Wind Nordost, Startbahn 03 …

Hochsommer. Echt? Für länger?
Anlässlich eines Exklusivinterviews erklärte das Wetter gestern lässig, es hätte sich um ein Versehen gehandelt. Die Hitze wäre durch das vorwitzige Vorbeilugen eines heißblütigen Sommerzwischenhochs entstanden. Eines kurzen. Ganz kurz geraten ist es.  Zumindest hier im Norden. Minirockkurz. Handbreit.
Schwups, da bin ich! Ciao, da war ich. Und weg. Tief übernimmt.

Ich habe am ersten Tag – dem zögerlichen Beginn des kurzen Sommerintermezzos in Hamburg – jemanden zum Flughafen begleitet und bin nach der Verabschiedung noch ein Weilchen auf der Aussichtsterrasse geblieben. Bei tiefblauem Himmel und strahlendem Sonnenschein!

Flughafen Hamburg - Terminal 1

Flughafen Hamburg – Terminal 1

Wenn Sie im Terminal 1 die Treppen nach oben nehmen, kommen Sie – durch Restaurants hindurch – zu diesem Aussichtsplatz. Auf der dort oben angelegten Terrasse befinden sich zahlreiche Holzbänke parallel zu einer langen und recht hohen Glaswand. Ob nun direkt mit plattgedrückter Nase an dieser Wand stehend oder von den begehrten Bankplätzen aus beobachtend – Sie haben wirklich einen guten Blick auf das Geschehen auf dem Rollfeld und auf Teile der Start- bzw. Landebahn.
Mir fällt gerade ein: Ich war einmal bei Schietwetter dort! Es hatte auch seinen Reiz!
Wenn der Wind pustet und Gischt über Rollfeld und Bahnen fegt, die Maschinen aus diesem feinen Nebel auftauchen und in die Schwaden wieder verschwinden …
Man muss da draußen an einem solchen Tag lediglich die Haare festhalten.
Ehrlich gesagt, am besten ist es, die Frisur generell abzuschreiben.
Kapuzen sind gut. Hüte schlecht. Schirme auch.
Doch solch ein Wetter am Flugplatz hat was. Definitiv.

Flughafen Hamburg - Mit Pegasus nach Istanbul ...

Flughafen Hamburg – Mit Pegasus nach Istanbul …

Bei diesem Besuch allerdings aalten sich die Besucher genüsslich in der Sonne, picknickten nebenher oder warteten – je nach Temperament mehr oder weniger geduldig – auf bestimmte Ankünfte oder Abflüge. Ein Elternpaar mit zwei Kindern fieberte dem Eintreffen der Großeltern mit einer Maschine aus Stuttgart entgegen. Zumindest die Kinder fieberten unruhig. Es gab daraufhin Eis zur Überbrückung der Wartezeit. Mutter und Nachwuchs holten es. Frage des Vaters an den jüngeren Sohn bei dessen Rückkehr:
„Warum nimmst du denn heute das Eis am Stiel? Ich denke, du magst lieber Eiskonfekt?“
„Dann muss ich nichts abgeben“, lautete die Antwort des Sprösslings …

Flughafen Hamburg - Aussichtsterrasse

Flughafen Hamburg – Aussichtsterrasse

Flughafen Hamburg - Spieß umgedreht_ Die Dohlen betrachten die Menschen im Gehege ...

Flughafen Hamburg – Spieß umgedreht: Die Dohlen betrachten die Menschen im „Gehege“ …

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergeht, aber mich überkommt beim Anblick von startenden Flugzeugen – besonders solchen mit mir äußerst genehmen Reisezielen – immer das große Fernweh. Dann könnte ich auf der Terrasse spontan mein Handtäschchen schnappen und unten gleich einchecken. Für einen Kurztrip. Ich käme bald darauf wieder zurück. Heimweh …
Gedanklich bin ich dieses Mal mit nach Lissabon aufgebrochen.

Flughafen Hamburg - Auf dem Weg zur Startbahn. Die Iren mit der Harfe am Heck. Heutiges Ziel: Lissabon

Flughafen Hamburg – Auf dem Weg zur Startbahn. Die Iren mit der Harfe am Heck. Heutiges Ziel: Lissabon

Auch eine Maschine der Icelandair traf gerade ein, die hat mich – salopp gesagt – ziemlich angemacht. Gerade bei der Wärme wirkte der große weiße Vogel mit dem leuchtend gelb-blauem Heck höchst anziehend. Zugleich erfrischend! Reykjavik im Juni ist von den Temperaturen her durchaus interessant …
Island. Oder doch lieber Irland?
Ich erinnere mich an ein Gespräch, dass ich vor längerem mit einem Grundschüler hatte. Im Supermarkt in der Schlange vor der Kasse. Es ging zunächst um eine Packung irische Butter, die im Einkaufswagen lag. Genauer gesagt um die Kuh von Kerrygold. Sie führte zu einer intensiven Unterhaltung über Irland, die Kühe und die Iren. Und weil die Länder ähnlich klingen, kam die andere Insel, Island, mit ins Gespräch. Ob es da auch Kerrygold …? Nein, aber Trockenfisch … usw.
Alles lief gut und flüssig, sämtliche aufkommenden Fragen konnten zufriedenstellend geklärt werden. Nur eine brachte mich ins Schwitzen: Erklären Sie mal einem aufgeweckten, neugierigen Kind, warum es Iren, aber nicht Isen heißt … Schwierig!

Enorm, was alles um so eine Boeing herumwuselt nach einer Landung …

Flughafen Hamburg - Die Boeing 757-200 der Icelandair ist gerade eingetroffen ...

Flughafen Hamburg – Die Boeing 757-200 der Icelandair ist gerade eingetroffen …

Danach verguckte ich mich in die Maschine der Schweizer Fluggesellschaft Edelweiß. Nach Zürich wäre ich ebenfalls ohne Zögern zugestiegen …

Flughafen Hamburg - Edelweiß - Ankunft aus Zürich ...

Flughafen Hamburg – Edelweiß – Ankunft aus Zürich …

Kennen Sie die Flugzeuge von Norwegian, der skandinavischen Fluglinie? Deren Hecks sind mit den Portraits berühmter Norweger verziert. Ihnen begegnen als „Tail Heroes“ z. B. Fridtjof Nansen, Greta Garbo, Henrik Ibsen, Edvard Munch und andere. Einige der Maschinen haben auch dänische oder schwedische Helden aufgesprüht bekommen.
Am Donnerstag rollte die Maschine langsam auf die Terminals zu, und ich erkannte aus größerer Entfernung lediglich einen Kopf mit Fellmütze, was mich dazu verleitete, den Flieger zunächst für die Maschine einer russischen Fluggesellschaft zu halten.
Nichts da! Aus dem hohen Norden, und das Heck zeigt den schwedischen Künstler (Maler, Innenarchitekten) Carl Larsson. Die Fellmütze hatte arg getäuscht.

Flughafen Hamburg - Die Maschine der Norwegian mit einem ihrer "Heroes" am Heck ...

Flughafen Hamburg – Die Maschine der Norwegian mit einem ihrer „Heroes“ (Carl Larsson) am Heck …

Sixt, die Autovermietung, hat hier ihre Werbung immer an den Fingern. An diesen Schläuchen, die Flugzeug und Terminal verbinden. Damit die Passagiere hindurchlaufen können statt dass sie Ministücke mit dem Bus über das Rollfeld transportiert werden müssen. Sixt hat Botschaften, die sehr kurz gehalten sind. Wortbotschaften. Sie zeigen den Unterschied zwischen dem, was einem im Flugzeug erwartet (oder was das Flugzeug benötigt) und dem, was das sagenhafte, unwiderstehliche, megacoole Fahrzeug von dieser Firma hat, bietet oder kann. In großen Buchstaben prangt Ihnen Tomatensaft (Flugzeug) versus Pfeffer (Auto) entgegen, Flieger versus Überflieger oder auch Kerosin versus Adrenalin.
Adrenalin! Unter uns: Es sind Autos! Und die sind auch nicht anders als andere …

Flughafen Hamburg - Sixt hat immer außen an den Schläuchen  seine Werbung ...

Flughafen Hamburg – Sixt hat immer außen an den Schläuchen seine Werbung …

Flughafen Hamburg - Icelandair ist wieder abflugbereit und rollte Richtung Startbahn ...

Flughafen Hamburg – Icelandair ist wieder abflugbereit und rollt Richtung Startbahn …

Nun, man kann nicht ewig dort bleiben. Eine Zahnbürste hatte ich nicht dabei, so siegte die Vernunft. Ich bin nicht in den Abflugbereich gelaufen, um die nächste Maschine zu entern, sondern stattdessen Richtung S-Bahn geschlendert, um direkt von der Haltestelle Hamburg Airport (Flughafen) aus wieder heimzufahren.

Flughafen Hamburg - Auf dem Weg zur S-Bahn  "Hamburg Airport (Flughafen)"

Flughafen Hamburg – Auf dem Weg zur S-Bahn „Hamburg Airport (Flughafen)“

Flughafen Hamburg - S-Bahn Haltestelle "Hamburg Airport (Flughafen)"

Flughafen Hamburg – S-Bahn Haltestelle „Hamburg Airport (Flughafen)“

Der Zug startet zunächst im Tunnel, taucht jedoch nach einer Weile wieder aus der Dunkelheit auf. Aus dem Fenster sah ich einen schlanken Flieger, der im Sonnenlicht glitzerte und gerade an Höhe gewann.
Ich fliege nicht oft, bin jedoch unheimlich gern über den Wolken. Es ist himmlisch – sozusagen. Ich liebe das Gefühl der Beschleunigung auf der Startbahn (Adrenalin eher dort – sorry, liebes Sixt-Werbeteam) und den anschließenden Moment des Abhebens der Räder. Den Blick hinunter auf die kleiner und kleiner werdenden Gebäude, Menschen, Straßen, die Landschaft. Und ich liebe die Aussicht darauf, bald aus Wolken aufzutauchen und plötzlich im strahlenden Licht über einen fluffigen Watteteppich zu schweben.

Heute gibt es allerdings überhaupt keine Wolken.
Träumen lässt sich trotzdem.
Und mitsummen.

„Wind Nordost, Startbahn 03 …“

Schönen Sonntag!

© by Michèle Legrand, Juni 2015
Michèle Legrand

, , , , , , , , ,

  1. #1 von trina59 am 07/06/2015 - 11:08

    Für ein paar Minuten war ich mit Dir auf dem Flughafen, habe ihn ganz anders erlebt als ich es als Reisende oder Abholende tue. Es ist schon ein faszinierender Ort!

    Gefällt 1 Person

    • #2 von ladyfromhamburg am 07/06/2015 - 15:09

      Der Betrieb draußen auf dem Rollfeld und das Abfliegen und Landen der Maschinen vermitteln ein völlig anderes Gefühl als ein Aufenthalt im Terminal, das bekannte Prozedere rund ums Einchecken oder auch die Warterei auf Koffer. (Verabschiedung und Begrüßung lösen natürlich auch Gefühle auch – jedoch komplett andere). Erst diese Mischung aus dem Anblick abhebender Flieger, dem Geräusch aufheulender Triebwerke und dem Blick gen Himmel löst massives Fernweh aus …
      Ich danke dir für deinen Kommentar!
      LG Michèle

      Gefällt 1 Person

  2. #3 von kowkla123 am 07/06/2015 - 13:16

    danke für deine Infos aus Hamburg, liebe Grüße, Klaus

    Like

  3. #6 von Ahlrich Sangen-Emden am 07/06/2015 - 16:30

    Danke schön für die Geschichte, Michèle! Als ehemaliger Flieger packt mich da sofort wieder das Verlangen mal wieder das Ruder in der Hand zu haben! Liebe Grüße Ahlrich!

    Like

    • #7 von ladyfromhamburg am 07/06/2015 - 20:35

      Bei einem (Ex-)Piloten kommt also sofort die Lust wieder abzuheben durch, bei einem Nichtcockpittauglichen spontan die Lust mitzufliegen. Interessant! Sag mal, das ließe sich doch irgendwie kombinieren …!^^
      Danke für deine Zeilen!
      LG Michèle

      Gefällt 1 Person

      • #8 von luentje am 08/06/2015 - 18:12

        Das liesse sich durchaus kombinieren, Michèle! Ich müsste vorher nur ein wenig üben! Nicht, dass es dir zu wackelig wird!^^
        LG Ahlrich

        Gefällt 1 Person

  4. #9 von khecke am 07/06/2015 - 21:21

    Was fuer ein schoener einfuehlender Bericht vom Hamburger Flughafen Fuhlsbuettel – oder heisst er heute nicht mehr so?
    Wie oft habe ich anfangs und mitte der 50iger Jahre im „Aussichtsgarten“ des Hamburger Flughafens gestanden und habe das Fernweh ueber mich ergehen lassen indem ich den damaligen Propellermaschienen bei dem Betrieb des Starten und Landens – Entladung und Beladung der Passasiere und deren Gepaeck zugesehen und mich gefragt, wann es bei mir eines Tages so weit sein wird.
    Ich glaube, es war so um mitte der 50iger Jahre, als Lufthansa nach dem Krieg wieder ihre ersten Maschienen einsetzen konnte und auch von Hamburg aus.

    Der Tag fuer mich kam dann, als ich am 28. Juni 1957 meine erste Flugreise mit einer DC7 der Pan Am von Hamburg ueber London nach New York City bei meiner Auswanderung machte. Es waren 3 Passagier und 4 Stewardessen im Flugzeug von Hamburg nach London und ich war der enzige deutsche Fluggast. Die eine Stewardess setze sich sogar eine Zeit neben mich, um sich mit mir zu unterhalten. In London wurde die Maschiene bis auf den letzten Sitz voll. Neben mir sass eine huebsche junge Dame mit ihrer Mutter und diese junge Dame erzaehlte mir schon viel ueber Amerika.
    Den naechsten Morgen kamen wir auf Idlewild – heute nennt sich der Flugplatz Kennedy in New York City an. Spaeter ging es dann von dem Flugplatz La Guardia nach Chicago Midway Airport mit United Air Lines weiter.
    Mit dieser Reise war mein Fernweh fuer immer verschwunden. In spaeteren Jahren bin ich nur selten nach Hamburg geflogen und war deshalb sehr interessiert an Deinen Bildern, wie sich der Hamburger Flugplatz veraendert hat. Frueher ging da auch keine S-Bahn hin.
    Wenn ich heute nach Deutschland fliege, komme ich fast ausschliesslich in Frankfurt an.

    Gefällt 1 Person

    • #10 von ladyfromhamburg am 07/06/2015 - 22:13

      Hallo Karl-Heinz,
      ich danke dir herzlich für deinen ausführlichen Kommentar und die Eindrücke vom Flughafen aus früherer Zeit!

      Um auf deine Frage hinsichtlich des Namens zurückzukommen: der Flughafen Hamburg heißt heute offiziell Hamburg Airport. Er ist aber bei den Alteingesessenen immer noch unter dem Namen Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel im Gespräch. Die S-Bahn war eine lange und schwierige Geburt. Man hatte ja sehr lange mit dem Gedanken gespielt, den Flughafen generell aus der Stadt zu verbannen und nördlich von Hamburg auf schleswig-holsteinischem Gebiet bei Kaltenkirchen anzusiedeln. Dann hätte man eine Schnellbahn zum alten Standort gar nicht erst bauen müssen … Die Kaltenkirchen-Pläne wurden verworfen, und Ende der 80er Jahre nahm man die Planungen wieder auf. Trotz allem fährt die S-Bahn erst seit Dezember 2008. Eine tolle Verbindung! Man ist superfix dort! Seitdem lasse ich sehr oft das Auto daheim.

      Ich erinnere mich noch an einen Schulausflug zum Flughafen Anfang der 70er Jahre. Damals sahen wir tatsächlich noch eine Super Constellation!
      Und du bist also damals mit einer DC7 auf deine lange Reise in die neue Heimat gegangen. Drei Passagiere, vier Stewardessen? Das ist aber ein sehr vorteilhafter Personalschlüssel. ^^
      Die junge Dame, die dich schon ein bisschen über Amerika in Kenntnis gesetzt hat – war sie selbst Amerikanerin oder auch aus Deutschland, wie du? War sie trotz ihrer Jugend schön häufiger in den USA gewesen?

      Es freut mich, dass du gern hereingeschaut hast und einen kleinen Eindruck von einigen Stellen des heutigen Hamburger Flughafen gewinnen konntest.
      Liebe Grüße!
      Michèle

      Gefällt 1 Person

  5. #11 von finbarsgift am 08/06/2015 - 08:58

    Fliegen heutzutage, das ist so einfach wie zum Essen ausgehen…
    liebe Morgengrüße
    vom Lu

    Like

    • #12 von ladyfromhamburg am 09/06/2015 - 17:09

      Das stimmt wohl, Lu. Doch auch wenn es üblich und nicht besonders ist: Es ist ein etwas anderes Gefühl, wenn man gezielt mit Ticket zum Flughafen marschiert und abfliegt, als wenn man draußen steht, keine Ticket hat und den Flieger losdüsen sieht …^^

      Einen lieben Gruß auch zurück!
      Michèle

      Like

      • #13 von finbarsgift am 09/06/2015 - 17:21

        Klaro, Michèle, ein kleiner Unterschied besteht schon zwischen jemandem zusehen, wenn sie Spaghetti isst und solche mit leckerer Soße selbst essen *g*
        Herzliche Grüße vom Lu

        Like

  6. #14 von ernstblumenstein am 11/06/2015 - 10:57

    ich habe deinen Bericht mit zunehmendem Fernweh lesen müssen…
    Hab Dank, herzlich Ernst

    Like

    • #15 von ladyfromhamburg am 14/06/2015 - 13:56

      Danke für deinen Besuch, Ernst. Ich hoffe, das Fernweh hat dich nicht zu sehr übermannt bzw. mittlerweile wieder etwas nachgelassen. Oder passt es gerade? Ist Urlaub in Sicht?

      Liebe Grüße
      Michèle

      Like

  7. #16 von kowkla123 am 13/06/2015 - 13:08

    liebe MIchelle, danke für die schönen Bilder, wünsche schönen Samstag, Klaus

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen (Hinweise zur Prüfung von Spam-Kommentaren und Speicherung der IP-Adresse: siehe Datenschutzerklärung)

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..