der Brücke ist ebenfalls gut zu sehen, in welchem Bereich sich normalerweise der Wasserstand bewegt und wie schnell Grund erreicht ist. Daher sind auch nicht alle Fleete befahrbar und wenn, dann nur mit speziellen Flachbooten, die extrem wenig Tiefgang haben.
Eine kurze Frage: Darf ich davon ausgehen, dass ich Sie sich jetzt neben mir befinden und sich mit mir umsehen? Ja?
Das ist prima, denn ich möchte etwas von Ihnen wissen:
Haben Sie vor lauter Heruntergucken zum Fleetgrund bisher überhaupt daran gedacht, am Kontorhaus hinaufzuschauen? Und haben Sie dort oben schon die Skulptur zwischen den Türmchen entdeckt?
.
Was denken Sie, was das ist?
Ein Löwe?
Kalt!
Eine Sphinx?
Brr! Noch kälter …
Nein, Sie dürfen sich nicht fragen, was Sie auf Ihr Dach setzen würden. So kommen Sie in dem Fall nicht weiter …
Wann waren Sie denn zuletzt beim Friseur?
Nein, ich lenke nicht ab! Das ist ein Tipp!
Gut, machen wir es kurz: dort oben ist ein Pudel! PUDEL.
Der Reeder Carl Laeisz mochte seine Gattin offenbar sehr, denn dass die Wahl auf dieses Dachtier fiel, hängt mit ihr zusammen. Ihre Haare – wobei man darüber uneins ist, ob es die Krause der Haare war oder das Erscheinungsbild der Frisur – verliehen ihr offenbar eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser Hunderasse. Es brachte ihr den Spitznamen Pudel ein – und dem Kontorhaus vereitelte es letztendlich die Zurschaustellung eines imposanten Dachlöwen oder eine Erkersphinx. Carl Laeisz war zudem fixiert auf den Buchstaben P und gab allen Schiffen seiner Flotte Namen, die diesen Anfangsbuchstaben trugen. Die namentlich bekanntesten unter ihnen sind wahrscheinlich die Schiffe Pamir und Passat (Großsegler; die Flotte wurde auch Flying-P-Linie genannt).
.
.
Obwohl das ganze Gebäude aus Backstein besteht, wirkt es doch enorm abwechslungsreich, was sowohl durch unterschiedliche Farbgebung, als auch durch Vorsprünge, Erker, Verzierungen, Fensterformen und -anordnung, Sprossen etc. erreicht wird.
Doch wir wollen nicht nur draußen stehen. Kontorhäuser bergen besonders häufig in ihrem Innern Geheimnisse und zeigen Schönheit, die ein Besucher in dieser Form gar nicht erwartet. Wir überqueren nur noch den Nikolaifleet an der Trostbrücke mit ihren beiden Statuen und befinden uns gleich vor der Eingangstür. Über der Tür eingearbeitet – das Zeichen der Reederei Ferdinand Laeisz.
.
.

Hamburgs Kontorhäuser – Trostbrücke – …ihm gegenüber der Heilige Ansgar als Begründer des Doms und erster Erzbischof der Stadt
.
.
.
Mich machen solche massiven, für den Blick undurchdringlichen Türen, neugierig.
Was befindet sich dahinter?
Ist sie nur geschlossen oder eventuell fest verschlossen?
Probieren wir es aus.
Die Tür öffnet sich trotz ihrer Schwere leicht. Es sind weder Dunkelheit noch das Licht von grellen Neonröhren, das Sie erwartet. Dies ist der Anblick, der ihnen beim Eintreten geboten wird:
.
.
Wenn Sie die Treppenstufen hinaufsteigen, erreichen Sie die Eingangshalle, mit einer Bronzeskulptur zur Linken, die – so weit es herauszufinden war – vermutlich von Caesar Scharff geschaffen wurde.
.
Ihr gegenüber an der Wand nehmen wir einen Moment auf einer langen blankpolierten Holzbank mit Sitzlehne Platz.
.
.
Möchten Sie einmal etwas ausprobieren?
Wenn Sie sich unter Australien setzen (ich spreche von der Weltkarte, die darüber an der Wand hängt) und zur Skulptur herübersehen, wird Ihnen die erste der Figuren, die Frau links besonders vorkommen. Sie streckt den Arm und will Sie förmlich auf etwas hinweisen. Wenn Sie annehmen, sie zeige auf den Mann in der Mitte, rutschen sie mittig auf die Bank. Schon wirkt es völlig anders! Sie zeigt auf etwas in der Ferne. Aus ihrer Position (unter Südafrika) beobachten Sie jetzt intensiv den stehenden Herrn, der einen Schiffsrumpf trägt und wenn Sie an die andere Außenseite der Bank rutschen (unter Südamerika), vergessen Sie das imposante Wesen und sehen plötzlich nur noch den rechts sitzenden, versunken wirkenden Mann, der seine Schiffsschraube betrachtet. Die einzelnen Gliedmaßen jeder Person scheinen aus neuen Blickwinkeln jeweils anders hervorzutreten.
Oder ist es die Beleuchtung im Foyer …?
Ich habe keine Ahnung, ob die Bank je für das „Skulptur-Angucken“ gedacht war oder lediglich dort ihren Platz fand, um Wartenden die Möglichkeit zu geben, sich niederzulassen. Ich jedenfalls bin zum Schauen mehrfach hin- und hergeglitten.
.
.

Hamburgs Kontorhäuser – Laeiszhof – Die Kabinen des Paternosters … Haltegriffe in den Kabinen und fest im Mauerwerk verankert
Auf der Stirnseite der Halle rumpelt leise und gemächlich der Paternoster. In den zwei Schächten befinden sich ca. zehn Kabinen im Umlauf.
Ich sagte Ihnen, ich würde Sie mitnehmen – steigen Sie also gerne ein, wir fahren hinauf bis zur vierten Galerie.
Hinweis zum Abspielen des Videos:
Zum Schutz Ihrer Privatsphäre verlinke ich nicht direkt zu meinem YouTube-Video. Kopieren Sie bei Interesse die folgende Zeile bitte in Ihren Browser und ersetzen dabei das „dot“ durch den Punkt. .
http://www.youtube dot com/watch?v=BRX9qCr4VQo
Schön, oder? Ich habe die Kamera bei unserer Fahrt einfach mitlaufen lassen, das stetige Geräusch der auf- und abfahrenden Kabinen hat die Tonqualität beeinträchtigt. Wenn Ihnen aufgefallen sein sollte, dass ich von drei Paternostern in Hamburg sprach, dann muss ich dies hier im Text korrigieren. Es gibt offenbar noch ungefähr 40! Doch sind nicht alle in Betrieb und nur sehr wenige öffentlich zugänglich. Vielleicht stammt daher die Auskunft (drei), die ich vorher erhielt.
Wissen Sie, wie man die Paternoster noch nannte?
Offiziell gab es das schöne deutsche Wort Personenumlaufaufzüge, doch die Menschen seinerzeit bezeichneten ihn häufig als Proletenbagger, der die Menschen zu Hauf ihre Runden in seinen Kabinen drehen ließ. Für den Chef gab es etwas Feineres, einen geschlossenen Aufzug, Bonzenheber genannt.
Aktenwägelchen oder ähnliches hat man nicht per Paternoster transportiert. Die hätte man wohl eher mit Schwung hineinwerfen müssen, als dass ein sittsames Einschieben während der Fahrt geglückt wäre. Für diese Fälle gab es fast überall extra einen Lastenaufzug.
Sie haben sich eben übrigens sehr geschickt angestellt beim Ein- und Aussteigen. Damals, zwischen 1890 und 1898 erlitten Büromenschen bei 29 Gelegenheiten einen Unfall, davon verliefen fünf tödlich.
Gut, dass Sie das nicht vorher wussten , oder? ^^
.
Liebe Blogleser, werte Mitbesichtiger und Mitentdecker! Sie haben es im Video gesehen, die einzelnen Geschosse besitzen Galerien, die von schmiedeeisernen Gittern eingefasst sind. Gitter, die nicht wie ein Zaun wirken, sondern wie dahingemalt. Nicht wuchtig, sondern zart und leicht geschwungen, manchmal verspielt. Rundungen und ein Hauch von Floralem hier, eine Herzform dort. Kleine eingearbeitete Anzeigetäfelchen geben Auskunft über das geweilige Geschoss.
.
Dazwischen wunderschöne, dunkle, farblich gut kontrastierende Säulen mit herrlicher Kapitellverzierung (am oberen Abschluss).

10_Hamburgs Kontorhäuser – Laeiszhof – Schön der Blick aus dem Foyer hinauf zu den einzelnen Galerien (Geländer, Beleuchtung, Säulen)
.
Es gibt viel Tageslicht, da im Laeiszhof – wie in den meisten Kontorhäusern üblich – ein Lichthof geschaffen wurde. Zusätzlich die wunderschöne, warme Ausleuchtung durch Wand- sowie Deckenleuchten in jedem Geschoss.
.
.
.
.
Im Treppenhaus, das gleich im Eingangsbereich beginnt, wiederholen sich die Muster des Galeriegeländers beim Treppengeländer. Auch hier ein interessantes Farbenspiel. Stufen, seitlich weiß, aber mit dunkler Trittfläche, helle Stoßkanten und silbrig glänzende Geländerläufe, weiße Wände kontrastieren mit dunklen Decken, deren Flächen wiederum aufgelockert werden durch abgesetztes Weiß.
.
.
Schon beeindruckend – oder wie empfinden Sie es?
Wir werden den Laeiszhof jetzt wieder verlassen. Das, was es zu sehen gab, ohne die darin arbeitenden Menschen zu stören, haben wir entdeckt. Wir nehmen dieselbe Tür, durch die wir das Haus anfangs betreten haben. Schauen Sie bitte einmal, wie wunderschön sie im Licht kupfern glänzt.
Hätten Sie gedacht, dass dies die Innenseite jener Tür ist, die von außen relativ schlicht, matt, kühl und etwas dunkel wirkt?
.
.
Lassen Sie sich nie von Türen narren! Und denken Sie nie, sie wären garantiert verschlossen und alles wäre zwecklos!
Kontorhäuser sind wesentlich öfter offen und damit zugänglich als Kirchen!
Mein unverbindlicher Tipp: Nehmen Sie sich ein Herz und versuchen Sie einfach beherzt, ob die Klinke sich herunterdrücken lässt …
Jetzt überlasse ich Sie wieder Ihren eigenen Vorhaben und verrate Ihnen nur noch, dass ich Ihnen beim nächsten Mal ein recht interessant ausgestattetes Foyer und Treppenhaus in einem Kontorgebäude am Neuen Wall zeigen möchte. Es wird weiterhin um die Frage gehen, warum der Mensch gelegentlich ganze Häuser(-fassaden) komplett übersieht.
Mehr dazu demnächst im Blog (Teil III der Serie)
PS: Meine Ankündigung, es gäbe ab Teil II keine langen Texte mehr … Es ist nicht ganz machbar. Das Thema erfordert ein wenig Text, und meine blinden Blogbesucher sollen schließlich auch eine Vorstellung haben.
Ich hoffe auf Ihr Verständnis.
.
©August 2012 by Michèle Legrand
.
Wer den Anfang der Serie verpasste, findet hier den Weg zu vorangegangenen Posts:
-> https://michelelegrand.wordpress.com/2012/08/17/demnachst-im-blog-hamburgs-kontorhauser-eine-kleine-einfuhrung-fur-sie/
-> https://michelelegrand.wordpress.com/2012/08/20/stilvolle-treppenhauser-schone-fassaden-eigenwilliges-interieur-der-charme-hamburger-kontorhauser-teil-i-darf-es-etwas-basiswissen-sein/