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Griseldis
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten am 13/03/2016
Sie sind flexibel, oder? Für große Touren, neue Fotos oder auch Recherche war die letzte Woche nicht gemacht. Ja, ja, die Zeit. Ewig das Dilemma mit ihrer häufig knappen Verfügbarkeit.
Ich hätte allerdings heute alternativ Griseldis für Sie.
Bus, U-Bahn, Zug. Grundsätzlich bin ich für Lesestoff zur Überbrückung der Fahrzeit überaus empfänglich, doch hin und wieder verleiten reizvolle Gespräche der anderen Fahrgäste zum Aufhorchen. Dann bleibt das Buch in der Tasche, bestenfalls zücke ich irgendwann kurz meinen Notizblock und hinterlasse eine Handvoll Stenokürzel. Als Gedankenstütze, weil mir klar ist, irgendwann erzähle ich Ihnen sicherlich davon.
Letzten Monat während einer U-Bahn-Fahrt geschah es. Ausgesprochen ins Detail gehen die vorhandenen Notizen nicht, und so muss ich diesmal recht frei erzählen, mir ist nicht mehr jede Einzelheit des Dialogs im Gedächtnis.
An dem Tag saßen mit mir im Waggon in Blicknähe bzw. Hörweite eine kleine, alte Dame und eine junge, schwangere Frau. Wenn es nicht so blöd klingen würde, hätte ich fast gesagt, sie befanden sich eine Armlänge entfernt, doch diesen Begriff vermeide ich seit einiger Zeit wie die Pest …
Die werdende Mutter strich sich mit der Hand sanft über den schon deutlich gerundeten Bauch. Plötzlich zuckte sie heftig zusammen und verzog ihr Gesicht:
„Autsch! Jetzt geht das wieder los!“
Sie massierte seitlich eine Stelle unterhalb des Rippenbogens, im Bereich zwischen Niere und Milz.
„Tritt sie wieder?“, fragte die grauhaarige Dame an ihrer Seite.
„Und wie!“, stöhnte die junge Frau, „wüsste ich nicht, dass es ein Mädchen wird, würde ich sagen, ich brüte einen Fußballer aus.“ Sie behielt ihre Hand vorsorglich weiterhin an der bewussten Stelle. „Obwohl – Mädchen spielen ja auch …“
„Na, bald hast du es geschafft. Dann ist wieder mehr Platz im Bauch.“
„Hoffentlich kommt sie pünktlich und nicht erst nach dem Termin!“ Eine kleine Pause entstand. „Ach, Oma, Mama meint ja, so pflegeleicht wie im Bauch wird’s mit dem Baby nie wieder.“
Die Oma nickte. „Stimmt. Es wird auch nie wieder so leise.“
„Du machst mir ja echt Mut!“, erwiderte ihre Enkelin.
„Sag mal, habt ihr euch denn nun schon für einen Namen entschieden?“
„Gerrit findet Josie schön. Ich aber nicht so.“
„Und was ist dein Favorit, Kind?“
„Ich würde sie Stine nennen.“
„Stine?“
„Ja, Oma, gefällt es dir nicht?“
„Doch …, schon … So rundherum begeistert wirkte sie nicht.
„Jetzt sag nicht, du würdest Josie nehmen!“
„Na ja, ob jetzt Stine oder Josie …, ach, ihr müsst selbst wissen, welcher Name zu eurer Tochter passt.“
„Das sieht man vielleicht erst, wenn sie da ist, Oma, oder?“
„Könnte sein, ich stelle mir jedenfalls ein hellblondes Kind mit dem Namen Carmen eigenartig vor. Ist aber nur meine Meinung! Ein Gefühl! Carmen verbinde ich mit Flamenco, Spanien, dunkleren Typen.“
„Sie soll ja nicht Carmen heißen.“
„Das weiß ich doch, Liebes, es war doch nur ein Beispiel!“
Eine Minute herrschte Schweigen, dann hakte die Enkelin nach:
„Welchen Namen würdest du denn vorschlagen?“
„Ich?“
„Ja, du.“
„Griseldis.“
„Griseldis? Oma! Das ist so was von alt und unmodern!“
„Stine nicht?“
„Stine heißt man heute doch auch! Wo hast du denn den Namen Griseldis überhaupt her?“
Die alte Dame stockte einen kurzen Moment, doch dann verriet sie:
„Ach, so hieß die Heldin eines Romans, den ich in jungen Jahren gelesen habe.“
„Und was hat die Heldin gemacht?“, erkundigte sich die Schwangere, „Kissen bestickt?“
Die Großmutter lachte herzerfrischend auf.
„Ja, das auch! Nein, ich weiß es gar nicht mehr so ganz genau, ich meine, sie war in einem hochherrschaftlichen Haus als Gouvernante eines kleinen Mädchens angestellt. Griseldis – bildhübsch, intelligent, adlig, aber total verarmt. Sie musste also arbeiten. Und damit das alles nicht so tutig rüberkam, gab es noch etwas Krimihandlung dazu.
Die junge, rechtschaffene Gouvernante verliebt sich in den attraktiven, aber traurigen Schlossherrn. Der steht dummerweise unter Mordverdacht. Der Graf soll seine Frau umgebracht haben. Weil man ihm das allerdings nicht beweisen kann, ist er weiterhin frei! Aber diese Schmach! Du verstehst? Zweifel, Ungewissheit! Schwere Schuld! Aber seine? Dem Glück sind jedenfalls viele Steine in den Weg gelegt.
Obendrein gab es eine weitere Verwandte, die schwer hinter ihm her war, nur die war natürlich die Ultraböse. Sie war eine Gefahr für alle, doch ehe die das mal gemerkt haben! Das dauerte eine Weile! Die kleine Tochter des Witwers mag natürlich nur die nette Griseldis und nicht diese gern auch schleimende Hexe, die um die Gunst ihres Vaters buhlt. Die Zuneigung der Kleinen zu ihrer jungen Betreuerin schürt bei der Rivalin zusätzlich Hass und steigert die Eifersucht.
Zu guter Letzt findet Griseldis heraus, dass die andere Frau und nicht etwa der edle Graf für den Tod der ersten Gräfin zuständig war. Selbstverständlich gerät sie durch ihre Nachforschungen noch einmal in allerhöchste Not! Im letzten Moment wird sie gerettet! Ende gut, alles gut.
Frag mich nicht, was mit der Bösen passierte. Knast, Selbstmord, Exil … Ich habe keine Ahnung mehr!“
Die Enkelin hatte sehr gefesselt gelauscht. Doch dann brach es aus ihr heraus:
„Oma! Eine adlige Gouvernante! Gou-ver-nan-te! Auch die sind ausgestorben!“
„Ja, und?
„Ich meine ja nur. Also ein Baby von heute, mit dem Hang zum Fußball und dann …Griseldis? Ich weiß nicht. Wenn ich den Namen höre, stelle ich mir jetzt automatisch immer die zarte, verarmte Gouvernante vor.“
„Ich finde den Namen sehr schön. Fand ich schon immer. Und so heißt nicht jeder.“, beharrte die alte Dame.
„Oma, wenn dir der Name schon damals so gefiel, warum hast du denn dann Mama nicht Griseldis genannt?“
„Ach, Kind, du weißt, dein Opa ist ein sehr durchsetzungsfreudiger Mensch …“
„Er mochte ihn also nicht?“
„Nicht genug. Und wir haben uns ja auf einen anderen einigen können – nach einigem Hin und Her.“ Sie schaute der jungen Frau auf einmal betont harmlos ins Gesicht und säuselte: „Na ja, ich hatte ja immer die Hoffnung, dass wenigstens mal meine Enkelin …“
„Hör auf, Oma! Du kriegst mich nicht weich.“
Und von da an wurde um das heikle Thema Namensgebung ein großer Bogen gemacht …
Nun bin ich gespannt, ob ich die Damen vielleicht einmal wiedertreffe, wenn der Nachwuchs auf der Welt ist. Dann hake ich nach und frage, wie das Baby heißt.
(„Sie heißt Griseldis? – Bitte? – Sogar mehrere Namen? Nein, tatsächlich? Und welche …?
Ah, Griseldis Josie Stine …“)
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Haben Sie ein sonniges Wochenende! Bis demnächst!
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© by Michèle Legrand, März 2016
Sag mal, wo lernt ihr denn so etwas …?
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten am 06/12/2014
Er ist inzwischen genervt. Der Knabe hat die letzten Minuten mit dem bisher vergeblichen Versuch verbracht, die Verpackung eines original verschlossenen Playmobil-Sets zu knacken. Das Ding ist dermaßen zu, zuer geht es nicht.
Während viele (häufig) weibliche Wesen dazu tendieren, ein Objekt beim Öffnen der Verpackung relativ unzerstört zu belassen (selbst den schnöden Außenkarton!), kehrt mancher (meist) Mann nach einer Zeit – in der er zumindest gezeigt hat, dass er guten Willens war, es gesittet zu versuchen – den wilden Kerl heraus. Nach dieser Anstands- und Versuchsphase, also nach maximal drei Minuten, wird seine Vorgehensweise zielstrebiger, resoluter. Er schaltet um auf pure Gewalt.
Dieses junge männliche Wesen ebenfalls. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das wilde Reißen führt zum Teilerfolg; die Verpackung ist geöffnet. Allerdings hat die Methode auch einen Nachteil: Es fliegt die Hälfte des Inhalts in der Gegend herum.
„Ochhh! Mann! Oma, das ist doch voll Kacke!“, stellt der Zerrer frustriert fest.
„Pssschht! LEO! Das sagt man nicht!“, heißt es postwendend. Man hört, wie empört die Luft eingesogen wird.
Er vernimmt es gedämpft, denn er liegt bereits auf dem Boden, um die Einzelteile einzusammeln. Jetzt erscheint sein Kopf oberhalb der Tischkante:
„Ja, aber, das ist doch wirklich Kacke! Wie kam man das so blöd verpacken! Oma, ich meine ja nicht, dass Playmobil doof ist. Also, dein Geschenk! Nur, dieser Kackkarton!“
Oma beherrscht sich. Sie erwidert äußerlich ruhig:
„Leo, das habe ich schon richtig verstanden! Aber dieser Ausdruck mit Kacke, der muss doch nun wirklich nicht sein! Sag mal, wo lernt ihr denn so etwas? In der Schule?“
Leo ist Grundschüler. Geschätzt ein Zweitklässler.
„Nein. Das habe ich nicht aus der Schule.“ Er zögert. Sein Blick geht zur kleineren Schwester, die vier oder fünf Jahre alt ist. „Lina kennt das auch …“
„Ach, dann stammt das aus dem Kindergarten?“, fragt Oma nach.
Lina bestreitet es kategorisch.
„Nun, ist im Grunde ja auch völlig egal. Doch ich möchte das nicht hören, habt ihr verstanden?“
Die beiden nicken.
Lina hat es leichter mit ihrem Geschenk. Es ist ein locker in buntes Papier gewickeltes Puppenkleid. Oma nimmt ihr das soeben entfernte, fast unversehrte Papier ab. Sie faltet es. Auch so ein weiblicher Zug. Könnte man ja eventuell wiederverwenden …
Sie sitzen noch ein Weilchen zusammen am Tisch und verdrücken ihr Eis. Die neuen Playmobil-Männchen werden in die Handlung eingebunden. Leo nimmt eine Figur als Polizisten (eigentlich ist das Männeken ein Bauarbeiter), eine zweite als Verbrecher. Die beiden geraten in eine Schlägerei. Der Verbrecher landet im Knast (dem leeren Playmobil-Karton) und heult. So hört es sich an. Der Polizist stürzt bei dem heldenhaften Einsatz von der Tischplatte. Das Mädchen zeigt eine fürsorgliche Ader und füttert (angedeutet) den nicht heulenden, jedoch leicht verletzten, sichtbar humpelnden Gesetzeshüter mit den bunten Streuseln, die ihr Eis zieren. Ihre (dritte) Figur ist eine Frau – die ebenfalls schwer einem Bauarbeiter ähnelt. Nein, eine Frau, sagt sie, eine Frau Doktor, und Streusel sind Medizin.
Ein Mann nähert sich zielstrebig dem Tisch.
„Hallo, Papa! – „Papa, Papa!“ erschallt es im Chor.
„Na, ihr … – Tach, Mutti.“ (Die Familienverhältnisse wären geklärt.)
Küsse werden verteilt. Danach rutscht er mit auf die Sitzbank. Die Unterhaltung nimmt ihren Lauf. Irgendwann zieht Papa sein Smartphone heraus, tippt und wischt herum, stutzt und vermeldet erregt:
„Das gibt es doch nicht! Jetzt ist dieser elende Akku schon wieder leer! Das ist doch voll Kacke!“
Sie können sich sicher ausmalen, wie die Reaktion auf allen Seiten ausfiel …
Diese kleine Begebenheit wird heute spontan eingeschoben, da sie sich sympathisch kurz wiedergeben lässt. Das wiederum kommt mir momentan sehr entgegen, denn dummerweise kann ich zurzeit den Kopf nicht richtig drehen, heben oder senken und dadurch nicht lange am Laptop arbeiten. Irgendein blöder Nerv rebelliert.
Voll Ka..e! (Verzeihung. Aber es trifft’s.)
Dies also als Hallo zwischendurch und gleichzeitig als Hinweis, dass Salut! (4) noch ein wenig braucht.
Ihnen ein nettes Wochenende, fröhlichen Nikolaus sowie einen schönen zweiten Advent!
„Oh, Gott! Hat er sich was getan …?“
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Foto, Geschichten / Menschliches Verhalten am 08/10/2014
Manchmal überlege ich, meinen Unterwegs-Kaffee woanders zu trinken. Nicht ständig wieder im gleichen Eiscafé. Meist auch noch am selben Platz! Doch Begebenheiten wie die des heutigen Tages bestärken mich in der Annahme, dass es keinen Ort gibt, an dem es entspannender und gleichzeitig unterhaltsamer ist als dort.
Vier Menschen sitzen am Nachbartisch. Zu meiner Verblüffung sind sie nicht nur alle miteinander verwandt, sondern jede dieser Personen vertritt auch eine Generation dieser Familie! Da wären ein sechs Monate altes Baby (ein Junge), seine Mutter, deren Mutter und wiederum deren Mama. Baby, Mutter, Oma und Uroma. Diese Tatsache erfahre ich aus ihrem Gespräch.
Ich wäre nie darauf gekommen!
Auf den ersten Blick passt es überhaupt nicht. Uroma? Sie scheint viel zu jung. Eine eventuelle Familienähnlichkeit muss man bei den vier Frauen mit der Lupe suchen. Körperbau, Größe, Gesichtszüge – völlig unterschiedlich. Die Mutter und die Oma des Kleinen tragen lediglich die exakt gleiche Haarfarbe. Während der Altersunterschied zwischen diesen beiden Wesen sehr groß scheint, wirkt die Uroma nur zehn Jahre älter als die Oma, ihre Tochter.
Wie soll denn so etwas gehen?
Man kann nicht ungeniert ewig hinstarren, aber man kann so tun, als ob man lediglich das Baby anhimmeln würde. Das gibt mildernde Umstände, und nach mehrmaligen Hinüberblinzeln komme ich zu folgendem Resultat: Es ist doch möglich.
Die junge Mutter könnte Mitte Zwanzig sein, die Oma hat zwar schon viele, tiefere Falten, wird jedoch nach zweiter Einschätzung nicht Anfang 60 sondern maximal Mitte 50 sein. Und die Uroma ist eben extrem gut erhalten, aber nicht knapp 70 sondern Mitte bis Ende Siebzig. Und vielleicht ist irgendwer aus der mütterlichen Linie, der andere aber aus der väterlichen. Das würde diese Körperbaudiskrepanzen erklären.
Klingt plausibel.
Sie unterhalten sich, während ihre Bestellung in Arbeit ist. Wo waren sie schon an diesem Tag, wo soll es später hingehen …
„Wir könnten ja noch zu Karstadt“, meint die Mittlere.
„Oder lass uns nach C&A!“, schlägt daraufhin die Älteste am Tisch vor.
„Da waren wir doch schon“, erwidert ihre Enkelin.
„Da waren wir schon?“, ertönt die verdutzte Rückfrage.
„Ja, das war dort, wo wir die Lätzchen geholt haben.“
„DAS war C&A?“
„Ach, Oma, du bist echt süß …“
Fallen Ihnen auch gelegentlich die Unterschiede bei der Wortwahl auf? Zumindest hier im Norden benutzen einige Menschen – gern auch welche der älteren Generation – den Ausdruck „nach“. („Richard, ich fahre gleich nach Karstadt!“)
Die Mehrheit der Jüngeren sagt hingegen „zu“. („Kommst du mit zu Edeka?“)
Ähnlich verhält es sich mit „beim“ und „bei“. (Claudia arbeitet beim Saturn. Sie war vor der Arbeit beim Aldi einkaufen. Aber: Henning bestellt bei Neckermann und erledigt den Rest bei Lidl).
Das „bei“ bzw. erneut das „nach“ wird nun wiederum von einigen Mitmenschen gern dort benutzt, wo andere „zu“ wählen und klingt in meinen Ohren stets extrem merkwürdig. („Ich geh bei Willi.“ „Jonas will nach Herbert.“ vs. „Ich gehe zu Edith.“)
Schon seltsam, diese Sprache … Und so etwas muss nun ein Baby alles erst lernen und begreifen. Nicht nur das! Es muss das Richtige herausfiltern und den Rest möglichst schnell wieder vergessen!
Die Erwachsenen bekommen ihr Eis serviert, der Junior wird fortan von Schoß zu Schoß weitergereicht, so dass jeder einmal ohne Zappelfrosch ist und vernünftig zum Essen kommt. Bei seiner Uroma wird der Lütte besonders aktiv. Vor ihr steht Spaghetti-Eis mit leuchtend roter Erdbeersoße, die es ihm farblich offenbar schwer angetan hat. Erhitzte Wangen, Begeisterungsgestöhne, das klingt wie ein Hirsch in der Brunftzeit, Oberkörpergeschwanke, Füßegezappel und Armgefuchtel sind die Konsequenz. Er würde wohl gern etwas davon abhaben.
„Nein, nein, Oma“, winkt Juniors Mutter ab, „ich habe für Julius extra etwas dabei. Er bekommt sein eigenes Essen!“
Er wird in den Kinderwagen verfrachtet und dort von ihr mit Apfelmus aus einer Tupperdose gefüttert. Nach Pseudoprotest und drei eiligst hervorgequetschten Krokodilstränen hebt sich die Laune von einer Sekunde zu anderen wieder. Der Nachwuchs mampft nun durchaus mit Begeisterung seinen Fruchtbrei, doch lässt er die Soße weiterhin nicht aus den Augen. Sobald seine Urgroßmutter einen Löffel zum Mund führt – ihrem eigenen wohlgemerkt! – flippt er ein wenig aus.
„Adda, ba …(Quietschlaute) …oohoh …da!“
(Übersetzung: „Ich komme um, wenn ich jetzt nicht bald was von dem Zeug kriege!“)
Die drei Damen amüsieren sich. Eine Diskussion startet zum Thema Soße geben ja oder nein. Die Mutter gerät ins Schwanken, die Oma ist dagegen, die Uroma ist der Ansicht:
„Lass ihn ein ganz bisschen probieren.“ Ihr Argument: „Das ist im Grunde doch nur Soße aus Früchten. Zucker ist dem fertigen Gläschenobstbrei auch!“
Sie erhält das offizielle Okay, befüllt ihren Löffel mit Erdbeerflüssigkeit und füttert den gierigen Urenkel. Das Raubtier schnappt zu, schließt den Mund, reagiert verblüfft auf den neuen Geschmack, verzieht leicht das Gesicht, kneift die Augen ….
In dem Moment naht ein Herr. Der Opa. (Fragen Sie mich nicht, ob Opa oder Uropa, das war altersmäßig wieder alles andere als eindeutig!) Er wird von den Ladys frühzeitig entdeckt und dem Jüngsten überschwänglich angekündigt:
„Ja, Julius! Schau mal, wer da kommt! Der Opa! Ei, der O-PA!“
(Sie kennen diese Art, wie man einem Baby deutlich vorspricht und dabei eine gehörige Portion Begeisterung mimt, nicht wahr?)
Julius hat den Sinn der Worte begriffen, schaut in die richtige Richtung. Beim Anblick seines Großvaters, beginnt er breit zu lächeln. Rote Soße rinnt langsam aus dem Mundwinkel, da Junior leider völlig vergessen hat, den flüssigen Sabsch komplett herunterzuschlucken.
„Oh, Gott! Hat er sich was getan?“
Opa wird blass. Der Enkelsohn sieht aus, als hätte er gerade eine kleine Schlägerei hinter sich. Die Brühe läuft täuschend echt wie Blut über sein Kinn. Und seine Mama sitzt neben diesem Vampir und hat nur Apfelmus auf dem Löffel …
Da jedoch keine der Frauen hysterisch reagiert und die Aufklärung ziemlich prompt erfolgt, bekommt das Gesicht des Großvaters schnell wieder Farbe.
„Jung, Jung …!“, ist der einzige Kommentar, ergänzt vom einem erleichterten Auspusten, welchem herzerfrischendes Gelächter folgt. Der Kleine beteiligt sich daran – auch ohne den Grund zu kennen.
Wie es immer so ist: Fröhlichkeit steckt an.
Jeden.
Soll ich Ihnen etwas verraten? Nächstes Mal werde ich wieder in mein Eiscafé gehen.
Basta.
Zwischen den Jahren …
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Allgemein, Artikel, Foto am 29/12/2012
29. Dezember 2012.
Bald ist das Jahr zu Ende!
Gut, das wussten Sie jetzt auch ohne mich. (Offen gestanden hatte ich mehr mit mir selbst gesprochen)
Noch knapp drei Tage … dann … siehe Bild.
Wie geht es Ihnen? Hatten Sie schöne Weihnachtsfeiertage? Haben sich alle einmal wieder gesehen?
Ja, aber …
Ja, aber?
Nein, schon klar. Sie brauchen es mir nicht zu erklären.
Weihnachten ist gelegentlich eine etwas zweischneidige Sache. Es hat seine schönen Seiten, ohne Frage, denn es ist nett, Familie zu sehen, zusammenzusitzen und über dies und das zu klönen, Geschenke erst ein- und später auszupacken, leckere Dinge vorzubereiten, um sie danach in festlicher Atmosphäre zu verspeisen, Kerzenlichter auf dem Tisch.
Nur kann es auch im Laufe der Tage ziemlich anstrengend sein!
Es ist ja alles so fürchterlich komprimiert!
Die Festtage folgen Schlag auf Schlag, das Essen genauso. Und so lang die Festtage zwischendurch gele-
gentlich erscheinen mögen, so kurz kommen sie daher, wenn es gilt, alles unter einen Hut zu kriegen.
Man will ja schließlich alle einmal sehen … (Will man?)
Leben Teile der Familie in einer anderen Region, womöglich einige Hundert Kilometer voneinander entfernt,
wird es eng mit der zur Verfügung stehenden Zeit und rechtzeitiges Planen erforderlich (Fahrt, Unterkunft, Versorgung von Haustier, Blumen, Briefkasten, etc.)
Wenn Ihnen allerdings die Invasion droht, liegt der Schwerpunkt auf Einkaufen, Verpflegung produzieren,
alles hübsch herrichten – und sollte Ihre Wohnung auch noch Hotelfunktion haben, wird es nötig umzuräumen, Schlafstätten zu schaffen u. v. m. Umgeräumte Wohnungen verlieren dabei häufig die persönlichen Erholungsecken, die Rückzugsgebiete.
Viele Menschen kennen jedes Jahr beide Programmpunkte. Sie empfangen Besuch, und sie werden irgendwo erwartet. Das Datum steht bombenfest, es sind folglich alle gleichzeitig unterwegs bzw. am feiern. Das Wetter zeigt sich nicht immer in Festtagslaune und erschwert gern An- und Abreise oder das Integrieren von Außenaktivitäten zwecks Abwechslung. Keine Bewegung in Form von Spaziergang und Spielen. Stattdessen hocken alle aufeinander. Vom Baby bis zum Uropa. Häufig beengt. Stunden über Stunden.
Und ganz leise möchte ich an dieser Stelle gern noch einen Punkt erwähnen, der Weihnachten feiern für die Menschheit immer wieder zu einem anstrengenden Unterfangen machen kann:
Die unumstößliche Gästeliste!
Sie wissen, an Weihnachten wird zusammengepackt, was laut Stammbaum zur Familie gehört!
Das kann – wenn Sie Glück haben – super funktionieren.
Es kann aber auch sein, dass es sich – um es einmal vorsichtig auszudrücken – nicht exakt um die Auswahl handelt, die Sie für eine sonstige private Feier zusammentrommeln würden.
Familie – das sind nicht zwangsläufig die Menschen, bei denen untereinander die Chemie stimmt! Doch selbst ohne große Feindschaften prallen häufig sehr unterschiedliche Temperamente aufeinander. Oder stellen Sie sich lediglich das Zusammenrasseln von extrovertierten und introvertierten Typen vor, die wirklich grund-
verschiedene Bedürfnisse haben. Immer interessant und anregend für ein kurzes gemeinsames Kaffeetrinken, nur kippt die Stimmung nach maximal zwei Stunden! Wenn die Party für den einen erst richtig beginnt, der Lärmpegel steigt – der andere hingegen die ersten ernsthaften Fluchtgedanken hat. Sobald es sich beruhigt, die Dezibel sinken, atmet dieser erleichtert auf, während beim Hallo-hier-komm-ich-Menschen prompt die Langeweile startet.
Wer sich langweilt, kommt auf dumme Gedanken …
Sie haben folglich während des Fests der Familien die ganze Bandbreite von großer Zuneigung, Harmonie
und Freude bei lockeren Gesprächen bis hin zu unterschwelliger Apathie, Stänkergelüsten, Anspruchsdenken, seltsamen Erwartungen. Mehr oder weniger erfolgreich wird der aufkommende Frust und Ärger im Zaum ge-
halten.
Es ist ja schließlich Weihnachten …
Die Gespräche versiegen, doch kurz bevor der Schwenk in die Eiszeit starten kann, bevor richtige Dramen starten, Massaker beginnen … ist Weihnachten glücklicherweise sogar bei derart traumhaft zusammen-
gesetzten Familienclans wieder vorbei.
Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, dass das Schlimmste meist dadurch vermieden wird, dass es überall einen gibt, der anpassungsfähiger, geduldiger und milder gestimmt ist, d. h. einen, der entgegenkommt, der mehr zu schlucken bereit ist, als sein Kontrahent?
Warten Sie!
Schlucken ist wieder zweideutig, oder?
Nicht mehr Alkohol! Dass wir uns hier nicht missverstehen …
Nein, mehr an Merkwürdigkeiten, Ärgernissen, überflüssigen Sprüchen.
Alles in allem geht es am Ende fast immer gut aus, nur für den friedliebenden und vermittelnden, diplo-
matischeren Typ, ist es enorm anstrengend, und so kommt das Ende der Weihnachtsfeiertage just in dem Moment, in dem auch seine Batteriereserven aufgebraucht sind.
Es wird allerhöchste Zeit für Rückzugsmöglichkeiten, Ruhe, gesünderes Essen in kleineren Mengen, mehr Bewegung, Entspannung.
Wer großes Glück hat, muss nicht sofort wieder arbeiten und hat diesen Ausgleich.
Falls Sie in Ihrer Familie ein Herz und eine Seele sind, alle irgendwie vom gleichen Schlag, so staunen Sie einfach nur über das eben Gelesene.
Doch das gibt es!
Vorhin hörte ich wieder eine derartige Geschichte, die damit endete, dass die zwei Personen, die dieses Jahr Gastgeber und Friedensstifter waren, sich geschworen haben, das nächste Jahr an Weihnachten zu verreisen, wenn nicht sogar auszuwandern.
Wissen Sie, was eigenartig ist?
Trotz allem klingt der Begriff Weihnachten zwei Monate später schon wieder recht anziehend. So grundsätzlich.
War doch gar nicht soo schlimm …
Gut, die Menschheit hat es erst einmal wieder hinbekommen. Die einen so, die anderen so.
Und jetzt sind diese besonderen Tage angebrochen, die Zeit zwischen den Jahren. Manche behaupten, das sei eine Zeit, in der gar nichts passiere. Höchstens Geschenke tauschen. Gutscheine einlösen. Die Feiertage wären vorbei, das Neue Jahr hätte noch nicht begonnen, viele hätten frei. Somit eine Zeit des Nichtstuns …
Im Grund überflüssig.
Ja?
Für mich ist es immer ein willkommener Zeitpunkt, um ein bisschen auf mein persönliches zurückliegendes Jahr zurückzuschauen.
Was hat sich getan? Wo gab es Veränderungen, was war auffällig?
Was glückte, was misslang?
War es ein gutes Jahr? Oder anders gesagt: Habe ich es gut genutzt?
Wer ist mir begegnet, was habe ich erlebt, was hat mich geprägt, woran habe ich zu nagen?
Und ich schaue ein bisschen voraus.
Wie wird es im Neuen Jahr weitergehen?
Ich halte nicht viel von diesen halbherzigen Silvester-/Neujahrsvorsätzen, die so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Meine Planung ist langfristiger. Meine – eher nicht materiellen – Wünsche halten länger an, sind äußerst beständig, ihr Umsetzen erfordert Zeit, Geduld, Disziplin …
Und ganz sicher auch ein Quäntchen Glück.
Vielleicht bedeutet 2013, der Erfüllung dieser Wünsche wieder ein Stückchen näher zu kommen. Veränderung ist selten eine Sache, die von heute auf morgen erfolgt, geschweige denn komplett erledigt wäre.
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Ich wünsche Ihnen allen, dass auch Sie Ihre Träume haben, Ziele, die Sie im nächsten Jahr angehen möchten. Seien es persönliche Veränderungen oder vielleicht Ideen und Projekte, die Sie im Auge behalten und Stück für Stück realisieren möchten.
Wenn Sie sich nichts mehr als Gesundheit wünschen, dann hoffe ich, dass auch dieser Wunsch für Sie in Erfüllung geht.
Viel Glück bei allen Ihren Vorhaben!
Für Sie alle einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
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© by Michèle Legrand, Dezember 2012
„Ach, nun sei doch mal ein bisschen spontan!“
Veröffentlicht von ladyfromhamburg in Artikel, Geschichten / Menschliches Verhalten am 15/02/2012
Was haben folgende Begriffe gemeinsam?
Aufrichtig, freundlich, zuverlässig, nett, gepflegt, …
Richtig, sie sind durchweg positiv, d. h. ihre Bedeutung ist klar und sagt uns sofort: Das ist etwas Gutes.
Jetzt laut, nervig, verlogen, angeberisch, herrisch, geizig, selbstherrlich, …
Was stellen wir hier fest?
Genau, diese Eigenschaften werden als negativ empfunden. Eindeutig. Allesamt.
Aber nun: Achtung!
Strebsam, ehrenhaft, dynamisch, flexibel und ganz speziell spontan!
Nun, wie ist das Empfinden? Genauso eindeutig? Uneingeschränkt positiv?
… Abwägen. Die Waagschale senkt sich anfangs meist zugunsten von positiv.
Doch Moment! Vielleicht eher doch nicht?
Strebsam könnte ebenso gut ein Synonym sein für enorm ehrgeizig. Zu ehrgeizig! Hat da jemand etwa nur die Karriere im Sinn? Geht derjenige gar über Leichen? Oder ist womöglich zu gewissenhaft. Pingelig? Anstrengend. Eine Spaßbremse … ja, bestimmt ein Spielverderber. Einer, der, wenn in sechs Wochen eine Prüfung ansteht, schon jetzt alle privaten Treffen absagt und die Nase rümpft, wenn andere es nicht so handhaben.
Nächster Begriff: ehrenhaft. Wenn das bloß nicht die Umschreibung für zu genau, zu regeltreu, zu anständig, zu bieder, zu langweilig ist!
Weiter: dynamisch. Hört sich solange gut an, bis der Gedanke „immer“ auftaucht. So ein Dauertornado kann sehr stressen. Vielleicht ist er/sie auch noch unverhältnismäßig laut? Ganz schlimm auch die Pseudo-Dynamischen. Bewahre uns vor den aufgesetzt Energiegeladenen, denn die sind keinen Deut ruhiger! Ständig unter Strom. Und dieser Händedruck! Wirst gequetscht wie eine Zitrone beim Saft pressen …
Die Position der Waagschalen ändert sich.
Jetzt wird es spannend. Wir kommen zu flexibel und spontan. Flexibilität – vor allem im Beruf – wird überall als wunderbar betrachtet und auch gefordert.
Herr Müller, würden Sie sich als flexibel bezeichnen?
Argloses Kopfnicken und ein: Selbstverständlich!
Nun, Sie sind zwar bei uns als Controller angestellt, aber wir wäre es, wenn Sie übergangsweise der Speditionsabteilung zur Verfügung stehen? Und wir dachten in diesem Zusammenhang auch an eine Nachtschicht. Sie wissen, die Verladungen nach China stehen an … Planen Sie bitte auch ein, dass wir Sie in drei Monaten nach München versetzen werden …
Macht ja alles nichts, die Familie kommt im Rucksack mit. Schulen gibt es dort schließlich auch. Ansonsten bleiben ja Wochenendbeziehung und Pendeln.
Wir sind doch flexibel!
Und spontan sollen wir bitte ebenfalls sein. Logisch, denn Spontaneität und Flexibilität gehören gefühlsmäßig unabdingbar zusammen.
Sind Sie spontan? – Einfache Frage, oder? Sie brauchen nicht zu überlegen.
Natürlich!
Sind Sie auch flexibel?
Aber ja doch!
Wirklich? Beschreiben Sie doch bitte einmal. Wir äußert sich Ihre Spontaneität?
Sie schauen aus dem Fenster. Es ist Nachmittag. Die Sonne bricht gerade durch. Eigentlich wollten Sie sich hinlegen, doch entscheiden sich nun spontan für einen Spaziergang. Ganz kurzfristige Entscheidung: Sie lassen Ihr Auto gleich ganz in der Garage. Fahren mit der Bahn zu ihrem Wanderziel. Sie gehen nicht rechts herum um den See, sondern links herum. Unterwegs folgt ebenso spontan der Entschluss, einen Kaffee zu trinken. Die Bedienung kommt. Flexibel wie Sie sind, ändern Sie ihre Bestellung im letzten Moment um: Cafè Latte! Auf dem Rückweg wählen Sie einen komplett neuen Weg. Sie Spontanling, Sie! Unerwartet führt Sie der Weg an einem Kino vorbei. Sie passieren direkt den Eingang, und die Plakatwerbung spricht Sie an. Ach was, Sie springt Sie förmlich an! Spontane Eingebung: Ich gehe ins Kino! Rumms! Gott, was sind Sie flexibel!
Unter Umständen finden an Ihrem Abend noch weitere kurzfristige Umplanungen statt. Nächtlicher ausgedehnter Rückspaziergang durch den Park, erst nach Mitternacht daheim, heiße Gulaschsuppe aus der Dose um ein Uhr nachts.
Spontaneität ist doch was Tolles …
Nur – mal ganz ehrlich – wann klappt das?
Genau, wenn Sie entweder als Single oder maximal als Pärchen unterwegs sind, sich also nur mit sich selbst oder höchstens einer weiteren Personen absprechen müssen. Wenn keine anderen Planungen zeitgleich laufen, keiner zu Hause darauf wartet, dass Sie so langsam wieder eintrudeln. Es klappt, wenn die Pläne nicht mit anderen Terminen – oder präziser gesagt: mit den Terminen anderer – kollidieren. Je mehr Sie darauf achten müssen, und je mehr Leute Sie unter einen Hut bekommen wollen oder müssen, desto unmöglicher wird eine spontane Handlung.
Trotzdem herrscht weiterhin eine gewisse Ordnung, solange sie alles selbst im Griff haben. Solange es sich um Ihre eigene Spontaneität handelt und Sie die Oberaufsicht führen! Wehe, Ihnen funkt jetzt jemand dazwischen!
Sie werden merken: Spontaneität ist positiv bei Ihnen und negativ, wenn es sich um massive Fremd-Spontaneität handelt, deren Konsequenzen Sie ausbaden dürfen.
Am übelsten sind Sie dran, wenn solche Spontanaktionen im familiären Umfeld losbrechen, nicht von Ihnen stammen, Sie aber dazu auserkoren werden, als Mittelsmann oder Mittelsfrau für die Koordination zu fungieren. Innerhalb der Familie gelten gesonderte Regeln. Da überlegt man sich das Aufstampfen und Weigern doppelt.
Ich hatte so einen Fall am letzten Wochenende. Zuerst mangelnde Information bezüglich einer eventuellen Geburtstagsfeier. Als Mittelsfrau (s. o.) fragt man selbstverständlich nach. Es folgt eine strikte Ablehnung jeglichen Festes und eine unumstößliche Absage desselbigen. Man trägt diese Information pflichtgemäß weiter. Sie gilt – bis einen Tag vor dem Geburtstag. Dann entscheidet sich ‚spontan’, dass doch gefeiert wird. Aber nicht am Geburtstag (den sich alle wohlweislich freigehalten hatten), sondern am Tag drauf. Acht Leute am Sonntag spontan zusammenzutrommeln ist schwierig. Verpflichtungen, Arbeit, Termine, Freunde, Verabredungen. Ich bitte die betreffende Person, doch selbst Rücksprache zu halten und bekomme als Antwort:
Ich muss jetzt los. Kannst du das nicht machen? Sag mir nachher Bescheid, ja? Danke!
Telefonat Ende.
Es kostete Zeit und Nerven. Nicht jeder sitzt am Telefon, nicht jeder ist begeistert. Gefühlt zügig lag ein Resultat vor. Dennoch gab es später Klagen bezüglich der Schnelligkeit der Klärung, der Zuverlässigkeit (es ließ sich nicht 100% sagen, ob die achte Person kann oder nicht) und der später als erwarteten Zeit des Rückrufs. Ich verschone hier mit weiteren Einzelheiten, nur einen Satz, der später fiel, möchte ich noch erwähnen. Als ich mir erlaubte zu erwähnen, dass solch sehr kurzfristige Ideen nicht immer ideal und einfach umzusetzen sind, rief es Entrüstung hervor und dann kam sie, die missbilligende Anklage:
„Ach, nun sei doch mal ein bisschen spontan!“
Ich konnte diesen Satz drei Tage nicht mehr hören. Es löste notgedrungen diese Gedanken zur Spontaneität aus. Zur eigenen selbstverständlich auch.
Vorhanden? Ja? Nein?
Es kommt halt drauf an. In der mir frei zur Verfügung stehenden Zeit, bin ich durchaus spontan. Komme ich anderen hingegen damit in die Quere eher nicht. Vielleicht bezieht sich meine Spontaneität auch mehr auf weniger zeitbeanspruchende Dinge und kann einfach überall, an jedem Ort stattfinden: Lachen, ins Gespräch kommen, stehen bleiben, staunen, …
Spontan bedeutet auch planlos, unbekümmert bis hin zu unbedacht und vorschnell. Bei meiner Art von Spontaneität lässt sich das verkraften. Größere Pläne sollten einfach besser durchdacht sein.
Manchmal entsteht für mich folgender Eindruck: Vielleicht sehnt sich nur der nach besonders viel Spontaneität, der sich selbst in hohem Maße verplant.
PS
Heute lachte mich die Sonne an, so dass ich mich „spontan“ auf den Weg in die City und an die Alster machte. Davon werde ich in den nächsten Blogposts berichten. Ich habe viele Fotos im Gepäck, vielleicht haben Sie, Lust, mich in Hamburg erneut zu begleiten. Es ging nicht um Shoppen und Schuhe, sondern um Scherben und Spinnen …
Mehr in Kürze …
©Februar 2012 by Michèle Legrand