Beiträge getaggt mit Erzählung

Auflösungserscheinungen …

Wissen Sie, was die Entstehung des eigentlich angedachten Blogposts sabotierte? Indirekt das Wetter mit Schneetreiben, doch im Grunde war es das Treiben meiner Schuhe. Ich sage Ihnen, so hatte ich mir das
heute Morgen beim Losgehen wirklich nicht vorgestellt! Mein eigenartiges Erlebnis des Tages wollte
ich Ihnen nicht vorenthalten …

Sie und ich sind jetzt hier nicht so eng miteinander, dass Sie meinen bevorzugten Kleidungsstil oder gar Details dazu wüssten. Ich sage nur soviel, ich brauche Schuhe mit Absätzen. Keine dünnen, ultrahohen Pfennigab-
sätze. Das nicht. Aber wenn ich nicht wenigstens ein bisschen Absatz habe, beschleicht mich das eigenartige Gefühl, meine Ferse sacke nach hinten weg. Ich fühle mich auf Absätzen genauso wohl wie andere in ihren Hausschuhen und dort, wo manch andere bereits absatzbedingt kippeln und mit dem Untergrund hadern würde, laufe ich frohgemut sicher und wackelfrei – wenn es sein muss spurte ich sogar.
Schnee und Absätze? Überhaupt kein Problem. Ehe ich mir sogenannte „richtige“ Winterstiefel schnappe, muss Sibirien schon näher rücken. Ausrutschen, hinfallen? Seit 31 Jahren nicht mehr. Ich habe notfalls noch Spikes zum Unterschnallen.
Das einzige Mal, dass ich stürzte und mir etwas brach, war tatsächlich, als ich ausnahmsweise zur Sicherheit flache Schuhe inklusive Profilsohle trug. Zur Sicherheit! (Entschuldigen Sie, wenn ich kurz lache …)
Allein diese Tatsache hätte mir schon im Voraus klarmachen müssen, dass mein heutiger Plan nach hinten losgehen würde.

Sie können sicher nachvollziehen, dass jemand, der so gut wie nie die ungeliebten, flachen Treter anzieht,
keine große Lust verspürt, sich genau solche Schuhe zu kaufen – und das für Gelegenheiten, die man in Norddeutschland im Jahr an einer Hand abzählen kann! Wer legt sich gern etwas zu und gibt sein Geld für Dinge aus, die er von vornherein nicht sonderlich mag.
Mir kam in meiner Situation glücklicherweise bisher zugute, dass im Keller noch ein paar Winterstiefel meiner Tochter aus Teenagerzeiten standen, die sie zwischenzeitlich selbst nicht mehr sehen mochte und die später bei ihrem Auszug hiergelassen wurden. Stiefel, der mir ungeliebten Sorte: flach, dicke Profilsohle, Klettverschlüsse. Aber passend und warm! Damit habe ich bisher daheim das Schnee schippen erledigt. Dafür waren sie gut.

Gestern hatten wir Schneefall. In der Nacht erneut, gefolgt von weiterem Gestöber am Morgen. Mit Macht war
es winterlich geworden. Ich hatte früh gleich mehrmals hintereinander zu tun mit dem Freiräumen der Wege. Musste sogar streuen! An einigen Stellen war es unangenehm glatt …
Ein Stück hinauf an einer Straßeneinmündung hatte schon ein Rettungswageneinsatz stattgefunden. Kein Autounfall. Irgendeinen Passanten hatte es zu Fuß erwischt. Da meldete sich – ähnlich nervig wie früher das Gewissen bei der Lenor-Werbung – die Stimme der Vernunft:
Mädchen, deine Absätze! Jetzt pack wenigstens heute die hohen Dinger weg! Nimm stattdessen die Schneeräumstiefel, die sicheren. Du brichst dir sonst noch die Haxen …

Ich habe also auf mich selbst gehört und bin brav mit den klobigen Schuhen los. Während in den Neben-
straßen auf gefrorenem Boden noch trockener, pulveriger Schnee lag, gab es auf den Gehwegen entlang der Hauptstraßen hauptsächlich Matsch.
Nach 300 Metern hatte ich das Gefühl, der linke Schuh sei vorne nicht ganz dicht. Es wurde etwas feucht an den Zehen.
Etwa 200 Meter darauf veränderte sich beim Laufen das Abrollgefühl des Fußes. Zuerst nahm ich unbedarft an, Schneebrocken hätten sich in den Ritzen der Profilsohle festgesetzt …
Nach weiteren 100 Metern hatte sich die Sohle gelöst, vorne links, wo es sich bereits vorher kalt und feucht angefühlt hatte.
Als ich lediglich nachschauen wollte, wie weit die Klebung aufgegeben hatte, hielt ich auch schon ein Sohlen-
stück in der Hand. Einen großen, schwarzen Brocken. Abgebrochen. Mit dem Fußballen stand ich unvermittelt im Matsch. Mehr oder weniger. Der noch vorhandene hauchdünne Textilboden bot so gut wie keinen Schutz. Überhaupt sah es – kritisch betrachtet – beidseitig nicht sonderlich vertrauenerweckend aus … Da ich so schlecht weiter konnte, beschloss ich umzudrehen und daheim andere Schuhe anzuziehen.

Es war eine sehr weise Entscheidung gewesen. Sie können sich das nicht vorstellen! Das Material der dicken Profillaufsohlen – irgendein Hartgummi oder -plastik – brach mit jedem Schritt mehr und löste sich dabei kontinuierlich vom jeweiligen Restschuh. Ich hinterließ auf dem Rückweg eine Spur aus schwarzen Gummi-
brocken. Hier ein halbes Hinterteil, dann wieder ein längliches Stück von der Seite, nach der linken irgendwann auch ein großer Teil der vorderen Kappe des rechten Schuhs. Die letzten Fitzel, die noch dran hielten, machten das Gehen eher schwierig. Und ansonsten war es kalt. Verdammt kalt. Es war wie barfuß oder nur mit klatsch-
nassen Socken bekleidet über längere Zeit im Schnee herumzuspazieren …
Solange Sie sich dabei bewegen, geht es noch einigermaßen, doch als der Schrankenwärter beschloss, mich auszubremsen, indem er die Bahnschranke ewig zu ließ, wurde es etwas ungemütlich, und ich fror langsam am Untergrund fest.
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Schwarze Winterstiefel, an denen sich die dicke Profillaufsohle komplett auflöst und in Brocken abfällt
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Die Stiefel haben offiziell ausgedient. Ersatzweise zog ich vorhin meine alten Lederstiefel mit moderatem Ab-
satz und leider relativ wenig Profil, aber zusätzlich festgezurrten Spikes, an. Mit dieser Kombination kam ich wunderbar zurecht!

Sollen ich Ihnen etwas verraten? Ganz flache Schuhe können mir echt gestohlen bleiben. Die und ich, das harmoniert einfach nicht miteinander. Sobald wir uns näherkommen, geht es doch los mit den Schwierigkeiten! Mal ist der Schuh hin, mal habe ich das Nachsehen. Ich werde auf weitere Versuche verzichten und habe wieder etwas gelernt: Vernunft ist auch nicht alles und bringt nicht immer das Gewünschte.
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Hätte mir dieses Malheur heute nicht enormen Zeitverlust beschert, hätte ich ein Ziel erreicht, dort sicher fotografiert und Ihnen statt kaputter Stiefel mehr ansehnliche Aufnahmen dieser Sorte gezeigt:
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Zugefrorene Teichfläche mit vielen Eisbrocken und Eisschollen auf der Eisfläche, Inmitten der Eisfläche eingefroren ein Teichgras mit umgeknickten Halmen.
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So bleibt es bei dem einen und einem Gruß zum Abend. Sie sehen, ich habe Ihnen schon mal das Eis für die Cocktails kleingehackt …

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©by Michèle Legrand
Michèle Legrand

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Zecke. Baby. Im Hafen. Und Parken spezial. Kurzum: die Woche

36° C im Schatten. In Hamburg! Bei eher kälteerprobten, frosttauglichen Norddeutschen! Und es gab tagelang ähnliche Werte! (Ich weiß, anderenorts war es noch heftiger!)
Bei solchen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit fehlt es mir etwas an Elan. Ich habe dann relativ wenig Durchhaltevermögen. Sie wissen, wie lange der Tropfen eines leckenden Küchenwasserhahnes braucht, um im Spülbecken zu landen? Geht fix, oder? Sehen Sie, ich bin bereits groggy, bevor er landet! Auch die Konzentrationsfähigkeit sah schon erheblich besser aus.
Selbst mein Laptop zeigt erste Schwächen! Er ist halt auch Norddeutscher.

Ich dachte mir, vielleicht bin ich nicht die einzige, die hitzebedingt ab und zu fast schlurft und anstrengende Sachen meidet. Vielleicht laufen auch Sie nur noch auf Sparflamme und schwere Kost zum Lesen ist momentan überhaupt nicht Ihr Ding.
Mein Vorschlag wäre daher, ich erzähle Ihnen einfach von ein paar Besonderheiten der letzten Tage. Unkompliziert für Sie, entspannend für beide. Sie und mich. Falls ich abschweife, schweifen Sie mit. Das fällt momentan überhaupt nicht auf.

Premieren. Sie sind meist eine feine Sache. Ich war jedoch Part einer Premiere, auf die ich sehr gut hätte verzichten können. Mich biss, stach, biss … ach, wie auch immer es korrekt lautet, mich piesakte eine Zecke. Eine Hamburger Zecke – oder ein Quiddje, ein zugewandertes Exemplar. So etwas hat in Hamburg noch Seltenheitswert, daher versetzten mich sowohl Anwesenheit als auch Verhalten in Erstaunen.
Ich hatte mich nicht außerhalb in ländlicher Umgebung aufgehalten, war in der Stadt auf keiner Wiese, in keinem Park, im Garten nicht im Gebüsch gewesen. Ich trug am Tag des Überfalls zudem robuste Kleidung, war nicht etwa halb nackt! All das hat nichts genützt.
Man wird mitten in Hamburg von einer dreisten Zecke erklettert, die sich unter der langen Jeans zunächst am Kniestrumpf empor und später im Hosenbein hinauf bis zum Oberschenkel vorkämpft, um sich dort letztendlich festzusaugen. Ich habe sie nach Entdeckung eliminiert.
Nun hoffe ich, dass sie keine Borreliose-Erreger hinterlassen hat … Ein Bluttest ist leider erst nach acht Wochen möglich, und letztendlich bringt auch der nicht allzu viel. Er zeigt lediglich, ob sich Antikörper entwickelt haben. Wie jegliche Insektenangriffe, sehen auch die Nebenerscheinungen der Zeckenverköstigung bei mir nach Gemetzel und mindestens einer Monsterattacke aus. Doch nach jetzt sieben Tagen zieht es merklich ab. Zumindest das ist ein gutes Zeichen.

Am Montag ergab sich eine weitere Premiere der etwas anderen Art, als ich auf meinem Rückweg einen Moment auf einer Bank im Schatten pausierte. Neben mir den Platz belegte eine junge Mutter. Sie hatte ein Baby dabei, ein kleines Mädchen von vier Monaten, und ihren Sohn, etwa zweieinhalb Jahre alt. Das Gespann war ohne Kinderwagen unterwegs (der wartete im Kofferraum des anderswo geparkten Autos); so trug sie die Kleine auf dem Arm.
Der Knirps saß Eis schleckend zwischen uns. Als er meine Einkaufstasche mit der schwarz-weißen Zeichnung des Hamburger Hafens unten an den Landungsbrücken und am Alten Elbtunnel interessant fand und mir dazu mittelgroße Löcher in den Bauch fragte, kamen die junge Frau und ich ebenfalls ins Gespräch.
Gleich darauf gab es diesen kleinen Unfall mit seinem Eis. Es war im Pappbecher und bei der Hitze im Nu komplett flüssig geworden. Der Lütte hatte unvermittelt die Idee gehabt nachzuschauen, was wohl auf der Unterseite des Bechers stand, da landete die Soße komplett auf seinem T-Shirt. Auf seiner Brust. Er brüllte, denn die Tunke war offenbar immer noch recht kalt. Obendrein war sein schönes Eis futsch. Außerdem schien er mir einer zu sein, der generell enorme Vorbehalte gegen das Tragen eingedrecktes Kleidungsteile hegt.
Und er musste auf einmal. Ganz dringend!
Seine Mutter geriet langsam ins Schwitzen. Sie hatte – wie die meisten Mamas, die mit Nachwuchs unterwegs sind – eine Umhängetasche beachtlicher Größe dabei, die den halben Hausstand beherbergte. Woran es dennoch haperte? An einer ausreichenden Anzahl vor allem freier Hände. Das Baby begann bereits mitzuheulen. Aus Solidarität. Das ist wahre Geschwisterliebe.
Die Mutter der beiden schien in Windeseile nach einer Lösung zu suchen, wie sie den Großen schnellstmöglich zu einer Toilette bekam. Sie entschied sich kurzerhand für das „Bar Celona“ ein Stückchen weiter. Sie würde einfach durchstürmen Richtung WC. Es gab nur eines, was die flotte Aktion und das anschließende Umkleiden des Knaben sehr erschwerte: das gleichzeitige Tragen des Babys.

„Können Sie bitte kurz mein Baby halten?“, fragte sie mich. „Ich bin gleich wieder da …“
Schwupps, da hatte ich die kleine Madame im Arm, während sie sich ihren Sohn schnappte und mit ihm davonhastete.
Irgendwie muss ich verdammt vertrauenswürdig gewirkt haben, denn wer gibt schon sein Kind in die Obhut einer fast Fremden und begibt sich außer Sicht! Sein Baby! Ich glaube nicht, dass ich es an ihrer Stelle fertiggebracht hätte.
Die Kleine war derart verblüfft gewesen, dass sie vorerst das Heulen vergaß. Das musste man nutzen und diesen trockenen Zustand möglichst lang erhalten. Große Augen schauten mich sehr prüfend an.
Die sieht anders aus als Mama. Die kenne ich nicht. Wer ist das? Kann man der trauen? Was will die?
Die will dich unterhalten, kleines Fräulein. Mit einem netten Plausch, einem griffigen Armreif, der klappernden TicTac-Box, mit kitzelnden Haarspitzen und Fingermalereien auf dem Arm und der kleinen Handinnenfläche.
Wo blieb denn die Mama? Minuten können ganz schön lang werden …
Ich überlegte, ob ich den Weg Richtung „Bar Celona“ einschlagen sollte, den beiden ein Stück entgegengehen. Doch womöglich verpassten wir uns dabei. Wenn sie auf anderem Weg zurückkehrte, ihr Töchterlein und mich nicht vorfand, würde sie vor Schreck einen Herzanfall bekommen. Nicht auszudenken. Baby und ich blieben also auf der Bank. Gerade, als die Laune der Lütten merklich sank, kamen sie zurück.
Großes Hallo, Lob von allen für die junge Dame, die so brav gewesen war. Die Jüngste deutete daraufhin ein zauberhaftes Lächeln an. Sie hätte es jetzt womöglich noch länger bei mir ausgehalten …
Der große Bruder meinte indes: „Mama, holen wir jetzt ein neues Eis?“

Apropos Hafenmotiv und Landungsbrücken!
Am letzten Wochenende fuhr ich in den Abendstunden mit einer Barkasse von der Überseebrücke zum Hansahafen und später zurück. Es war keine reguläre Tour, sondern ein Sonderzubringerdienst zu einer Theatervorstellung im Hafenmuseum. Der junge Barkassenführer steuert aber wohl sonst die üblichen Hafenrundfahrten und bot auf der Rückfahrt an, für das kurze Stück entlang der Hafencity bis zum Anleger ein bisschen den Tourführer zu spielen und nebenher zu erzählen.
Sie wissen, wie man diese „Hafenführer“ hier bezeichnet? Als „He lücht!“ („Er lügt!“) Sie machen sich einen Spaß daraus, neben ansonsten korrekten und nüchternen Fakten haarsträubende Behauptungen einzubauen. Es lässt sich aber in 98 % der Fälle sofort erkennen, wann es Flunkerei ist. Manchmal geht es um ziemlich gefährliche Riesenfische, die hier angeblich in der Elbe leben, gern wird auch der Bau der Elbphilharmonie durch den Kakao gezogen. Oder es kommt etwas ganz anderes, wie bei meinem Steuermann an diesem Abend, der sehr vertraulich mitteilte:
„Mein Großvater war Kapitän auf der Titanic!“
(Ein Raunen unter den Fahrgästen der Barkasse.)
„Und mein Vater, der war Kapitän der Gorch Fock.“
(Wow! … Echt? … Moment! …).
„Ich bin ja nur Barkassenführer in Hamburg, aber es ist nett, dass Sie trotzdem mit mir mitfahren …“
(Dem He lücht! auf die Schliche gekommen. Gelächter.)

Hafen Hamburg am Abend - Blick Richtung Unilever-Haus (dahinter Marco-Polo-Tower) und Elbphilharmonie (links)

Hafen Hamburg am Abend – Blick Richtung Unilever-Haus (rechts, dahinter Marco-Polo-Tower) und Elbphilharmonie (links)

Hafen Hamburg - Abenddämmerung und Regen ...

Hafen Hamburg – Abenddämmerung und Regen …

Hafen Hamburg - An den Landungsbrücken - In dem erleuchteten Kuppelbau rechts befindet sich der Eingang zum Alten Elbtunnel

Hafen Hamburg – An den Landungsbrücken – In dem erleuchteten Kuppelbau rechts befindet sich der Eingang zum Alten Elbtunnel

War’s das?
Oh, einen Moment! Einen merkwürdigen Vorfall hätte ich noch!

Der trug sich zu, als ich bei Edeka etwas besorgen wollte. Der Parkplatz des Marktes war bis auf einen schmalen Platz direkt an der Zufahrt voll belegt. Zum Glück passte mein kleiner Hüpfer jedoch gut in diese Lücke hinein. Ich besorgte schnell das Gewünschte, und während ich an der Kasse stand, betrat vom Parkplatz her ein Mann den Laden, der die Kassiererin ansprach:
„Ich möchte nur Bescheid sagen. Vielleicht können Sie mal was durchsagen. Da hat …“
Weiter kam er nicht, denn die Kassiererin reagierte etwas unwirsch.
„Könnten Sie nicht einen Moment warten? Ich kassiere gerade!“
Der Herr geduldete sich zunächst. Offenbar dauerte es ihm zu lang, denn plötzlich drehte er auf dem Absatz und ging wieder hinaus. Kaum hatte sich jedoch die Tür hinter ihm geschlossen, öffnete sie sich wieder und verärgert marschierte er erneut zur Kasse.
„Also wissen Sie! Sie werden mir noch dankbar sein! Ich kann hier allerdings nicht ewig warten, also hören Sie mir jetzt bitte mal zu!“
„Ich bin gleich soweit.“ Die Verkäuferin blieb hartnäckig. Schließlich richtete sie ihre Augen auf ihn. „Was gibt es denn?“, fragte sie.
„Draußen hat jemand die Handbremse nicht angezogen, und nun ist der Wagen rückwärts aus der Parklücke gerollt und blockiert den ganzen Parkplatz. Die Parker im hinteren Bereich kommen nicht mehr raus. Können Sie den mal ausrufen? Das Kennzeichen ist HH-SK-XXX.“
Die Kassiererin tat wie ihr aufgetragen und brachte in ihren Text gleich eine gewisse Dramatik:
„Achtung, Achtung, verehrte Kunden! Eine wichtige Durchsage! Der Halter des Fahrezeugs mit dem Kennzeichen HH-SK-XXX wird sofort zu seinem Auto gebeten! Der Wagen rollt herrenlos und völlig unkontrolliert auf dem Parkplatz!“
Bereits der Klang ihrer Stimme vermittelte den Eindruck, das Auto liefe Amok. Sie fuhr fort:
„Sie haben vergessen, die Handbremse zu ziehen! Sie behindern andere Kunden und riskieren, dass Fahrzeuge beschädigt werden!“

Während ich bezahlte, meldete sich kein Kunde. Jedenfalls kam niemand mit hochrotem Kopf herbeigeeilt. Wahrscheinlich war derjenige gar nicht bei Edeka einkaufen, sondern hatte noch eine Besorgung anderswo erledigt. Ich war spontan recht froh, dass ich den Parkplatz vorne ergattert hatte.
So sah die Lage draußen aus:

Edeka - Parken ohne Handbremse ... (Wagen rollt führerlos zurück)

Edeka – Parken ohne Handbremse ….

(Sie sehen, es gibt ein gewisses Gefälle für den Wasserablauf. Das Ansteigen zur anderen Seite verhindert ein Weiterrollen und Zusammenstoßen mit dem Heck des Parkers gegenüber.)

Während ich meinen Einkauf im Kofferraum verstaute, erschienen die ersten Kunden, die nicht wegfahren konnten. Es wurde erregt diskutiert, geschimpft und verkündet, was man nun alles nicht rechtzeitig schaffen würde, weil man nicht wegkäme.
Wegen dem da …!

Ich habe mich nicht eingemischt, wunderte mich aber ein wenig. Was meinen Sie dazu? Wenn die Handbremse nicht gezogen ist und der Wagen so leicht rollt – warum kann man ihn nicht einfach zu zweit oder zu dritt zurück in die Parklücke schieben und einen Stein hinter das Hinterrad legen. Oder sonst etwas, was stoppt? Das müsste doch ganz leicht erledigt sein …

So. Stopp! Aus! Man schwatzt sich hier immer so fest! Ewig! Mittlerweile ist sogar die Witterung kühler geworden! Vielleicht liegt es ja daran, dass die Lebensgeister mit Macht zurückgekehrt sind! Selbst der Laptop arbeitet wieder ohne Zwischenschnaufer.
Trotzdem. Keine Verlängerung. Feierabend.

Schöne Tage! Schnell tief Luft holen, bevor die nächste Hitze da ist!
Bis demnächst!

© by Michèle Legrand, Juli 2015
Michèle Legrand ©Foto Andreas Grav (Ausschnitt)

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Geburtstagsbesuch …

Das Schild mit der Glättewarnung gibt es immer noch. Das hängt dort ganzjährig.
Ein merkwürdiger Anblick im Sommer.
Die Parkplätze sind rar, auch wie immer.
Das Wetter zeigt sich seit einigen Jahren an seinem Geburtstag sehr durchwachsen, kalt und ungemütlich. Früher einmal war das Datum Garant für Wärme und Sonnenschein gewesen. In der Zeit, als er noch im Büro tätig war, gab es an seinem Ehrentag immer Eis. Jedes Jahr stellte er ebenfalls Kuchen zur Abstimmung, doch die Wahl fiel genauso sicher wieder auf Eisbecher. Eben weil hochsommerliche Temperaturen herrschten.

Der einzige freie Parkplatz liegt in einer Nebenstraße. Ein etwas längerer Spaziergang ist diesmal nötig, um zu ihm zu kommen und zu gratulieren. Der letzte heftige Regenguss, bei dem die Scheibenwischer kaum hinterherkamen, endete vor ein paar Minuten. Pfützen gibt es reichlich, doch am Himmel sieht es im Moment relativ gut aus. Vielleicht bleibt es vorerst ein Weilchen trocken von oben.
Die Strecke ist schneller geschafft als gedacht, inzwischen kennt man die Gegend und kann ein paar Abkürzungen über kleine Wege quer durch zum Ziel nehmen.

„Hallo! Na, hast du etwa gedacht, ich komme nicht?“, frage ich ihn lächelnd während ich herantrete und dabei die Blumen auswickle. „Nix da, Geburtstag ist Geburtstag!“
Die übliche Konversation startet.
„Noch so ein Schüttschauer wie eben, und ich hätte bald mit dem Boot zu dir kommen können. Oder schwimmend! Das Glätte-Schild bei euch könnten sie mal ersetzen gegen eine Aquaplaning-Warnung … Mensch, der Busch dort links ist aber ganz schön gewachsen seit dem vorigen Mal!“
Er wird auf den neuesten Stand gebracht. Der Geburtstagsjung, nicht der Busch. Obwohl ich stets auch Fragen an ihn habe, wirkt die Unterhaltung häufig ein wenig einseitig. Jedenfalls für Außenstehende.
„Doch, alles soweit gut … Sie war zwischendurch in Frankreich studieren, ist aber jetzt wieder hier. … Wo? In der Gegend, in der du damals mit der Ente unterwegs gewesen bist! …
Ach, dem geht’s auch gut. Er hat inzwischen geheiratet! Doch! Ja, ich weiß, dass es im Prinzip – zumindest gefühlt – noch gar nicht so lange her ist, dass er geboren wurde … Und weißt du, was das Größte ist? Ich werde Oma! … Nein, ehrlich! Jetzt sag’ bloß nicht, du kannst dir das nicht vorstellen!“
Er sagt zwar nicht richtig deutlich etwas dazu, aber man weiß auch so, was kommen würde, kennt die Reaktion genau. Ihn interessieren Details.
„Ich verrate es dir, sobald ich mehr weiß.“

Der Himmel bedeckt sich erneut in rasantem Tempo. Von Westen her zieht eine riesige, enorm schwarze Front heran. Heftige Böen entwickeln sich plötzlich, wie aus dem Nichts. Deutlich kündigt sich ein weiterer mächtiger Platzregen an. Vielleicht sogar mit Gewitter, Hagel und allem Drum und Dran. Ich mache den Anfang, obwohl er mich wahrscheinlich sowieso gleich nach Hause schicken würde in einem solchen Fall:
„Es sieht nicht gut aus, was sich da zusammenbraut. Sag, wo ist bloß das schöne Geburtstagswetter von früher hin? Du hast immer gesagt, du seist ein Sonntagskind und deine Mama hätte dich ihren Sonnenschein genannt. Darum sei gutes Wetter …“
Ich spüre zwei erste Tropfen. Auf den Händen. Alles andere ist ja – Ende Mai hin oder her – von der warmen Jacke verdeckt.
„Ich werde für heute gehen. Vielleicht schaffe ich es noch zurück zum Auto, bevor sich die Sintfluttore öffnen. ich komme bald wieder.
Was meinst du?
Ich soll mich jetzt beeilen, aber dich selbst schert ein Wolkenbruch nicht?
Ah, ich weiß, ich kenne dich! Du meinst, weil du hier trocken liegst …!“

Seine Art von Humor fehlt schon ein bisschen. Wie so vieles andere auch.
Es ist und bleibt einfach unzureichend, eine armselige Alternative, seinen Geburtstag seit acht Jahren nur noch auf dem Friedhof begehen zu können …

Doch in einer Hinsicht erkenne ich mittlerweile die Logik:
Es kann das strahlende Geburtstagswetter an diesem Tag überhaupt nicht mehr geben; weil der, weil sein Sonnenschein fehlt.

Sich entwickelnde Blüte beim Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) - Ende Mai 2015

Sich entwickelnde Blüte beim Wald-Geißbart (Aruncus dioicus) – Ende Mai 2015

 

© by Michèle Legrand, Juni 2015
Michèle Legrand - freie Autorin - ©Fotograf Andreas Grav

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Warum Silvester kein Knaller war …

Ich fand Silvester nicht von Anfang an blöd. Warum auch! Aus der Ferne wirkte er sogar eine Weile recht nett.
Selbst als ich ihn persönlich kennenlernte, entstand nicht augenblicklich eindeutige Antipathie.
Mit Abstand gesehen endete alles nicht einmal in einem kompletten Desaster. Aber ein Vierteldrama – nein, doch eher ein Semifiasko – war es schon …

Damals nach seiner Ankunft fielen schnell ein paar Dinge auf, die nicht passten. Nicht zu dem, was vorher in seinen Briefen gestanden hatte. Vieles hatte dort auch gar keine Erwähnung gefunden. Er hatte einige Charakterzüge geschickt unterschlagen, u. a. ausgelassen, dass er etwas – nennen wir es – launenhaft war.
Als sein Deutschlandaufenthalt später endete, er nach Südfrankreich zurückkehrte und einzig und allein überhebliches Genörgel abließ, kam ich zu der Feststellung, dass Silvester ein selbstgefälliger Heini war, der gar nicht merkte, wie ätzend anmaßend er sich verhielt. Sein letzter Brief war ausschlaggebend für meinen Entschluss, den Kontakt einschlafen zu lassen. Er schien ähnliche Absichten zu hegen, jedenfalls meldete er sich ebenfalls nicht mehr. Auf diese Weise ging es ziemlich flott. Kein sanftes Wegschlummern, eher ein Blitzschlaf/-koma. Eine Bekanntschaft, die eilends zu Grabe getragen wurde.

Falls ich es vergessen habe zu erwähnen, bei Silvester handelt es sich um einen französischen Brieffreund, den ich in jungen Jahren hatte. Silvester ist nicht sein kompletter Name, doch der Rest ist unwichtig. Die Abneigung hat absolut nichts damit zu tun, dass er Franzose ist!  Ich mag Franzosen, habe ja sogar selbst französische Vorfahren! Es ist einfach so, dass es solche merkwürdigen Fälle wie diesen überall gibt.

Wir hatten uns schon einige Monate locker geschrieben. Durch La Ratatouille hatte ich seine Adresse vermittelt bekommen. Hinter diesem Namen verbarg sich ein monatlicher Treff, eine Art privater Stammtisch, der damals für frankophile sowie französischstämmige Menschen in Hamburg existierte und dem ich eine geraume Weile angehörte. Silvester war zu dieser Zeit Koch in einem recht angesehenen Hotel mit gehobener Küche direkt an der französischen Mittelmeerküste und sollte in absehbarer Zeit für knapp drei Monate nach Hamburg in das Strandhotel nach Blankenese versetzt werden. Ein Austauschprogramm. Für ihn ging ein deutscher Kollege nach Frankreich.
Ich hatte zu Beginn angenommen, er wollte eine Brieffreundschaft, um bereits im Vorfeld seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Mit diesem Hinweis hatte ich zumindest den Adresszettel zugesteckt bekommen. Aber nein, der Herr schrieb ausschließlich Französisch.
Gut, war der Lerneffekt halt mehr auf meiner Seite. Dachte ich!
Er hatte eine Schrift, die kaum zu entziffern war. Unter uns, eine Sauklaue, die ihresgleichen suchte! Dagegen schreiben Ärzte bildschön. Und ich fand, ihm unterliefen im Brief viele Fehler. Doch wer war ich, ihn darauf anzusprechen! Es war seine Muttersprache, wahrscheinlich irrte eher ich mich. Ich versuchte, daraus zu lernen – wenn ich an den Konstruktionen oder Schreibweisen nicht zu sehr zweifelte. Eigentlich wunderte ich mich ständig. Doch solange ich zumindest den Sinn verstand … Wenn mir etwas total unmöglich vorkam, schob ich es auf die Schrift und nahm an, wahrscheinlich würde ich die Buchstaben falsch erkennen.

Schließlich war es soweit. Silvester reiste an. Er hatte anfangs keine Zeit, was natürlich ist, wenn man gerade den neuen Job antritt.
Irgendwann stand das erste Treffen an. Sich zu verabreden gestaltete sich schwierig. Ich wohnte außerhalb Hamburgs und konnte nicht zu spät zurück. In der Region stellte der Bus seine Fahrten spätestens gegen 20 Uhr ein. Meine Briefbekanntschaft zog weiterhin hartnäckig einen seiner freien Abende vor. Irgendwie ließ es sich arrangieren, doch als nächstes stellte er sich bei der Wahl der Ziele quer. Es wurde kompliziert. Für ihn schien eigentlich alles schwierig. Irgendwo selbst hinzukommen, irgendeinen Termin einzuhalten, irgendetwas überhaupt akzeptabel zu finden. Nach mehreren Änderungen in letzter Minute, war ich fast so weit, entnervt aufzugeben. Auch meine Geduld ist nicht unerschöpflich. Als hätte er es gemerkt, kam es plötzlich zur Einigung.
Einfach so. (Hätte man nicht gleich …?)

Silvester sah anders aus als beschrieben. Nun, das machte nichts. Er war vom Wesen her anders, als es in den Briefen geklungen hatte. Vielleicht eine Fehleinschätzung meinerseits. Für alles konnte man Erklärungen finden. Merkwürdig war es dennoch. Was stimmte denn überhaupt? Oder hatte ich so viel missverstanden, missgedeutet?
Das Treffen war erwartungsgemäß nicht so der Kracher. Er tendierte zum Muffeln, und mir gingen nach und nach Gesprächsstoff und Vokabular aus, denn natürlich weigerte er sich weiterhin, Deutsch zu sprechen. Warum auch, ich verstand ihn ja …
Wenn er nicht gerade griesgrämig war, verhielt er sich selbstverliebt. Pries sich selbst an und wartete auf entzückte Bestätigung. Lob schien seine Laune sehr zu heben – doch dauerhaft hatte ich keine Lust zu diesen Elogen. Jedenfalls nicht zu den unangebrachten. Außerdem schlafe ich bei solchen den tollen Hecht mimenden Selbstdarstellern leicht ein. Alles in allem war ich daher vermutlich eine herbe Enttäuschung für ihn. Aber warum sollte es ihm besser ergehen als mir, gell?

Wir trafen uns dennoch ein weiteres Mal kurz vor seiner Heimreise nach Frankreich. Es verlief unspektakulär. Wohlweislich war ich mehr auf gestaltetes Programm ausgewesen, und wir besichtigten Sehenswertes in Hamburg, was er bis dahin noch gar nicht groß getan hatte. Er schlurfte etwas unmotiviert durch die Gegend, behauptete am Ende jedoch allen Ernstes, es hätte Spaß gemacht. Zu meiner grenzenlosen Verblüffung jammerte er obendrein, wie schade es wäre, dass wir uns nun nicht mehr würden sehen können.
Hatte ich etwas nicht mitbekommen?

Silvester kündigte Post an. Sobald er wieder am Mittelmeer eingetroffen wäre, würde er sich melden. Es kam nichts. Also schrieb ich nach einiger Zeit, um zu hören, ob bei ihm alles gut verlaufen war. Heimreise, Wiedereinstieg in seinem Hotel etc.
Einige Wochen später erhielt ich einen Brief von ihm.  Auf diesem recht kurz gehaltenen Schmierzettel beschwerte er sich hauptsächlich über Französischfehler, die ich in meinem letzten Schreiben gemacht hätte und erklärte, nach der Zeit, die ich mit ihm verbracht hätte, müsste ich doch eigentlich endlich fit in seiner Sprache sein. Da blieb mir die Spucke weg! Ausgerechnet er musste an Fehlern herummäkeln!
So ein blöder Armleuchter!
Tja, so schlief es ein. Ich holte mir aus Rache einen seiner alten Briefe und begann pedantisch – wie ein Lehrer bei der Diktat- und Aufsatzkorrektur – seine Fehler jetzt dick mit einem roten Stift anzustreichen. Rechtschreibung, Grammatik, Ausdruck. Jeden seiner dämlichen Fehler!
Noch einer! Und da! Schon wieder, meine Güte! Der lernt’s auch nicht …
Das tat irgendwie verdammt gut.
Danach war dieses Kapitel für mich abgehakt.

Nur einmal im Jahr … Können Sie verstehen, dass ich jedes Jahr am Silvestertag nicht unbedingt vorrangig an Jahresrückblicke, Alkohol, Böller, gute Vorsätze, Bleigießen etc., sondern meist zuerst an ihn, jenen Silvester, der absolut kein Knaller war, denke und in Erinnerung an die äußerst befriedigende Rotstiftaktion leise vor mich hin grinse?

Vielleicht löst Silvester auch bei Ihnen vom Üblichen leicht abweichende Assoziationen aus. Ruft die Melodie des alten Songs Zucker im Kaffee wach, lässt Sie an Rambo oder den Tweety jagenden Kater denken.
Egal welcher kleine Film in Ihrem Kopf abläuft, verbringen Sie auf jeden Fall einen schönen letzten Tag des Jahres 2014 und gleiten Sie sicher und frohen Mutes hinüber in das Jahr 2015.
Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute für das Neue Jahr! Möge viel Positives passieren, aber bleiben Sie vor allem gesund und munter!

Danke für Ihre Treue und für die vielen Kommentare!

Bis 2015!
Vorbereitungen für die Silvester-Party ... (Disco-Kugel, Luftballons, Strahler)

©Dezember 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.com

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Vorsicht! Bissiger Hund

Das erste Mal fiel es mir auf, als ich gerade hergezogen war. Es blieb gar nicht aus, denn der Weg heim führte immer an diesem Gartenzaun vorbei. Ein Hinweisschild war auf dem oberen Querholz der kleinen Eingangspforte befestigt: Vorsicht! Bissiger Hund.
Soso.
Kein Hund in Sicht …
Ein paar Tage später lief ich zu einer anderen Tageszeit an besagtem Grundstück vorbei, und diesmal kam ein recht großes, stürmisches Ungetüm bellend vom Haus an den Gartenzaun geschossen. Seine Stimmlage war kein kellertiefer Bass, jedoch ein äußerst dunkler, kehliger Bariton. Beeindruckend.
Ich war ein bisschen eingeschüchtert von seinem Auftritt. Er demonstrierte eindeutig, dass hier sein Revier war und er der Wachposten. Der ernstzunehmende, jeden abwehrende Oberaufpasser. Kein Schwanzwedeln als Ausgleich für das drohende Warngebell, der meinte es wirklich ernst.
Bei manchen Passanten richtete er sich sogar am Zaun auf und ließ die dicken Pranken überhängen. Sein Gebell und auch Knurren erklang dann fast in Ohrhöhe der Vorbeigehenden. Imposant.
Und wirkungsvoll!
Als ich ihm das vierte oder fünfte Mal begegnete, hatte er diese Bleib-weg-hier-hast-du-nichts-zu-suchen-Haltung komplett abgelegt. Er schoss weiterhin an den Zaun, blieb aber ruhig. Ein Wiedererkennungs-Wuff, das war alles. Danach schien er sich eher über die Gesellschaft und das Auftauchen eines inzwischen bekannten Gesichts zu freuen. Der lange, buschige Schwanz wedelte begeistert von rechts nach links.
Dieser große Wachhund wurde real nicht kleiner, doch schien auf einmal wesentlich weniger bedrohlich. Weitere ein oder zwei Sehgelegenheiten später, hielt ich ihn für freundlich. Er hätte mich auch auf sein Terrain gelassen.
Bissiger Hund?
Pah! Scheinbissig.
Das Schild war nur für … ja, wozu eigentlich?

Kurz danach lernte ich „seine Leute“ kennen. Ein älteres Ehepaar wohnte in dem Haus. Den beiden gehörte der Prachtkerl. Das Grundstück liegt nahe einer Bahnschranke, die häufig länger geschlossen ist, und so ergab sich beim Warten manchmal ein Gespräch, wenn die beiden gerade draußen mit Gartenarbeit beschäftigt waren.
„Bissig? Er?“, fragte sein Besitzer mich erstaunt, als ich mich vergewissern wollte. „Verraten Sie es nicht weiter, aber er findet beißen eher doof. Der will ja schon sein Fressen vorgeschnitten! Er mag aber keine Fremden, die vertreibt er meistens oder hält sie zumindest auf Abstand. Das Problem ist, dass er keinen mehr als fremd betrachtet, den er mehr als zwei oder drei Male vorbeispazieren sah und denjenigen folglich völlig unbekümmert auf das Grundstück lassen würde.“
(Aha, genau meine Erfahrung.)
„Dann ist das Schild also mehr zur Abschreckung für Nichtwissende?“
„Ja, so etwas in der Art. Zu unserer Absicherung auch. Niemand, der hier ungefragt auf das Grundstück stolpert, kann hinterher behaupten, wir hätten ihn nicht gewarnt.“
„Und was macht er, wenn tatsächlich mal jemand Fremdes zu Ihnen bis an die Haustür will?“
„Er regt sich auf. Bellt. Wenn derjenige trotzdem weiterläuft, rennt er ihn um.“ Es folgte eine ganz kleine Pause, nach der er ergänzte: „Aber den Briefträger, den lässt er wirklich nicht durch die Pforte!“
„Nein? Den müsste er doch wiedererkennen. Mag er ihn denn nicht?“
„Nun, sagen wir es so: Wir mochten ihn nicht. Das reicht ihm im Grunde. Doch wir haben dem Hund mühsam antrainiert, dass er ordentlich anschlägt und mit seinem Machogehabe die Pöstler deutlich daran erinnert, dass unser Briefkasten hier an der Grundstücksgrenze am gemauerten Zaunpfeiler ist und nicht am Haus direkt an der Haustür.
Wir hatten lange einen Austräger, der hat hinterher ständig die Pforte offen stehen lassen, und dann ging der Hund fröhlich auf Wanderschaft. Und noch mehr haben wir uns darüber geärgert, dass der Postbote immer über die Beete lief, weil es für ihn eine Abkürzung war. Glaubt man so etwas? Unser Hund benutzte den Weg, aber der Briefträger latschte quer durch die Tulpen. Nee, nee –  dazu hatten wir keine Lust mehr. Der kommt jetzt also nicht mehr weiter als bis zur Gartentür.“ Der ältere Herr grinste etwas verschlagen. „Der Gute glaubt auch fest daran, dass unser Burschi beißt.“

Ein paar Jahre vergingen, der Hund war inzwischen sehr alt geworden und kam in den Hundehimmel. Die beiden wollten keinen neuen tierischen Hausgenossen, aber das Schild blieb.

Vorsicht!  Bissiger Hund - Blog: Michèle Gedanken(sprünge) - März 2014

Vorsicht! Bissiger Hund

„Das nehme ich nicht weg, braucht ja keiner zu wissen, dass hier kein Hund mehr ist. Und außerdem, da ist ja immer noch die Sache mit dem Briefträger …“ So äußerste sich der Mann.

Nach weiteren drei Jahren verstarb der Herr sehr plötzlich. Seine Frau blieb alleine in dem Haus wohnen. Es kam auch kein neuer Hund.
Das Schild jedoch blieb.
„Nein, nein, das lasse ich auf jeden Fall dort, jetzt, wo ich hier ganz alleine im Haus bin! Das schreckt Einbrecher ab“, erklärte mir die Witwe bei einer Unterhaltung am Zaun.
Mehrere Jahre verbrachte sie noch dort. Im letzten Herbst zog sie aus. Haus, Garten, Reparaturen, das Alter, Treppen steigen … es wurde ihr alles zu viel. Sie ging, das Schild blieb. Es ist heute noch da!
Hat es nun gar keinen Sinn mehr?

Eine Weile stand das Gebäude leer, dann schien jemand sämtliche Räume komplett auszuräumen. Ein Container, der in der Abfahrt zur Tiefgarage abgestellt war, füllte sich zusehends. Seit Jahresbeginn parkten ab und zu Handwerkerautos auf dem Randstreifen direkt vor dem Haus. Offenbar ist alles in neuen Händen.

Vor ein paar Tagen kam ich an dem Grundstück vorbei. Wieder einmal war die Bahnschranke verschlossen. Wartezeit …
Zwei Passanten lehnten sich etwas gegen den Zaunpfeiler und begutachteten über den Zaun gebeugt die bereits abgeschlossene Arbeit eines Handwerkers. In dem Moment trat der neue Eigentümer aus der Haustür und bemerkte die neugierigen Zaunsteher.
Die Fremden!
Und so kam ein recht großes, stürmisches Wesen laut schimpfend vom Haus an den Gartenzaun geschossen. Seine Stimmlage war kein kellertiefer Bass, jedoch ein äußerst dunkler, kehliger Bariton. Beeindruckend.
Das aufgeregte menschliche Wesen beschwerte sich über das ungenehmigte Abstützen auf seinem Pfeiler und sonstige Übergriffe auf persönliches Eigentum. Das war schließlich sein Revier. Es richtete sich am Zaun zu voller Größe auf und ließ die dicken Pranken überhängen. Sein Gebell erklang jetzt in Ohrhöhe der Vorbeigehenden.
Imposant. Und wirkungsvoll!
Man zog verschüchtert davon …

So kam es, dass das alte Schild endlich wieder einen Sinn bekam. Zutreffend warnt es Vorbeikommende vor zu viel Übermut und unbedachten Schritten.
Vorsicht! Bissiger Hund.
Nun, ich werde öfter dort entlanggehen müssen.
Wer weiß, vielleicht ist dieser Hund in Wirklichkeit auch nur so ein Scheinbeißer …

©März 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.com

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„Haben Sie denn nichts Normales?“ Die Nöte der Dame mit Hut …

Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.comGestern fühlte ich mich an etwas aus frühester Jugend erinnert und irgendwie aus heiterem Himmel auch an Loriot und Opa Hoppenstedt. Seinen Ausspruch:
Früher war mehr Lametta!

In meiner Kindheit gab es in dem Gebiet, in dem ich wohnte, nur einen einzigen Lebensmittelhändler auf weiter Flur, der mit seinem kleinen Edeka-Markt (60-70 qm) die Kundschaft aus der Umgebung mit dem Nötigsten versorgte. Dem täglichen Kleinkram. Erst zwei Kilometer davon entfernt hatte ein Metzger ein weiteres Geschäft.
Ein äußerst überschaubares, gleichbleibendes Angebot beim Krämer, doch es gab eine Besonderheit: Jeden Freitag – und nur dann! – räumte er Wurst und Käse in der Kühltheke um, schaffte so etwas Platz für das Highlight der Woche und bot aus dieser winzigen, neu erschaffenen Ecke Sahnetorte an. Eigentlich mehr Sahneschnittchen. Aus Biskuitteig mit üppiger Sahnefüllung und einem gespritzten Ziersahnetuff obendrauf.
Es gab keine große Auswahl!
Die Stücke waren aus demselben Teig und mit der gleichen Füllung, nur die Dekoration unterschied sich minimal. Entweder war auf der Sahnerosette ein Fitzel Ananas aus der Dose oder aber eine rote, künstliche Kirsche.
Es gab jeden Freitag exakt zehn Sahneschnitten im Angebot, um die sich durchaus gerissen wurde. Es war absolut nicht selbstverständlich, regelmäßig eine zu ergattern, denn eine ältere Dame aus der übernächsten Straße war leider ein ausgesprochener Sahneschnittenfan und dummerweise Freitagsfrühaufsteherin. Sie war die härteste Konkurrenz, konnte nur zum Glück nicht das gesamte Angebot selbst verdrücken. So hatten Mitinteressenten eine reelle Chance. Sie kamen, schnappten und gingen ein wenig triumphierend mit den begehrten Schnitten heim, das Kuchenpäckchen wie eine Trophäe vor sich hin balancierend.

Gestern nun war ich Kaffee trinken im Eiscafé, als am Nachbartisch eine ältere Dame Platz nahm. Mit Filzhut, akkurat sitzender Bluse (selbstverständlich bis oben zum Hals ordnungsgemäß verschlossen) und einer vor der Brust baumelnden, an einer Goldkette befestigten Brille. In ihrer Kleidung und ihrem Verhalten hatte sie große Ähnlichkeit mit der Sahneschnittenlady von damals.
Sie entledigte sich ihrer Wolljacke, behielt den Hut jedoch weiterhin auf und hielt nach dem Kellner Ausschau. Früher hat sie mich immer sehr verwundert, diese Sache mit dem Tragen des Huts in geschlossenen Räumen.
War das nicht warm und auch unbequem? Oder gar unhöflich?
Doch irgendwann musste ich einfach akzeptieren, dass zwar Männer den Hut aus besagten Höflichkeitsgründen immer abzulegen haben, es Damen einer ganz bestimmten Generation und oftmals auch Schicht hingegen eingetrichtert bekamen, ihren Kopf bedeckt zu halten und  ihnen deutlich klargemacht wurde, dass es sich nicht schickte und somit strengstens untersagt war, wenn eine – zumindest verheiratete – Dame den Hut absetzte. Egal wo.
Ich selbst hatte eine Zeit lang blauäugig die Vermutung gehegt, dass man nur die plattgedrückte Frisur nicht präsentieren wollte, bzw. eine von vornherein nicht sitzende Haartracht damit verstecken wollte.
Alles verkehrt. Eine Dame braucht einen Hut. Immer. Punkt.

Der Kellner hatte sie erspäht und trat an den Tisch.
„Ich möchte gern Eis“, verkündete die Dame.
„Welches hätten Sie denn gern?“, fragte der junge Angestellte.
„Was gibt es denn?“
Das Eiscafé hat eine sehr umfangreiche Eiskarte, auf die sie jetzt freundlich verwiesen wurde.
„Sie können dort schauen. Es gibt verschiedene Eisbecher, es gibt viele Eissorten, es gibt einige Varianten vom Spaghetti-Eis und Sie können auch noch Kugeln austauschen oder einzeln welche bestellen.“
Die Dame mit Hut hatte anfangs die Brille zum Lesen auf die Nase geschoben, doch angesichts des seitenlangen Angebots hatte sie die Lust verlassen, völlig allein im Heft zu stöbern. Sie setzte sie wieder ab.
„Helfen Sie mir doch bitte mal“, sagte sie, „was schmeckt denn gut?“
Was soll ein Mitarbeiter nur darauf antworten?
Soll er damit herausrücken, dass er persönlich eine Sorte eklig findet? Soll er ihr das nennen, was er mag? Soll er versuchen herauszufinden, was sie mögen könnte? Er entschied sich für Letzteres.
„Wie viele Kugeln möchten Sie denn überhaupt haben?“
„Ich wollte doch hören, was schmeckt …!“
„Ich weiß, nur ich wollte gern wissen, ob ich Ihnen komplette, relativ große Eisbecher mit Soße und Schlagsahne vorschlage oder lieber zwei oder drei einzelne Kugeln, die Sie sich aussuchen.“
„Ach so … Ja, also mehr als drei Kugeln schaffe ich nicht, aber Sahne möchte ich schon.“
„Die können Sie immer dazu bekommen. Mögen Sie lieber Fruchteis oder Milcheis?“
„Was ist denn was?“
Es ist nicht einfach, wenn ein Kellner für zig Tische zuständig ist, eine Karte mit ausführlicher Beschreibung auf dem Tisch liegt, aber nicht benutzt wird, alle Tische besetzt sind, er zu tun hat … und eine Dame mit Hut in dieser Situation nach den grundsätzlichen Unterschieden zwischen Fruchteis und Milcheis fragt.
Er versuchte zu verkürzen und machte konkrete Vorschläge.
„Ich habe zum Beispiel Türkisch Mocca mit Feige. Oder auch Schoko-Crunch-Eis.“
„Ich bin nicht so für Mocca. Haben Sie auch Nuss?“
„Ja, Haselnuss mit richtigen Nussstücken und Walnuss mit Waldbeeren.“
„Hm …“
„Oder vielleicht Marzipan-Ananas mit geröstetem Sesam und Zartbitterschokolade?“
„Ist denn bei Ihnen überall so ein Krümelkram drinnen?“
Ein bisschen schlucken musste er schon. Doch ein Profi lässt sich nichts anmerken.
„Nicht überall, meist in den Trendeis-Sorten. Wir haben aber auch Klassikeis.“
„Dann möchte ich lieber was Normales.“
Spanische Sahne schmeckt sehr lecker.“ Inzwischen hatte er die Karte aufgeklappt und tippte auf eine Liste mit Eissorten. Sie las jetzt mit.
Spanische? Keine deutsche?“
„Das ist jetzt keine Sahne, sondern eine helle Eissorte, die so heißt.“
„Das verwirrt aber …“, stellte sie irritiert fest. „Und was ist Dulze deh Läche?“
Dulce de Leche ist argentinisches Caramel.“
Sie klappte die Karte entschlossen wieder zu.
„Da find ich nichts! Das ist mir alles zu exotisch. Und das ist auch alles viel zu viel! Was soll man denn da nehmen! Ich möchte was ganz Einfaches … Vanille. Haben Sie Vanille?“
„Ja, natürlich. Wir haben auch schwarze Vanille.“
„Vanilleschoten sind doch immer schwarz“, erwiderte sie verblüfft.
„Das Eis ist schwarz“, erklärte der Kellner.
„Schwarzes Eis?“ Sie schaute ihn ungläubig an. „Junger Mann, also schwarzes Eis möchte ich auf gar keinen Fall! Ich wollte einfach normales Eis. Sie blickte ihn leicht verzweifelt an. „Früher gab es immer so schöne Sorten!“ Sehr hoffnungsvoll kam schließlich folgender Satz über Ihre Lippen:
„Haben Sie denn nicht so etwas wie Fürst Pückler?“

Und da war er. Der Moment, in dem Opa Hoppenstedt auftauchte.
Früher war mehr Lam… Fürst Pückler!

Erdbeer, Schokolade, Vanille. Zack! Der Geschmack klar, jedes Eis eindeutig zu erkennen.
Auch mein Krämer damals hatte nur zwei Eissorten in der Truhe. Vanille pur und fürs Wochenende das beliebte rot-gelb-braune Fürstendreierlei.
Da gab es tatsächlich nie lange Diskussionen, was man denn nehmen könnte!
Kein Beratungsbedarf. Die Entscheidung fiel nie schwer.
Hauptsache es war überhaupt da und es gab nicht zu viele Frühaufsteher.

©März 2014 by Michèle Legrand

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Notfallvorbereitungen. Rückfahrkarten? Lichter an Bord! Der neue Bahnfahrtbericht …

„Verehrte Fahrgäste, eine Durchsage für Gleis 3. Der ICE 70 nach Hamburg hat heute voraussichtlich 20 Minuten Verspätung.“
Die Rückreise ab Mannheim am 29. Januar 2014  startet nicht so reibungslos wie wenige Tage zuvor die Hinfahrt ab Hamburg. Ein Vorbote, dass ich noch einiges zu erwarten habe?
Schade, der Hinzug war pünktlich gewesen und die dann folgende fünfstündige Reise nach Karlsruhe verlief sehr positiv und überaus kurzweilig …

„Entschuldigung, darf ich mal …?“, hatte der bärtige Herr kurz nach dem Einsteigen in Hamburg gefragt und unter Ächzen bereits sein Gepäck herumgeschwenkt. Die Gepäckablage über meinem Viererplatzbereich mit Tisch hatte es ihm angetan, während er selbst jedoch auf der gegenüberliegenden Seite vom Gang einen Sitz am großen Tisch für sich reserviert hatte – und die Ablage dort noch völlig frei war.
Ich machte mich klein auf meinem Gangplatz, brachte mein Haupt in Sicherheit und neigte mich schließlich sogar schräg Richtung freiem Fensterplatz, denn er wuchtete wirklich recht beängstigend. Sein Gepäck enthielt möglicherweise Blei …
Ich ließ ihn seinen halbhohen Rollkoffer und eine mittelgroße Reisetasche verstauen. Wunderte mich nur ein wenig, weshalb er beides nicht direkt über seinem Platz lagerte. Als hätte er meine Gedanken gelesen, erklärte er:
„Ich könnte ja die Sachen auch da drüben hinpacken, aber so sehe ich sie besser.“
Vielleicht hatte er nicht Blei geladen sondern Gold …
„Letztens habe ich nämlich Gepäck vergessen“, erzählte er weiter, „das war eine Aktion! Ich hoffe, auf diese Art passiert mir das nicht noch einmal! Obwohl – ich muss sagen, abgesehen von der Aufregung lief es hinterher echt toll!“
Das weckte meine Neugier und so hakte ich nach.
Er war irgendwoher via Hamburg mit dem Ziel Sylt auf Reisen gewesen und hatte dazu in Elmshorn umsteigen müssen. Sein Startzug war von dort planmäßig weiter nach Kiel gefahren, das Ziel der nun folgenden Nord-Ostsee-Bahn hingegen war das erwünschte Westerland auf der Insel im hohen Norden. Drei Teile hatte er ursprünglich besessen, hinter Elmshorn wurde ihm siedendheiß gewahr, dass es Schwund gegeben hatte.
Ein Koffer war unauffindbar!
Er war der festen Überzeugung gewesen, alle Teile beim Umsteigen in Elmshorn mit auf dem Bahnsteig gehabt zu haben. Bei einer Sitzbank gestapelt während der Wartezeit. Er musste dort das Vermisste stehengelassen haben. So hatte er aufgeregt den Zugbegleiter kontaktiert, die Sache entsprechend geschildert und um Hilfe gebeten.
Der Schaffner hatte sich außer nach den Umständen auch nach der Art und Beschaffenheit des Gepäckstücks erkundigt, alle Angaben über Funk weitergeleitet und hatte ihm freundlich zugesichert, sich bei ihm zu melden, sobald er etwas erfuhr.
Irgendwo zwischen Glückstadt und Itzehoe war die Suchmeldung rausgegangen, bereits eine Stunde später in der Nähe von Husum konnte er Neuigkeiten überbringen.
„Ich war total verdutzt“, berichtete mir der Zuggast, „denn man sagte mir, der Koffer sei gar nicht in Elmshorn, sondern in dem Zug nach Kiel gefunden worden. Ich hatte ihn dort liegengelassen! Ich hatte also eine Falschaussage gemacht, und sie haben das Teil trotzdem in der kurzen Zeit ausfindig gemacht.“
„Und was passierte dann? Wie haben Sie denn Ihren Koffer wiederbekommen?“
„Nun, ich hätte den Koffer in Kiel abholen können, aber das passte mir zeitlich gerade überhaupt nicht. Aber wissen Sie was? Mir hat die Deutsche Bahn mein Gepäck per Nachnahme für 20 Euro und einen Cent nach Hause geschickt! Nichts fehlte im Koffer! Selbst mein angebissenes Brötchen war noch da! Das ist ein Service, oder? Ich war so glücklich!“
Ich drückte selbstverständlich meine Begeisterung über das Wiederauffinden und die kundenfreundliche Aktion aus. Klar, dass man sich darüber freut!
Er war mittlerweile fertig mit seiner Verstauaktion, nahm nebenan Platz und bemerkte nach einer kleinen Pause:
„Lustig mit dem einen Cent, oder? Und stellen Sie sich mal vor, ich hätte den Koffer in Hamburg auf dem Bahnsteig vergessen. Die hätten doch den Hauptbahnhof gesperrt und das Ding gesprengt!“

Mit diesen Worten biss er genüsslich in sein Schokocroissant, schälte seine Banane und fiel mir bis Karlsruhe nicht mehr weiter auf – was mehrheitlich daran lag, dass ab Hannover neue Mitreisende zustiegen. Eine nette Dame aus dem Süden Deutschlands setzte sich mir gegenüber, und dann gab es noch den Herrn, der eigentlich einen anderen, einen Einzelplatz reserviert hatte.
Sein Blick war zwischen diesem Platz und dem Tisch, an dem die Dame und ich saßen, einige Male hin- und hergewandert. Zwei Plätze bei uns waren noch unbesetzt, darunter ein Fensterplatz. Seiner lag sehr abseits, direkt an der sich dauernd öffnenden und schließenden Glastür und zeigte entgegen der Fahrtrichtung.
„Sagen Sie, ist bei Ihnen noch frei?“ Er liebäugelte also tatsächlich mit einem Platzwechsel. „Ich habe zwar einen Platz“, er wedelte mit der Hand in die entsprechende Richtung, „aber ich weiß nicht, ob ich dafür nicht womöglich eine Rückfahrkarte brauche …“
Das ist mal originell, oder?
Falsche Sitzrichtung, neue Fahrkarte? Rück-fahrkarte …
Ich musste jedenfalls grinsen.
„Hier ist frei“, teilte ich ihm mit,  „Sie müssen nichts riskieren.“ Auch ich nicke in Richtung seines zweifelhaften Waisenplatzes. „Sie können aber ab Frankfurt wieder auf Ihren ursprünglichen Platz gehen, ab da sitzen Sie fahrkartenmäßig korrekt vorwärts.“
Er griente ebenfalls und beteuerte nicht ganz so glaubhaft, dass er auch auf keinen Fall stören werde.
Wenn jemand das schon so hervorhebt … Ich wollte es beobachten.
Er hatte kaum Platz genommen, als ihm einfiel, dass er noch etwas aus seinem Gepäck benötigte, welches sich natürlich woanders – außer Reichweite – befand.
„Darf ich bitte noch einmal durch“, ertönte es höflich an meiner Seite.
„Schon wieder?“, fragte ich und versuchte, zumindest leicht entrüstet auszusehen.
Zum Glück war ihm sofort klar, dass ich nicht wirklich am motzen war. Und so entstand aus dem kurzen Anfangs-Smalltalk eine insgesamt mehrstündige Unterhaltung, an der sich auch lebhaft die gegenübersitzende Dame beteiligte und bei der viele interessante Themen zur Sprache kamen …

Doch nun ertönt auf dem Mannheimer Hauptbahnhof an einem kalten Endjanuartag die ungeliebte Verspätungsbenachrichtigung.

Zum Glück bleibt es bei den 20 Minuten. Ich habe diesmal einen Platz in der handyfreien Zone. Nach einem ganzen Tag unterwegs und bei einer Rückfahrt in der Dunkelheit, steht der Ausruhwunsch im Vordergrund. Da ist es schön, wenn nicht alle laut telefonieren oder sonstigen Heckmeck mit ihren Smartphones treiben.
Ruhe? Pustekuchen!
Zwei Damen mittleren Alters krakeelen dauerhaft lautstark herum, missachten obendrein die Sache mit dem Handyverbot, und eine von ihnen schnieft dermaßen, dass die Bazillen zur Ansteckung einer ganzen Armee ausreichten. Offenbar kennt sie auch keine Taschentücher.
Ihre zahlreichen Handygespräche (inkl. wiederholter Neuversuche, weil mittendrin der Empfang schwindet) nehme ich eine Weile hin, doch als sie anfängt, der Sitznachbarin via Mobiltelefon merkwürdige, quäkige Witzsongs, die mit der Bahn zu tun haben, vorzuspielen, reißt mir der Geduldsfaden. Ich bitte sie – wahrscheinlich zu energisch – das Zeug leiser zu stellen und weise sie auf die Ruhezone hin. Sie ist schwer beleidigt, wird etwas ausfallend, sucht erst mit Verspätung nach dem Aufkleber mit dem durchgestrichenen Handyzeichen am Fenster und schweigt dann mit verkniffenem Mund.
Leider nur kurz.
Das Gespräch mit der Nachbarin lebt wieder auf. Ach, wie armselig … Sie beklagt sich über mich – in mehr als Zimmerlautstärke. Sie weiß genau, dass sie lauter ist und dass ich es höre. Ich soll es hören!
„Dass sich manche immer gleich so anstellen müssen! So eine Zicke!“
Vor selbstgerechtem Mitleid und vor allem Entrüstung entwickelt sich bei ihr ein Hustenanfall.
Sich anstellen. Ich. Immer. Gleich. Ach, Süße, … Sorry, aber auf Reaktion von mir kannst du jetzt lange warten.
Dennoch reicht es  mir irgendwann. Ich beschließe kurzerhand, den Speisewagen aufzusuchen. Vielleicht gibt’s da nettere und vor allem ruhigere Gesellschaft.

Man gewinnt den Eindruck, dass es hinter Kassel an diesem Tag im ICE 70 um kurz nach halb neun abends eine nicht zu unterschätzende Zahl weiterer Nervtöter geben muss, jedenfalls haben viele Geplagte die Flucht zum Speisewagen ergriffen. So scheint es. Es ist ziemlich voll dort.
Wie geht es Ihnen, wenn Sie einen Platz unter solchen Umständen suchen? Achten Sie auf das Aussehen der Leute, die da sitzen oder eher auf eine Lücke, wo Sie vielleicht noch unterkommen können?
Ich schaue auf leere Plätze, weniger auf die Gäste.

Ein einziger Einzelplatz ist frei und wird meiner. Vor mir auf dem Tisch liegt ein Papierset bedruckt mit der aktuellen Speisekarte. Im Moment erscheint darauf Horst Lichter, der (Fernseh-)Koch mit dem gezwirbelten Bart, denn er hat für das gastronomische Angebot der Deutschen Bahn drei warme Bio-Gerichte kreiert. Grünkohl mit irgendwas dazu, Rindergulasch mit Knödeln nebst Rotkohl und einen Kartoffel-Lauch-Eintopf. Doch ich möchte lediglich etwas trinken und schaue jetzt suchend hoch, um den jungen Mann vom Service heranzubitten.

Horst Lichter - Bio-Gerichte für die Deutsche Bahn AG

Horst Lichter – Bio-Gerichte für die Deutsche Bahn AG

Blicke vom besagten Blatt mit dem Koch auf in ein reales Gesicht, das genau dasselbe ist! Stutze, bin komplett verblüfft und merke erst mit einer kleinen Verzögerung:
Er sitzt tatsächlich mit mir im Speisewagen: der originale Horst Lichter!

Er ist beschäftigt. Spielt mit einem anderen Reisenden auf dessen Tablet gemeinsam „Dame“. Stellt fest, dass er mit seinem Spielzug „die Welt auch nicht mehr gerettet kriegt“, kommt im Laufe der Zeit noch mit anderen ins Gespräch, mit einem Fondsmanager genauso wie mit weiblichen Wesen, diskutiert entspannt und gutgelaunt, philosophiert über das viele Reisen, hat Interesse an diversen, höchst unterschiedlichen Themen, verrät, dass er zu 95 % direkt im Speisewagen reist, bedankt sich schließlich beim Bezahlen beim Kellner mit der Bemerkung „er habe sich hier wie zu Hause gefühlt“, freut sich, dass er immer tolle Menschen kennenlernt und rüstet sich zu guter Letzt kurz vor Hannover zum Aussteigen.
Über den grauen Strickpulli mit Zopfmuster kommt die olivgrüne Steppjacke, der Hartschalenkoffer wird unter dem Sitz hervorgeholt (offenbar startete die Reise direkt im Speisewagen) und mit einem aufgeräumten „Auf Wiedersehen und gute Weiterfahrt!“ wendet er sich dem Ausgang zu. Ein Fahrgast am Nebentisch ruft ihm zu:
„Herr Lichter, ich hatte gerade die Königberger Klopse. Also an denen müssen Sie aber noch arbeiten!“
„Die sind nicht von mir“, lautet die ruhige Antwort. Der Koch beugt sich über das Platzset mit der Speisekarte am Tisch des Mannes und zeigt auf die drei Bio-Gerichte. „Hier, die sind von mir. Davon müssen Sie essen.“
Und weg ist er.  Wenig später erklingt seine Stimme jedoch aus dem Vorraum. Dort ist er bereits mit dem nächsten Reisenden im Gespräch …

Ich wage mich zurück an meinen Platz und habe Glück. Die Dame, die mich vorher zickig fand, ist mittlerweile ausgestiegen. Wir haben inzwischen eine knappe halbe Stunde Verspätung, und der Zugbegleiter informiert laufend über Lautsprecher über den aktuellen Stand der Dinge.
Hamburg ist fast erreicht.
Plötzlich erfolgt eine Notbremsung! Ein merkwürdiger Ton erklingt über die Anlage. Keine Erklärung.  Etwas unheimliche Stille.
In meiner Nähe, eine Reihe weiter und mir gegenüber, sitzen zwei junge Herren, die sich schon ein Weilchen über die Verspätung und die sich minütlich ändernden Ansagen amüsieren. Sie kommentieren. Jetzt, infolge des rasanten Bremsmanövers, springt einer der beiden auf und beugt sich über die Sitzlehne hinüber in meinen Bereich. Dort hängt am Fenster der Nothammer.
„Mein Herz!“, ruft er und fasst sich theatralisch an die Brust. Mit der anderen Hand langt er Richtung Nothammer. Ich blicke wohl erstaunt.
Er stoppt die Aktion.
„Vorsichtmaßnahme für den Notfall. Muss doch den Griff schon üben …“, erklärt er mir treuherzig.
„Du Spinner!“
Das sage nicht ich, das ist der Kommentar seines lachenden Freundes.

Ach, liebe Leser, es ging alles gut. Es hat dann nur noch zehn Minuten gedauert, weil irgendein Weichenproblem bestand. Dann war ich daheim. Fast jedenfalls.
Und wieder einmal stellte ich fest: Es gibt doch kaum einen Ort, an dem mehr los ist, als im Zug.

©Februar 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - WordPress.com - ©Foto Andreas Grav

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Spontane Schoßgäste, Jagd auf Aliens, gekappte Daumen und Glitzerziegen: Bahnfahrterkenntnisse (2)

Neulich habe ich mich richtiggehend erschrocken!
Karlsruhe Hauptbahnhof. Ich wartete auf den Zug, der mich heimbringen sollte. Der Bahnsteig füllte sich und eine knackende, rauschende Lautsprecherstimme verkündete, dass ICE 74 in Kürze einlaufen würde.
In Kürze!
Das ist relativ. Oft dient diese Ansage gefühlt nur der Besänftigung der Wartenden. Doch ich wollte zuversichtlich sein.
Nun, immerhin sagt sie ihn schon an, dachte ich.
Ich hatte den Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, da fuhr der Zug auch schon ein!
Vor der Fahrplanzeit!
Haben Sie das schon einmal erlebt?
Vorher?
Und der Schock war noch nicht vorbei!
Der Zug hatte auch alle Waggons dabei! Sogar meinen, in dem ich reserviert hatte!

In der letzten Zeit hatte ich anderes erlebt. Nicht immer die Schuld der Bahn, möchte ich betonen, denn häufig waren die Verspätungen und Ausfälle eine Folge von Unfällen an der Strecke, entstanden durch mutwillige Beschädigungen an Gleisen und Weichen sowie durch Vandalismus im Zug in einer Form, dass Waggons nicht mehr benutzbar waren und Ersatzzüge fuhren (die, bei denen dann die ursprünglich genannten Waggons nicht immer alle dabei sind).
Bei mir kam jedoch das Original. Superpünktlich! Ein gutes Zeichen?
Es fing zumindest vielversprechend an. Dementsprechend war ich nun überaus neugierig auf meine Sitznachbarn. Sie wissen aus Teil (1), man kann auch neben verdrießlichen Steinen landen, die man erst neutralisieren muss, um angenehm zu reisen. (Neutralisieren sagte ich, nicht eliminieren.)
An diesem Tag stellte ich fest, dass ich wieder einmal unerhörtes Glück mit den Reisegefährten hatte. Es begann so:

Frankfurt - vom Zug aus gesehen

Frankfurt – vom Zug aus gesehen

Der Großraumwagen ist schon dicht belegt, der Nachweihnachtsreiseverkehr ungebrochen. Gedrängel im Zug, Staus im Gang, und es dauert ein Weilchen, bis ich am Zielort ankomme. Meinen Platz am Vierertisch kann ich anfangs nicht einnehmen, denn mein Sitznachbar hat sich ein bisschen ausgebreitet, solange keiner neben ihm saß. Bücher liegen kreuz und quer auf dem Tisch, ein MP3-Player auf seinen Beinen, die Winterjacke auf dem freien Platz. Die Zwischenarmlehne ist hochgeklappt, er hängt bequem leicht quer und ist gerade beschäftigt. Hört auch nichts, weil die Ohrhörer drin sind. Sein Gegenüber macht ihn darauf aufmerksam, dass ich da bin, noch ehe ich dazu komme, mich selbst direkt an ihn zu werden.
Mein zukünftiger Nachbar wird etwas hektisch, springt hoch, schiebt alles wild zusammen, bleibt im Kabel hängen, das vom Ohr zum MP3-Player führt und sucht nebenher seinen rechten Schuh.
Wir einigen uns darauf, dass er den Tisch vorerst belegt lassen kann und nur sich sortiert.
(Das war der Anfang einer Freundschaft, die bis Hannover andauerte und nur endete, weil er mich dort verließ.)

Ich habe in ihm einen sehr intelligenten und freundlichen Schweizer als Sitznachbarn, der aus der Nähe von Luzern kommt, thailändischer Herkunft ist und mit Schweizer Dialekt spricht. Das ist ein wenig so, wie wenn Yared Dibaba auftaucht und plattdeutsch lossnackt.
Bald hockt er recht dicht neben mir, und ich werde regelrecht gelöchert, woher ich komme, wohin ich will, ob ich seine Stadt kenne etc. Ich stehe Rede und Antwort, was ich bei mir noch fremden männlichen Wesen sonst nicht sofort mache, doch sein Vater ist dabei. Der Herr gegenüber. Der wird den Sohn schon im Auge behalten …
Mein Nachbar Simon verrät mir nach der ersten Kennenlernphase vertraulich, dass er „schon“ zehn Jahre alt sei. Die Bücher auf dem Tisch sind u. a. einige Drei-Fragezeichen-Bände. Über Justus, Peter und Bob kann man sehr gut Unterhaltungen führen. Und über Luzern. Denn ich kenne das Verkehrshaus dort, was ihn freut, weil er es mag. Und über Thailand. Und Hannover. Dahin ist er unterwegs und will die Oma besuchen.
Sie sind schon eine Weile auf Reisen. Sein Vater hatte es sich so schön gedacht: Ganz viele Bücher und Musik im Ohr sollten den Filius leicht ein paar Stunden beschäftigen, doch er verrät, dass der Kerl schon kurz hinter Basel Hummeln im Hintern hatte und sich nicht auf Bücher konzentrieren konnte. Es gab zu viel im Zug, was ablenkte. Leider immer nur kurzzeitig. Danach kamen jedes Mal die obligatorischen Fragen: Wann sind wir da? bzw.  Was kann ich jetzt machen? Es ist ganz offensichtlich, dass er über die lockeren Unterhaltungen zwischen seinem Sohn und mir sehr erfreut ist, kommt er doch nun selbst zum Lesen und Verschnaufen.
Nach zehn Minuten plagen ihn jedoch offenbar genau deshalb Skrupel, denn er sagt dem Sohn:
„Nun lass die Dame mal wieder ein bisschen in Ruhe.“
„Okay … Was kann ich machen?“

Der Vater erinnert sich an Käsekästchen. Kennen Sie dieses Striche zeichnen – auf möglichst kariertem Papier – und dabei Kästchen bilden?  Immer wenn ein Kästchen alle vier Seiten hat, darf der, der es mit dem letzten Strich geschlossen hat, es als seins betrachten und sein Zeichen (Kreis oder Kreuz) hineinmalen. Wer am Ende die meisten hat … Sie kennen das.
Ich habe es ewig nicht gemacht.
Der Vater findet den mitgenommenen Stift nicht.
„Ich weiß genau, ich habe einen in deinen Rucksack getan“, verkündet er und wälzt den Inhalt des Gepäckstücks um.
„Du musst das immer ordentlich einsortieren, Papa, dann findet man das auch“, vermeldet Simon weise.
„Wir wär’s, wenn du es das nächste Mal selbst machst?“ Touché. Der Vater lässt die leichte Kritik nicht so auf sich sitzen.
„Ja, mal schauen …“, meint Simon.
Immer vage halten, gell? Fast wäre der Schuss nach hinten losgegangen. Ich helfe mit einem meiner Stifte aus, woraufhin der Knabe das Spiel nicht mit dem Herrn Papa sondern mit mir spielen möchte.
„Ja, Simon, aber …!“ Die Skrupel kommen wieder durch.
„Ist ja ihr Stift, Papa!“
Überzeugt?

Bahnfahrt Karlsruhe - Hamburg / Käsekästchen malen mit Simon ...

Bahnfahrt Karlsruhe – Hamburg / Käsekästchen malen mit Simon …

Es hält uns solange beschäftigt, bis es immer schwieriger wird, keine weiteren Kästchen zu bilden bzw. es schwerfällt, nicht Vorlagen für den Gegner zu produzieren. Ihm unterlaufen Fehler, und er befürchtet, ich könnte am Ende besser abschneiden. Gewinnen …
„Du, wir machen später weiter …“, informiert er mich ganz nebenbei.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Später war dann nie. Ein schlaues Bürschchen, wie gesagt …
„Ja, klar“, antworte ich.

So verging die Zeit. Der Abstand bis zur erneuten Frage nach der  Restdauer der Reise hatte sich verlängert. Ganz einfach wäre die Beantwortung auch nicht gewesen, denn der Zug fuhr seit einiger Zeit etwas langsamer …

In Frankfurt treffen wir bereits mit Verspätung ein. Im Zug wird informiert, dass es einen Notarzteinsatz bzw. einen Unfall an der Strecke gab und wir daher nun ab Frankfurt eine Umgehungsstrecke fahren würden. Ankunft in Kassel mit vermutlich 40 Minuten Verspätung. Mein junger Freund zeigt Anzeichen von Verzweiflung, daher hoffe ich auf Verstärkung bei der Unterhaltung in Form von in Frankfurt neu zusteigenden, freundlichen Lebewesen.
Wir betrachten gemeinsam, wer sich durch die Gänge schiebt. Eine Frau trägt ein Bärenjunges vor dem Bauch mit sich herum.
Wie? Bärenjunges?
Der zweite Blick klärt auf, es ist ein Baby im Bärenoutfit. Es steckt in einem Overall mit angenähten Fäustlingen/Füßlingen, inkl. Kapuze mit sehr markanten Bärenohren. Alles aus braunem Teddyplüsch. Und die Mutter hat ihr Baby darüber hinaus nicht „hochkant“ vor sich sondern quer, Arme und Beine schlaff herabhängend lassend. Täuschend ähnlich, dieser Bär.
Simon findet das sehr lustig. Aber er selbst möchte nicht so einen Anzug tragen. Die Ablehnung als Antwort auf meine Frage kommt schnell und klingt absolut sicher.

Frankfurt/Main - Hauptbahnhof

Frankfurt/Main – Hauptbahnhof

Mittlerweile findet ein Platzgetausche  statt. Am Vierertisch nebenan wird umarrangiert. Das vorhin fast eingeschlafene junge Mädchen, das bisher am Gang saß, wechselt auf einen freien Einzelplatz einige Reihen weiter, während zwei junge Herren dadurch nun zusammen sitzen können und fortan sich gegenübersitzend die beiden Gangplätze neben uns belegen. Anfangs schätze ich die zwei auf 16-18, doch später stellt sich heraus, dass der Ältere der beiden schon 21 ist, der andere und nur unwesentlich jünger.

Der Zug befindet sich nun auf einer kurvenreichen, nicht für die Geschwindigkeit eines ICEs ausgelegten Strecke. Da man seitens der DB jedoch offenbar gern Zeit einholen möchte, wird ziemlich gebrettert. Bei Weichenpassierung mit Gleiswechsel werden Zuggäste und auch Personal stark durchgerüttelt. Ich drücke den armen Simon einmal fast ein bisschen platt. Als Konsequenz hält er mich danach mannhaft eine Weile fest und stützt mich ritterlich. Vielleicht ist es auch ein Selbsterhaltungstrieb.
Für ihn ist die Strecke wesentlich interessanter als die ursprünglich geplante. Man lernt auf dieser Tour nämlich das Hessische kennen. Es geht über Land. Friedberg, Wetterau, Marburg, Borken … und nebenher huscht der Zug durch haufenweise kleine Bahnhöfe, deren Namen an Leutheusser-Schnarrenberger erinnern. Nicht an die Dame direkt, doch diese Namenskonstruktionen klingen genauso und sind vermutlich auch auf die gleiche Art entstanden: durch Heirat. In dem Fall von Gemeinden.

Eine junge Frau torkelt durch den Zug. Stocknüchtern, alles Gewanke ist nur eine Auswirkung der Kurvenstrecke. Wieder eine Weiche. Und – schwups – hat es sie auf den nächsten Schoß geschmissen. Er gehört einem Herrn, der sich zunächst verschrickt, Anstalten macht aufzubegehren, danach sieht, was auf ihm gelandet ist, es sich anders überlegt und stattdessen freundlich zum Verweilen einlädt.
„Ach, bleiben Sie doch …!“
Es klingt gar nicht nach billiger Anmache, einfach nur humorvoll. Sie verzichtet, lehnt dankend ab und rappelt sich auf. Sie steht noch gar nicht wieder ganz senkrecht, da schießt der Zug rasant in eine engere Kurve. Sie fällt zur anderen Seite – auf Schoß Numero 2.
„Von mir aus können Sie auch hier bleiben“, grinst der Schoßbesitzer und äfft hinüber zu dem vorherigen Auffänger: „Ich gebe Sie Ihnen nicht zurück!“
In einem Ton, bei dem Sie sich das Ätschibätsch dazudenken dürfen. Ihr wird es langsam peinlich.
„Ich wollte mir einen Kaffee aus dem Bistrowagen holen, aber ich glaube, den werde ich zurück nicht mit an den Platz nehmen, sondern lieber dort trinken. Heißer Kaffee im Schoß wird von Ihnen sicher nicht so freundlich begrüßt.“
„Nun, das stimmt!“

Es beruhigt sich wieder und Simon fragt, wann wir denn nun ankommen. Es ist höchste Zeit für neue Attraktionen.

Die beiden jungen Herren, die neben uns sitzen, sind Brüder. Sie vertreiben sich die Zeit mit lesen und einem Spiel auf dem Handy. Der jüngere liest anspruchsvolle Lektüre, der ältere hat irgendein Fachheft zugunsten des Spiels weggelegt. Simon steht auf, stoppt bei dem Spieler und stellt sich vor.
„Ich bin Simon. Ich bin aus der Schweiz. Komme aber aus Thailand. Und wie heißt du?“
„Ich?“ Sein Gegenüber wirkt noch leicht überrumpelt. „Julius.“
„Wie Cäsar?“
„Hey, den kennst du?“ Julius ist überrascht, denn Simon wirkt jünger als zehn.
„Ja, kenne ich. Einer von den Römern. Ist aber schon lange tot.“
Julius’ Bruder grient über den Rand seines Buches.
„Was spielst du denn da?“ Simon hat die Förmlichkeiten erledigt. Ihm brennen nun Fragen unter den Nägeln.
Julius erklärt ihm das Spiel bereitwillig, Simon steht weiter im Gang, schaut ein Weilchen über die Schulter zu, bis der junge Mann innehält und ihm das Handy reicht.
„Hast du gesehen, wie es geht? Willst du selber mal? Nimm’s doch mit auf deinen Platz. Hier wollen ja dauernd welche durch. Kannst es mir später wiedergeben – wenn der Akku leer ist.“
Das ist sehr generös. Doch Julius hat natürlich ein weiteres Handy, das für die wirkliche Kommunikation gedacht ist. Das andere ist lediglich sein Zweithandy, fungiert als reines Spielegerät.
Der Schweizer ist begeistert. Sein Vater auch. Es bedeutet für ihn, die nächste Viertelstunde ist zumindest gerettet.
Von meinem Nebenplatz kommen jetzt komische Geräusche. Das Spiel hat er auf lautlos gestellt, doch er selbst kann nicht völlig still bleiben. Er schwenkt das Handy, mit beiden Händen quer haltend, wild durch die Gegend, macht merkwürdige Verrenkungen, zischt genervt, hält die Luft an und wird stocksteif, jubelt zwischendurch und verkündet nach einer Weile:
„Ich habe ein Alien gefangen!“ Und mit Blick hinüber zu Julius: „Und was jetzt?“
„Ein Alien?“ Julius wirkt irritiert.
„Ja!“
„Zeig mal!“

Simon stellt sich mit dem Handy neben Julius und zeigt auf das Display.
„Das ist kein Alien, das ist eine Schildkröte.“
„Aha. Sieht aber aus wie ein Alien. Ist ja auch egal. Was kommt jetzt?“

Ihm wird geholfen, doch offenbar war das Schildkröte einfangen der Höhepunkt in diesem Level. Simon beschließt daher, eine Pause einzulegen.
„Papa, wann sind wir da?“

Wir erreichen Kassel. Am Vierertisch nebenan ändert sich die Fensterbesetzung. Eine Mutter mit einer achtjährigen Tochter gesellt sich dazu. Die Kleine ist anfangs enorm schüchtern angesichts der großen Jungs. Auch sie hat u. a. elektronisches Spielzeug dabei, eine Art Konsole speziell für jüngere Kinder. Bunt mit großen Knöpfen. Die großen Jungs und auch Simon sind fasziniert von der Einfachheit des Spiels und den gar reizenden, lieblichen Figuren, die darin vorkommen. Auch sie wollen nun Prinzessinnen retten.
„Die müsst ihr nicht retten, die sollt ihr ankleiden!“, erklärt die Jüngste der Runde. Sichtlich stolz, dass sie mehr weiß.
Julius fällt etwas ein. Er stößt seinen Bruder leicht mit dem Fuß am Schienbein an.
„Gib mal bitte die Sachen von Oma raus.“
Die beiden haben ihrer Großmutter nach Weihnachten einen Besuch abgestattet und haben dort etwas abgesahnt. Sie haben eine besondere Oma, denn ihre holt regelmäßig beim Einkaufen Sticker für ihre Enkel. Immer noch! Julius erzählt, dass sie damit vor vielen Jahren angefangen hat und nun nicht mehr damit aufhört.
Und was sagen die jungen Männer dazu?
„Wir finden das cool, wir sind noch nicht zu alt für Sticker!“, beteuert Julius und zeigt  auf seinen Bruder. „Er hier, er war sogar noch auf einer Tauschbörse vorhin!“
Auf dem Tisch landet eine große Tüte. Darin befinden sich Unmengen von teilweise noch ungeöffneten Stickersammeltüten. Es muss sich um mehrere Serien handeln, denn die Verpackung ist höchst unterschiedlich.
Die Kleine bekommt Stielaugen. Sticker! Und eine Serie scheint sie zu erkennen. Die Tiersticker. Aber es erscheinen auch Motive aus Deutschland, Bilder zu Sportthemen, Sticker zu Filmen und vieles mehr.

In der nächsten Stunde sitzen Alt und Jung einträchtig beieinander und sortieren Sticker, kleben sie sogar in Sammelalben ein.
Ja! Die großen Jungs haben auch bunte Alben!
Und überzählige Exemplare landen bei dem Mädchen, das sein Glück gar nicht fassen kann. Julius hält ihr einen Sticker hin.
„Kennst du das, was da drauf ist?“
„Nein …“
Sie schaut verlegen.
„Das ist die Frauenkirche in Dresden.“
„Aha …“

„Sieht doch schön aus, oder …?“
„Ja, schon … und was ist das?“
Die Frauenkirche konnte sie nicht ganz so fesseln, sie hat daher ein weiteres Motiv aus dem Stapel gepickt. Julius schaut es sich an, dreht es, runzelt die Stirn und hält es dem Bruder hin.
„Was ist denn das für ein Tier?“
Der Angesprochene schaut es sich an und lacht:
„Das Tier gibt es doch gar nicht!“
Julius hat den Sticker umgedreht und entziffert ein Wort.
„Da steht, das ist ein Wolpertinger. Siehst du, das Tier gibt es doch!“
„Mann, das ist ein Fantasietier, ein Wolpertinger ist ein Fabelwesen! Das gibt es nicht! Habe ich dir doch gesagt.“
Julius grübelt und tippt auf das Bild.
„Sag mal, stammt der von Werner? Der hat doch mal so was gemacht, oder nicht?“
„Der hat zwar so etwas entworfen, aber aus anderen und auch noch mehr Tieren zusammengesetzt. Der Wolpertinger auf dem Sticker ist der aus Bayern, dieses alte, bayerische Fabelwesen.“
„Mensch, du bist echt ein wandelndes Lexikon
“, staunt Julius anerkennend.
Er nimmt den nächsten Sticker.
„Und wer ist bitteschön Aurora?“ Es klingt ein wenig herausfordernd.
Sein Er-erspart-mir-das-Nachschlagewerk-Bruder zieht nur leicht die Augenbraue nach oben.
„So nennt Disney sein Dornröschen …!“
Spricht’s, fischt nach einem anderen Album und klebt Aurora auf die entsprechend dafür vorgesehene Seite.
„Blättere noch einmal eine Seite zurück!“, bittet Julius.
Die Vorseite ist für Arielle und ihre Freunde reserviert. Einige Sticker fehlen noch.
„Was wolltest du denn gucken?“
„Schade, die Riesenmuschel fehlt immer noch“, bedauert Julius.
Alle filzen die restlichen Tüten und suchen im Stickerberg auf dem Tisch nach der Muschel. Vergebens. Dafür tauchen andere Schätze auf.
„Oh, die Glitzerziege!“ Die Brüder jubeln und sind außer sich vor Begeisterung.
Sie erklären dem Mädchen, dass sie diese Ziege leider unbedingt behalten müssten, die sei derbe cool. Als Alternative schnappt sich der Allwissende ein anderes funkelndes Motiv.
„Hier, du kannst aber Beethoven in Glitzer haben.“
Ah, wir haben jetzt offenbar die Musiker/Komponisten-Serie erwischt. Oder ist das eine einzige, thematisch breit gefächerte Glitzerserie? Ziegen und Beethoven …
Simon sortiert und macht Häufchen. Die Konzentration bei der Kleinen lässt langsam nach. Um ihren Hals baumelt ein Gurtband, an dessen Ende sich ein silberner Karabinerhaken befindet. Sie spielt mit den Fingern daran herum und steckt irgendwann den Haken in den Mund. Auf einmal fließen Tränen. Die Lütte hat sich mit dem Karabinerhaken die Lippe verklemmt! Während ihre verschreckte Mama sie befreit, entpuppt sich Julius als Retter der Situation und sorgt für Ablenkung.
Er kennt einen Trick mit seinen Händen, bzw. mit den Fingern. Er schafft es, es so aussehen zu lassen, als würde er mit der einen Hand die Daumenkuppe des einen Daumens abtrennen und beiseite schieben. Dazu knickt er den Daumen der einen Hand nach hinten, so dass nur noch das Stück bis zum Gelenk zu sehen ist, und setzt die Kuppe vom Daumen der anderen Hand daneben. Dazwischen verdeckt sein Zeigefinger den Ansatz. Er „fährt“ die Finger auseinander, was auf eine Art kolossale Heiterkeit hervorruft, aber im selben Moment ein beachtliches Schaudern sowie Gänsehaut hinterlässt. Das Mädchen hat jedenfalls ihre Lippenblessur völlig vergessen.
Das stürmische Gelächter veranlasst weitere Mitreisende hinüber- und dabei zuzusehen. Im Endeffekt lernen in den nächsten Minuten zehn Leute diesen neuen Trick und verbreiten ihn vermutlich in nächster Zeit weiter. Es wird Kreise ziehen, und es wäre interessant zu wissen, welche Reichweite Julius’ Demonstration erzielt.
Wenn Ihnen in nächster Zeit jemand damit kommt, dann reiste er vielleicht kürzlich im ICE Richtung Hamburg …

Moment, ich muss kurz einmal auf die Uhr schauen…. Oh, schon so spät!
Nun, Sie kennen das inzwischen, ich muss weg. Und wenn unser Treff hier länger ausfiel, dann kennen Sie das mittlerweile auch. Ich bin halt kein Freund davon, ein für mich durchgehendes Erlebnis in tausend Einzelposts aufzusplitten. Gönnen Sie sich gegebenenfalls doch einfach ein Päuschen beim Lesen. Es läuft Ihnen ja nicht weg.

Und wieder daheim ... Hamburg Hauptbahnhof am 28.12.2013, noch mit der Weihnachtsdekoration

Und wieder daheim … Hamburg Hauptbahnhof am 28.12.2013, noch mit der Weihnachtsdekoration

Die Reise endete mit am Ende 47 Minuten Verspätung. Für Simon und seinen Vater in Hannover, wobei Simon jetzt auf einmal gern weitergefahren wäre.
„Sind wir schon da?“, fragte er erstaunt, und es klang ein wenig enttäuscht.
Der Rest der Gesellschaft fuhr bis Hamburg. Dort war dann das kleine Mädchen untröstlich, die neuen, großen Ersatzbrüder zu verlieren. Immerhin versüßten all die geschenkten Sticker den Abschied.
„Mama, darf ich die bei mir an die Wand kleben …!“
„An die Wand?? Oh, Liebes, die gehen da gar nicht wieder ab!“
„Die sollen ja auch nicht abgehen!“
„Ja, aber irgendwann willst du sie vielleicht nicht mehr haben, wenn sie dir nicht mehr gefallen …“
„Ich finde die immer schön!“
„Ja, ich meine doch, wenn du dann älter bist!“
„Dann mag ich die immer noch ganz doll. Die großen Jungens fanden die ja auch immer noch schön!“
Dagegen soll erstmal einer etwas sagen …

Schluss.
Endgültig.
Bis zum nächsten Mal!

PS Denken Sie auch manchmal, dass Freundlichkeit ansteckt?

©Januar 2014 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.com

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Gwen … Flip-Flops und Meisenknödel

Herbst und die Nachmittagssonne am Mühlenteich - Oktober 2013
Heute Morgen schrieb sie, bei ihr daheim wären 55 Grad. Draußen! Nicht im Backofen. Da hatte sie wohl wider besseres Wissen angenommen, es gäbe auf der Welt nur die Messung in Fahrenheit und das F hinter dem Gradzeichen sei überflüssig.
Allerdings – schreiben wir eigentlich wirklich immer ganz penibel ein C dahinter?
Nun, wie dem auch sei, Gwen nimmt gern an, ich würde schon wissen, würde bestimmt amerikanisch reagieren.
Habe ich frühmorgens aber nicht!
Früh am Tag arbeitet lediglich ein Minimal-Warmlauf-Programm. Ich muss erst langsam auf Touren kommen! Da vergesse ich einfach die Entfernung, die zwischen uns liegt und auch etwaige Unterschiede bei den Maßeinheiten. Immer diese Feinheiten …
Bei mir hatte die Temperaturangabe eine kleine Atemstockung verursacht, gefolgt von einem ungläubigen Blick – anfangs aus dem Fenster und kurz danach auf das eigene Thermometer. Erst dann kamen die Erkenntnis (die amerikanische Reaktion in Form eines großen F, neonorange und blinkend) und das geräuschvolle Ausatmen.
Bei Gwen herrschen also um die 13 Grad Celsius – fast wie hier. Vielleicht drei oder vier zusätzliche Grade im Laufe des Tages – ebenfalls vergleichbar. Eben herbstlich.
Gwen hat immer innere Hitze. Diese Gradzahl wird bewirken, dass sie weiterhin ihre Flip-Flops für adäquat hält. Sie schwenkt eventuell langsam vom Spaghetti-Top auf ein T-Shirt um. Wollsachen sind bei ihr nur bei Minusgraden angesagt, Mützen sowieso verpönt. Sie könnte wahrscheinlich gut in der Arktis klarkommen. Gwen mit leichtem Anorak am Polarkreis. Gwen ohne Handschuhe. Gwendolyn schwitzend, wenn die Quecksilbersäule wieder aus der Minuszone herausschaut.
Warum ich es erwähne?
Gwen empfindet Kälte nicht am Körper, doch sie hat trotzdem das Gefühl für unterschiedliche Jahreszeiten. Welche Jahreszeit wann beginnt – dieses Gefühl, ihres (!), weicht wiederum von meinem ab. Wenn Sie meint, es sei Winter, friere ich – im Gegensatz zu ihr – zwar schon gelegentlich, nur ist bei mir im September trotz allem noch Herbst. Sie jedoch hat in diesem Monat bereits – ungeachtet ihrer aufsteigenden Hitze und der Flip-Flops – das Gefühl, der Winter käme nun über Nacht. Zack! Der Winter mit seinen Folgen.
Daher auch ihre Nachricht. Als Erinnerung.
Nur noch 55 Grad!
Oh, Gott! Es wird Zeit!
Ich habe vergessen zu erwähnen, dass auch unsere Vorstellung von dem, was angesichts der aktuellen Wetterlage in Kürze zu tun sei, sehr unterschiedlich ausfällt. Und hatte ich schon erzählt, dass Gwen mir bereits das erste Mal vor gut einer Woche schrieb? Sie meinte am vergangenen Montag, sie bräuchte jetzt dringend Meisenknödel für ihre Terrassenvogelschar sowieso sämtliche sonstigen herumfliegenden Gartenbesucher. Zu diesem Zeitpunkt war sie noch entspannt und wollte selbst welche kaufen.
Knödel. Nicht Vögel.
Eine weitere Nachricht kam vor vier Tagen. Gwen war am schwitzen. Diesmal vor Aufregung. Der Oktober hatte begonnen, und bei ihr gab es immer noch keine Fettfutterklöße zum Aufhängen!
Ich weiß nicht, was die sich hier dabei denken, doch offenbar sind denen die Vögel total egal …!
So hatte sie sich entrüstet geäußert. Ich hatte versucht, sie zu beschwichtigen.
Es sei noch sehr mild, und die Knödel träfen sicher bald ein …
Sie hörte gar nicht hin.
Die Vögel fänden garantiert weiterhin reichlich in der Natur …
Sie zweifelte das an.
Dann verriet ich ihr, dass Vögel bei mir so früh noch nie Fettfutter bekommen hätten. Überhaupt keine Zufütterung! Ich würde höchstens einmal kleine Obstfitzel auf der Terrasse vergessen oder verlieren, wenn ich draußen genussvoll einen Apfel kaute und aus dem Gebüsch nebenan neidvolle und vor allem penetrante  (Vogel-)Blicke wahrnehmen würde.
Gwen reagierte entgeistert. Ungläubig. Keine Knödel!
Sie sagte nicht direkt, ich sei geizig und grausam, aber es fehlte nicht viel. Gedacht hat sie es bestimmt, während sie einen Augenblick schwieg.
Im nächsten Moment erklang erneut ihr trauriges Stimmchen, dass sie gar nichts zu verfüttern hätte. Sie versuchte mir die Thematik und auch das Drama zu verdeutlichen. Ich müsste das doch verstehen. Der harte Winter in ihrer Region. Ihre „Kleinen“ würden verhungern!
Gwen lebt übrigens in Georgia. Einem der Südstaaten der USA. Deep South.
Nur in den Appalachen im Norden gibt es überhaupt Minusgrade oder Niederschläge, die als Schnee fallen!
Allerdings stammt sie ursprünglich aus einer kälteren Ecke der Staaten. Vielleicht verwechselt sie nun etwas.
Ich versuchte sie also zu verstehen.
Und sagen Sie selbst: Wer kann schon mit Sicherheit wissen oder es gar festlegen, wann für jemand anderen der richtige Zeitpunkt für dessen Tun oder Lassen gekommen ist?
Und kennen Sie etwa die Vögel in Georgia? Genauer, persönlich? Vielleicht kommen die tatsächlich ab Oktober ohne Unterstützung nicht mehr alleine klar!
Was ließ sich machen?
Sie meinte, die Knödel alternativ selbst herzustellen ginge auch nicht, weil das richtige Mischfutter dazu ebenfalls noch nicht erhältlich sei. Es klang verärgert, aber auch mitleiderregend kläglich.
Um den Elend ein Ende zu bereiten, erklärte ich mich bereit, hier in Deutschland nach Meisenknödeln zu schauen und ihr ggf. welche zu schicken. Als Notvorrat, falls in den nächsten Tagen im Süden Georgias Schneeverwehungen und Vereisungen einsetzten und sie – natürlich kurzärmelig wie immer – hinaus zum Füttern müsste.
Gwen schien erleichtert.

Mittlerweile war ich in den hiesigen Geschäften auf der Suche und wurde fündig. Zwischen den letzten Sommer-Sale-Angeboten und den ersten Tischen mit Lebkuchenherzen, Frostschutzmitteln und Streusalz, befand sich ein Ständer mit Vogelfutter aller Art – inklusive der begehrten Knödel im grünen Netz.
Ich schnappte mir einige Packungen und reihte mich in die Kassenschlange ein. Es dauerte ein bisschen. Hinter mir hörte ich irgendwann eine Stimme:
„Du, schau mal, es gibt schon Meisenknödel! Wir sollten auch welche mitnehmen. Jetzt ist bald Winter. Die Vögel brauchen doch was …!“
Ich schaute mich um. Ein Pärchen. Sie schickte ihn gerade los Richtung Futterständer. Sie trug ein Spaghetti-Top und hatte nackte Füße – in Sandalen zwar, aber ich möchte wetten, Flip-Flops hat sie auch.
„Kennen Sie Gwen?“, fragte ich.

Ich habe das Päckchen mittlerweile abgeschickt. Gwen hakte auch schon nach und schob etwas panisch hinterher, dass es in Wyoming geschneit hätte. Hätte Leah geschrieben.
Stimmt, ich habe es auch gelesen.
Doch Wyoming liegt – rein Richtung Norden gesehen – mehr als 800 Meilen (bzw. über 1300 km) oberhalb ihres Staates (es liegt natürlicher auch westlicher). Und Leah wohnt in den Bergen. Das ist jetzt etwa so, als würden Sie in Norddeutschland in Panik geraten und den Schneeschieber vor die Tür stellen, weil hoch in den Alpen ein weißer Zuckerteppich gesichtet wurde.

Ach, ich bin sicher, die Meisenknödel werden noch rechtzeitig ankommen.

Gwen ihrerseits findet übrigens, dass ich viel zu früh im Jahr Kerzen anzünde.
Ende September! Also wirklich! Das sei doch fast noch Sommer …

Ich mag Gwen.

©Oktober 2013 by Michèle Legrand
Michèle Legrand - Michèle. Gedanken(sprünge) @wordpress.com

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Jochen Ahlmann oder Das Wiedersehen im Bus

Bus, HamburgDie Woche hat uns wieder.
Nachdem es gestern thematisch ein bisschen ernster zuging und dies auf keinen Fall ein Dauerzustand werden soll, poste ich heute eine Geschichte, die zuerst auf Raoul Haagens Seite „Goodnewstoday.de“ erschien und die ein Teil meiner sehr frühen Twitter-Follower vielleicht kennt.
Sollten Sie sie noch nicht kennen oder aber noch einmal lesen möchten, dann haben Sie heute und  hier die Gelegenheit dazu! Es handelt sich um eine leicht geänderte Variante – nur als Hinweis für die Kenner.

Als kleinen Nachtrag kann ich Ihnen heute ergänzen, dass mir Jochen Ahlmann inzwischen ein weiteres Mal über den Weg lief. Und es gibt Neuigkeiten! Er ist Opa geworden! Im Alter von 51 Jahren! Vielleicht liest seine Enkelin irgendwann den Blogpost und erfährt so, wie ihr Großpapa früher einmal „drauf war“… ^^

Jochen Ahlmann oder Das Wiedersehen im Bus

Vor ein paar Tagen begegnete ich einem Menschen wieder, den ich sehr lange nicht gesehen hatte.
Das wäre in Kürze eigentlich schon die Geschichte, nur Jochen Ahlmann (der in Wirklichkeit anders heißt) ist ein Fall für sich, und es lohnt sich,  darüber etwas ausführlicher zu berichten.
Vor zig Jahren war dieser besagte Herr einer meiner Kollegen. Fachlich ein Ass, ansonsten ein Aas.
Manchmal.
Häufig.
Ziemlich oft!
Ein Mensch, der nicht bösartig war, aber der einen dennoch zur Verzweiflung bringen konnte, denn er hatte Phantasie.
Phantasie?
Ich höre Sie fragen: Ja, ist denn das nicht gut?
Ja, … aber – lautet meine Antwort  Es fängt doch bereits an anders zu klingen, nicht mehr so positiv,  wenn Sie beispielsweise jemandem eine blühende Phantasie bescheinigen.
Nun, Jochen Ahlmann hatte nicht nur die, er hatte einen ziemlichen Spleen, eine Macke der ganz besonderen Art.
Er brachte seine Mitmenschen dadurch in Verlegenheit und letztendlich bis zur Raserei, dass er anderen Sachen über seine werten Kollegen erzählte, die haarsträubend waren. Es war kein Mobbing – oh, nein! Er dachte sich „nur“ Märchen aus, machte gern aus uns harmlosen Mitstreitern Prominente. Er spielte vor wildfremden Menschen auf der Straße Theater, indem er ihnen das Blaue vom Himmel erzählte, vor-phantasierte.
Haben Sie noch immer keine genaue Vorstellung?
Ich gebe Ihnen Beispiele, was er z. B. mit mir oder aus mir machte:
Ich habe, dank französischer Vorfahren einen französischen  Vor- und auch Familiennamen (bzw. Mädchennamen). Er ist rein vom Klang her identisch mit dem Namen eines berühmten französichen Komponisten. Er komponierte Filmmusik für z. B. Thomas Crown ist nicht zu fassen oder Die Regenschirme von Cherbourg.
Jochen Ahlmann erzählte anfangs allen Leuten, ich sei die Komponistin. Viele Deutsche kannten nicht den Unterschied zwischen der männlichen und der weiblichen Form des Namens. Als die ersten dennoch stutzten, wandelte er es kurzerhand ab und behauptete in leicht abgeschwächter Form, ich sei eben die Tochter. Die Leute erfuhren, dass ich vor kurzem einen César gewonnen hatte und die Filmindustrie sich um mich riss.
Es ist schwer, andere von so etwas wieder abzubringen, wenn sie es einmal glauben!
Auf der Straße  lief er in der Pause hinter mir her und rief verzückt:
„Nein! Sie – hier? Ein Foto bitte!“
An der Bushaltestelle verriet er Leuten, die ebenfalls in der Schlange warteten, wie klasse er es fände, dass ich trotz des Ruhms so bodenständig geblieben wäre und immer noch den Bus nähme, mit dem auch die kleinen Leute führen.
Für einen algerischen Kunden meiner Firma hatte ich einmal ein Effektgerät für sein privates Hobby – das E-Gitarre spielen – besorgt. Eines, das er überall gesucht und nirgends gefunden hatte. Der Mann spielte in einer kleinen Band in Oran/Algerien. Als Musiker war er sehr happy gewesen und rief ab und zu auch außer der Reihe an.
Was machte Jochen Ahlmann daraus?
„Es gibt da eine Superband in Nordafrika, die steht kurz vor dem Durchbruch zur Weltkarriere, und sie (ich) hat ihnen dazu verholfen! Sie hat intensiven Kontakt. Wahrscheinlich wird sie  jetzt als Managerin engagiert.“
Ein anderer Kunde aus Tunesien hatte sich angewöhnt, mir immer kurz vor Weihnachten eine Kiste Datteln als Dank für eine Gefälligkeit zu senden. Die Frau des Kunden war einst mit auf Geschäftsbesuch in Deutschland  gewesen und hatte erbärmlich gefroren in ihren dünnen Sachen. Ich gab ihr damals meine Strickjacke, schnappte sie mir und ging anschließend mit ihr shoppen.
Jochen Ahlmann:
„Sie hat diplomatische Beziehungen zum nordafrikanischen Lager, geht im Präsidentenpalast ein und aus und bekommt ständig  extrem wertvolle Präsente per Kurier.“
Wenn ich mittags in einem Tchibo-Depot einen Kaffee trank, tauchte er mit Vorliebe dort auf und bat um ein Autogramm oder fragte lautstark: „Wann ist denn ihr nächstes Konzert?
Oder säuselte auch gern:
„Ach, wie ich Sie beneide, dass Sie mit Pierce Brosnan einen Film drehen!“

Ich glaube, Sie haben nun eine Vorstellung von Jochen. Dem Mann, der ein extra-haftendes, übergroßes Pflaster vor den Mund geklebt gebraucht hätte,  gesichert mit Paketband – einmal rund um den Kopf  und zusätzlich angetackert – nur für alle Fälle!

Kommen wir zurück zur eigentlichen Geschichte.
Vor ein paar Tagen fuhr ich mit dem Bus in die Innenstadt. Mit dem Auto macht das wenig Sinn – Sie haben nur Stress und Parkplatzsorgen.
Ich saß auf der rechten Seite allein auf einer Zweierbank –  etwa in der Mitte des Busses – und träumte so  vor mich hin. Irgendwann hörte ich eine Stimme, die mich aufblicken ließ. Beim Fahrer vorne stand ein Herr mit schütterem Haar und Brille. Er war nicht ganz schlank und heftig mit dem Fahrer in eine Diskussion über den Fahrpreis verwickelt.
Ich schaute wieder weg. Es war wohl doch keiner, den ich kannte …
Die Unterhaltung ging weiter, und auf einmal war ich völlig sicher: Egal, wie der Mann dort von der Seite aussehen mochte, es musste  Jochen Ahlmann sein. Diese Stimme hatte kein Zweiter!
HILFE!
Ich sank automatisch etwas tiefer in mein Sitzkissen.
Hatte ich eine Sonnenbrille dabei, eine Zeitung, eine Mütze? Irgendetwas zum Verstecken, Verkleiden, Verschwinden?
Nein, ich war ausgeliefert! Meine einzige Hoffnung war, dass er mich nicht wiedererkannte. Es war immerhin viel Zeit seit dem letzten Mal vergangen – auch ich sehe mittlerweile anders aus.
Der Bus fuhr an, und Jochen Ahlmann schob sich, auf der Suche nach einem freien Sitzplatz, durch das schwankende Fahrzeug.
Ich schaute mich um. Mist, nicht viel frei!
Meine Chancen, unerkannt zu bleiben, sanken. Er kam immer näher, den Blick irgendwann auch auf mich gerichtet. Er blieb stehen, stutzte und schaute mich prüfend an. Schaute weg, schaute wieder hin, und plötzlich überzog sein Gesicht ein einziges breites Grinsen. Er blickte erneut in die Runde und es schien, als schätze er sein Publikum ab. Dann stellte er sich vor mir auf und rief überschwänglich:
„Sie! Sie – hier? Ich glaube es nicht!“
Meine Augen schossen Blitze ab, ich wurde augenblicklich stocksteif,  alles in mir drückte  Abwehr aus!
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. In diesem Moment wurde aus dem etwas durchtriebenem Grinsen ein einfach nur spitzbübisches Lächeln und Jochen Ahlmann sagte:
„Hi, Michèle, ich bin’s, Jochen, schön dich zu sehen. Du kennst mich doch noch? Ich bin übrigens geheilt jetzt. Ich musste mit all dem Zeugs aufhören, sonst hätte ich nie ’ne Frau gefunden!“

Ich gebe es zu, ich war am Anfang misstrauisch, ungläubig. Doch wir haben am Rathausmarkt noch einen Kaffee getrunken – es kam tatsächlich zu keinem Rückfall. Bravo, Jochen!

Und was lehrt uns das jetzt, liebe Leser?

Es ist nicht an uns, die Menschen zu verändern, das wäre vermessen. Aber es ist an uns, stets Hoffnung zu haben, dass sie es selbst tun!
Manche schaffen es, und das ist die positive Botschaft der ganzen Geschichte.

©November 2010 by Michèle Legrand

 

 

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